Donnerstag, 16. Februar 2012

Protestantische Nachdenklichkeiten



Ich habe nie behauptet, daß mein Geist immer hellwach sei; ist er nicht, aber ob das wünschenswert wäre, ein anderes Thema. Da mäandern also meine Gedanken und landen zwischendurch bei Egon Friedell (Kulturgeschichte der Neuzeit - Die Krisis der Europäischen Seele von der Schwarzen Pest bis zum Ersten Weltkrieg), um dort diesen schönen Satz zu finden:

„Im Grunde ist Don Quixote der ewige Typus des Dichters: er hat entdeckt, daß die Realität ihrem innersten Wesen nach immer enttäuschen muß, weil sie eigentlich das Unwirkliche ist, und beschließt daher, sie nicht anzuerkennen.“

Aber tatsächlich war ich über etwas gänzlich anderes, wenn auch aus der gleichen Zeit, gestolpert: Am 16. Februar 1568 verurteilte die Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition nahezu alle Niederländer wegen Häresie zum Tode. Nun ist man ja von den Päpsten dieser Zeit einiges gewohnt.

Ein paar Jahrzehnte später wird es einen sehr unerfreulichen Kommentar von jemandem auf dem Stuhl Petri geben, der sich über das Massaker von Magdeburg während des Dreißigjährigen Krieges vor Freude nicht einkriegen kann.

Und der Nachfolger des Papstes, um den es gleich gehen wird, nämlich Gregor XIII., übrigens ein durchaus verdienstvoller Mann, wir verdanken ihm etwa den „Gregorianischen Kalender“, abgesehen davon, daß er einer der prominentesten Päpste der Gegenreformation war, meinte zur Pariser Bartholomäusnacht (bezeichnet die Nacht zum 24. August 1572 ebendort), ach lassen wir noch einmal Herrn Friedell zu Wort kommen: "...der damalige Papst äußerte übrigens seine Freude noch sinnfälliger: er feierte das größte Massaker der neueren Geschichte durch eine Gedenkmünze und ein großes Tedeum und befleckte damit den Stuhl Petri mehr als alle seine Vorgänger durch ihre Sodomie, Simonie und Blutschande".

Pius V. war unwidersprochen ein frommer Mann und wählte seinen Namen insofern durchaus zurecht. Und daß er bei mir bisher trotz aller dunkel erinnerten Kenntnisse positiv besetzt war, hing wohl vor allem mit dem wunderbaren Seesieg über die Türken bei Lepanto am 7. Oktober 1571 zusammen. Mit anderen Worten, dieser auch engstirnige Inquisitor hat vermutlich das Abendland vor der Herrschaft der Türken bewahrt. Insofern akzeptiert ein Teil von mir, daß er 1712 von Papst Clemens XI. heiliggesprochen wurde.

Ich will insofern den wohl begründeten Pragmatismus der Päpste in dem Bedenken von Realitäten nicht gering achten, allerdings hatten sie etwas entschieden vergessen:

„Und siehe, einer aus denen, die mit JEsu waren, reckte die Hand aus und zog sein Schwert aus und schlug des Hohenpriesters Knecht und hieb ihm ein Ohr ab.
Da sprach JEsus zu ihm: Stecke dein Schwert an seinen Ort; denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.
Oder meinest du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?
Wie würde aber die Schrift erfüllet?“
Matthäus 26.51ff.

Johannes weiß, daß es sich dabei um Petrus handelte, den späteren ersten Papst. Aber es gibt anscheinend so etwas wie Gene, sie sich mit dem Amt weitertragen, und somit ebenso dessen Versuchungen. Wenn ich als Bischof von Rom die Wahrheit kenne, die die Menschen rettet, habe ich an ihr festzuhalten, bis zum Martyrium, aber es ist mir nicht aufgegeben, Kaiser zu spielen, das haben die Päpste zu lange vergessen. Ich gewinne keine Seele dadurch, daß ich den Körper auslösche, zumal, wie gewiß bin ich bei solcher Geisteslage eigentlich meiner eigenen Gewißheit?

Ach übrigens die Holländer, das ist in der Tat kurios: Das „Todesurteil“ empfanden sie womöglich eher als Theaterdonner (obwohl es auch bei ihnen das eine und andere beeindruckende Massaker gab, Haarlem etwa). Aber dann, und noch einmal o.g. Autor zitierend:

„Alba, der Philipp versprochen hatte, er werde einen klaftertiefen Goldstrom von den Niederlanden nach Spanien leiten, verfügte in einem Dekret, daß von allem beweglichen und unbeweglichen Besitz eine einmalige einprozentige Vermögenssteuer, von jedem verkauften Grundeigentum der 'zwanzigste Pfennig', also fünf Prozent, und von jeder verkauften beweglichen Ware sogar der 'zehnte Pfennig', also das das Doppelte erhoben werden solle." "Nun erst sagte sich das ganze Land von Spanien los, und es begann unter dem Schlachtruf: 'Lieber türkisch als päpstlich!' der große 'Abfall der Niederlande', der weltbekannte siegreiche Heldenkampf eines kleinen Krämervolkes gegen die größte Militärmacht des damaligen Europa."

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