Samstag, 18. Juli 2015

Lieblosigkeit ist immer Irrtum - eine Predigt u.a. über Plato

Anselm Feuerbach,  Platos Symposion, 1874
hier gefunden

Herr Roloff hat sich an diesem Sonnabend sehr Erbauliches abgerungen, und ich war so schnöde, es an diesem Ort nicht sogleich mitzuteilen, weil ich aus alberner Eitelkeit zunächst vermeinte, auch noch etwas beitragen zu müssen. Dem ist aber nicht so. Höchstens das – aus Gründen habe ich doch lieber die kühlere erste Fassung des Feuerbach Gemäldes von 1869 auswählen wollen, eigentlich, was aber wohl aus Müdigkeit mißlang, wir lassen das jetzt so stehen, man findet sie aber hier. Und so folgt nun Herr Roloff, mit einiger Verspätung.

Platos Akademie heute 

Predigt zu einer Jubiläumsfeier am 18. Juli 2015 in Salzwedel

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Ihr Lieben, laßt uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
Liebe Brüder wir wollen einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott, und jeder der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott.
1 Joh 4,7

Liebes Silberpaar, liebe Festgemeinde,

es gibt eine sehr schöne Geschichte, die Aristophanes beim Gastmahl des Agathon erzählte, und die das Wesen der Liebe verdeutlichen soll. Die Menschen wären ursprünglich als Kugeln geschaffen worden mit jeweils vier Armen, vier Beinen und zwei Gesichtern. Die Götter hätten dann beschlossen, diese Wesen zu teilen und sie aufrecht gehen zu lassen. An der Seite der Teilung wurde die Haut kunstvoll zusammengezogen und dort verbunden, wo wir noch heute den Bauchnabel sehen.

Sofort, nachdem das zweifellos auch schmerzliche Werk vollbracht war, machte sich ein jeder Teil auf, um seine andere Hälfte zu suchen. Sobald er sie gefunden hatte, umarmte er sie und wollte sie am liebsten nicht mehr loslassen.

Diese Sehnsucht nach der anderen, nach der besseren Hälfte des eigenen Wesens, das wäre die Liebe, meinte Aristophanes.

Bemerkenswerter Weise lässt sich dieser Gedanke sogar in der Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes vermuten. Diese kann nämlich auch so erzählt werden, dass Gott die Welt schuf und sie in Himmel und Erde teilte, die Erde wiederum zerfällt in Meer und Land. Dann schafft er den Menschen und teilt ihn in Mann und Weib. Es hebt das Drama des Kosmos an, in dem sich Schöpfung und Geschichte immer wieder beeinflussen und durchdringen und durch die Zeiten stürmen.

Das alles bestimmende Prinzip dieses Dramas ist die Sehnsucht und die Suche nach der verlorenen ursprünglichen Einheit. Gerade darin spiegelt sich die Liebe Gottes, aus der die ganze Schöpfung hervorgegangen ist.

Alle Gebote und das Liebesgebot ganz besonders haben also keineswegs den Sinn, den Menschen zu beschränken und ihm willkürliche Grenzen zu setzen, sondern richten ihn auf sein eigentliches Wesen und auf seinen Schöpfer. Wer sich dem ganz überlässt, der bringt Gutes und Schönes hervor, und er kann erfahren, dass uns in der Liebe so etwas begegnet wie die Gravitationskraft alles Lebendigen. Sie ist eine zum Guten ordnende Gewalt. Ihr sollen wir uns mit unserem ganzen Leben aussetzen.

Mit diesem Gedanken gelangen wir geradezu auch in die Mitte des christlichen Glaubens. Diese wird nämlich vielleicht gerade dadurch bezeichnet, dass die Liebe sogar noch über dem Leben steht. Die Liebe bringt alles hervor. Die gesamte Schöpfung in ihrer unergründlichen Schönheit und Vielfalt ein Ausdruck für die Liebe Gottes, die an ihrem Anfang steht. Nur darum kann doch der Apostel schreiben: Denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren.

