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Mittwoch, 24. Juli 2024

Über Herrn Maaßen und Menschenfresser in Norwegen

Berliner Siegessäule, Photo von hier


Siegessäule Berlin, Mosaik, Photo von hier

Siegessäule Berlin, Mosaik, Photo von hier


Es gibt den Vorwurf an Herrn Maaßen, dem ich eine Plausibilität lange nicht absprechen konnte: Wer eine Intrige gegen sich , also, daß er längst in Ungnade gefallen war, nicht spüre, sei nicht geeignet als Chef eines Geheimdienstes.

Nun, dazu hätte er aber ein Bewußtsein davon haben müssen, daß er sich tatsächlich an einem, sagen wir es als Bild, byzantinischen Hof befindet, einem ziemlich unmoralischen zumal. 

Er hat alles geglaubt und fühlte sich darum von dieser Seite her sicher, wenn er etwa meinte, es habe keine Hetzjagden gegen Ausländer in Chemnitz gegeben, inzwischen längst gerichtlich bestätigt. Es sollte sie aber gegeben haben. Das war das politische Kalkül der Habituslinken AM. Also war er nicht mehr brauchbar.

Daß er nun, nachdem er aus diesem gewissermaßen Zustand des Unbewußten erwacht ist, sich nicht schmollend zurückzieht, sondern etwa mit seinem juristischen Scharfsinn das Agieren der gegenwärtig Regierenden seziert, ist verdienstvoll. Denn gedankliche Klarheit ist eines der Mittel, das gegen den Wortnebel, die Begriffsentleerungen und vermeintlich moralische Erpressungen helfen kann. 

Übrigens ist inzwischen sogar unsere, von mir gern so apostrophierte, "Dorfzeitung" überraschend mutig geworden, siehe dieses Interview mit ihm.  

Vor allem aber nachfolgend das Video eines Interviews von Roland Tichy. 

Stichworte: 

Meinungsfreiheit; offenes Agieren unterhalb der Strafbarkeitsschwelle; Umgehen des Zensurverbots; neue Kunstbegriffe wie „Delegitimierung des Staates“ und „menschenverachtende Hetze“; verbotene Wortbegriffe als Wortverbrechen, verfolgtes Sprechhandeln außerhalb des Strafrechts, der Begriff Globalisierung wird auch von Rechtsextremisten benutzt, darum ist er antisemitisch; der Begriff Islamisierung wird auch von Rechtsextremisten...; bestimmte Worte, die einen Zustand beschreiben, den die Regierungsparteien verursacht haben, werden als toxisch markiert, so werden den Menschen die Worte weggenommen und Alternativbegriffe zielsicher ebenso stigmatisiert.

Meinung ist links oder wenigstens Mainstream, alles andere ist Haß und Hetze; neuer Demokratiebegriff der progressiven Demokratie, alles andere ist antidemokratisch; Grundgesetz kennt deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, verfassungsfeindlich wird es erst, wenn ersteren die gleichen Rechte abgesprochen werden; Die Opposition hat in einer Demokratie die Aufgabe, die Regierung zu delegitimieren; der Verfassungsschutz gefährdet die Demokratie; Menschen werden bewußt im Unklaren darüber gelassen, was strafbar ist und was nicht, Konkurrenzausspähung der Regierung...

Tichys Einblick: Wie der Verfassungsschutz uns Wörter verbietet

Interview mit Hans-Georg Maaßen, von hier

Aus der dem Untertext des Videos:

"Das Verbot des Magazins Compact... ist ein Symptom für die nicht demokratisch legitimierte Ausweitung der Kompetenzen des Inlandsgeheimdienstes. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), so sein früherer Präsident... Hans-Georg Maaßen, sollte sich wieder auf die ursprüngliche und im Gesetz festgelegte Aufgabe zurückziehen: Die Bundesregierung und den Bundestag über Spionage und Gefährdung der Freiheitlich demokratischen Grundordnung zu informieren."

Es sei aber nicht Aufgabe des BfV die Sprache zu kontrollieren und der Bevölkerung Begriffe und Wörter durch Stigmatisierung wegzunehmen und damit zu verhindern, dass Probleme wie Migration und zunehmende Kriminalität überhaupt angesprochen und thematisiert werden.

Es würden willkürlich Begriffe aus der Alltagssprache oder der politischen Debatte herausgegriffen und behauptet, ihre Verwendung sei verfassungsfeindlich. "'So werden uns die Wörter weggenommen'."




Berliner Dom, Photo von hier


Berlin, Mitte, Spreeinsel, Am Lustgarten: Berliner Dom, 


Zur Erholung habe ich eine kleine Bildstrecke eingestreut. Herr Roloff (dessen letzte Predigt hier nachzulesen wäre), besucht gerade die Reichshauptstadt und hatte diese Bilder geteilt bzw. meine Suche angeregt.



Berliner Dom, Altar, Photo von hier

Blick in die Kuppel des Berliner Doms, Photo von hier



Neoclassical Decorative Medallion. 19th.century. gilt wood, von hier

Und um mit einer freundlicheren Note zu enden, und zwar über etwas, das mir das Unbewußte in seinen ausufernden, diesmal nicht Albträumen, sondern erbauenden Imaginationen letzte Nacht gewährte.  

Es war tatsächlich ein Bau, ein weitläufiger, dem Publikum geöffneter Palast, der in meinem Traum in Potsdam angesiedelt war, obwohl derlei so dort nicht vorhanden ist und auch gar nicht zum Charakter des Ortes passen würde. Barock, jedenfalls den Formen nach, immer großformatig, aber unregelmäßig über und nebeneinander getürmte Gebäudeteile. 

