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Samstag, 14. Januar 2023

La Chapelle L’ange au Violon

La Chapelle L’ange au Violon, France by JR pharma

La Chapelle L’ange au Violon, France by JR pharma

Eine der erfreulichsten Entdeckungen des Jahres 2022 (fast hätte ich 19.. geschrieben) war, worin die Geschichte eines der Bilder bestand, das mich schon länger fasziniert hat, genauer, verschiedene Bilder des offenkundig selben Ortes. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, wann ich eines ursprünglich anbrachte. Nicht, daß ich zu überhaupt 5 % erinnern kann, was ich wann hier geschrieben habe:

Der pflanzenüberwucherte Innenraum einer halbverfallenen (möglicherweise) gotischen Kirche von berückender Schönheit: Angenehme Proportionen eines kraftvollen Raumes, reiches Maßwerk, schöne Fenster, Skulpturen. Im Nachhinein ist völlig klar, daß der Ort nicht besonders ausgedehnt sein konnte, aber das bemerkte man nicht. Denn auch die unscheinbarste Schönheit wirkt immer groß und vollständig. Das ist ihr Geheimnis. 

Der Heimatort des großen Kirchleins befindet sich also in Frankreich, genauer „am Fuße des Schwarzen Berges und weniger als 15 Minuten vom Flughafen und der mittelalterlichen Stadt Carcassonne“ entfernt. Erbaut 1866, nunmehr bekannt als Kapelle des Engels mit der Geige, liegt es direkt neben einem größeren Anwesen, das heute als Hotel dient (Domaine de Vic, 11600 Conques-sur-Orbiel). Das Zitat stammt aus dessen aufwendiger Präsentation, die sogar mit der Kirche wirbt, wenn auch nur vermeldet werden kann, daß im Jahr 2016 das Dach gesichert wurde, alles in Privatbesitz ist und nicht betreten werden darf.

Photo von hier

Was auch auffällt, wenn man eine Außenansicht betrachtet: Wie klein sich diese Kapelle neben dem größeren Anwesen ausnimmt, aber siehe oben.

Nur um zu zeigen, daß ich genauso nur ein gewöhnlicher Ressentiment-beladener Mensch bin:  Unglücklicherweise ist das Französische komplett an mir vorbei gegangen. und nein, nicht etwa etwa wegen der Dinge nach Versailles, mit den Verwüstungen, die es vorher gebracht hat, erst in der Pfalz und dann et cetera pp. Es ist alles nur die die höchst eigene Trägheit meines Geistes.


Ich sage das auch deshalb, weil ich, so weit als nur eben möglich, niemandem in seine Bildrechte eingreifen will, und zugleich nur erahnen kann, worüber engagierte Franzosen tatsächlich sprechen... Aber ich habe ein großes Vertrauen, selbst hier, wo ich nach meinen hilflos endenden Versuchen einfach einige Bilder herausgriff.

Denn das ist die eigentliche Geschichte. Die Kapelle, die lange völlig dem Verfall preisgegeben war, und leicht zugänglich, hatte auch gerade junge Bewunderer gefunden. Ein  besonders sympathisch wirkendes Beispiel findet man, so man diesem Verweis folgt.

Ein anderes imposantes Video kann man dort anschauen (nur die Musik ist etwas arg melodramatisch). 

Costa Bordino, Urbex: La Chapelle de l'Ange au Violon

Ebenso ist dieses längere Stück empfehlenswert (allerdings auch hier – die Musik!) 

Photo © Raphaël Coffin

Und um doch einmal einen Namen zu nennen, von diesen Helden der Erinnerung. Ein junger Photograph namens Raphaël Coffin beschert uns diese wundervolle Seite voller berückender Bilder. Das obige habe ich mir dort von ihm „entliehen“.

Die Schönheit findet immer würdige und oft überraschende Verteidiger. Auch selbst wenn sie oft nicht siegreich blieben, ihre Haltung wird aufgeschrieben sein im Buch des Ewigen.

