Sonntag, 24. Januar 2010

Friedrich der Große


Porträt König Friedrich II. von Preußen,
von Johann Georg Ziesenis, 1763
hier gefunden
„Ich glaube, Mitleid und das Bestreben, einem beistandsbedürftigen Menschen zu helfen, sind Tugenden, die den meisten Menschen angeboren sind. Wir denken an unsere eigenen Gebrechen, an unser eigenes Elend, wenn wir das der anderen sehen, und wir sind ebenso hilfsbereit gegen sie, wie wir wünschten, daß sie es gegen uns wären, wenn wir in die gleiche Lage kämen.
Der Fehler der Tyrannen besteht zumeist darin, daß sie die Dinge nur unter einem begrenzten Gesichtswinkel sehen. Sie betrachten die Welt nur in bezug auf sich selbst, und da sie sich zu sehr über gewisse gewöhnliche Unglücksfälle erheben, stumpft sich die Gefühlskraft ihres Herzens dagegen ab. Wenn sie ihre Untertanen bedrücken, wenn sie hart, gewalttätig und grausam sind, so kennen sie die Natur des Leides nicht, das sie zufügen, und da sie es nicht am eigenen Leibe erlitten haben, halten sie es für allzu gering.“

So schreibt der Kronprinz Friedrich an Voltaire am 8. Januar 1739. Und ein Freiherr von Bielefeld, der auf einer Reise durch Rheinsberg kam, berichtet von dort unter dem Datum des 30. Oktober 1739:


Friedrich II., König von Preußen
Konzert Nr. 2 G-dur für Flöte, Streicher und Continuo, 2. Satz, Grave e cantabile

„Alle Beschäftigungen und Vergnügungen des Kronprinzen verraten den Mann von Geist. Er bemüht sich jetzt, die gefährlichen politischen Träume des Machiavelli zu widerlegen. Sein Gespräch bei Tafel ist unvergleichlich; er spricht viel und laut. Es scheint, als wäre ihm kein Gegenstand fremd oder zu
hoch; über jeden findet er eine Menge neuer und richtiger Bemerkungen.
Sein Witz gleicht dem nie verlöschenden Feuer der Vesta. Er duldet den Widerspruch und versteht die Kunst, die guten Einfälle anderer zutage zu fördern, indem er die Gelegenheit, ein sinniges Wort anzubringen, herbeiführt. Er scherzt und neckt zuweilen, doch ohne Bitterkeit und ohne eine witzige Erwiderung übel aufzunehmen. Glauben Sie nicht, gnädige Frau, daß mich der Nimbus blendet, der den Kronprinzen umgibt. Nein, ich schwöre es Ihnen, selbst wenn er ein schlichter Privatmann wäre, würde ich mit Vergnügen meilenweit zu Fuß gehen, wenn mir seine Gesellschaft dadurch zu teil würde ....
Die Abende sind der Musik gewidmet… Der Prinz spielt gewöhnlich die Flöte. Er behandelt das Instrument mit höchster Vollkommenheit; sein Ansatz sowie seine Fingergeläufigkeit und sein Vortrag sind einzig. Er hat mehrere Sonaten selbst gesetzt ....
Friedrich ist in allem ausgezeichnet. Er tanzt schön, mit Leichtigkeit und Grazie, und ist ein Freund jedes anständigen Vergnügens, mit Ausnahme der Jagd, die in seinen Augen geist- und zeittötend und, wie er sagt, nicht viel nützlicher ist als das Ausfegen eines Kamins.“

Friedrich der Große, auch Friedrich II. oder der Alte Fritz genannt wurde am 24. Januar 1712 geboren.