Alles im Traum war plastisch und detailliert ausgeführt, bis in die unterschiedlichen Stimmungen hinein, die Raumaufteilungen, Ornamente und so fort. Einige Orte waren recht obskur, so etwa ein Kuriositätenkabinett über Menschenfresser in Norwegen (??), aber das meiste war einfach nur prachtvoll und schön.

Ich hatte eine Mappe mit Kunstdrucken erworben und bemerkte, daß einige Blätter offenkundig herausgerutscht waren. Also begann ich, zunehmend angestrengt und verwirrt, den mühselig verwinkelten Rückweg, um sie wiederzufinden. Vorbei etwa an einem Saal mit imposanten goldgerahmten Gemälden von herrschaftlichen Gestalten, auf die ich bei meiner nervösen Suche nur einen flüchtigen Blick warf.

Schließlich entwich ich nach draußen, um nach einem anderen Eingang zu suchen. Ich wandte mich nach links, da dort das machtvolle Gebäude eine runde Begrenzung aufwies, die von rot blühenden ausgedehnten Büschen umgeben war. Ich folgte der Biegung, sah im ferneren Hintergrund zwei Kirchtürme, der eine bereits wiederhergestellt, der andere eingerüstet. Als ich die Seite umschritten hatte, erblickte ich eine Frau, die rote Blütenblätter von einem Balkon warf.

Mir einen Reim auf Derartiges zu machen, habe ich lange aufgegeben. Vielleicht, daß wir an einem größeren, auch kulturellen Bewußtsein teilhaben können, wenn wir offen sind. Aber das allein kann es nicht sein. Aber warum nicht etwas Erbauliches und Erfreuendes mitzuteilen suchen.

John William Waterhouse, The Soul of the Rose (1908), von hier

Sonntag, 20. September 2020

Von der Kuppel des Grauens

Christus Pantokrator, Potsdam, Friedenskirche, hier gefunden 

Vorbemerkung, die auch ausgelassen werden kann

Dieser Ort sollte ja dem Wahren, Guten und Schönen vorbehalten sein, und nicht dem Tage, wenn der in allzu offenem Widerspruch dazu steht. Das ist mir in den letzten Monaten schwergefallen, daher schwieg ich eher, wie leicht zu ersehen. Die Ausnahme, Fragen des Glaubens. Wo man innerlich schon mit 1 ½ Füßen in der Ewigkeit steht, will man sich‘s nicht auch da noch verderben.

Zuletzt geschah dies bei Pf. Latzel im Mai (Kirchenkampf in Bremen). Zunächst wäre nachzutragen, daß der wegen Volksverhetzung angeklagte Bremer inzwischen seinen Dienst vorläufig wieder aufnehmen durfte. Die Bremische Evangelische Kirche ließ weiter verlauten, er habe sich nach einem Dienstgespräch in einer Vereinbarung "zu einer Mäßigung im Rahmen seines Verkündigungsauftrags verpflichtet".

Das heißt wahrscheinlich, er wird einiges auslassen müssen, z. B. 1. Korinther 6,9f., oder will er denen etwa das Himmelreich vorenthalten (an das sowieso niemand mehr glaubt). Nein, die erst recht, alles andere wäre Diskriminierung und Haß.

Aber wer glaubt, derlei ließe sich nicht steigern, doch läßt es. Im Grunde ist es nur eine Art „Burgfrieden“. Der nächste Akt des Dramas ist bereits entworfen. Denn das Amtsgericht Bremen hat die Anklage wegen Volksverhetzung gegen Pf. Latzel zur Hauptverhandlung zugelassen. Wohl am 20. November wird verhandelt.

Wer dem Irrsinn unbedingt „ins Gesicht schauen“ will (und ein wirklich robustes Gemüt hat), der sehe sich diesen Beitrag des Lokalmagazins „buten un binnen“ von Radio Bremen an. Man kann den Ton wegstellen und nur die Physiognomien lesen, man kann aber auch Herrn Bernd Klingbeil-Jahr von der Bremer Friedensgemeinde zuhören, wie er von einem „Mischfeld aus christlichen Fundamentalisten und Faschisten“ spricht. „Aus diesem Milieu heraus, aus diesem braunen Mob“ würden „Aktionen geplant und durchgeführt, die diese Gesellschaft verändern“ (ab etwa 2.00 Min). 

Man kann aber auch in die letzte Predigt von Pf. Latzel in der St.-Martini-Gemeinde hineinhören. 

hier gefunden

Doch auf nach Berlin. Da ist es auch schön.


Die Kuppel, das Kreuz und eine Inschrift

Berliner Schloß (Humboldt Forum), September 2020, hier gefunden 

Teile der Kirchen im alten Europa und als „Speerspitze“ die evangelische Kirche in Deutschland erinnern an jemanden, der eine alte Sammlung religiöser Kunst zu kuratieren hätte und dem Besucher mit einem Augenzwinkern erklärte, man müsse natürlich gewisse Rücksichten auf traditionsverhaftete Besucher nehmen.

Aber man erwarte von ihnen sicher nicht die gleiche naive Herangehensweise. Die kommode Stimmung würde sofort zerstieben, erklärte dieser, doch, doch, seine eigene Haltung gegenüber jenen Kunstwerken sei durchaus nicht so sehr fern von diesen traditionell geprägten Verehrern. 

Das war die freundlichere Deutung. 

Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ruft in Menschen meiner Art mit sich kämpfende Gefühle hervor. 

Die Freude über das Wiedergewinnen von Schönheit und Erinnerung und Genugtuung  über einen weiteren Schritt der so vehement bekämpften Heilung. Andererseits das Wissen darum, was sich hinter dieser Oberfläche verbirgt. Doch siehe da, selbst die vermag eine gewisse Abteilung Mensch aus dem Häuschen zu bringen.