In diesem erfreulichen Fall aber scheint der anschwellende Ruhm, genährt von Enthusiasten, dem Besitzer ins Gewissen (oder was immer) geredet zu haben. Es besteht tatsächlich Anlaß zur Hoffnung, auch wenn man sich gegenwärtig in diese kleine Kapelle unweit von Carcassonne nicht hineinschleichen kann. Schönheit vermag immer zu berühren und zur guten Seite des Seienden hinüberzuziehen, wahrscheinlich rührt von daher auch der sonst unbegreifliche Argwohn gegen sie, um es höflich auszudrücken.

Die Schönheit schlägt eine Brücke zum Ewigen. Gehen wollen müssen wir schon selbst.

nachgetragen am 15. Januar

Montag, 10. Mai 2021

Der Friede von Frankfurt


Adolph von Menzel, Abreise König Wilhelms I. zur Armee 
am 31. Juli 1870, hier gefunden

Vor 150 Jahren, also am 10. Mai 1871, wurde in Frankfurt am Main ein Friedensvertrag unterzeichnet, der den Krieg zwischen der Französischen Republik und dem Deutschen Reich beendete. Begonnen hatte er als ein Krieg des französischen Kaiserreichs gegen Preußen, da, wie es in der französischen Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 hieß, dessen Regierung, die Verpflichtung zu haben glaubte, „für die Verteidigung ihrer Ehre und ihrer verletzten Interessen zu sorgen“. Der Kriegsgrund war ein vorgeschobener und vermochte außerhalb Frankreichs auch niemanden recht zu überzeugen. Nicht von ungefähr blieb es ohne Bündnispartner, nach denen es emsig Ausschau gehalten hatte.

„Solange der französische Bonapartismus, der sich in der damaligen Lage nur an der Macht halten konnte, wenn er die endgültige Schaffung eines gesamtdeutschen Staates verhinderte und dabei möglichst noch die französische Grenze allmählich nach dem Osten vorschob, noch nicht geschlagen war, führte Deutschland einen gerechten Verteidigungskrieg.“ So schrieb der Historiker und Marxist Engelberg in seiner zweibändigen maßstabsetzenden Bismarck-Biographie. 

Neu-Deutsche Historiker verteidigen dagegen gern den französischen Imperialismus, indem sie einen deutschen unterstellen. Der eine schaute noch auf die Wirklichkeit, selbstredend aus der Perspektive seiner Überzeugungen. Die gegenwärtig Modischen sind getrieben von Übel-Wollen und dreister Unbildung.

„Gestern haben wir endlich unterzeichnet, mehr erreicht als ich für meine persönliche politische Berechnung für nützlich halte. Aber ich muß nach oben und nach unten Stimmungen berücksichtigen, die eben nicht rechnen. Wir nehmen Elsaß und Deutsch-Lothringen, dazu auch Metz mit sehr unverdaulichen Elementen, und über 1300 Millionen Thaler.“ So Bismarck schon am 27. Februar an seine Frau (über den Vorfrieden, der nunmehr im Wesentlichen bestätigt wurde).

Das ist es, was heute, wenn überhaupt noch, als Inhalt des Vertrages bekannt ist, die Kriegsentschädigungen durch Frankreich und dessen Gebietsabtretungen. Bismarck war aus pragmatischen Gründen über den Gebietszuwachs wenig begeistert, da er immer schon die neuen möglichen Schwierigkeiten sah. Etwa später: Warum Kolonien, wenn man keine Flotte hat, sie zu schützen, die aber, wenn man sie sich zulegte, nur die Briten in ihrem Meeresherrschaftswahn zum Übelnehmen einladen würde. Wie es dann ja auch kam.

Ansicht Straßburgs von 1644, hier gefunden

Aber Bismarck war hier wohl zu überbedachtsam. Die Franzosen waren beleidigt, weil sie den Krieg verloren hatten, der Verlust Elsaß-Lothringens war da nur ein guter zusätzlicher Vorwand. Es handelte sich übrigens um überwiegend deutschsprachige Gebiete, die Frankreich aufgrund der Schwäche des Reiches nach und nach okkupiert hatte, so Straßburg mitten im Frieden 1681 während das Reich mit der Abwehr der Türkengefahr beschäftigt war.

