Sprüche Salomonis 12.22
Der Rostocker Professor Benedict hat Ende März 2025 im Cicero einen Artikel veröffentlicht, der in mehrfacher Hinsicht interessant ist. Zunächst der Titel: „Epistemisches Unrecht - Warum Juristen bei der Aufarbeitung der Corona-Politik versagen“. Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Privatrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie an der Universität Rostock. Eine gerupfte Juristische Fakultät zwar, aber wozu braucht man sowas überhaupt, wenn es nicht nützlich ist.
Auf den ersten Blick geht es darin um den Amtsrichter Christian Dettmar, der in einer einstweiligen Anordnung vom 8. April 2021 zwei Schulen in Weimar untersagte, die Schüler diversen Einschränkungen auszusetzen (Gesichtsmasken, Mindestabstände, Schnelltests).
„Es war vermutlich der am gründlichsten vorbereitete und am ausführlichsten begründete Beschluss, der von einem Familiengericht in einem Verfahren zum Schutz des Kindeswohls gem. § 1666 BGB jemals erlassen wurde. 192 Seiten, inklusive dreier Gutachten von Sachverständigen, die klarstellten, dass Kinder ‚durch die Pflicht, während der Schulzeit Gesichtsmasken zu tragen und Abstände untereinander und zu weiteren Personen einzuhalten, in ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Wohl gefährdet‘ werden...
Die Entscheidung schlug ein wie eine Bombe. Ein Amtsrichter wagte es, den Widerstand gegen die Grundannahmen der Corona-Politik in einer klaren juristischen Form zu artikulieren. Nein, es ging nicht um ein bisschen juristische Kosmetik… Nein, in Weimar wurde Fundamentalkritik an der epistemischen Hysterie im Ganzen formuliert: Die Maßnahmen sind nicht nur ein bisschen unverhältnismäßig, sie sind nicht nur vielleicht ungeeignet, nein, sie sind im Gegenteil sogar schädlich; schädlich für das ‚geistige, körperliche und seelische Wohl‘ von Kindern...
Es waren die Kinder, die besonders unter den Maßnahmen litten. Aber in einer Zeit, die Kinder als ‚Ratten‘, ‚Halbmenschen‘ und ‚Superspreader‘ enthumanisierte, in so einer Zeit bleibt wenig Platz für eine detaillierte 192-seitige evidenzbasierte Betrachtung des Kindeswohls. Darüber hinaus konnte jeder... erkennen, dass es bei dieser Entscheidung aus Weimar um das geistige, körperliche und vor allem das seelische Wohl nicht nur der Kinder, sondern der Gesellschaft als Ganzes ging.“
Das ist der interessantere Punkt. Aber das Zitat wirkt so etwas kryptisch, also liefern wir den Kontext nach:
„Unendlich viel Unsinn wurde als Wahrheit vorgetragen. Aber kaum eine Lüge war so perfide wie die Gleichsetzung von Kindern mit Ratten und die stete Assoziation von Corona mit der Pest. In dieser Richtung konnte gar nicht genug übertrieben werden:
‚Was die Ratten in der Zeit der Pest waren, sind Kinder zurzeit für Covid-19: Wirtstiere. Ständig infizieren sie sich mit irgendwelchen Viren, und was machen die unverantwortlichen kleinen Halbmenschen dagegen? Nix!‘
So lautete die todernst gemeinte Impfpropaganda eines reichweitenstarken Agitprop-Satirikers; denn ‚geimpft, geboostert sind die wenigsten, die kleinen Querdenker‘. Kinder: ‚schlimmer als Aluhutträger‘ und natürlich ‚unverantwortlich‘.
Die Angst erzeugenden Erzählungen von der tödlichsten Pandemie seit der ‚Spanischen Grippe‘ und dem völligen Ausgeliefertsein aufgrund der kaum vermeidbaren ‚asymptomatischen Ansteckung‘ verdichteten sich zu dem perfiden Epistem, wonach neben den ‚Ungeimpften‘ die Kinder als besondere ‚Treiber der Pandemie‘ ausgemacht wurden.
