Vorbemerkungen
Meines Wissens habe ich noch nie eine Predigteinleitung mit einer leisen Kritik begonnen, aber diesmal ging es für mich nicht anders. Es hat es auch nicht eben erleichtert, daß diese ansonsten wunderbare Predigt auch persönliche Konnotationen für den Prediger hat. Wie auch immer.
Zur Abwehr des Islam
In dem nachfolgenden Text des Herrn Roloff findet sich die Annahme, daß die Eroberung Granadas im Jahre 1492 im Zuge der Reconquista "den großen mittelalterlichen Kampf zwischen Christentum und Islam vorerst zu einem siegreichen Abschluss" geführt hätte. Wenn's denn so gewesen wäre. Für Spanien gilt dies natürlich, es hat danach sogar Stützpunkte in Nordafrika erobert und teilweise halten können.
Aber auf der östlichen Seite des Mittelmeers und dessen Nachbarregionen war die Atempause doch eher kurz, wenn überhaupt. 1521 fiel die stärkste Festung des Balkans Belgrad. 1522 belagerten die Osmanen Rhodos und nahmen es im Dezember ein. Süleyman besetzte 1541 Ofen. Damit startete eine lange Besetzung des größten Teils von Ungarn.
Zypern wurde 1571 erobert, Kreta 1669. Ein erster Lichtblick ist die siegreiche Seeschlacht von Lepanto 1571, die ein jahrzehntelanges Übergewicht der osmanischen Flotte im Mittelmeer beendete und sie in dessen Ostteil zurückdrängte.
Richtig ist, daß die Osmanen sich bei ihren Eroberungsversuchen nicht auf Europa beschränkten und somit auch anderweitig beansprucht waren. Mit Erfolg: Die Beute reichte schließlich von Bagdad und dem Persischen Golf bis hin zum Mameluken-Reich in Ägypten, das 1516/17 vernichtet wurde, wobei den Osmanen damit die Schutzherrschaft über die heiligen Stätten Mekka und Medina zufiel.
Eine tatsächliche Wende für Europa trat erst ein, als die Türken 1683 noch einmal versuchten, Wien einzunehmen und dabei vernichtend geschlagen wurden. Ab da wurde es langsam besser. Allerdings erst einmal nur, was die Osmanen selbst anging, die Seeräuberstaaten Nordafrikas (die sog. Barbareskenstaaten) gingen weiter den Geschäften nach, die sie als einzige kannten, Raub, Töten und Versklavung eben.
Justinian und der Hl. Benedikt von Nursia
Herr Roloff nennt den sinnfälligen Zusammenhang, daß im selben Jahre 529 Kaiser Justinian die platonische Akademie in Athen schloß und der Hl. Benedict von Nursia sein Kloster Monte Cassino gründete und damit der Begründer des christlichen Abendlandes wurde.
Ich will hier nur Anmerkungen machen, sonst müßte ich besser einen eigenen Beitrag schreiben.
In der Tat ist Justinian ein Totengräber der Antike. So einnehmend sein Programm der Restauratio imperii wirken mag. Die Vernichtung der Ostgoten, die vor allem unter Theóderich dem Großen († 30. August 526 in Ravenna) defacto das weströmische Erbe für Italien bewahrten, in einem massiven Krieg, bedeutete für dieses weitgehende Zerstörung, auch von dem, was an antiker Bildung und Kultur noch überdauert hatte.
Zumal die Langobarden ab 568 dann den größten Teil Norditaliens in ihre Gewalt brachten. Ostrom behautete Genua bis 650, das Exarchat Ravenna (mit dem alten Rom) bis 751, in Süditalien noch einiges bis 1071. Die ganze Unternehmung war also auch in praktischer Hinsicht recht vergeblich.
Während Benedikts „Arche“ auf dem Monte Cassino die folgenden Jahrhunderte nicht nur bewahrte, sondern reichlich fruchtbringend fortwirkte. Aber das bedarf einer eigenen Würdigung.
Auch von Justinian I († 14. November 565 in Konstantinopel),wäre noch anderes zu sagen, doch belassen wir es in diesem Zusammenhang dabei.
Predigt
Der Friede und die Gnade unseres auferstandenen Herrn sei alle Zeit mit euch!
Heil und Hoffnung des Evangeliums
3Gelobet sei Gott und der Vater unsers HERRN Jesu Christi, der uns nach seiner Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten,
4zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das behalten wird im Himmel 5euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit, die bereitet ist, daß sie offenbar werde zu der letzten Zeit.