Überhaupt hatte Frankreich ein langanhaltendes starkes Bedürfnis, seine Grenzen gen Osten auszudehnen. Und als dies etwa bei der Pfalz nicht gelingen wollte, brannte man wenigstens die Gegend gründlich nieder, so etwa die Kaiserdome in Speyer und Worms oder die Stadt Heidelberg. Mit anderen Worten: Diese Grenze des Reiches war seit Jahrhunderten, vom Dreißigjährigen, über die sog. Reunionskriege, den Pfälzischen Erbfolgekrieg bis zu Napoleon I., wo selbst Hamburg französisch wurde, Angriffen aus dem Westen ausgesetzt und nun sollte es auf einmal andersherum sein? Das war zuviel für das französische Selbstbewußtsein und verletzte die Ehre der „Großen Nation“ in unerträglichem Maße 

Ezéchiel du Mas, comte de Mélac, Befehlshaber der Rheinarmee Ludwig XIV., hier gefunden

Der Rückschlag der Befreiungskriege, wie die Deutschen sie nannten, mochte in der kollektiven französischen Erinnerung mehr wie ein Unfall der Geschichte aussehen, den Napoleon III. nun eben ungeschehen zu machen versucht hatte.

Europa 1812, vor Napeoleons Rußlandfeldzug, hier gefunden

Das war alles auf deutscher Seite gerade in den rheinnahen süddeutschen Gebieten aber noch nicht wirklich in Vergessenheit geraten, weder die Verheerungen noch das Bewußtsein, daß auf der ganzen anderen Rheinseite deutschsprachige Gebiete lagen. Und auf militärisch verantwortlicher Ebene wollte man an der Westgrenze eine festere Garantie gegen künftige französische Ambitionen. Das erklärt vielleicht die Stimmungen von oben und unten, auf die sich Bismarck bezieht. 

Dennoch war der Frankfurter Friede ein mäßiger und nicht darauf ausgelegt, den besiegten Kriegsgegner zu zerstören, wie es der Versailler später dann zu betreiben suchte. Die rund 1,33 Milliarden Preußischen Taler Kriegsentschädigung brachte Frankreich schneller auf als erwartet und so zogen schon im September 1873 die letzten deutschen Truppen ab.

Die Bewohner Elsaß-Lothringens, die für Frankreich optieren wollten, behielten „ihren auf den mit Deutschland vereinigten Gebieten belegenen Grundbesitz“. Und Artikel II bestimmt ferner:

„Kein Bewohner der abgetretenen Gebiete darf in seiner Person oder seinem Vermögen wegen seiner politischen oder militairischen Handlungen während des Krieges verfolgt, gestört oder zur Untersuchung gezogen werden.“

Welch deutsche Perfidie!

Lorenz Clasen, Germania auf der Wacht am Rhein, 

Es war ein letztes Muster eines Friedens, der den Kriegsgegner immer noch respektierte. Für die Deutschen, deren II. Kaiserreich eben geschaffen worden war, begann ein Aufschwung auf kulturellem, technischem und wirtschaftlichem Gebiet, wie er kein Beispiel in der deutschen Geschichte kennt.

Und so wurde nicht nur hier, sondern auch in Magdeburg am Denkmal für die Einigungskriege im Park am Fürstenwall dieses heute eher vergessenen Ereignisses gedacht.



Robert Schumann, Nikolaus Becker, Rheinlied, hier gefunden

Robert Schumann, Nikolaus Becker, Sie sollen ihn nicht haben den freien deutschen Rhein, hier gefunden

nachgetragen am 17. Mai


Nachtrag am 18. Mai

Eben lese ich in einem Stück von glorifizierendem Revolutionskitsch, daß der Sturz der Napoleon-Säule am Place Vendôme auf die Nachricht von der Ratifizierung hin erfolgt sein soll. Welch Ironie! Und, woraus man alles etwas lernen kann.