Denn ein Geschrei erhob sich aus der Unterwelt, als Ende Mai nicht nur das durch eine private Spende ermöglichte Kuppelkreuz seinen alten Platz zurückgewann, sondern darunter auch noch eine blasphemische Inschrift sichtbar wurde, deren Bestehen vorher irgendwie untergegangen war:

„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“ 

Dahinter stehen 2 Verse aus Apostelgeschichte 4, 12 und Philipper 2, 10, die König Friedrich Wilhelm IV. zu einer Inschrift zusammenstellte - 34 Zentimeter hohe, goldene Lettern auf einem den Tambour unterhalb der Kuppel umlaufenden blauen Band.

Schon auf dem Barockbau war eine Kuppel vorgesehen, zu der es aber nicht kam. Erst Friedrich Wilhelm IV. beauftragte Friedrich August Stüler (seit 1842 „Architekt des Königs) mit der Ausführung (bis 1853), statt einer profanen Kuppel wollte dieser König allerdings seine Schloßkapelle unter derselben. Wer sich über die Baugeschichte, nebst beigefügter Interpretation, näher informieren will, mag dazu diesem Artikel folgen: „Alfred Hagemann - Symbolpolitik. Die Kuppel Friedrich Wilhelms IV. für das Berliner Schloss, 25. Mai 2020“) 

Zum Innenraum gibt es dort Interessantes zu lesen, vorher muß man allerdings die Darstellung der Motivlage des königlichen Bauherrn durcheilen. Aber da der (der Innenraum, nicht der König) selbstredend nicht wiederhergestellt wird, müssen zwei Bilder genügen.


Schloßkapelle unter der Kuppel, um 1900, hier gefunden

Doch auch die Gestalt des Außenbaus gab der Ikonographie des Schlosses eine weitere, christliche Dimension. Auf den Ecken des Kuppelunterbaus alttestamentarischer Propheten, auf den Portalen christliche Tugenden, als oberer Abschluß der Kuppel eine von Engeln getrage Laterne. „Die Laterne wiederum wurde von einem 4,70 Meter hohen vergoldeten Kreuz bekrönt. Die neue Höhendominante des Schlosses war also nicht durch weltliche Zeichen der Monarchie ausgezeichnet, sondern durch Zeichen des Glaubens und der Herrschaft Gottes“ (nachzulesen ebenda). Das Schriftband erwähnten wir bereits.

Wir wollen mit einem freundlichen Bild diesen Abschnitt beenden. Es ist zwar teilweise mehr eine Phantasie, aber eine schöne.

Hermann Ziller, 1886, hier gefunden


Ein Zeichen, dem widersprochen wird

Nikolaj Nikolajewitsch Ge, Quid est veritas? 1890

hier gefunden

In der Logik, wenn es um Logik ginge, sollte es liegen, zu sagen: Das ist alles Dekoration, Oberfläche, das geht uns lange nichts mehr an. Wenn es um Logik ginge, im Geisterwehen dieser Zeit.

Ich habe mit dem vorigen Satz vorausgesetzt, daß es allgemein bekannt sei, welch heftige Debatten es um diese Kuppelrekonstruktion gab, genauer, um das Kreuz darauf. Übrigens steckt in der Überschrift schon wieder ein Bibelzitat (Lukas 2.34).

Simeon war ein gottesfürchtiger Mann, der auf den „Trost Israels“ wartete, und ihm war prophezeit worden, er würde nicht sterben, bevor er ihn sähe. Und von diesem Simeon heißt es, als er der allerseligsten Jungfau und des noch kindlichen Erlösers im Tempel angesichtig wurde:

Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.

So: Nichts Neues unter der Sonne, seit 2000 Jahren.

Jedenfalls fast. Es gibt möglicherweise einen neuen psychologischen Typos. Sagen wir es hilfsweise so, eine Fusion des Skeptizismus eines Pilatus und des aggressiven Machtzynismus eines Hohenpriesters. Ich spreche natürlich nicht von konkreten Menschen, sondern von religiöser Typologie. Eine neue Käfermutation gewissermaßen.

Und zu diesem Typos passend ein neuer Kult. Doch bevor ich den kurz bezeichne, ein wenig Anschauungsmaterial.

Ein Filmkritiker von der FAZ etwa brandmarkte das Kuppelkreuz als eine „Insignie der Intoleranz“ und, Goethe zitierend, nicht nur „vor deinem Jammerkreuz, blutrünstiger Christe“ sondern  unter der Verkündigungsformel eines absoluten christlichen Herrschaftsanspruchs würden künftig die Besucher an einen Ort strömen, der sich der Gleichwertigkeit aller Kulturen und Religionen und der Aufhebung des eurozentristischen Weltbildes verschrieben habe. Denn das Kuppelkreuz auf dem Berliner Schloß sei lediglich eine Machtgeste des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. gewesen.

Ich mutmaße, ein Bild dieser Art spukte da durch seinen Geist:

Marc-Charles-Gabriel Gleyre, Romans Under the Yoke, 1858

 hier gefunden

„Insignie der Intoleranz“, das ist die aktuelle Formel dessen, was früher Gotteslästerung hieß.

Aber dazu wollen wir am Schluß (der bald kommen muß) noch etwas sagen. Erst einmal, auf der Kuppel thront kein preußischer Adler, sondern ein Kreuz, das ist etwas anderes, mag aber jemandem, der hier nur noch in säkularen Machtkategorien zu denken vermag, egal sein, ist es aber nicht. 

Daß die Formel „Von Gottes Gnaden“ ein Selbstverständnis zum Ausdruck bringt, das auch eine Demutshaltung einschließt, ist mutwillig oder aus Unwissen so fremd geworden, daß man es nicht mit wenigen Worten erklären kann. 