Schulschließungen, durchgängiges Maskentragen und strenges Testregime setzten Eltern und Kinder ebenso unter Druck wie die Zumutungen von Schuldzuschreibungen, wenn die in den Heimen eingesperrten Omas und Opas nicht an Einsamkeit, sondern mit einem positiven PCR-Test starben.“
Wie ging es nun weiter mit dem Amtsrichter Dettmar?
„Die Staatsgewalt richtete sich gegen Richter Dettmar, weil er die Episteme, die den beanstandeten Maßnahmen zugrunde lagen, erschütterte. Für einen Moment hatte die Möglichkeit bestanden, innezuhalten und über die Grundannahmen der politischen Maßnahmen auf der Grundlage der fundierten Gutachten der Sachverständigen nachzudenken. Doch der Jurisprudenz fehlt nach Kant das Gehirn, Recht von Unrecht zu unterscheiden, und für die Politik läuft es speziell im Ausnahmezustand nur noch auf den einfachen Dualismus von Freund und Feind hinaus.“
Und so wurde der Richter als „Querdenker-Richter“ erkannt und in den Schmelztiegel der Hexenjagd gestoßen: Hausdurchsuchungen, Disziplinarverfahren, Suspendierung, ein zermürbender Strafprozess und an dessen Ende wurde Christian Dettmar zu zwei Jahren Gefängnis (auf Bewährung), Berufsverlust und Verlust der Pensionsansprüche verurteilt. „Die Zerstörung einer Existenz. Welcher Richter wollte jetzt noch wagen, staatlich verkündete Wahrheiten juristisch zu hinterfragen?“
Der Autor bezweifelt danach den Sinn des Rechtsbeugungsparagraphen in der jetzigen Form: „Denn bereits die Strafnorm, aufgrund derer der Familienrichter angeklagt und schließlich verurteilt wurde (§ 339 StGB), ist geradezu der Prototyp einer Tautologie: ‚Rechtsbeugung begeht … wer das Recht beugt.‘ Ein derart offener Straftatbestand gibt Anlass zu ernsten rechtsstaatlichen Bedenken. Entweder die Norm geht davon aus, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte schon wissen werden, was Rechtsbeugung sei, oder man kann darunter jede juristische Unbotmäßigkeit subsumieren. Letzteres ist im Fall Dettmar geschehen.“
Die Klimax finden wir bei der vorsitzenden Richterin des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof. Die hat nämlich am 20. November 2024 die mündliche Urteilsbegründung in dem Revisionsverfahren offensichtlich sehr selbstgewiß und medienwirksam vorgetragen: „Sie hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und im Kern klargestellt, dass es nicht darauf ankomme, ob Richter Dettmar in der Sache Recht hatte, weil eine wissenschaftliche Basis für Schulschließungen, Test- und Maskenpflichten tatsächlich nicht bestehe. Die ‚materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung‘ – so die juristisch präzise Formulierung – spiele für die Frage der Strafbarkeit keine Rolle (sic!).
Wegen einer Beugung des Rechts kann demnach verurteilt werden, wer eigentlich das Recht wieder aufrichtet, während es gebeugt am Boden liegt. Und dass Bundesrichter, die selbst tief in den Epistemen der Zeit befangen sind, stattdessen ernsthaft den Vorwurf der Befangenheit zum maßgeblichen Tatbestand einer Rechtsbeugung erheben, verdeutlicht, auf welchem intellektuellen Stand die höchste deutsche Justiz ihre Urteile spricht.“
Richter Dettmar habe gegen die „richterliche Unabhängigkeit“ und „Unparteilichkeit“ verstoßen – so der in den § 339 StGB hineingelesene Vorwurf seines Verbrechens. „Doch welcher Richter hätte mehr ‚Unabhängigkeit‘ bewiesen als er?“ Der Autor zitiert danach Walter Ulbricht von 1958: „Unsere Richter müssen begreifen, dass der Staat und das von ihm geschaffene Recht dazu dienen, die Politik von Partei und Regierung durchzusetzen.“
Juristen sind nicht wahrheitsorientiert, lernen wir gerade. „Auch Juristen sind nur Menschen, und sie verinnerlichen die offiziell verkündeten Episteme der Zeit.“ Auch folgten sie der „reinen Rechtslehre“, wonach jeder beliebige Inhalt Recht sein kann und es gerade das Kennzeichen einer echten juristischen Qualifikation ist, sich nicht mit fachfremden Fragen, etwa der Mikrobiologie, Virologie oder Epidemiologie, befassen zu müssen.“
Das ist die positivistische Variante der Rechtstheorie. Und man fragt sich natürlich, was dann den Richtern im 3. Reich vorzuwerfen wäre. Aber Logik und Vernunft werden sowieso überschätzt.