Pariser Kommune 1871 beim Sturz der Colonne Vendôme, hier gefunden

Dienstag, 11. Februar 2014

Ein wenig Gegenwart sozusagen, 1914 etc.

Eduard Gaertner: Schlüterhof des Berliner Schlosses, 1830

Es ist schon sonderbar. Da will man sich mit einer speziellen Frage der unseligen Französischen Revolution beschäftigen (gut, die hatten ja so ungefähr alle 30 - 40 Jahre eine, und wenn sie ausfiel, dann hatten sie gerade Krieg, ich meine die erste davon); landete zwischen vielem beim Kommentar eines Journalisten einer „Qualitätszeitung“, der die Massenmorde in der Vendée final damit relativierte (nachdem er die Hauptvorwürfe eher oberflächlich referierte, aber damit immerhin anzeigte, sie zu kennen), schließlich habe man beim Kreuzzug gegen die Katharer auch ganze Städte ausgelöscht; ah ja.

Wir wollten das schon alles als weiteres Produkt des formatierten Mainstream-Denkens dieser Tage abtun, und lasen dann eine Philippika gegen einen Artikel aus dem eigenen Haus, die von gleicher Güte und Schematik war. Nur des Interesses halber lesen wir den auch, und uns fällt quasi der Unterkiefer herunter („Der Beginn vieler Schrecken - Warum die Vorstellung von der friedensstiftenden Wirkung der europäischen Einigung, insofern sie das Nationale überwindet, auf falschen Prämissen beruht. Ein Beitrag zur Schulddebatte 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 - Von Dominik Geppert, Sönke Neitzel, Cora Stephan, Thomas Weber“ - „Die Welt“ 3. Januar 2014). Klarer und wahrer kann man es kaum sagen, und das in diesen Zeiten (und an diesem Ort!).

(Übrigens bringe ich die Verweise nicht unbedingt immer als Leseempfehlung, ich mag es nur nicht, wenn man für mich denkt und urteilt (außer in Sachen des heiligen Glaubens natürlich, aber das ist eine andere Spielwiese), also sehe jeder selbst.)

Bewußter Artikel stellt erst  einmal das Offensichtliche fest, nämlich, daß Deutschland sich schwer tue mit dem öffentlichen Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs, der sich 2014 zum hundertsten Mal jährt.  Das liege an der seit den 60er Jahren durchgesetzten These, Deutschland habe auch den 1. Weltkrieg zu verantworten. Neuere historische Forschungen würden dieser Vorstellung widersprechen, „wonach das Deutsche Reich durch sein Weltmachtstreben Großbritannien provoziert habe und in seiner Machtgier mit vereinten Kräften gestoppt werden musste“. Diese Sicht aber liege dem Europakonzept zugrunde, demzufolge Deutschland supranational "eingebunden" werden müsse, damit es nicht erneut Unheil stifte. „Die Vorstellung von der friedensstiftenden Wirkung der europäischen Einigung, insofern sie das Nationale überwindet, wie sie besonders in Deutschland verbreitet ist, beruht jedoch unserer Meinung nach auf falschen Prämissen.“

Anschließend wird nicht nur Christopher Clark mit seinem Maßstäbe setzenden Buch „Die Schlafwandler“ angeführt und der unheilvolle Fritz Fischer (dem die bewußte Legende maßgeblich zu „danken“ ist) in seine Grenzen verwiesen. Man skizziert die Interessen und Motive der damals handelnden Großmächte, um für das Deutsche Reich festzustellen: „Die deutsche Führung schließlich verfolgte, getrieben von Abstiegsängsten und Einkreisungssorgen, das defensive Ziel, jene prekäre Situation einer begrenzten Hegemonie auf dem europäischen Kontinent wieder zu errichten, die das Reich unter Bismarck besessen hatte, weit entfernt davon, übermütig und größenwahnsinnig nach der Weltmacht zu greifen.“

Die Schulddebatte aber erscheine „ein wenig wie die Fortführung jener kriegsüblichen Propaganda, der das Deutsche Reich damals kaum etwas entgegenzusetzen wusste, das sich in der Rolle des "Barbaren", der belgische Frauen und Kinder schändete, vorgeführt sah“. Der Erste Weltkrieg sei der Beginn vieler Schrecken und einer von ihnen die Moralisierung des Krieges.

