Samstag, 2. April 2011

Über den Hl. Vater &

Johannes Paul II. vor der Heiligen Pforte
zur Eröffnung des Heiligen Jahres am 24. Dezember 1999

Irgendwie bin ich dann doch davor zurückgeschreckt, den Heiligen Vater und Eugen Sandow gemeinsam in einem Beitrag zu erwähnen, ich werde das vielleicht später erläutern. Jedenfalls starb Johannes Paul II. am 2. April 2005, vor 6 Jahren also, eine Erinnerung, die sich irgendwie dazwischen befindet, noch lebendig, die Bilder und Gefühle immer noch aufrufbar, aber nicht mehr als nahezu gegenwärtig wahrgenommen. Als ich kürzlich das neueste Buch Benedikt XVI. erwarb und ein wenig übermütig gegenüber dem jungen Mann in der Buchhandlung dabei vom „Heiligen Vater“ sprach, ihm entgleisten auch erwartungsgemäß für eine halbe Sekunde die Gesichtszüge, empfand ich das innerlich jenseits aller Ironie als angemessen. Kardinal Ratzinger ist inzwischen also als Papst in meinem Gefühlszentrum angekommen.

Ich habe sehr klare Erinnerungen an das Sterben von Johannes Paul II., und merkwürdig genug, im Zusammenhang mit ihm habe sich eher Bilder eingebrannt, wie das obige, weniger Worte. Ich habe leider keine brauchbare Abbildung gefunden, aber wer weiß, was ich meine, erkennt es wieder. Er war in der Lage, allein durch seine Person die Präsenz des Heiligen spürbar werden zu lassen, fast wortlos. Aber ein wortloser Blogbeitrag, nun ja.

Ich habe längst den Überblick über meine Beiträge hier verloren, und ich hätte schwören können, schon einmal darüber geschrieben zu haben, wie ich den Besuch von Papst Johannes Paul II. 1996 in Berlin erlebte. Herr Roloff erinnerte mich an dessen Ansprache zum Abschied am Brandenburger Tor am 23. Juni. Und bevor ich also die Geschichte dazu erzähle einige Zitate aus seiner erinnerungswürdigen Ansprache:

„Freiheit bedeutet nicht das Recht zur Beliebigkeit. Freiheit ist kein Freibrief! Wer aus der Freiheit einen Freibrief macht, hat der Freiheit bereits den Todesstoß versetzt. Der freie Mensch ist vielmehr der Wahrheit verpflichtet. Sonst hat seine Freiheit keinen festeren Bestand als ein schöner Traum, der beim Erwachen zerbricht. Der Mensch verdankt sich nicht sich selbst, sondern ist Geschöpf Gottes; er ist nicht Herr über sein Leben und über das der anderen; er ist — will er in Wahrheit Mensch sein — ein Hörender und Horchender: Seine freie Schaffenskraft wird sich nur dann wirksam und dauerhaft entfalten, wenn sie auf der Wahrheit, die dem Menschen vorgegeben ist, als unzerbrechlichem Fundament gründet. Dann wird der Mensch sich verwirklichen, ja über sich hinauswachsen können. — Es gibt keine Freiheit ohne Wahrheit.

Die Idee der Freiheit kann nur da in Lebenswirklichkeit umgesetzt werden, wo Menschen gemeinsam von ihr überzeugt und durchdrungen sind — in dem Wissen um die Einmaligkeit und Würde des Menschen und um seine Verantwortung vor Gott und den Menschen. Da — und nur da -, wo sie zusammen für die Freiheit einstehen und in Solidarität für sie kämpfen, wird sie errungen und bleibt sie erhalten. Die Freiheit des einzelnen ist nicht zu trennen von der Freiheit der anderen, aller anderen Menschen. … Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität… Es gibt keine Freiheit ohne Opfer.

…Mir liegt sehr viel an der Aussagekraft dieser Formen menschlicher Kultur, ist es doch die Gabe, mit unseren Kräften die göttliche Schöpfung weiterzuführen und zu konkretisieren… „Die ,Seele' der Zivilisation der Liebe ist die Kultur der Freiheit, die Freiheit des einzelnen und die Freiheit der Nationen, die in einer selbstgegebenen Solidarität und Verantwortung gelebt werden kann". Wenn einer die Erfahrung der Liebe hat, hat er auch die Erfahrung der Freiheit. In der Liebe überschreitet der Mensch sich selbst, er läßt sich los, weil ihm am anderen liegt, weil er will, daß das Leben des anderen gelingt. … Öffnet die Tore für Gott! Das neue Haus Europa, von dem wir sprechen, braucht ein freies Berlin und ein freies Deutschland. Es braucht vor allem die Luft zum Atmen, geöffnete Fenster, durch die der Geist des Friedens und der Freiheit eindringen kann. Den Berlinern und allen Deutschen … rufe ich zu: Löscht den Geist nicht aus! Haltet dieses Tor geöffnet für Euch und alle Menschen! Haltet es geöffnet durch den Geist der Liebe, durch den Geist der Gerechtigkeit und den Geist des Friedens! Haltet das Tor offen durch die Öffnung Eurer Herzen! Es gibt keine Freiheit ohne Liebe. Der Mensch ist zur Freiheit berufen. — Ihnen allen, die Sie mich jetzt hören, verkündige ich: Die Fülle und die Vollkommenheit dieser Freiheit hat einen Namen: Jesus Christus. Er ist der, der über sich bezeugt hat: Ich bin die Tür. In ihm ist den Menschen der Zugang geöffnet zur Fülle der Freiheit und des Lebens. Er ist der, der den Menschen wirklich frei macht, indem er die Finsternis aus dem menschlichen Herzen vertreibt und die Wahrheit aufdeckt. Er vollendet seinen Weg als unser Bruder und seine Solidarität mit uns in der Hingabe seines Lebens für uns. So befreit er uns von Sünde und Tod. Er läßt uns in unserem Nächsten sein eigenes Angesicht, das Gesicht des wahren Bruders, erkennen. Er zeigt uns das Antlitz des Vaters und wird für alle das Band der Liebe. Christus ist unser Erlöser, ist unsere Freiheit.

Der Tag neigt sich dem Abend zu. Aber wir bewahren in unseren Herzen das Licht, dessen wir uns heute haben erfreuen dürfen. Und wir bleiben eins in der Hoffnung, die uns beseelt… Gott segne Berlin, Gott beschütze Deutschland!“

Soweit der Heilige Vater. Die Geschichte also: Nun, Herr Roloff, ich und ein Dritter hatten den Nachmittag des Tages, an dem der Papst die besagte Ansprache hielt, in einem Cafe an der Straße „Unter den Linden“ verbracht. Das sich versammelnde Publikum ließ häufig nichts Erfreuliches erwarten. Man bekam einen hinreichenden Überblick über die Abseitigkeiten dieser Stadt, und so kam es, daß, als der Papst in seinem „Papamobil“ heranrollte, der Geräuschpegel hatte erheblich zugenommen und wir waren dementsprechend hinzugestürzt, die Kulisse, milde gesagt, durchwachsen war. Jedenfalls, als einige denaturierte Gestalten begannen, nackte Babypuppen auf das Auto zu werfen, der Papst segnete weiterhin lächelnd die Menge, muß es über mich gekommen sein (ich war übrigens kurz zuvor in Rom gewesen).

Als ich am Abend im Fernsehen einen Bericht sah, hörte ich über all dem Lärm eine durchdringende, fast hysterisch kippende Stimme und erkannte einzelne Worte: „Bravo, Bravo“ und „Viva il Papa!“, es war meine eigene. Und ich bin Lutheraner.

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