Ein Erklärungsbemühen wäre zudem müßig, dennoch will ich es einmal in einem anderen Beitrag versuchen. Eine Ahnung mag dieses Mosaik geben. Es befindet sich über dem Eingangsportal in die Hagia Sophia, das allein dem oströmischen Kaiser vorbehalten war.

Konstantinopel, Hagia Sophia, Kaiserportal, hier gefunden

Wir wollen noch von einem Kritiker zu einem Akteur wechseln und auch den hören. Zumal es wunderbar anschließt.

Der Bischof einer Kirche mit einem unaussprechlichen Namen (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz – EKBO), die sich auch einfach Kirche in Preußen hätte nennen können (aber allein bei dem Gedanken sieht man die Perlen des Angstschweißes auf der Stirn), dieser Herr Christian Stäblein also hatte jüngst das Kuppelkreuz immerhin verteidigt, sozusagen. 

Es sei vor allem Verpflichtung. Das zentrale christliche Symbol habe viel Mißbrauch in seiner Geschichte überstehen müssen, stehe aber für Hingabe, Vergebung und Versöhnung, "nicht Dominanz und Herrschaft".

Darum sei das Spruchband darunter auch so verwerflich: "Intolerante Exklusivitätsansprüche sind - auch als historische Zitate - gefährlich und brauchen Gegenbilder", so der Bischof.  Das geplante "House of One" - ein gemeinsames Haus für die Religionen werde ein solches Gegenbild sein. 

Ich hatte oben schon erwähnt, woher diese „historischen Zitate“ stammen. Das ganze Neue Testament ist voll davon. Wir wollen als ein weiteres Beispiel nach Apostelgeschichte 4, 12 und Philipper 2, 10 nur Johannes 14,6 in Erinnerung rufen:

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Ich kann mir nicht helfen, aber ich höre hinter dieser gravitätischen Sprachkulisse von intoleranten historischen Exklusivitätsansprüchen eine Art „Pühh“ heraus, auch bekannt als „ist mir doch egal“.

Vermutlich muß man den eigenen Verein längst als große NGO oder derartiges ansehen, um nicht zu verstehen, daß es um den gar nicht geht. Es wird wenig helfen, einen Text in Erinnerung zu rufen, der noch nicht ganz so historisch ist

„Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.

Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Barmer Bekenntnis vom 31. Mai 1934

Noch einmal über das Wahre, Gute, Schöne

Wir sind Zeugen eines neuen Kultes, dessen Fetisch – Wörter vor allem dazu gedacht sind zu verschleiern. Das zum ersten. All diese Namen bedeuten letztlich etwas ganz anderes, und darum wäre es abwegig, sich von ihnen verwirren zu lassen. Es ist ein Kult, der sich gegen die Ideen stellt, die Plato vor langer Zeit als erster beschrieben hat, die Grundstruktur einer sinnhaften Welt.

Das Wahre: Wie fragt Pilatus unseren Herrn so bezeichnend - „Quid est veritas?“. „Was ist Wahrheit?“„Toleranz“ und „Respekt“ sind die neuen Zauberwörter und bedeuten doch eigentlich als Kampfbegriff nur: Wer bestimmte Überzeugungen als Wahrheit ansieht und nicht zugleich der Meinung ist, daß es auch viele andere, gern sich widersprechende Wahrheiten geben kann, oder auch gar keine, der ist respektlos gegenüber anderen Überzeugungen und natürlich intolerant und damit bereits als Gegner markiert.

Das Gute: Diese Stelle wird von einer Reihe von Wieselwörtern eingenommen -  „Diversity“, „Inklusion“, Vielfalt, bunt. Dahinter steht einmal die Annahme, daß es im Guten keine vertikalen Unterschiede gibt, im Horizontalen es aber nicht genug davon geben kann, je vielfältiger, man könnte auch sagen zerteilter, eine Gesellschaft, um so besser für sie. Die andere Annahme - der Mensch ist von Natur aus gut und gewissermaßen omipotent, durch nichts außer seiner selbst gebunden. „Emanzipation“ enthüllt als anthroplogische Maßlosigkeit. Und man ist natürlich nur von den Umständen darin gebremst, sich gegen die zu wenden, die diese Interpretation des Guten nicht teilen.

Das Schöne. In jedem gewonnenen Augenblick von Schönheit wohnt die Präsenz des Ewigen. Die Schöpfung ist als eine schöne geschaffen. Rekonstruktion von Schönem ist zugleich Heilung und Wiedergewinnen von Erinnerung. Eine Erinnerung aber, die nicht dem neuen Kult dient, ist bedeutungslos oder, schlimmer noch, gefährlich. So gewinnen die vielfachen Auslöschungsbemühungen auf einmal ihren Sinn. Und einen klaren Sinn bekommen auch diese hochemotionalisierten Reaktionen darauf, wenn etwas Altes und Schönes wiederhergestellt wird. Obwohl es doch Oberfläche, abgetan und ohne tiefere Bedeutung sein soll. Da es so wie die Wahrheit gar keine Schönheit mehr gäbe. 

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie viel lebendiger diese alten und abgetanen Kulissen doch sind als die hochgeschäumten Aufgeregtheiten des Zeitgeistes in ihrer Sterilität, dann zeigen dies die Kämpfe um das Kreuz auf dem Berliner Schloß. Und das Schöne, das hinzutritt, die Jünger und Kämpfer des neuen Kultes merken es auch.

Max Klinger, Christus im Olymp, 1897

beendet am 22. September

Freitag, 1. März 2019

Ein Gericht in den Lüften

 Eingangshalle des Geschäftsgebäudes für die Zivilabteilungen des Landgerichts Berlin I und des Amtsgerichts Berlin I in der Littenstraße 12–17 in Berlin-Mitte

 Eingangshalle etc. (s.o.)