Die multipolare Welt von heute habe mehr mit 1914 gemein, als viele sich eingestehen wollten. Gerade dieser Gefahren wegen sei es entscheidend, realpolitisch zu denken und zu handeln und nicht aus moralistischen Konstrukten heraus.

In England und Frankreich würden viele gern an der Schwarz-Weiß-Version eines "gerechten Krieges" festhalten, in dem Liberalismus gegen Militarismus, Demokratie gegen Autokratie und nationale Selbstbestimmung gegen Fremdherrschaft standen. Umgekehrt hätten wir uns in Deutschland „einen negativen Exzeptionalismus angewöhnt: das Gefühl, heute besonders gut dazustehen, weil wir in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders schlecht gewesen seien.“ Manchem behagten die neueren Einsichten nicht. Schuldstolz stehe uns aber genauso wenig zu wie ein triumphierender Freispruch.

Und schließlich, ein Europa, das auf Fiktionen beruhe, müsse scheitern. „EU oder Krieg“ sei eine alberne Alternative. Das „albern“ stammt von mir.  Dazu ließe sich sehr viel sagen, was wir uns diesmal versagen (nur soviel, das ist keineswegs übertrieben dargestellt, ich erinnere mich noch lebhaft, wie vor langer Zeit mir einmal ein ganz ein wichtiger Funktionär einer deutschen Volkspartei erklärte, wenn ich nicht für den Euro sei, wäre ich nicht für den „Frieden“; mir kam die Wendung irgendwie vertraut vor, mit leicht anderen Worten (aber wohl derselben Denkstruktur)).

Nein, wir wollen noch knapp auf etwas anderes verweisen. Und das ist wirklich so gemeint, denn zu der ganzen Schloßrekonstruktion in Berlin, die gar keine sein will, ließe sich ebenso viel sagen, aber ich mag nicht (je mehr man sich in die Details vertieft, um so mehr schaudert's einen).

Modell des "Humboldt-Forums"

Also, der unterlegene Architekt Stephan Braunfels gibt den Stänkerer, und während die Fundamente des „Schlosses“ und das Kellergeschoß und die Planungen längst fertig sind, und wahrscheinlich auch schon die Möbel bestellt, zeigt, er, wie die Ostfassade auch anders als ein Schlachthof oder dgl. aussehen könnte. Das Art -Magazin hat das recht hübsch und vor allem kurz zusammengefaßt und findet dabei hübsche Wendungen wie:

„Was also will seine Impertinenz? Braunfels' fast volljähriger Vorschlag von 1996 sieht vor, die Ostfront des Schlosses einfach wegzulassen. Das soll keine späte Strafe für die Rotfront aus Ostberlin sein, die das Schloss samt seinem Renaissance- und Apothekenflügel an dieser Stelle 1950 aus niedersten Motiven gesprengt hatte. Braunfels will das Schöne. Einen offenen Hof Richtung Alexanderplatz, der sich sanft hinabtreppt zu Spree und eine freie Sichtachse zum Fernsehturm bietet, so wie in Paris...“

Das Stichwort ist gefallen: Er will das „Schöne“, ich bezweifle, daß das den meisten Raumplanern, Städteentwicklern, Architekten usw. heutzutage noch viel sagt, ist halt eine altmodische Kategorie. Der Art-Artikel sagt zurecht es sei zu spät, das fürchte ich auch, und hofft, vielleicht gäbe es wenigstens „eine neuerliche Diskussion über Franco Stellas schlimme Ostwall-Architektur“. Für diese Strafmauer mit ihren 115 monoton eingeschnittenen Rasterlöchern sei "dröge" ein Kompliment. Und schließlich: Wem es gelänge, dieses Monstrum vom Schloß rechtzeitg wieder wegzudenken, dem gebühre ein Denkmal an der Spree – und hieße er auch Stephan Braunfels.