6In derselben werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, 7auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewährt wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn nun offenbart wird Jesus Christus,
8welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habt und nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, und werdet euch freuen mit herrlicher und unaussprechlicher Freude
9und das Ende eures Glaubens davonbringen, nämlich der Seelen Seligkeit.
1. Petrus 1, 3-9
Liebe Gemeinde,
zwei große Zeitenwenden bestimmen noch immer unsere Vorstellung von der Geschichte, die wir nach wie vor einteilen in die Antike, das Mittelalter und die Neuzeit. Dabei markieren zwei Jahreszahlen durch den bemerkenswerten Zusammenfall von jeweils zwei Ereignissen Anfang und Ende der großen Abschnitte.
Im Jahre 529 schloss Kaiser Justinian die platonische Akademie in Athen und beendete damit in sinnfälliger Weise die Antike. Im selben Jahr gründete der Hl. Benedict von Nursia sein Kloster Monte Cassino und wurde damit der Begründer des christlichen Abendlandes, der Patron Europas, Zeuge des Glaubens und eben auch Urheber des Mittelalters.
Im Jahre 1492 wiederum eroberten die Spanier im Zuge ihrer Reconquista die letzte Bastion der Mauren in Granada und brachten den großen mittelalterlichen Kampf zwischen Christentum und Islam vorerst zu einem siegreichen Abschluss.
Wieder im selben Jahr entdeckte Kolumbus Amerika und setzte damit die Conquista, die Eroberung einer neuen Welt, in Gang und wurde Begründer der Renaissance, einer neuen Zeit, unserer Zeit.
Er brachte der alten Welt erstaunliche Nachrichten und jeder, der sie hörte, müsste zunächst selbst entscheiden, ob er ihnen Glauben schenkt, ob er Kolumbus Glauben schenkt. Jedermann musste diese Entscheidungen treffen, obgleich doch Kolumbus selbst noch gar nicht, und wohl bis zu seinem Lebensende, nicht wusste, was er da entdeckt hatte, wovon die Indianer noch immer beredt Zeugnis ablegen.
Was immer uns das wieder im Einzelnen zu sagen hat, können wir in jedem Falle feststellen, dass diese Überlegungen geeignet sind, um der Zeit eine Struktur zu geben, damit wir und andere uns in ihr zurecht finden und nicht fremd werden in der Zeit, die doch in allen ihren Abschnitten unsere Zeit ist, denn wir kommen aus ihr.
Wir Menschen neigen in fast allen Dingen dazu, ihnen Strukturen zu geben. Wir bauen Häuser, leben in Ordnungen, geben uns Gesetze und andere Regeln und halten uns auch leidlich an sie. Den Dingen Ordnungen zu unterlegen, das ist unser Weg, uns nicht ganz und gar fremd zu fühlen in dieser Welt, von der wir sonst fürchten müssten, verschlungen zu werden.
Dennoch ist alles was wir dort tun vergängliche und manchmal möchte man meinen auch vergebliche Mühe, denn, was wir schaffen, das verfällt, was wir bauen, das wird irgendwann zerstört und was wir meinen ist, als wäre es in Wasser geschrieben, wie der Dichter sagt.
Von dieser Art ist das was Petrus uns mitteilt aber nicht, obwohl alle Vorstellungen, von denen ich bislang redete, sich auch in seinen Versen wiederfinden. Auch er schafft mit seinen Worten Zeitalter. Indem er Gott lobt, erinnert er auch an den Schöpfer, vor dessen Wort nichts war. Erst mit Gottes Wort trat alles ins Werden.
Er lobt in Gott aber auch den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er lobt den Vater des Auferstandenen, des Lebendigen, des Ewigen. Er weiß auch ganz genau, wovon er redet, denn Petrus ist dabei gewesen, als der Herr unter sie trat. Er, der durch sein Leugnen in die Geschichte eingegangen ist, wird nun zum Zeugen für uns.
Sein Zeugnis aber bekennt von Christus, „dass er uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung von den Toten.“ Durch die Auferstehung von den Toten sind wir wiedergeboren. So, wie wir uns die Zeit einteilen und Ordnungen schaffen und uns Gesetze geben, so verkündet uns Petrus die Struktur der Welt, der Schöpfung, des Kosmos.
Wir sind wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung, das bedeutet, wir können tiefer blicken und weiter schauen als das vor der Auferstehung Jesu möglich gewesen ist. Die Schöpfung folgt also ihrer eigenen, allein durch das Wort Gottes gegebenen Ordnung und wird vollendet oder erneuert durch den auf das Wort Gottes hin auferstandenen Christus, der uns zu einer lebendigen Hoffnung macht. Die auch auf uns gekommene Nachricht vom leeren Grab und von dem auferstandenen Herrn, macht uns zu einer lebendigen Hoffnung.
