Sonntag, 10. Juni 2012

Der Hohn des Jeremias - eine Predigt

Michelangelo Buonarroti, Sixtinische Kapelle: Jeremias

Herr Roloff hat heute diese Predigt gehalten, die ich nicht vorenthalten möchte. Der prophetische Furor des Jeremias ist da gewissermaßen ein wenig über ihn selbst gekommen. Aber man sehe selbst. Übrigens gab es an diesem Ort eine Lücke, weil ich mich an 2 Themen etwas festgebissen hatte, nur als Randbemerkung (mein Geist ist also noch nicht völlig eingeschlafen). Es folgt der Zorn des Jeremias bzw. die Predigt des Herrn Roloff:


Predigt 1. Sonntag nach Trinitatis

Jer 23, 16-29

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde,

Dinge können sich mitunter rasend schnell ändern, Verhältnisse und Zeitenläufe umstürzen. Was eben noch Normalität war, das ist nun tiefe Vergangenheit. Wenn uns eines die Geschichte des vergangenen Vierteljahrhunderts gelehrt hat, dann das.

Darum ist es immer so befremdlich, wenn Menschen verbohrt, oder wie die Bibel es oft sagt, verstockt darauf beharren, dass alles so weitergehen wird wie bisher.

Es ist wohl diese Verbohrtheit, die Jeremia in Rage bringt, und die ihn veranlasst Hohn und Spott über seine Zuhörer, über die Verhältnisse seiner Zeit und vor allem über die Propheten auszugießen. Wenn man mitbekommen will, wie hochaktuell dieser Text gerade für unsere Tage ist, dann muss man ihn nur einmal lesen und dort wo Jeremia von Propheten spricht die Experten der Gegenwart einsetzen.

So spricht der Herr: Gehorcht nicht den Worten der Experten, so euch weissagen. Sie betrügen euch; denn sie reden ihres Herzens Gesicht und nicht aus des Herrn Munde. Ich will nicht zu vordergründig werden, und die geistige Dürftigkeit der meisten gegenwärtigen Debatten ist es gar nicht wert, dass man in sie eingreift.

Dennoch bleibt es erschreckend, wie kurzsichtig auf Vorteil und auf eigene Interessen geleitet in unserer Welt gehandelt wird. Es hat sich in unserer Zeit ein Prinzip durchgesetzt, dass sich an einen völlig verkehrten Freiheitsbegriff anschließt.

Freiheit ist längst nicht mehr der Raum der Verantwortung, der sich selbst dort begrenzt, wo wir die Gemeinschaft des Mitmenschen brauchen und suchen. Freiheit ist nur noch der stete und immer schriller werdende Aufruf zur Hemmungslosigkeit. Tut heute das Gegenteil von dem was gestern richtig war! Werft alles über den Haufen, was einstmals Orientierung und Ordnung geschenkt hat, Hauptsache ist es, dass man seine Freiheit ausgeschöpft hat. Wie im Drogenrausch muss sich die Dosis ständig erhöhen. Freiheit ist nur noch Erlebnis und dadurch wandelbar, und sie ist nicht mehr das feste Fundament unseres Lebens. Wo Beziehungen zugrunde gehen, Ehen geschieden werden, sich Bindungen  auflösen, da heißt es lapidar, sie haben ihre Freiheit genutzt, statt, wie es heißen müsste, „sie sind mit ihrem Leben gescheitert“, was ja wohl etwas ganz und gar anderes ist.

Umso erstaunlicher ist es, dass die westliche Moderne den Freiheitsbegriff wie eine Monstranz vor sich herträgt und umso häufiger im Munde führt, je weniger seine wahre Bedeutung ihr wichtig ist. Wir leben in einer entfesselten Zeit.

Das alles sanktionieren diese Experten unseres Lebens dann mit den Worten: „Der Herr hat´s gesagt, es wird euch wohl gehen“; und allen, die nach ihres Herzens Dünkel wandeln, sagen sie: „Es wird kein Unglück über euch kommen.“

Nein, auf den Herrn würden sich die Experten unserer Tage wohl nicht einmal mehr zum Schein berufen. Dafür hätten sie aber mit Sicherheit eine Umfrage zur Hand: Die Mehrheit der Deutschen glaubt, dass man Versprechen halten sollte, aber Wahl- und Eheversprechen zählen nicht mehr dazu – oder so ähnlich.

