Heute ist der Tag des Erzengels Michael und aller Engel. Ludwig der Fromme, Sohn Karls des Großen, hat dieses Fest ganz bewußt auf den 29. September legen lassen, weil an diesem traditionell des germanischen Gottes Wotans gedacht worden war. Seit der Schlacht auf dem Lechfeld 955 wurde Michael dann auch zum Patron des Heiligen Römischen Reiches.
In der "Legenda aurea" des Jacobus de Voragine findet sich zu ihm Folgendes:
„Michael ist verdolmetschet: ‚Wer ist Gott gleich?‘ Davon schreibt Sanct Gregorius: ‚Also oft großes Wunder soll geschehen, so wird Sanct Michael ausgesandt, daß aus demselben Werk und aus dem Namen offenbar werde, daß niemand so große Werke mag vollbringen als Gott‘. Darum werden Sanct Michael gar viel wunderlich große Werke zugewiesen... er wird…ein Beschützer und Hüter sein der Auserwählten; er hat mit dem Drachen gekämpft und seinen Engeln und hat sie aus dem Himmel hinabgestoßen und großen Sieg gewonnen… Er empfängt auch die Seelen der Heiligen und führt sie ins Paradies der Freuden… In der heiligen Engel Heer ist er der Bannerträger Christi. Er wird auf des Herrn Befehl den Antichrist auf dem Ölberge töten mit großer Kraft. Auf seine Stimme werden die Toten erstehen. Er wird am jüngsten Tag herfürtragen das Kreuz und die Nägel, die Lanze und die Dornenkrone.“
Eine Darstellung des Erzengels Michael, über einen Drachen siegend, ist nun nach Neustrelitz in die Schloßkirche zurückgekehrt. Von den farbigen Glasfenstern dort ist nichts erhalten. Ein privater Spender aber hat es ermöglicht, daß nunmehr immerhin über dem Altar der Chor mit dieser Neu- bzw. Nachschöpfung wieder seinen Abschluß findet. Die Glaskünstlerin Christiane Mergner ist mit der Entwurfskünstlerin Ellen Lindner die Schöpferin (hier ein Link zu Berlin-Glas, wo der Herstellungsprozeß detailliert bebildert ist) des 1,30 Meter im Durchschnitt messenden Bildes aus 190 Glasteilen.
Beeindruckend war, zu erfahren, welchen Recherchen das eindrucksvolle Ergebnis zu verdanken ist. Vom Original des Bildes (vom Nürnberger Glasmaler Stephan Kellner geschaffen) gab es offenkundig wenig mehr als ein historisches Photo und einige schriftliche Quellen.
So im „Fremdenführer für Neustrelitz und Umgebung“ (herausgegeben 1926 von Otto Wagner): „Im Zenit der Kuppel ist an der Stelle des Schlußsteins ein mit herrlicher Glasmalerei geschmücktes kreisrundes Fenster angeordnet, Engel einen Lindwurm tötend. Die ganze Komposition ist außerordentlich poetisch empfunden. Wie alle Einzelheiten, so verbinden sich auch die herrlichen Glasmalereien, sämtliche nach Cartons von Wanderer und Kellner=Nürnberg gezeichnet und ausgeführt, mit der ganzen Raumkunst des Innern zu schöner Harmonie.“
Und noch in der „Festschrift zur 100-Jahr-Feier“ heißt es: „Im steinernen Gewölbe des hochgereckten Baldachins ist im Oberlicht als Glasmalerei der siegreiche Kampf des Erzengels Michael droben im Himmel mit dem Drachen, der alten Schlange dargestellt...“ (Das heißt auch, 1959 scheint es das Glasfenster noch gegeben zu haben.)
Aus diesen Anhaltspunkten und Vergleichen mit anderen Arbeiten aus der Manufaktur Stephan Kellners (darunter auch mit den vier Bleiglasfenstern der Schloßkirche, die ebenfalls von Kellner stammten und ebenso verloren sind) entstanden demnach die Entwürfe. Das Endergebnis jedenfalls zeugt von souveräner Einfühlung und künstlerischer Meisterschaft. Und es ist ein Zeichen, wie etwas scheinbar endgültig Vergangenes der Vergänglichkeit wieder entrissen werden konnte.
Noch ein Wort zu den anderen verlorenen Fenstern. Baurat Brückner weist darauf hin, wie bei den farbigen Fassungen der Fenster Buttel ein klares Raumbild vorschwebte. „Die 10 großen Spitzbogen- und 3 Rundfenster würden bei Klarverglasung dem Raum eine nüchterne Helligkeit gegeben haben, die zu dem romantischen Ideal nicht paßte. So differenzierte er die Lichtführung und wies nur den 4 Fenstern der Kreuzarme die Aufgabe zu, die „Bilderwand“ hell zu beleuchten. Das Hauptschiff aber, der Raum der Gemeinde, wurde durch Glasmalerei in 4 Fenstern in ein beruhigtes mystisch-romantisches Dämmerlicht getaucht.“ (S. 53 f., Carolinum Nr. 33, Erich Brückner „100 Jahre Schloßkirche Neustrelitz“)
Mit der "Bilderwand" ist die Chorseite gemeint, das Altargemälde von Kannengießer in der Mitte, die Raphael-Kopie der Madonna Franz I. von der Hand der Großherzogin Marie zur Linken (die glücklicherweise erhalten ist und restauriert werden soll) bis hin zur Kanzel mit ihren Skulpturen auf der Rechten.
Zurück zu Herrn Brückner und seiner Beschreibung der verlorenen Fenster. „Dargestellt war noch einmal der Cyklus Weihnachten bis Ostern. Die Anbetung der heiligen 3 Könige und die Kreuzigung zeigten das Wappen der Stifter, Mecklbg.-Hessen. (Maria war eine Landgräfin zu Hessen-Kassel.) Letzteres Fenster trug die Jahreszahl 1858, war also zum 80. Geburtstag gestiftet, ersteres zum 12. August 1859 zum 81. Geburtstag, dem Tage der Einweihung. Die Bilder Geburt und Verklärung leuchteten im Südlicht. Sie waren zum 81. Geburtstag gestiftet von den Domänen- und Cabinetsamt-Pächtern. Kartons und Ausführung lieferten Kellner und Wanderer in Nürnberg.“
Hoffen wir einfach, daß diese Wiedergewinnung zum Zeichen eines schönen Anfangs wird und sich neue Spender und Stifter finden werden, und wer noch mehr zum Erzengel Michael erfahren will, mag hier nachschauen.
sämtliche Photos (c) Berlin-Glas, mit freundlicher Genehmigung
nachgetragen am 4. Oktober
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