 Eingangshalle etc. (s.o.)

Gewölbe des Vestibüls im Landgericht Berlin

ehemaliger Gerichtssaal für Agrarsachen im Landgericht Berlin
Nein, das ist nicht das Entrée (im Deutschen wurde das Wort irgendwie neutrisch) zu einem Opernhaus in einem der vielen Feenreiche. Spätestens, wenn man die obigen Bildunterschriften gelesen haben sollte, weiß man das bereits. Ich wußte bis vor kurzem nichts davon. 

Diese feenleichte Eingangshalle von Otto Schmalz regt eher zum Träumen an als zu der Einsicht, daß hier einem preußischen Landgericht zur Gestaltwerdung verholfen werden sollte. Aber ich rede schon wieder von Dingen, von denen ich nichts weiß. Dieser Verweis mag helfen. Von außen macht es nicht viel her, gut, der Eingang, der hinter dieser Halle liegt, wurde in die Neuzeit gerettet.

Die andere imposante Fassade nicht (vom folgenden Bild wird es folglich keine moderne Aufnahme geben, da lagen ein Krieg und eine folgende Barbarenherrschaft dazwischen, eine Straße mußte erweitert werden). Der heutige Eindruck täuscht also (wieder einmal) ein wenig,

Aber wir sollten nicht auf das schauen, was unsere Herzen herabzieht, sondern auf das, was unsere Seele zum Schönen erhebt und tapfer macht. Trotzend aller Vergänglichkeit.

Oder in anderen Worten, wir sollten nicht auf das Vergängliche schauen, sondern es überwinden. Mit Schönheit.

Landgericht I Berlin, Architekten Thoemer, Mönnich & Schmalz


nachgetragen am 9. März

Samstag, 26. Januar 2019

Über die Veredelung aller menschlichen Verhältnisse

Neubau des Berliner Schlosses, der neue Schlüterhof

Wen der letzte Beitrag hier ein wenig befremdet haben sollte - nun, befremdet war auch ich, und zwar in einem Maße, daß ich über die von mir gewöhnlich traktierten Gemeinplätze einfach hinaus mußte. Übrigens lag mein Instinkt da wohl recht richtig (gesagt, eine Reihe von Lektüre- und Hörerlebnissen später) - das war ein Wetterleuchten von einem Unwetter, das sich hoffentlich nicht so auswächst, wie zu befürchten.

Doch noch haben wir unsere eigenen Gruseligkeiten. Der Ort, wo einmal das Berliner Stadtschloß stand und sich heute ein Humboldt-Forum der Vollendung entgegenstreckt, gewinnt neue Kontur. Manches erfreut, schmerzlich, denn nur das Vergegenwärtigen läßt den Schmerz nicht vergessen, anderes gerät zur Demaskierung der Gegenwart.

Viele erfreuen sich an Schönheit, Formenreichtum und Wohlgestalt der trotz allem wieder erstehenden Fassaden, andere sehen auf den Widerspruch, ich scheine mich in letzteres einzureihen. Aber nur auf den ersten Blick. Mir fällt zweierlei auf. Zum einen:

Die Vergangenheit wird lebendig, genauer, der Hauch, der sie erstarren lassen sollte, schwindet. Ich habe hier in einer Kommentarantwort kürzlich versucht zu erklären, wie mir die Abwehrhaltung der Gegenwart erscheint, nämlich als negativer Exorzismus, gewissermaßen. Wenn Vergangenes nicht umgangen werden kann, muß es dekontaminiert und steril versiegelt werden, und sei es unsere arme Königin Luise. Wovon und wozu muß man das Gedenken an die Königin dekontaminieren und steril verpacken? Daß sie wiederkehrt?

Diese Grundmuster treffen wir überall an: Im Vergangenen wohnt immer das Grauen und glücklich ist man nur in der ewigen Gegenwart.

Eduard Gaertner: Rittersaal 
im 2. Obergeschoss hinter dem Schlossportal V

Alles, wonach wir aber suchen wollen, ist eine Verbindung, ein Band zum Vergangenen, das lange noch nicht vergangen ist. Ein Band, das gewaltsam zerschnitten wurde. In der Natur stirbt ein Baum, der von seinen Wurzeln getrennt wurde. Vielleicht vermag es menschliche Kunstfertigkeit für eine Gesellschaft dieses Bild außer Kraft zu setzen, indem sie beides wieder zu verbinden vermag. Denn der Eiseshauch verliert seine Macht, doch er kämpft noch, und der Kampf ist auch keinesfalls schon entschieden.

Ich werde jetzt in keine Suada gegen den Architekten Franco Stella ausbrechen. Wozu? Abstrakt logisch klingt das alles ja auch nur folgerichtig: Das Neue schließt an das Alte an und führt es verändert (und hoffentlich bereichernd) fort. All das wäre wahr, wenn unsere Moderne nicht so wesensverkehrt wäre. Man hat in das Andenken an das Stadtschloß die Moderne hineinzupressen gesucht (auch mir fallen für den Vorgang degoutierte Bilder ein, aber sie sind nicht nötig), vermutlich als ein Akt der Selbstbehauptung, nicht nur der Moderne, sondern der herrschenden Gegenwart überhaupt.

Und das ist das Berückende, womit wir bei Punkt 2 wären, in ihrer verblendeten Selbsteinschätzung überschätzen sich die Gegenwart und ihre Gefolgsleute. Es genügt das Hinschauen, und für den, der noch zu sehen vermag, ist die Debatte damit beendet.