J. S. Bach - "Musikalisches Opfer" BWV 1079
hier gefunden

Am 22. Oktober 1776, am Abend seines Lebens, dichtete er das folgende:

Rückblick
Epistel an d'Alembert

Die Zeit, mein d'Alembert, befreit den Sinn
Von allem Trug, enthüllt den Menschenwahn.
Die schönen Tage sind für mich dahin,
Wo voller Freuden noch die Lebensbahn.
Das Alter kam; ich blicke kalt und klar;
Längst ließ ich schon den Dienst der Venus ruhn;
Umsonst ruft Epikur und seine Schar.
Von Vorurteilen war ich einst umsponnen –
Sie sind bei reifendem Verstand zerronnen,
Und insgeheim errötend, denk' ich nun
Des Selbstbetrugs, dem ich zum Opfer fiel.

Als ich den Thron bestieg, ward ich ein Raub
Der Ehrsucht: ew'ger Nachruhm war mein Ziel.
Ich dachte nicht ans blöde Volk im Staub,
Das Lob und Tadel ohne Wahl verstreut,
Des feiler Weihrauch nur die Toren freut,
Unwert, daß man so heiß danach begehrt
Arbeit und Sorge hat an mir gezehrt;
Uranien dienend, buhlt' ich um Bellonen;
Mein Geist, der rastlos neue Pläne reifte
Und in der Zukunft dunkle Fernen schweifte –
Er wollte nur der eignen Unrast fronen!
Die Kunst des Herrschens strebt' ich zu erringen;
Denn fest hielt mich der Wahn gebannt,
Der Geist vermöchte, rastlos angespannt,
Durch Rechenkunst das Schicksal selbst zu zwingen –
Allein was ist der Mensch und sein Verstand?

Ein Nichts kann unser Stückwerk flugs vernichten;
Des Schicksals unabänderliches Walten
Beschämt der Menschen Stolz und all ihr Dichten.
Die Würde selbst, die Macht, nach der die Fürsten
Die blöden, die sie schon in Händen halten,
Nur doppelt unersättlich dürsten,
Als müßten in gesichertem Genießen
Ströme von Glück und Wollust sie umfließen –
Auch diese Würde ändert nichts daran:
Sie sind nur Sklaven in des Schicksals Bann.

***
Dazwischen steht ein Leben von dramatischem Zuschnitt und ein Mensch, der sich um so mehr zu entziehen scheint, je näher man ihm zu kommen sucht. Das ist eigentümlich, wenn man bedenkt, wieviel Verehrung und gleichzeitig auch Ablehnung Friedrich dem Großen entgegengeschlagen sind. Er macht es aber weder Verehrern noch Gegnern wirklich leicht, wenn sie sich denn ernsthaft mit ihm beschäftigen. Das ist mir gerade wieder aufgefallen, als ich bei mir dachte, es müßte mir doch einmal gelingen, so etwas wie ein halbwegs eindeutiges Gesamtbild von dem Mann zu skizzieren, dessen Büste immerhin auf meinem Schreibtisch steht. Nein, trotz beträchtlicher Lektüre auch diesmal wieder nur ein paar Zitate und wer will, mag etwa hier und hier selbst weiterlesen.

2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Ich habe schon gewuszt, dasz Friedrich der Grosze ein guter Floetist war und anregende Maersche geschrieben hat, aber bei dem Konzertstueck vermeinte ich manchmal Wolfgang Amadeus zu hoeren (und gibt's ein groeszeres Kompliment von einem Oesterreicher kommend?)!

I knew that Frederic the Great was also a great flutist, but in his concert piece I sometimes thought to hear heavenly Mozart - no greater compliment possible from this Austrian!

Herzlichen Dank! Many thanks!

MartininBroda hat gesagt…

Daß ein geborener Österreicher Friedrich den Großen lobt, zeugt in der Tat von großer charakterlicher Unabhängigkeit, lieber Herr Professor, aber war anderes zu erwarten.
Der König, für den ich durchaus Sympathien habe, die aber größtenteils mehr in den Respekt hineinspielen, ist wirklich ein großes Rätsel als Mensch. Manchmal ist man geradezu erschrocken über seine Ignoranz, dann wieder pures Mitgefühl und aufrichtiges Erstaunen, man könnte noch lange in dieser Weise fortfahren.