Ansonsten hat dieser Autor noch nette Bilder, die das Ganze verständlicher machen (die Argumentation fand ich eher anstrengend, aber mein Horizont ist, wie man weiß, beschränkt). Doch man bekommt Ahnungen von dem, was möglich wäre. Gut, man müßte eine Fassade des Schlüterhofes drehen, aber das ganze Schloß ist so eh ein Konstrukt, gerade an dieser Stelle auf Authentizität zu pochen, ist reichlich dubios.

In der Bilderserie dieses Artikels findet man eine Aussicht aus dem dann offenen Hof auf das neu-alte Zentrum Berlins, dieser zerstückelten Stadt - atemberaubend; und von dem Schlüterhof ist gar nicht mal viel zu sehen. Das wäre echte Stadtheilung. Da würde das wiedergewonnene Alte sich mit dem schwierigen Neuen zusammenfinden und siehe da, das Ergebnis wäre überraschend und erstaunlich. Aber die wird nicht kommen, mit diesem Personal und seinen überschaubaren Denkstrukturen sowieso nicht.

Donnerstag, 31. Mai 2012

Über das Befriedende der Literatur


Port-Royal des Champs

Ich habe die Begeisterung für Ludwig XIV. nie nachvollziehen können, in meinen Augen war er eine Canaille. Warum? Oh, man vertiefe sich nur einmal in die Details des Pfälzischen Erbfolgekriegs (Stichwort Ezéchiel de Mélac). Glanz, dem das moralische Fundament ermangelt, ist eben doch eher hohl, vermutlich mußte er auch deshalb das Kloster Port Royal zerstören. Das ihm im Wege stehende Heilige Römische Reich, bekämpfte er übrigens mit Vorliebe dann, wenn die Habsburger durch den Abwehrkampf gegen die Türken gebunden waren. Das nennt man wohl Pragmatismus. Ich konzediere, er war begabt, ein großer Förderer und Anreger der Künste, aber im Kern eine durchaus zwiespältige Erscheinung.

Wie ich überhaupt darauf komme, nun am 31. Mai 1689 zündeten französische Soldaten den Dom zu Speyer an, nachdem sie zuvor die dortigen Kaisergräber geplündert hatten etc. etc. Aber dann brach ich gestern an dieser Stelle ab - welchen Sinn hat es, alten Groll emporzuwühlen - und las wieder einmal in den Briefen der Liselotte von der Pfalz (Herzogin von Orléans, Schwägerin Ludwig XIV., Mutter des Regenten), in deren Namen diese Untaten an ihrem Heimatland zu ihrem großen Schmerz schließlich begangen wurden. Diese Lektüre hatte auf mich schon immer eine herzerwärmend - pazifierende Wirkung. Und darum will ich sie erneut (man sehe hier und hier) einfach mit ein paar Zitaten in Erinnerung rufen:


Port-Royal des Champs, heute

„Aber das natürliche sprechen mag wohl nicht so gar reguliert in der politesse sein, ist aber viel nobler und expressiver und mehr, wie man denkt, also gar gewiß besser.“

„Ich lebe hier lieber allein und habe mich deromaßen an dies leben gewohnt, daß mir die zeit kein augenblick lang darbey fällt. I lese bald französisch, bald teutsch, ich schreibe, ich spiele mit meine hündgen, ich sehe kupferstück … finde also immer was zu tun; gibt es mir keine freude, so betrübts mich auch nicht und macht doch ein ruhiges leben, welches doch auf die lenge am besten ist, denn alles ander wird man leicht müde. Ich bin wohl des alten herzogs von Lothringen meinung, daß, wer sein glück nicht in sich selber finden kann, wird es unnötiger weis anderst wo zu suchen sein.“