„Das epistemische Unrecht schmilzt jedes Bewusstsein für Rationalität gemeinsam mit der bis eben noch bestehenden zivilen Normalität vollständig ein.“
„Wenn demnach Juristen gar nicht in Erwägung ziehen, dass die Episteme des Rechts falsch sein könnten, und es ihnen demnach egal ist, ob es vielleicht auch ernstzunehmende Wissenschaftler gab, die eine ganz andere Auffassung zur Gefährlichkeit des Virus oder zur epidemiologischen und medizinischen Nützlichkeit von Lockdowns, PCR-Tests, Isolationen, Masken, 2G-Regeln und mRNA-Impfungen vertreten, dann muss es nicht verwundern, dass die Episteme der Pandemie an den deutschen Gerichten tatsächlich ‚nie hinterfragt‘ wurden.“
Das epistemische Unrecht, die Verweigerung, die Tatsachengegründetheit oder schlicht die Wahrheit, auch nur ernstnehmen zu wollen, das kann man so nennen, auf jeden Fall ist es ein deutlicher Indikator für die seelische Verdorbenheit dieser Zeit.
Nun mag man mit Pilatus fragen: Quid est veritas? Aber dann könnte man auch genausogut jede medzinische Forschung aufgeben. Wer die Wahrheit für belanglos hält, erkennt nur die Macht als real an.
Neben den Kindern habe in der Zeit des Corona-Maßnahmenstaats nichts so sehr gelitten wie das Vertrauen in eine wahrhaftige und vertrauenswürdige Funktion der politischen Institutionen. Mißtrauen und Spaltung seinen die neue Normalität“ die mit der rigorosen Unterdrückung anderer Meinungen einherginge. Von der Erfindung einer „Delegitimierung des Staates“, dem Kampf gegen vermeintliche „Desinformation“ , „Querdenker“ oder „Verschwörungstheoretiker“. Man schließt aus, markiert, überwacht, verfolgt.
Zurück zum Aufsatz und in die Mitte der Corona-Debatte: „Täglich und stündlich wurde Gericht gehalten, in den offiziellen Foren der Medien-Öffentlichkeit. Die Angeklagten waren schnell ausgemacht: die ‚Schwurbler‘, ‚Querdenker‘, ‚Coronaleugner‘, „‘Covidioten’ oder welche Begriffe zur Etikettierung der Ungehorsamen sonst noch gefunden wurden. ‚Mehr Diktatur wagen!‘, forderten dementsprechend Protagonisten der ‚neuen Normalität‘, und die repressive Exekutive entdeckte die ‚Delegitimierung des Staates‘ als neue Kategorie zur Überwachung und Reinhaltung des Diskursraumes. Verfolgt wurden nun alle, die die offiziell verkündeten und rechtlich sanktionierten Episteme anzweifelten: die Maßnahmenkritiker, die Maskenverweigerer und natürlich die ‚Ungeimpften‘.“
„Das Vertrauen in den Rechtsstaat schmolz in der ‚neuen Normalität‘ zu einem blinden Vertrauen in die Expertise des Maßnahmenstaats.“ „Es gab keine Gewaltenteilung, keine gerichtliche Kontrolle der Exekutive. Der Gleichschritt der drei Gewalten gehörte zur neuen Normalität. Und das bedeutete vor allem eines: Es gab keine rechtliche Überprüfung der den Maßnahmen zugrundeliegenden Episteme.“
Ich denke, in der Corona-Zeit hat sich diese Gesellschaft zur Kenntlichkeit demaskiert. Man kann jetzt wissen, woran man ist.