Süd- und Ostfassade des Neubaus des Berliner Schlosses
(3. November 2018, leicht veränderter Ausschnitt) 
Original hier gefunden

Wir wollen sie auch hier deshalb nicht weiterführen. Aber dieser „Native American“, der dem tapferen Jungen vor dem Lincoln Memorial so fanatisch vor dem Gesicht herumtrommelte, brachte mich auf eine Idee (übrigens war es, wie zu erwarten, schlicht ein Aktivist, und man muß offenbar schon sehr suchen, bevor man einen Gegenstand findet, über den er nicht gelogen hätte, aber bekanntlich brauchen Aktivisten kein Gewissen, dafür haben sie recht). Es wäre nicht überraschend, wenn sein Kriegsgeheul ebenfalls völlig unauthentisch und frei erfunden wäre, aber er trommelte.

Trommeln wir Liebhaber des Schönen genug? Ich meine nicht anderen vor der Nase, und der Begriff, wo ich ihn gerade gebrauche, widerstrebt mir schon wieder. Aber klagen wir vielleicht nicht zu viel, anstatt auf das hinzuweisen und an das zu erinnern, was die Klage verstummen läßt? Diesen unangreifbaren Raum des Geistigen zu imaginieren, wäre das nicht eine lohnendere Aufgabe? Und wenn man dafür unzutreffenden Motive unterstellt bekommt – mein Gott.

Berlin, Stadtschloß, Apotheken-Flügel, 1928 

Also fangen wir fröhlich an. Zunächst ein Zitat von von Ruskin „Es gibt nur zwei starke Überwinder der Vergeßlichkeit der Menschen, die Dichtkunst und die Baukunst, und die letztere schließt in gewisser Weise die erstere ein und ist noch mächtiger in ihrer Wirklichkeit. Gut ist es, zu besitzen, nicht nur, was Menschen dachten und fühlten, sondern auch, was sie mit ihren Händen anfaßten, was ihre Stärke hervorbrachte, was ihre Augen an allen Tagen ihres Lebens sahen. Das Zeitalter Homers ist von Dunkel, seine Persönlichkeit von Zweifel umgeben. Anders das Zeitalter des Perikles: der Tag kommt, an dem wir eingestehen, daß wir über Griechenland aus den zerbröckelten Überbleibseln seiner Bildhauerei mehr gelernt haben, als von seinen süßen Sängern und heroischen Geschichtsschreibern.

Wenn unsere Kenntnis der Vergangenheit irgendwelchen Nutzen gewährt, wenn der Gedanke an das Gedächtnis der Nachwelt uns erfreut und die gegenwärtige Anstrengung stark, gegenwärtiges Leiden geduldig  machen kann, so gibt es zwei Pflichten hinsichtlich der nationalen Baukunst, deren Bedeutung unmöglich überschätzt werden kann: erstlich, die Baukunst des Tages geschichtlich zu gestalten und zweitens, die Vergangenheit als kostbarstes Erbteil zu bewahren.“

Eduard Gaertner, Schlüterhof des Berliner Schlosses, 1830

Man mag erahnen, warum ich diese lange Zitat Ruskins angebracht habe, natürlich vor allem des Schlusses wegen, über den Rest ließe sich streiten, aber da er lange tot ist, wäre das eher müßig. Ruskin ist eine ausgesprochen sperrige Figur, auf die sich die unterschiedlichsten Leute berufen haben. Es lohnt aber auch nicht, Gestalten wie ihn gewissermaßen kindisch als Säulenheilige anzupreisen. Selbst Heilige dürften einen vor allem schwierigen Charakter gehabt haben. Und nur als Nebenbemerkung, Ruskin hat unbestritten seine Verdienste als Kunstkritiker und Kunstförderer, aber seine eigene Frau lief zum Maler Millais über, den er ebenfalls gefördert hatte, und während dieser den Kontakt zu Ruskin abbrach, äußerte sich jener nichtsdestotrotz weiterhin freundlich über Millais. Also doch ein Heiliger? Nun ja.

Der große William Turner wollte u.a. Ruskin als Vollstrecker seines Testaments haben. Dieser lehnte nach dessen Tod zwar ab, erklärte sich jedoch bereit, dessen Zeichnungen und Skizzen zu sortieren, was er auch ziemlich rabiat tat. Er verpackte sie in Kisten, deren Bennungen von „Mist/rubbish“ bis „fürchterlich/horrible“ reichten. Und als er entgeistert auf dessen erotische Zeichnungen stieß, verbrannte er einiges davon. Also ein wenig zu viel Heiliger. Man sollte seine Gewährmänner aber auch nicht zu unkritisch betrachten.

Wie aus der Überschrift leicht zu ersehen, sollte es hier eigentlich um Schinkel gehen, das sind dann nun also die Vorbemerkungen geworden (mit Schinkel ist es halt so, wie bei allen großen Geistern,  schnell wird einem das, was man da zusammenträgt und unbedingt zitieren will, wie Hefeteig).


soll fortgesetzt werden
nachgetragen am 28. Januar

Dienstag, 11. Februar 2014

Ein wenig Gegenwart sozusagen, 1914 etc.

Eduard Gaertner: Schlüterhof des Berliner Schlosses, 1830

Es ist schon sonderbar. Da will man sich mit einer speziellen Frage der unseligen Französischen Revolution beschäftigen (gut, die hatten ja so ungefähr alle 30 - 40 Jahre eine, und wenn sie ausfiel, dann hatten sie gerade Krieg, ich meine die erste davon); landete zwischen vielem beim Kommentar eines Journalisten einer „Qualitätszeitung“, der die Massenmorde in der Vendée final damit relativierte (nachdem er die Hauptvorwürfe eher oberflächlich referierte, aber damit immerhin anzeigte, sie zu kennen), schließlich habe man beim Kreuzzug gegen die Katharer auch ganze Städte ausgelöscht; ah ja.