Wir Menschen dürfen Anteil nehmen an Gottes ursprünglicher Schöpfermacht. Wir treten tatsächlich in Verbindung zu Gottes Liebe. So groß, mächtig und heilig ist die Liebe in uns Menschen. Darin liegt die Bedeutung unseres menschlichen Lebens. Mit der Liebe tragen wir das Antlitz Gottes durch die Zeit. Überall, wo wir das tun, da erfüllen wir wahrhaftig die uns geschenkten Jahre.

Es wird aber auch noch etwas anderes möglich. Der Apostel drückt es mit den schlichten Worten aus: Jeder der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Bereits aus der archaischen Sprache des Alten Testaments scheint etwas davon auf, dass Liebe immer etwas mit dem Erkennen der Dinge zu tun hat. Unvergleichlich klarer aber bricht mit diesem griechischen Gedanken die Einsicht hervor, dass die Liebe die entscheidende Möglichkeit zur Erkenntnis ist.

Andreas Ritzos,  aus dem Leben des Hl. Johannes, 1. H. 15. Jh.
Dort wo wir Liebe üben, da beginnen wir immer auch, Gott zu verstehen. Dieser Zusammenhang stellt unsere ganze geistige Welt erst wirklich auf die Füße. Wir werden gewahr, wo wir Gott verlassen, da wird das Universum zur Sternenwüste in der wir als Kuriosität vorkommen. Wir wären Gefangene unserer Phantasien und Opfer der unerbittlich ablaufenden Zeit.

Die Gewissheit des Glaubens befreit uns aus diesem Alp. Die Zusage, Gott ist die Liebe, lässt uns an die äußerste Grenze der Welt greifen. Aus dem Chaos der Dinge wird ein von Gottes Liebe umschlossener und aus ihr hervorgegangener Kosmos, und unsere Liebe ist die Antwort auf sein Tun.

Wer darum nach Wahrheit sucht, der findet überall Liebe. Nur so konnte der Apostel schreiben: „Die Liebe höret nimmer auf“. Das heißt dann aber natürlich auch, Lieblosigkeit ist immer Irrtum. Liebe verbindet, mit dem eigenen Leben, mit anderen Menschen und auch mit Gott. Lieblosigkeit aber trennt uns, auch von unserem Schöpfer, sie wirkt den Tod. Nur die Liebe ist selbst dem Tode gewachsen, weshalb es im Hohelied Salomos auch heißt: „Liebe ist stark wie der Tod“. Nur die Liebe wird die Welt überdauern, weil sie schon zuvor gewesen ist. Sie ist fürwahr eine Himmelsmacht.

Es ist darum ein fatales Missverständnis, dass mit den Geboten, auch durch das Liebesgebot, gleichsam von außen in die Welt eingegriffen würde, weil sie sonst aus ihrem eigenen Lauf heraus im Verhängnis endete. Das Tun des Menschen aus eigenem Antrieb wäre dann immer Sünde, und das Gute erwächst daraus, dass wir uns bremsen, steuern, regulieren lassen. Ein solches Denken macht Gott geradezu zum obersten Polizisten. Das alles wäre ernüchternd und ist in meinen Augen auch falsch.

Die ganze Welt ist doch Gottes Schöpfung, und der Mensch, so wie er ist, ist Gottes Geschöpf. Die Begabung zur Liebe ist also von Anfang an in ihn hineingelegt.  Das heißt doch dann vor allem, dass wir die Liebe, die wir an dem einen Menschen entdecken, gegenüber allen Menschen üben sollen. Diese Beziehung zwischen unserer Liebe und der ursprünglichen Liebe Gottes ist der Weg des Menschen in die Freiheit.

Benedikt XVI. hat das so formuliert: „Gott ist nicht der Gegner unserer Freiheit, sondern ihr Grund; Nur die Liebe, die allmächtig ist, kann Grund angstloser Freude sein.“ Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.

Amen
Thomas Roloff

nachgetragen am 23. Juli

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Doch diese Behauptung des ARISTOPHANES ist zwar besser und edler als die im "Symposion" vorherig genannten Lehren, trotz dem aber falsch und Nicht Genügend!
Die Wahrheit sagt nur der End+Gipfel-Punkt, der hl.SOKRATES!