Es gibt eine schon ältere SF-Serie, in der die Erde von Reptilien besetzt ist, die am allerliebsten Menschen fressen, sich aber eine menschliche Gesichtshaut zur Tarnung auflegen. Bei einem Anschlag wird diese Gesichtsmaske beschädigt und der Anführer reißt sie sich herunter, die kollaborierenden Erdbewohner, die dem beiwohnen, erschrecken sich. Heute erschrickt sich niemand, auch wenn die Masken gefallen sind.
Aus dem Aufsatz mag man einen Aufruf zur sachlichen und juristischen Aufarbeitung der Corona-Zeit herauslesen, der Autor hält diese Chancen für unklar, aber er hält fest:
„Es ging bei der Bestrafung von Christian Dettmar nicht um Recht, es ging um die Bestrafung von Ungehorsam. Und der Familienrichter von Weimar steht hier nur stellvertretend für die Vielen, die gegen die ohne solide Evidenz verhängten totalitären Maßnahmen der Politik aufgestanden sind.
Die zentralen Episteme der Corona-Politik sind mittlerweile als falsch oder gar als blanke Lüge entlarvt... – konstruierte Episteme! Wenn gleichwohl immer noch Prozesse gegen Ärzte, Krankenhaus- und Pflegepersonal, Soldaten, Polizisten oder andere Maßnahmen-Kritiker geführt werden, dann ist das für einen liberalen Rechtsstaat schlichtweg ein Skandal.
Die einschneidenden freiheitsbeschränkenden und gesundheitsgefährdenden Maßnahmen waren zu keiner Zeit hinreichend evidenzbasiert. Sie waren epistemisches Unrecht. Es ist dringend Zeit für eine ehrliche Aufarbeitung, die die Episteme der Pandemie anhand seriöser Daten dekonstruiert! Es ist Zeit für eine ernsthafte Rehabilitation des Rechts, die das Unrecht adressiert!“ Der Autor fordert schließlich eine Amnestie, die „die gesellschaftliche Spaltung überwinden hilft!“.
Ich glaube an diese Aufarbeitung nicht, wem würde sie nützen? Warum sollten die, die das alles betrieben haben, das wollen. Lüge und Angst sind bewährte Herrschaftmittel wie der Nebel der Normalität, der sich vergessensselig auf alles legt. Wir leben in einem zynischen Zeitalter. Zyniker halten sich für raffiniert kluge Menschen, aber sie sind es nicht.
Jede Rechtsbefolgung, überhaupt jede Macht hängt daran, ob ihr genug folgen. Keine Macht kann bestehen ohne hinreichende Gefolgschaft. Es mag psychologische Zwänge geben oder eben Ängste, aber irgendwann ist das alles vorbei. Macht erhält sich nie durch Gewalt, sondern nur durch den Glauben der Anhänger. Der Zyniker zerstört das Fundament des Hauses, das er bewohnt.
Aber zwei Dinge sind tatsächlich erinnerungswürdig, einmal die Selbstdemaskierung einer Gesellschaft, die der wache Zeitgenosse nunmehr wissen kann. Corona hat Illusionen über die menschliche Natur geraubt (von Abweichungshaß und Denunziationsfreude bis zur völligen Empathielosigkeit der Exekutoren) und die Verfassung dieses Landes, so man sie denn besaß.
Auch Illusionen über die innere Verrottetheit der Kirchen. Ein Erkenntnisgewinn, auf den ich gut hätte verzichten können. Ich erinnere noch, wie ich Ostern 2020 mich auf dem Marktplatz vor der Stadtkirche wiederfand, wo zufällig, natürlich in gehörigem Abstand voneinander, Menschen laut aus der Bibel lasen, so auch ich, in dem Bewußtsein, daß jeden Moment die Polizei um die Ecke kommen könnte, um diese Zusammenrottung aufzulösen.
„Unendlich viel Unsinn wurde als Wahrheit vorgetragen. Aber kaum eine Lüge war so perfide wie die Gleichsetzung von Kindern mit Ratten und die stete Assoziation von Corona mit der Pest. In dieser Richtung konnte gar nicht genug übertrieben werden:
‚Was die Ratten in der Zeit der Pest waren, sind Kinder zurzeit für Covid-19: Wirtstiere. Ständig infizieren sie sich mit irgendwelchen Viren, und was machen die unverantwortlichen kleinen Halbmenschen dagegen? Nix!‘
So lautete die todernst gemeinte Impfpropaganda eines reichweitenstarken Agitprop-Satirikers; denn ‚geimpft, geboostert sind die wenigsten, die kleinen Querdenker‘. Kinder: ‚schlimmer als Aluhutträger‘ und natürlich ‚unverantwortlich‘.
