Samstag, 24. August 2013

Abendspaziergang


Was hier so stimmungsvoll in der Abendsonne vor sich hin leuchtet, ist die ehemalige Schloßkirche, errichtet von Friedrich Wilhelm Buttel, die sich direkt gegenüber unserer Küche / Terrasse aufbaut. Und der Name deutet es an, zu einer Schloßkirche gehört ein Schloß, eigentlich. Das allerdings hat das Ende des letzten Krieges nicht überlebt. Also führt auch die Reihe der Statuen, auf die wir gleich hindeuten werden, gewissermaßen ins Nichts oder, falls wir dazu imstande sind, zu Orten, die vorerst nur noch in uns wohnen. Ich hätte mir wohl keinen sinnfälligeren Platz für meinen zeitweiligen Aufenthalt suchen können (wo doch alle unsere Aufenthalte ihre Begrenzung haben), aber vielleicht war es ja auch der Ort, der mich gesucht hat.



Das also ist das vergangene Schloß zu Neustrelitz, genauer, ein Modell davon (allerdings ist der dazugehörige Park, in dem dergleichen früher einmal stand, auch schon wieder Geschichte, die Verantwortlichen für Neubrandenburg hatten wohl keine Lust mehr, dergleichen Plunder weiter zu finanzieren, sie spielen sowieso lieber eher mit Beton), ich hatte früher einmal dies und ein paar andere Bilder hier gebracht.


Diese Dame wird für heute, auch was ihren Namen angeht, verschleiert bleiben müssen, mit anderen Worten, ich habe keine Ahnung und rätsele noch, um wen es sich handelt.


Die Schlange, die sich um den Stock windet, macht es uns leicht – Asklepios, der Gott der Heilkunst, eigentlich ein Halbgott, als Sohn des Apollon und der thessalischen Königstochter Koronis, tritt uns offenkundig entgegen. Seine Geburt fand unter düsteren Umständen statt, und sein Leben blieb bewegt. In der „Götterlehre“ des Karl Philipp Moritz findet sich am Ende des Kapitels  über die „Wesen, welche das Band zwischen Göttern und Menschen knüpfen“ näheres dazu.


Und schon wieder kommt Apollon in zweifelhafter Weise ins Spiel, gemeinsam mit seiner Zwillingsschwester Artemis, denn, so Moritz:

„Mit dem Könige Amphion, der über Theben herrschte, war Niobe, die Tochter des Tantalus, vermählt; sie gebar dem Amphion sieben Söhne und sieben Töchter und spottete einst übermütig der Verehrung der Latona, welche nur einen Sohn und eine Tochter geboren.
Kaum waren die frevelnden Worte über ihre Lippen, so flogen schon die unsichtbaren Pfeile des Apollo und der Diana in der Luft. Mit dem nie verfehlenden Bogen tötete Apollo ihre sieben Söhne, und Diana mit furchtbarem Geschoß tötete ihre sieben Töchter. Auf einmal aller ihrer Kinder beraubt, ward Niobe, in Tränen aufgelöst, in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge Sipylon, noch immer von Tränen träufelnd, ein Zeuge ihres ewigen Kummers ward.“


Und hier erscheint also der Jäger Meleagros, getötet von seiner Mutter Althaia, nachdem der seinerseits deren Brüder im Streit getötet hatte. Sein Tod erinnert ein wenig an Vodoozauberei, denn sie verbrannte ein Holzscheit:

„Denn als Meleager nur erst wenige Tage zählte, da waren die Parzen bei dem Wochenbette seiner Mutter Althaia erschienen. »Aus deinem Sohne wird ein tapferer Held«, verkündigte ihr die erste; »dein Sohn wird ein großmütiger Mann sein«, sprach die zweite; »dein Sohn wird so lange leben«, schloß die dritte, »als der eben jetzt auf dem Herde glühende Brand vom Feuer nicht verzehrt wird.«

Kaum hatten sich die Parzen entfernt, so nahm die Mutter das hell auflodernde Brandscheit aus dem Feuer, löschte es in Wasserflut, und liebevoll für das Leben ihres Sohnes besorgt, verwahrte sie es im geheimsten ihrer Gemächer. Entflammt von Rache, dachte sie jetzt wieder an dieses Holz und eilte in die Kammer, wo es in einem heimlichen Verschlusse sorgsam aufbewahrt lag. Sie hieß Kienholz auf Reisig legen und fachte einen lodernden Brand an. Dann ergriff sie das hervorgesuchte Holzscheit.

Aber in ihrem Herzen bekämpfte sich Mutter und Schwester, blasse Angst und glühender Zorn wechselten auf ihrem Angesichte; viermal wollte sie den Ast auf die Flammen legen, viermal zog sie die Hand zurück. Endlich siegte die Schwesterliebe über das Muttergefühl. »Wendet eure Blicke hierher«, sprach sie, »ihr Strafgöttinnen, zu diesem Furienopfer! Und ihr, kürzlich geschiedene Geister meiner Brüder, fühlet, was ich für euch tue, sieget und nehmet als teuer erkauftes Totengeschenk die unselige Frucht meines eigenen Leibes an! Mir selbst bricht das Herz von Mutterliebe, und bald werde ich dem Troste, den ich euch sende, selbst nachfolgen.« So sprach sie, und mit abgewendetem Blick und zitternder Hand legte sie das Holz mitten in die Flammen hinein.“

So Gustav Schwab im Kapitel „Meleager und die Eberjagd“ aus den Sagen des klassischen Altertums, wer mehr darüber erfahren will, mag diesem Link folgen.


Die milde und wohltätige Göttin Demeter sucht mit der Fackel womöglich gerade ihre Tochter Persephone, die Hades, von Zeus geduldet, in sein Totenreich entführte hatte. Bei Moritz kann man, so man will, das alles genauer nachlesen.


Und endlich am Beginn der Schloßauffahrt, gegenüber dem Carolinenpalais, die Göttin Hera, die Gemahlin des Zeus und Hüterin der Ehe. Ich gestehe, sie als mythologische Gestalt immer etwas fade gefunden zu haben. Diese Statue hingegen, ein Zinkguss nach antikem Vorbild, hat mich schon immer fasziniert. Von so gar nicht epigonaler Wirkung strahlen Kopf und Haltung lebhaft Würde wie Anmut aus und eine Stimmung, die sich schwer in Worte fassen läßt, vielleicht irgendetwas zwischen Dahinträumen und Gedankenverlorenheit.

Da offensichtlich die Allee gerade nicht recht vollständig ist, empfehle ich noch diese Liste der Denkmäler, Brunnen und Skulpturen in Neustrelitz eines Herrn Ruchhöft, von der ich im übrigen sehr profitiert habe. Und damit erklären wir diesen kleinen mythologischen Spaziergang auch für beendet. Übrigens, welches Bildprogramm sich hinter der Auswahl der Statuen verstecken sollte, ist mir bisher ebenfalls ein Rätsel geblieben. Aber vielleicht läßt sich das ja noch herausfinden.


nachgetragen am 27. August

2 Kommentare:

naturgesetz hat gesagt…

It must be very pleasant to have the church to look at from the terrace, and the statues to stroll among.

Perhaps the statues were intended in one way or another to remind the rulers of their duties and to warn them of dangers. But then there are the ones which represent elements of nature.

MartininBroda hat gesagt…

Although it's a wounded place so much beauty is left, so indeed it is pleasant. I still have no clue if there is a meaning behind the arrangement of the statues, but each symbolized character has its own story, one just have to know it, and that's enough for now. Thanks for commenting.