Manchmal denke ich, der Unterschied zwischen Glauben und Unglauben ist auch dadurch zu beschreiben, indem man sich zwei Inseln vorstellt, einsam und fern, irgendwo im Ozean, auf den entgegen gesetzten Seiten des Globus, und auf jede der Insel rettet sich die Besatzung eines Schiffes. Beide haben dieselben Voraussetzungen, dieselben Gegebenheiten und dieselben Mengen an Nahrung und anderen Notwendigkeiten von ihrem Schiff gerettet.
Die eine Mannschaft aber hat vor dem Sinken des Schiffes noch Nachricht erhalten, dass sie dermaleinst gerettet würde und glaubte dieser Nachricht auch. Geduldig und friedlich lebten die Menschen nun beieinander, teilten ihren Proviant gerecht, kümmerten sich barmherzig um die Verwundeten und waren meistenteils sogar fröhlich. Sie verloren die Zuversicht auch dann nicht, als die Hilfe lange ausblieb.
Die andere Mannschaft hatte die Nachricht zwar auch noch erreicht, aber sie wurde nicht geglaubt. Egoistisch retteten sich die Stärksten auf Kosten der Schwachen und Verwundeten. Sie rafften allen Proviant für sich zusammen und suchten unbarmherzig, nur das eigene Leben durchzubringen.
Nun mag jemand einwenden, das kann sogar alles stimmen, dennoch bleibt die Nachricht eine schöne Mär, eine Art Selbsttäuschung aus Überlebenswillen. Das könnte dann auch für die ganze christliche Botschaft von der Auferstehung gelten. Auch sie wäre dann nichts als ein tröstlicher Umhang, der uns das ganze Ausmaß unserer Verlorenheit im Kosmos nicht sehen lässt und anmutig verschleiert, dass wir endgültig sterben.
Merkwürdiger Weise leuchtet genau diese Auffassung in unseren Tagen sehr vielen Menschen sofort ein. Ich halte das in der Tat für merkwürdig, weil es der meines Erachtens ganz offen zu Tage liegenden inneren Wahrheit unserer Welt klar widerspricht. Die Frage, ob etwas ist, kann doch keinesfalls als unbeantwortet angesehen werden!
Die Welt ist ins Werden getreten, und wir sind ihr Teil. Mit unserem Tun nun bilden wir das innere Wesen der Welt gleichsam ab. Natürlich ist uns vieles an diesem inneren Wesen der Welt rätselhaft, aber gerade diese Rätselhaftigkeit haben doch unsere Rituale zum Inhalt.
In unseren Ritualen, unserer Liturgie, bilden wir nichts anderes ab, als die Rätsel dieser Welt. Dasselbe gilt für beinahe jede Form von wirklicher Kunst. Auch die Kunst entsteigt immer einem tiefen Glauben und der Glaube, wie jede tiefe religiöse Erfahrung, ist immer Einheitserfahrung.
Der Mensch fühlt sich im Einklang mit allem, was ihn umgibt, er spürt und hört, er empfindet den Herzschlag der Schöpfung, die Lebendigkeit aller Dinge, an der er selbst Anteil nimmt. Wie kann man dann aber behaupten, dass es die Welt gibt, ist unbestritten, wo immer aber der Mensch zu ihrer Schönheit beiträgt, den Einklang mit ihr sucht, Großes schafft und Dome baut, da erliegt er einer Täuschung. Wie hätte der Mensch wahrheitswidrig so lange leben sollen?
Petrus nennt, was wir im Glauben empfangen, ein unvergängliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, das wir im Himmel behalten werden. Petrus spricht vom Ziel des Glaubens, das wir davonbringen, nämlich die Seligkeit der Seelen. Diese Seligkeit entsteigt allein der Macht Gottes, an der wir Anteil genommen haben in unserer Taufe. Das alles lässt uns nicht die Augen vor der Wirklichkeit der Welt verschließen, sondern erst der Glaube öffnet uns den Blick auf genau diese Wirklichkeit, die eben eine Wirklichkeit Gottes ist und nicht aus sich selbst besteht.
Durch sie ist Christus nicht nur ein Wendepunkt der Zeiten, was sich durch die Weise, nach der wir die Jahre zählen in Erinnerung hält, sondern er ist der eigentliche Wendepunkt im Schicksal der Schöpfung und von uns Menschen.
Amen
Und der Friede des Auferstandenen sei diesen Tag und alle Zeit bei euch.
Amen
zw. 1485 u. 1486, von hier
Thomas Roloff
nachgetragen am 2. Mai
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