Die Angst erzeugenden Erzählungen von der tödlichsten Pandemie seit der ‚Spanischen Grippe‘ und dem völligen Ausgeliefertsein aufgrund der kaum vermeidbaren ‚asymptomatischen Ansteckung‘ verdichteten sich zu dem perfiden Epistem, wonach neben den ‚Ungeimpften‘ die Kinder als besondere ‚Treiber der Pandemie‘ ausgemacht wurden.
Schulschließungen, durchgängiges Maskentragen und strenges Testregime setzten Eltern und Kinder ebenso unter Druck wie die Zumutungen von Schuldzuschreibungen, wenn die in den Heimen eingesperrten Omas und Opas nicht an Einsamkeit, sondern mit einem positiven PCR-Test starben.“
Wie ging es nun weiter mit dem Amtsrichter Dettmar?
„Die Staatsgewalt richtete sich gegen Richter Dettmar, weil er die Episteme, die den beanstandeten Maßnahmen zugrunde lagen, erschütterte. Für einen Moment hatte die Möglichkeit bestanden, innezuhalten und über die Grundannahmen der politischen Maßnahmen auf der Grundlage der fundierten Gutachten der Sachverständigen nachzudenken. Doch der Jurisprudenz fehlt nach Kant das Gehirn, Recht von Unrecht zu unterscheiden, und für die Politik läuft es speziell im Ausnahmezustand nur noch auf den einfachen Dualismus von Freund und Feind hinaus.“
Und so wurde der Richter als „Querdenker-Richter“ erkannt und in den Schmelztiegel der Hexenjagd gestoßen: Hausdurchsuchungen, Disziplinarverfahren, Suspendierung, ein zermürbender Strafprozess und an dessen Ende wurde Christian Dettmar zu zwei Jahren Gefängnis (auf Bewährung), Berufsverlust und Verlust der Pensionsansprüche verurteilt. „Die Zerstörung einer Existenz. Welcher Richter wollte jetzt noch wagen, staatlich verkündete Wahrheiten juristisch zu hinterfragen?“
Der Autor bezweifelt danach den Sinn des Rechtsbeugungsparagraphen in der jetzigen Form: „Denn bereits die Strafnorm, aufgrund derer der Familienrichter angeklagt und schließlich verurteilt wurde (§ 339 StGB), ist geradezu der Prototyp einer Tautologie: ‚Rechtsbeugung begeht … wer das Recht beugt.‘ Ein derart offener Straftatbestand gibt Anlass zu ernsten rechtsstaatlichen Bedenken. Entweder die Norm geht davon aus, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte schon wissen werden, was Rechtsbeugung sei, oder man kann darunter jede juristische Unbotmäßigkeit subsumieren. Letzteres ist im Fall Dettmar geschehen.“
Die Klimax finden wir bei der vorsitzenden Richterin des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof. Die hat nämlich am 20. November 2024 die mündliche Urteilsbegründung in dem Revisionsverfahren offensichtlich sehr selbstgewiß und medienwirksam vorgetragen: „Sie hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und im Kern klargestellt, dass es nicht darauf ankomme, ob Richter Dettmar in der Sache Recht hatte, weil eine wissenschaftliche Basis für Schulschließungen, Test- und Maskenpflichten tatsächlich nicht bestehe. Die ‚materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung‘ – so die juristisch präzise Formulierung – spiele für die Frage der Strafbarkeit keine Rolle (sic!).
