Samstag, 19. Dezember 2020

Ein kleiner Wegweiser für die Ewigkeit II

 

William Blake Richmond, The Gods at Play


Dies nun ist die Fortsetzung einer Erzählung davon, wie Ewigkeit erfahrbar wird. Der vorige Teil sah gewissermaßen den euphorischen Zugang, das Fragment, das Ganzheit antizipierend, diese ahnbar macht. Wir endeten:

Der unvollständige Akkord dieses Lebens wird dort aufgehoben, vollendet und aufgelöst. Dieses Leben ist Ahnung und Erinnerung einer Harmonie, deren Unvollständigkeit gespürt ist, aber nicht als ein Entgegen-Stehendes, Abweisendes mißverstanden wird, sondern als ein abgebrochener Anfang. 

Das Wirkmächtige der Erfahrung. Das Wirkliche verweist auf etwas jenseits des Zeitlichen, Ausgesetzten. Als Seiendes, das in unsere fragmentarische Existenz einbricht, aber dessen Wahrheit und Andauern ohne Zweifel bleibt.

Die Sehnsucht des Fragments nach Vollständigkeit? Auch, aber im Ungenügen flackert die Ahnung des Genügens auf. Das Vollständige im Unvollständigen. Das Fragmentarische nicht als Scheitern oder Verfall, sondern als Anfang eines unendlichen Abenteuers.

Die Frage, die sich ihres Sinns und Grunds bewußt wird. Und nicht zuletzt eine Trauer, die nicht dem Auslöschen verfallen will, sondern widerstehen, den Ort suchend, an dem die Fülle des Verbunden-Seins aufgehoben bleibt.

Nur die klassische Jenseitshoffnung?

Nicht, daß wir uns nun mit dieser Frage beschäftigen wollten. Wir wechseln einfach zu einer mehr schattenhaften, ernsteren Art des Zugangs (doch stehen ja 2 weitere Teile noch aus). Es ist eine eher düstere Variante, sich der Ewigkeit zu nähern.

Caspar David Friedrich, 2. Fassung von „Eiche im Schnee“, 1827

hier gefunden


2. Das Zurückziehen oder die Windstille der Seele

Hans Makart, Dante und Vergil im Inferno, ca. 1863 - 1865

 hier gefunden


Oskar Loerke


Abseits


Abseits bin ich nicht gegangen. 

Abseits hält mich doch umfangen

Zittergras,

Schrott und Schutt.


Von Erstreben und Gebühren,

Schicksalschube, Lebensführen

Schweigt der Tod

Auf der Statt.


Babylon ist oft vergangen,

Sonne wärmt im Schutt die Schlangen -

Bei dem Klang

Schlief ich ein.


Johann Heinrich Füssli, Der Nachtmahr, hier gefunden


Georg Trakl


Der Schatten


Da ich heut morgen im Garten saß -

Die Bäume standen in blauer Blüh,

Voll Drosselruf und Tirili -

Sah ich meinen Schatten im Gras,


Gewaltig verzerrt, ein wunderlich Tier,

Das lag wie ein böser Traum vor mir.


Und ich ging und zitterte sehr,

Indes ein Brunnen ins Blaue sang

Und purpurn eine Knospe sprang,

Und das Tier ging nebenher.



Johann Heinrich Füssli, Die drei Hexen, 1783, hier gefunden

Zwei Wege eigentlich. Nennen wir den einen vorläufig Resignation. Eine Versuchung, der nachzugeben nahe liegt. Die Zeitlosigkeit, in die ein versteinertes Herz eintritt, an dem die Eitelkeiten der Welt abtropfen wie Winterregen an einer halb verwitterten Statue. Die Welt ist eitel und nichtig. Streben und Ehrgeiz des Menschen sind durchschaut und verworfen. Die Welt wird durchsichtig, aber dahinter nur Leere. Dieser Frieden hat etwas von einem vorweggenommenen Tod.

Es ist eine Abwehr der Welt durch deren Entwirklichung. Die Entwirklichung, nachdem zuerst erfahren, wird dann zu einer Quelle von Freiheit und Unabhängigkeit, in einer mehr freudlosen Variante allerdings. Wir haben hier eine Erfahrung von Ewigkeit, die zum Negativen hintreibt, wo die Fesseln des Zeitlichen von der Seele abfallen. Eine solche Neigung mag Menschen etwa zum Buddhismus oder dem Stoizismus führen. Eine Art von trostlosem Trost.

Der andere Zugang: Freiheit gewonnen aus dem Entdecken von Doppelbödigkeit – das Vertraute erweist sich als trügerisch bodenlos, haltlos, die Wirklichkeit offenbart ihre Unwirklichkeit. Ein Riß tut sich auf, hinter dem das Ewige spürbar wird oder das Auflösende, das Aussichtslose, das Nichts. Eine Frage der Seelenstärke. Die erste Variante wäre fast noch eine Spur hoffnungsvoller als die eingangs durch das Fragment Bezeichnete, die andere um so weniger.

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