„Wenn ich allemal die stirn runzeln wollte, wenn ich hier sehe was mir nicht gefellt, so würde ich fingersdicke runzelen jetzt haben; was das lachen betrifft, so muß es noch ein rest von dem lachen von meiner jugend sein, denn nun lach ich selten.“

„P.S. In diesem augenblick erfahre ich,  daß mad de Maintenon beste freundin, die Monchevreuil gestorben ist. Nun ist ein bös weib weniger in der welt; Gott bekehre alle, so es noch sein und nehme sie in sein paradeys. amen.“

„In allen predigten macht man dem König complimenten, die armen reformierten verfolgt zu haben, meint also, es were was gar großes und schönes... Es ist in der tat zu bejammern, daß man ihm in seiner jugend nicht recht gelernt, was eygentlich die religion ist und wie sie mehr instituiert ist, die einigkeit unter den menschen zu unterhalten, als daß sie einander plagen und verfolgen sollen.“

„... denn es mir all mein leben leyd gewesen, ein weibsmensch zu sein, und kurfürst zu sein, were mir, die wahrheit zu sagen, besser angestanden, als Madame zu sein; aber weilen es gottes willen nicht gewesen, ist es ohnnötig, dran zu gedenken.“

„Das 3tagige fieber hat mich verlassen, ich glaube, ich habe mich mit kirschenessen couriert, denn man mir die kirschen verboten, man brachte mir aber von St. Cloud ein korb voll schöner kirschen, die habe ich heimblich gefressen und seyderdem das fieber nicht wieder bekommen.“


Port-Royal des Champs, heute

„Ich fragte einstmals an herr Salmond, wie es käme, daß in der heyligen schrift stehet, daß die menschen nach Gottes ebenbild geschaffen sein und die menschen doch so gar unperfect weren. Er antwortete, daß Gott den menschen perfect geschaffen hätte, aber daß er die perfection in seinem fall verloren hätte. Ich sagte, weil der Mensch denn so perfect war, wie hat er fehlen und fallen können. Herr Salmond sagte: das ist durch anstiftung des satans geschehen Ich sagte: dem teufel glauben war doch keine perfection. Da sagte er nur: solche sachen muß man nicht zu weit nachgrübelen; dabey bliebe es.“

„Ich schenkte gestern mad. de Chasteautier einen schönen papagei, der blaudert unerhört. Ich wollte hören, was er sagen kann, ließ ihn in meine kammer, meine hunde wurden jalous [eifersüchtig], und eine, so Mione heißt, wollte ihn anbellen; der papagei sagte als 'donne la patte' [Gib Pfötchen!]; ich wollte, daß E.L. hetten sehen können, wie verwundert Mione war, den vogel sprechen zu hören: sie hörte auf zu bellen, sahe ihn stark an, hernach mich; wie er fortfuhr zu reden, erschrack die Mione wie ein mensch, lief davon und versteckte sich unter das lotterbett, da fing der papagei überlaut an zu lachen. Das machte mich an herr Leibniz gedenken, daß E.L. sagen, daß er souteniert [unterstützt], daß die tiere verstand haben, keine machine seien, wie es Descartes hat behaupten wollen, und ihre seelen unsterblich sein. In jener welt werde ich mich sehr erfreuen, nicht allein verwandte und gute freunde wieder finden zu können, sondern auch alle meine tierger, aber were wohl attrapiert [ertappt / überrascht], wenns bedeuten sollte, daß meine seele so sterblich als die ihrige werden sollte und daß wir allzusammen nichts mehr sein sollten, will lieber das andere glauben, denn es ist viel tröstlicher.“
nachgetragen am 1. Juni