Wegen einer Beugung des Rechts kann demnach verurteilt werden, wer eigentlich das Recht wieder aufrichtet, während es gebeugt am Boden liegt. Und dass Bundesrichter, die selbst tief in den Epistemen der Zeit befangen sind, stattdessen ernsthaft den Vorwurf der Befangenheit zum maßgeblichen Tatbestand einer Rechtsbeugung erheben, verdeutlicht, auf welchem intellektuellen Stand die höchste deutsche Justiz ihre Urteile spricht.“
Richter Dettmar habe gegen die „richterliche Unabhängigkeit“ und „Unparteilichkeit“ verstoßen – so der in den § 339 StGB hineingelesene Vorwurf seines Verbrechens. „Doch welcher Richter hätte mehr ‚Unabhängigkeit‘ bewiesen als er?“ Der Autor zitiert danach Walter Ulbricht von 1958: „Unsere Richter müssen begreifen, dass der Staat und das von ihm geschaffene Recht dazu dienen, die Politik von Partei und Regierung durchzusetzen.“
Juristen sind nicht wahrheitsorientiert, lernen wir gerade. „Auch Juristen sind nur Menschen, und sie verinnerlichen die offiziell verkündeten Episteme der Zeit.“ Auch folgten sie der „reinen Rechtslehre“, wonach jeder beliebige Inhalt Recht sein kann und es gerade das Kennzeichen einer echten juristischen Qualifikation ist, sich nicht mit fachfremden Fragen, etwa der Mikrobiologie, Virologie oder Epidemiologie, befassen zu müssen.“
Das ist die positivistische Variante der Rechtstheorie. Und man fragt sich natürlich, was dann den Richtern im 3. Reich vorzuwerfen wäre. Aber Logik und Vernunft werden sowieso überschätzt.
„Das epistemische Unrecht schmilzt jedes Bewusstsein für Rationalität gemeinsam mit der bis eben noch bestehenden zivilen Normalität vollständig ein.“
„Wenn demnach Juristen gar nicht in Erwägung ziehen, dass die Episteme des Rechts falsch sein könnten, und es ihnen demnach egal ist, ob es vielleicht auch ernstzunehmende Wissenschaftler gab, die eine ganz andere Auffassung zur Gefährlichkeit des Virus oder zur epidemiologischen und medizinischen Nützlichkeit von Lockdowns, PCR-Tests, Isolationen, Masken, 2G-Regeln und mRNA-Impfungen vertreten, dann muss es nicht verwundern, dass die Episteme der Pandemie an den deutschen Gerichten tatsächlich ‚nie hinterfragt‘ wurden.“
Das epistemische Unrecht, die Verweigerung, die Tatsachengegründetheit oder schlicht die Wahrheit, auch nur ernstnehmen zu wollen, das kann man so nennen, auf jeden Fall ist es ein deutlicher Indikator für die seelische Verdorbenheit dieser Zeit.
Nun mag man mit Pilatus fragen: Quid est veritas? Aber dann könnte man auch genausogut jede medzinische Forschung aufgeben. Wer die Wahrheit für belanglos hält, erkennt nur die Macht als real an.
Neben den Kindern habe in der Zeit des Corona-Maßnahmenstaats nichts so sehr gelitten wie das Vertrauen in eine wahrhaftige und vertrauenswürdige Funktion der politischen Institutionen. Mißtrauen und Spaltung seinen die neue Normalität“ die mit der rigorosen Unterdrückung anderer Meinungen einherginge. Von der Erfindung einer „Delegitimierung des Staates“, dem Kampf gegen vermeintliche „Desinformation“ , „Querdenker“ oder „Verschwörungstheoretiker“. Man schließt aus, markiert, überwacht, verfolgt.
Zurück zum Aufsatz und in die Mitte der Corona-Debatte: „Täglich und stündlich wurde Gericht gehalten, in den offiziellen Foren der Medien-Öffentlichkeit. Die Angeklagten waren schnell ausgemacht: die ‚Schwurbler‘, ‚Querdenker‘, ‚Coronaleugner‘, „‘Covidioten’ oder welche Begriffe zur Etikettierung der Ungehorsamen sonst noch gefunden wurden. ‚Mehr Diktatur wagen!‘, forderten dementsprechend Protagonisten der ‚neuen Normalität‘, und die repressive Exekutive entdeckte die ‚Delegitimierung des Staates‘ als neue Kategorie zur Überwachung und Reinhaltung des Diskursraumes. Verfolgt wurden nun alle, die die offiziell verkündeten und rechtlich sanktionierten Episteme anzweifelten: die Maßnahmenkritiker, die Maskenverweigerer und natürlich die ‚Ungeimpften‘.“
„Das Vertrauen in den Rechtsstaat schmolz in der ‚neuen Normalität‘ zu einem blinden Vertrauen in die Expertise des Maßnahmenstaats.“ „Es gab keine Gewaltenteilung, keine gerichtliche Kontrolle der Exekutive. Der Gleichschritt der drei Gewalten gehörte zur neuen Normalität. Und das bedeutete vor allem eines: Es gab keine rechtliche Überprüfung der den Maßnahmen zugrundeliegenden Episteme.“
Ich denke, in der Corona-Zeit hat sich diese Gesellschaft zur Kenntlichkeit demaskiert. Man kann jetzt wissen, woran man ist.
