Mittwoch, 27. Mai 2020

Zu Adolf Friedrich VI. &


Der nüchterne Teil


Aus schwer erfindlichen Gründen (es gibt keinen unmittelbaren Anlaß) meinte ich heute, dem Denkmal für Adolf Friedrich VI. einen Besuch abstatten zu müssen. Es dürfte zu den minder bekannten gehören; man unterstellt da, denke ich, nichts. Es steht gleich hinter der Brücke über den Kammerkanal, noch bevor sich die Straße in Richtung Prälank bzw. Userin teilt.


Folglich mußte ich am Restaurant "Quer Beet" in der Useriner Straße 9 vorbei (die ersten beiden Bilder) und die nächsten 4 sind schon am Kammerkanal aufgenommen. Wenn man will, kommt man zwar auch am Park-Haus vorbei, aber der Anblick mit dem vandalismus-gesicherten Erdgeschoß ist derzeit nicht unbedingt inspirierend.





Der Gedenkstein erinnert an den mutmaßlichen Freitod des letzten Großherzogs dort in der Nähe am 23. Februar 1918. Von Adolf Friedrich VI. , der, wie es so schön heißt, zu größten Hoffnungen Anlaß bot, sind uns 2 Dinge geblieben: Seine Grabsäule auf der Liebesinsel in Mirow und das Park-Haus (oder die Parkvilla) hier.

Und dann eben noch dieser Denkmalstein. Die Aufnahme ist bei nüchternstem Mittagslicht getätigt, so kann man die Tafel zwar recht genau lesen, aber das ist es dann auch. Zum Ende hin wird noch Stimmungsvolleres erscheinen, das ich im Oktober letzten Jahres aufnahm.

Aber wir wollen erst einmal nüchtern enden, obwohl ich gestehen muß, daß mich beim Ortseingangsschild eine gewisse Rührung überkam, vermutlich das Alter.


Der andere Teil


Adolf Friedrich VI. steht mit seinem Tod auch sinnbildlich für die Untergänge, die unser Volk und Land seit 1918 getroffen haben. Man geriete in den Wahnsinn, wollte man sich eine Alternativgeschichte vorstellen, wo er sich nicht erschossen, der erste Weltkrieg mit seinen entsetzlichen Folgen nicht stattgefunden hätte oder doch wenigstens in einer Weise geendigt worden wäre, der alle Beteiligten hätte ihr Gesicht wahren lassen, von dem sie doch wußten, daß sie es sämtlich verspielt hatten. In diesem Jahr lag der Anfang vieler Verhängnisse und Zerstörungen, Untergängen von Kultur und Geist, die den allermeisten gar nicht bewußt sind, die materiellen mitunter noch.

Der Schriftsteller Jochen Klepper hatte eine Vorstellung von den Verlusten und hat sie ergreifend beschrieben. Sein Leben endete ebenfalls tragisch. Am 11. Dezember 1942 ging er gemeinsam mit seiner jüdischen Frau und der jüngeren Tochter in den Freitod.

Das nachfolgende Gedicht ist das erste von 4 Königsgedichten, die er gegen den Wahn des 3. Reiches anschrieb. Sie verkörpern eine geradezu metaphysische Hoffnung auf Läuterung, Heilung und Erneuerung. Und als eine solche bleiben sie zeitlos.


Jochen Klepper

Herr, laß uns wieder einen König sehen, 
bevor die Welt die Könige vergißt. 
Denn sonst vermögen wir nicht zu verstehen, 
nach welchem Maß man deine Ordnung mißt.

Noch leben Königssöhne bei den Vätern
und wissen um Versäumnis und um Schuld
der Kronenträger. Wandle du zu Tätern
des Königswerks die Söhne in Geduld.

Noch gibt es Söhne, welche Kronen sahen
als Wirklichkeit und nicht als altes Bild.
Wann läßt du dir die Söhne wieder nahen?
Wann machst du sie zum Königtum gewillt?

Die Völker haben wider dich gemeutert.
Die Fürsten flohen deines Auftrags Last.
Nun aber hat sie langes Leid geläutert,
und dein Gesetz wird wiederum erfaßt.

Der neue König wird sich nur erheben,
wenn er als Büßer dir zu Füßen lag.
Er pocht nicht mehr auf Recht - nur auf Vergeben
und ohne Fahnen dämmert ihm sein Tag.

Herr, wenn die neuen Könige wieder kommen,
wird nirgends ein Geschrei noch Drängen sein.
Nur Glocken werden läuten, und die Frommen
führen den König mit Gebeten ein.


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