Wir wollten das schon alles als weiteres Produkt des formatierten Mainstream-Denkens dieser Tage abtun, und lasen dann eine Philippika gegen einen Artikel aus dem eigenen Haus, die von gleicher Güte und Schematik war. Nur des Interesses halber lesen wir den auch, und uns fällt quasi der Unterkiefer herunter („Der Beginn vieler Schrecken - Warum die Vorstellung von der friedensstiftenden Wirkung der europäischen Einigung, insofern sie das Nationale überwindet, auf falschen Prämissen beruht. Ein Beitrag zur Schulddebatte 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 - Von Dominik Geppert, Sönke Neitzel, Cora Stephan, Thomas Weber“ - „Die Welt“ 3. Januar 2014). Klarer und wahrer kann man es kaum sagen, und das in diesen Zeiten (und an diesem Ort!).

(Übrigens bringe ich die Verweise nicht unbedingt immer als Leseempfehlung, ich mag es nur nicht, wenn man für mich denkt und urteilt (außer in Sachen des heiligen Glaubens natürlich, aber das ist eine andere Spielwiese), also sehe jeder selbst.)

Bewußter Artikel stellt erst  einmal das Offensichtliche fest, nämlich, daß Deutschland sich schwer tue mit dem öffentlichen Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs, der sich 2014 zum hundertsten Mal jährt.  Das liege an der seit den 60er Jahren durchgesetzten These, Deutschland habe auch den 1. Weltkrieg zu verantworten. Neuere historische Forschungen würden dieser Vorstellung widersprechen, „wonach das Deutsche Reich durch sein Weltmachtstreben Großbritannien provoziert habe und in seiner Machtgier mit vereinten Kräften gestoppt werden musste“. Diese Sicht aber liege dem Europakonzept zugrunde, demzufolge Deutschland supranational "eingebunden" werden müsse, damit es nicht erneut Unheil stifte. „Die Vorstellung von der friedensstiftenden Wirkung der europäischen Einigung, insofern sie das Nationale überwindet, wie sie besonders in Deutschland verbreitet ist, beruht jedoch unserer Meinung nach auf falschen Prämissen.“

Anschließend wird nicht nur Christopher Clark mit seinem Maßstäbe setzenden Buch „Die Schlafwandler“ angeführt und der unheilvolle Fritz Fischer (dem die bewußte Legende maßgeblich zu „danken“ ist) in seine Grenzen verwiesen. Man skizziert die Interessen und Motive der damals handelnden Großmächte, um für das Deutsche Reich festzustellen: „Die deutsche Führung schließlich verfolgte, getrieben von Abstiegsängsten und Einkreisungssorgen, das defensive Ziel, jene prekäre Situation einer begrenzten Hegemonie auf dem europäischen Kontinent wieder zu errichten, die das Reich unter Bismarck besessen hatte, weit entfernt davon, übermütig und größenwahnsinnig nach der Weltmacht zu greifen.“

Die Schulddebatte aber erscheine „ein wenig wie die Fortführung jener kriegsüblichen Propaganda, der das Deutsche Reich damals kaum etwas entgegenzusetzen wusste, das sich in der Rolle des "Barbaren", der belgische Frauen und Kinder schändete, vorgeführt sah“. Der Erste Weltkrieg sei der Beginn vieler Schrecken und einer von ihnen die Moralisierung des Krieges.

Die multipolare Welt von heute habe mehr mit 1914 gemein, als viele sich eingestehen wollten. Gerade dieser Gefahren wegen sei es entscheidend, realpolitisch zu denken und zu handeln und nicht aus moralistischen Konstrukten heraus.

In England und Frankreich würden viele gern an der Schwarz-Weiß-Version eines "gerechten Krieges" festhalten, in dem Liberalismus gegen Militarismus, Demokratie gegen Autokratie und nationale Selbstbestimmung gegen Fremdherrschaft standen. Umgekehrt hätten wir uns in Deutschland „einen negativen Exzeptionalismus angewöhnt: das Gefühl, heute besonders gut dazustehen, weil wir in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders schlecht gewesen seien.“ Manchem behagten die neueren Einsichten nicht. Schuldstolz stehe uns aber genauso wenig zu wie ein triumphierender Freispruch.

Und schließlich, ein Europa, das auf Fiktionen beruhe, müsse scheitern. „EU oder Krieg“ sei eine alberne Alternative. Das „albern“ stammt von mir.  Dazu ließe sich sehr viel sagen, was wir uns diesmal versagen (nur soviel, das ist keineswegs übertrieben dargestellt, ich erinnere mich noch lebhaft, wie vor langer Zeit mir einmal ein ganz ein wichtiger Funktionär einer deutschen Volkspartei erklärte, wenn ich nicht für den Euro sei, wäre ich nicht für den „Frieden“; mir kam die Wendung irgendwie vertraut vor, mit leicht anderen Worten (aber wohl derselben Denkstruktur)).

Nein, wir wollen noch knapp auf etwas anderes verweisen. Und das ist wirklich so gemeint, denn zu der ganzen Schloßrekonstruktion in Berlin, die gar keine sein will, ließe sich ebenso viel sagen, aber ich mag nicht (je mehr man sich in die Details vertieft, um so mehr schaudert's einen).