Es gibt eine schon ältere SF-Serie, in der die Erde von Reptilien besetzt ist, die am allerliebsten Menschen fressen, sich aber eine menschliche Gesichtshaut zur Tarnung auflegen. Bei einem Anschlag wird diese Gesichtsmaske beschädigt und der Anführer reißt sie sich herunter, die kollaborierenden Erdbewohner, die dem beiwohnen, erschrecken sich. Heute erschrickt sich niemand, auch wenn die Masken gefallen sind.
Aus dem Aufsatz mag man einen Aufruf zur sachlichen und juristischen Aufarbeitung der Corona-Zeit herauslesen, der Autor hält diese Chancen für unklar, aber er hält fest:
„Es ging bei der Bestrafung von Christian Dettmar nicht um Recht, es ging um die Bestrafung von Ungehorsam. Und der Familienrichter von Weimar steht hier nur stellvertretend für die Vielen, die gegen die ohne solide Evidenz verhängten totalitären Maßnahmen der Politik aufgestanden sind.
Die zentralen Episteme der Corona-Politik sind mittlerweile als falsch oder gar als blanke Lüge entlarvt... – konstruierte Episteme! Wenn gleichwohl immer noch Prozesse gegen Ärzte, Krankenhaus- und Pflegepersonal, Soldaten, Polizisten oder andere Maßnahmen-Kritiker geführt werden, dann ist das für einen liberalen Rechtsstaat schlichtweg ein Skandal.
Die einschneidenden freiheitsbeschränkenden und gesundheitsgefährdenden Maßnahmen waren zu keiner Zeit hinreichend evidenzbasiert. Sie waren epistemisches Unrecht. Es ist dringend Zeit für eine ehrliche Aufarbeitung, die die Episteme der Pandemie anhand seriöser Daten dekonstruiert! Es ist Zeit für eine ernsthafte Rehabilitation des Rechts, die das Unrecht adressiert!“ Der Autor fordert schließlich eine Amnestie, die „die gesellschaftliche Spaltung überwinden hilft!“.
Ich glaube an diese Aufarbeitung nicht, wem würde sie nützen? Warum sollten die, die das alles betrieben haben, das wollen. Lüge und Angst sind bewährte Herrschaftmittel wie der Nebel der Normalität, der sich vergessensselig auf alles legt. Wir leben in einem zynischen Zeitalter. Zyniker halten sich für raffiniert kluge Menschen, aber sie sind es nicht.
Jede Rechtsbefolgung, überhaupt jede Macht hängt daran, ob ihr genug folgen. Keine Macht kann bestehen ohne hinreichende Gefolgschaft. Es mag psychologische Zwänge geben oder eben Ängste, aber irgendwann ist das alles vorbei. Macht erhält sich nie durch Gewalt, sondern nur durch den Glauben der Anhänger. Der Zyniker zerstört das Fundament des Hauses, das er bewohnt.
Aber zwei Dinge sind tatsächlich erinnerungswürdig, einmal die Selbstdemaskierung einer Gesellschaft, die der wache Zeitgenosse nunmehr wissen kann. Corona hat Illusionen über die menschliche Natur geraubt (von Abweichungshaß und Denunziationsfreude bis zur völligen Empathielosigkeit der Exekutoren) und die Verfassung dieses Landes, so man sie denn besaß.