Samstag, 17. Juli 2010

Über Revolutionen und ihre Opfer


Paul-Jacques-Aimé Baudry, "Charlotte Corday"
hier gefunden

Ich bin etwas in Verlegenheit, wenn ich an Marie Anne Charlotte Corday d'Armont erinnern möchte, die am 17. Juli 1793 für ihr Töten von Jean-Paul Marat hingerichtet wurde. Das uralte Problem des Tyrannenmordes. „Gibt es einen Unterschied zwischen ihr, der Mörderin mit dem guten Gewissen, und dem mordenden Ungeheuer Marat?“ Dieses Zitat habe ich dem interessanten Artikel „Das gerechte Verbrechen“ von Helga Abret entnommen. Darf man mit seinem eigenen Leben ein anderes auslöschen, um Unzählige zu retten? Nun, mit ihrem Opfer hat sie das Morden der französischen Revolutionäre nicht beendet, aber natürlich geht eine gewisse Faszination von der Tat aus.

Den Zwiespalt hat offenkundig auch Jean Paul Richter empfunden als er seinen Text „Über Charlotte Corday“ schrieb, um dann doch in einer Art Apotheose zu enden, nun so weit wollen wir nicht gehen, aber man lese hier nach, wenn ich auch zugestehen muß, wir sind dieser Sprache, die da so um 1801 herum gepflogen wurde, doch sehr entwöhnt.

Aber es gibt ein leuchtenderes Bild, und zwar vom 17. Juli des Folgejahres. Denn am 17. Juli 1794 starben die sechzehn seligen Karmelitinnen von Compiègne den Märtyrertod auf der Guillotine:


„Bevor sie zur Guillotine hinaufstiegen, knieten sie nieder, sangen das Veni creator spiritus wie am Tag ihrer Profeß und erneuerten danach ihre Gelübde. Als erste erlitt die Jüngste, Sr. Constance, das Martyrium, als letzte die Priorin, Mutter Therese vom hl. Augustinus. Sr. Constance, die Novizin, kniete nieder, erbat den Segen ihrer Priorin und die Erlaubnis, sterben zu dürfen. Als sie hinaufstieg, sang sie den Psalmvers Laudate Dominum omnes gentes.“

Dieses Zitat entstammt einer Beschreibung in diesem deutschsprachigen Blog, zwei andere (englischsprachige) fand ich in den Blogs „Confessions of a Ci-Devant“ und „Laudem Gloriae“.

Und im erstgenannten der beiden, auf den ich dankenswerterweise durch den Blog „The Cross of Laeken“ aufmerksam gemacht wurde, findet sich ebenfalls etwas, das ich gern empfehlen würde, ein ganz bemerkenswerter und anrührender Beitrag zum Massaker an den Romanows.



Dieses hatte ich eigentlich in Erinnerung als ich oben den ersten Satz über meinen inneren Zwiespalt schrieb. Es ist nicht ganz redlich, das eine zu verdammen und das andere zu glorifizieren. Nun gut, natürlich gibt es Unterschiede, die Mörder der Romanows gingen kein persönliches Risiko ein, und den Kindern des Zarenpaares kann man kaum die Verantwortung für irgendetwas zusprechen, Charlotte Corday wollte das Morden gerade mit ihrer Tat beenden, wohingegen die Bolschewiki gerade erst so recht in Übung kamen, aber das ist wahrlich ein weites Feld, an dem ich mich schon einige Male versucht habe, etwa hier und hier. Für heute soll es bei diesen Leseempfehlungen bleiben, und dem einen oder anderen Gedenken.

Dienstag, 14. Juli 2009

14. Juli 1789



Bekanntlich wertet man gemeinhin den 14. Juli 1789, den Sturm auf die Bastille, als Beginn für die Französische Revolution. Was ich von derselben halte, konnte ich bereits kürzlich bei meinen Bemerkungen über Metternich loswerden. Bei der Gelegenheit bin ich auf einige höchst amüsante zeitgenössische Karikaturen gestoßen, von denen ich diese am heutigen Tag nicht vorenthalten will.

Ich hoffe, niemand wird von meiner Auffassung über diese Revolution in seinen zarten Gefühlen gekränkt und auch ihren Nationalfeiertag wollte ich unseren westlichen Nachbarn damit nicht besudeln.