Modell des "Humboldt-Forums"

Also, der unterlegene Architekt Stephan Braunfels gibt den Stänkerer, und während die Fundamente des „Schlosses“ und das Kellergeschoß und die Planungen längst fertig sind, und wahrscheinlich auch schon die Möbel bestellt, zeigt, er, wie die Ostfassade auch anders als ein Schlachthof oder dgl. aussehen könnte. Das Art -Magazin hat das recht hübsch und vor allem kurz zusammengefaßt und findet dabei hübsche Wendungen wie:

„Was also will seine Impertinenz? Braunfels' fast volljähriger Vorschlag von 1996 sieht vor, die Ostfront des Schlosses einfach wegzulassen. Das soll keine späte Strafe für die Rotfront aus Ostberlin sein, die das Schloss samt seinem Renaissance- und Apothekenflügel an dieser Stelle 1950 aus niedersten Motiven gesprengt hatte. Braunfels will das Schöne. Einen offenen Hof Richtung Alexanderplatz, der sich sanft hinabtreppt zu Spree und eine freie Sichtachse zum Fernsehturm bietet, so wie in Paris...“

Das Stichwort ist gefallen: Er will das „Schöne“, ich bezweifle, daß das den meisten Raumplanern, Städteentwicklern, Architekten usw. heutzutage noch viel sagt, ist halt eine altmodische Kategorie. Der Art-Artikel sagt zurecht es sei zu spät, das fürchte ich auch, und hofft, vielleicht gäbe es wenigstens „eine neuerliche Diskussion über Franco Stellas schlimme Ostwall-Architektur“. Für diese Strafmauer mit ihren 115 monoton eingeschnittenen Rasterlöchern sei "dröge" ein Kompliment. Und schließlich: Wem es gelänge, dieses Monstrum vom Schloß rechtzeitg wieder wegzudenken, dem gebühre ein Denkmal an der Spree – und hieße er auch Stephan Braunfels.

Ansonsten hat dieser Autor noch nette Bilder, die das Ganze verständlicher machen (die Argumentation fand ich eher anstrengend, aber mein Horizont ist, wie man weiß, beschränkt). Doch man bekommt Ahnungen von dem, was möglich wäre. Gut, man müßte eine Fassade des Schlüterhofes drehen, aber das ganze Schloß ist so eh ein Konstrukt, gerade an dieser Stelle auf Authentizität zu pochen, ist reichlich dubios.

In der Bilderserie dieses Artikels findet man eine Aussicht aus dem dann offenen Hof auf das neu-alte Zentrum Berlins, dieser zerstückelten Stadt - atemberaubend; und von dem Schlüterhof ist gar nicht mal viel zu sehen. Das wäre echte Stadtheilung. Da würde das wiedergewonnene Alte sich mit dem schwierigen Neuen zusammenfinden und siehe da, das Ergebnis wäre überraschend und erstaunlich. Aber die wird nicht kommen, mit diesem Personal und seinen überschaubaren Denkstrukturen sowieso nicht.

Donnerstag, 17. Januar 2013

Zeitungslektüre &


Denkmal Kaiser Wilhelm I. vor dem Berliner Stadtschloß, 1900

Das Linke (jedenfalls die Unterart hier) ist ein reflexhaftes Wesen, jetzt hat ein (linker) französischer Präsident eine kleine Militärintervention in Afrika gestartet, und man ist natürlich empört, weiß aber nicht recht, wo man die Empörung hinstecken soll. Und dann jubeln diese Malinesen auch noch, wie unhöflich. Frau Merkel, lese ich heute in der FAZ, versucht Europa auf verschlagenen Umwegen ökonomisch zu dominieren, ihr Counterpart in Frankreich sucht den Ausweg nochmal auf die altmodische Weise. Nicht sehr unterhaltsam das alles.

Ach, und dann lese ich, daß den Berliner Schloßnachbau ein „harter Platz“ umgeben soll, also möglichst grünfrei und vor allem ohne Begas – Brunnen, denn das wäre „Disneyland“, aha. Belobhudelt wurde die ausgedachte Ödnis als „sensibel, poetisch, urban“. Der eigene Reflex würde ausrufen: „Herr, wirf Hirn vom Himmel!“; aber erstens ist das auch Klischee, und zweitens würde es bei weitem nicht ausreichen. Da wir gelesen haben, wir würden nicht geprüft werden über unsere Kraft hinaus, üben wir uns also folglich im Ertragen der Gegenwart.

Doch halt, gestern auf Arte hörte ich, der biologische Geschlechterunterschied sei derart minimal, daß man ihn angesichts der sozialen Determination quasi vernachlässigen könne, man wähle sozusagen sein Geschlecht. Und jetzt kommt die Volte, würde der Mann mehr seine weiblichen Anteile zulassen, transformierte sich die Welt (nach all dem Bösen der Geschichte) holterdipolter in einen viel lebenwerteren Ort (eben noch lernten wir, dies sei alles frei verfügbar, der Mensch erschaffe sich quasi selbst). Die Heilung kommt also vom Ur-Gut-Weiblichen. Ich konnte das alles nicht bis zum Ende ertragen, aber fragen muß ich mich doch, woher eigentlich kommt dieses hartnäckige Vorurteil, daß derartige Regungen auch nur beiläufig an der Vernunft entlanggelaufen wären, geschweige denn, von ihr irgendwie affiziert?

Neptunbrunnen vor dem Marstall, 1900

Donnerstag, 10. Mai 2012

ein wenig Potsdam & Berlin


Als guter Potsdamer (das läßt sich nicht mehr auswaschen) bedeutet das natürlich, es gibt ein wenig Berlin (erstes Bild) und viel Potsdam. Im Berliner Café Einstein „Unter den Linden“ traf ich Herrn Morgenländer. Unserer Unterhaltung hätte es vermutlich gut getan, wenn ich erstens pünktlicher gewesen (leider wesensfern) und zweitens das Wetter weniger schwül gewesen wäre (dafür kann ich nichts), wie auch immer.






Daß das Schloß-Wiederaufbauen (nicht nur in Potsdam) nun kräftig angefangen hat, freut uns natürlich, einerseits; andererseits ist alles so auffallend unfertig gedacht und unbeholfen und... ach lassen wir das und hoffen darauf, daß ein wie immer gearteter Anfang, einmal in Gang gesetzt, seine eigenen Gesetze kreiert...