Auch Illusionen über die innere Verrottetheit der Kirchen. Ein Erkenntnisgewinn, auf den ich gut hätte verzichten können. Ich erinnere noch, wie ich Ostern 2020 mich auf dem Marktplatz vor der Stadtkirche wiederfand, wo zufällig, natürlich in gehörigem Abstand voneinander, Menschen laut aus der Bibel lasen, so auch ich, in dem Bewußtsein, daß jeden Moment die Polizei um die Ecke kommen könnte, um diese Zusammenrottung aufzulösen.
Und nicht zu vergessen: Die Herrschaft der Lüge hat immer verheerende Folgen, und alle nachträglichen Rationalisierungsversuche sind vor allem eines, sie sind sinnlos, denn sie verkennen, daß alles vom Vater der Lüge herkommt, dem sich Menschen nur zu begierig unterwerfen. Das war ein Einbruch der Dimension des Dämonischen.
Ein zweites Verdienst hat der Aufsatz: Die Erinnerung an den Wert des Rechts, nicht als Herrschaftsinstrument, sondern als Mittel zum geordneten Zusammenleben, zum Schutz der Ohnmächtigen und zum Zurückweisen gewaltsamer Anmaßungen, gewissens- und wahrheitsorientiert und nicht machthörig. Das muß keine Fiktion sein. Etwa im 2. Kaiserreich gab es eine solche Rechtskultur.
Noch einmal der Autor: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“ „Art. 97 Abs. 1 GG reklamiert die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Richter von politischen Opportunitäten und beinhaltet ganz sicher keine Verpflichtung zum Vollzug von Regierungsnarrativen... Und hier ist die Perspektive in § 1666 BGB sehr deutlich: Der Richter wird zum Anwalt des Kindeswohls. Das Familiengericht ist explizit auf der Seite der Kinder gegenüber übergriffigen oder nachlässigen Eltern oder ‚Dritter‘. Allein die Frage, ob unter ‚Dritter‘ auch ein übergriffiger Staat adressiert sein kann, war bisher juristisch umstritten. Eine Rechtsbeugung trägt das alles nicht. Das Urteil ist ebenso konstruiert wie die Episteme der Pandemie.“
Diese sechs Stücke haßt der Herr, und am siebenten hat er einen Greuel: hohe Augen, falsche Zunge, Hände, die unschuldig Blut vergießen, Herz, das mit böser Tücke umgeht, Füße, die behend sind, Schaden zu tun, falscher Zeuge, der frech Lügen redet und wer Hader zwischen Brüdern anrichtet.
Ein zweites Verdienst hat der Aufsatz: Die Erinnerung an den Wert des Rechts, nicht als Herrschaftsinstrument, sondern als Mittel zum geordneten Zusammenleben, zum Schutz der Ohnmächtigen und zum Zurückweisen gewaltsamer Anmaßungen, gewissens- und wahrheitsorientiert und nicht machthörig. Das muß keine Fiktion sein. Etwa im 2. Kaiserreich gab es eine solche Rechtskultur.
Noch einmal der Autor: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.“ „Art. 97 Abs. 1 GG reklamiert die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Richter von politischen Opportunitäten und beinhaltet ganz sicher keine Verpflichtung zum Vollzug von Regierungsnarrativen... Und hier ist die Perspektive in § 1666 BGB sehr deutlich: Der Richter wird zum Anwalt des Kindeswohls. Das Familiengericht ist explizit auf der Seite der Kinder gegenüber übergriffigen oder nachlässigen Eltern oder ‚Dritter‘. Allein die Frage, ob unter ‚Dritter‘ auch ein übergriffiger Staat adressiert sein kann, war bisher juristisch umstritten. Eine Rechtsbeugung trägt das alles nicht. Das Urteil ist ebenso konstruiert wie die Episteme der Pandemie.“
Diese sechs Stücke haßt der Herr, und am siebenten hat er einen Greuel: hohe Augen, falsche Zunge, Hände, die unschuldig Blut vergießen, Herz, das mit böser Tücke umgeht, Füße, die behend sind, Schaden zu tun, falscher Zeuge, der frech Lügen redet und wer Hader zwischen Brüdern anrichtet.
Sprüche Salomonis 6.16-19
Die Bilder sind aus dem besagten Jahr 2020 und von einem Magnolienbaum an der Katholischen Kirche hier, der gerade blüht.
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