Dagegen nun wendet sich Jeremia mit der spöttischen Frage: „Wer ist im Rat des Herrn gestanden, der sein Wort gesehen und gehört habe? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?“
Jeremia kündigt an, dass dieses Tun nicht folgenlos bleiben kann. Ein Wetter des Herrn wird mit Grimm kommen, und ein schreckliches Ungewitter den Gottlosen auf den Kopf fallen. Des Herrn Zorn wird nicht nachlassen, und alle Menschen werden es erfahren.

Das diesem Reden zugrunde liegende Denken sieht Gott gar nicht in der Rolle des eigentlich Handelnden, vielmehr ist, was er tut, geradezu die zwingende Folge der Verirrung der Menschen, eben ihres falschen Gebrauchs der Freiheit, die sie doch nicht aus sich selbst, sondern von ihrem Schöpfer haben. Das falsche Tun trägt seine Strafe schon immer in sich. Es ist zwingend, dass sie eintrifft. Davor warnt Jeremia.

Darum liegt die einzige Alternative auch darin, bei Gottes Rat zu bleiben und sein Wort zu predigen.

Das wendet sich durchaus auch gegen alle jene Experten, die sogar in der Kirche selbst Gottes Wort verbiegen, um nur nicht mit den vorherrschenden Meinungen der Zeit in Konflikt zu geraten. Gott ist aber nicht die Dekoration unseres Dünkels, unserer Vorstellungen und Meinungen, sondern er ist der Gott der nahe ist und auch von ferneher, vor dem sich niemand verbergen kann.

Ist nicht auch diese ganze Gottlosigkeit, die Leugnung seines Wortes und der religiösen Grundlagen des menschlichen Lebens und unserer Gemeinschaft auch eine Form, sich vor Gott zu verbergen? Auch darüber gießt Jeremia seinen Spott aus. Wie wollte man sich vor Gott verbergen, der doch Himmel und Erde füllt?

Er macht sich lustig über die Experten, die in seiner Zeit aus ihren Träumen deuteten, wie die Experten der Gegenwart über ihre Meinungsforschung orakeln. Mir hat geträumt, mir hat geträumt. So laufen sie durch die Gegend und meinen wohl wirklich, der Welt etwas mitteilen zu müssen. Es ist so lächerlich.

Darum möge der Prophet, der Träume hat seine Träume erzählen, und wer Meinungen erforscht, der verbreite Meinungen, wer aber Gottes Wort hat, der erzähle Gottes Wort!

Das ist die entscheidende Frage: Ist mein Wort nicht wie ein Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?

Es ist eine gefährliche und zerstörerische Entwicklung, wenn sich menschliche Gemeinschaft nur noch in augenblicklich übereinstimmenden Meinungen begründen soll. Dort, wo Gott in Vergessenheit gerät, da ist das immer ein Ausdruck dafür, dass sich der Mensch vor ihm aber auch vor den Ordnungen, die er gegeben hat, verbergen und eine neue Ordnung errichten will. Er steigert sich dann aber notwendig in die Vorstellung davon, selbst das Gute schaffen zu können. Wenn aber das Gute, welches der Mensch selbst hervorbringen will, sich von dem, was Gottes Wort ist, unterscheidet, wie kann es dann gut sein?

Rufen Sie sich nur in Erinnerung, wie verbittert am Anfang der 90er Jahre allein um den Blauhelmeinsatz deutscher Soldaten gestritten wurde. Jetzt, nur zwei Jahrzehnte später, wird bei jedem Konflikt in der Welt schon mit größter Selbstverständlichkeit nach dem Einsatz der Waffen gerufen und zwar von denselben Leuten, die damals angeblich Pazifisten waren. So wandelbar sind die Meinungen von Menschen. Darauf kann man nicht vertrauen. Wir sind gerufen, auf das Wort Gottes zu vertrauen und in ihm allein Orientierung zu suchen.

Gottes Wort, das wie ein Feuer ist, will uns zur Liebe entzünden, denn Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. So belehrt und bittet uns Johannes und so bitte ich euch.

Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Thomas Roloff

2 Kommentare:

Morgenländer hat gesagt…

Außerordentliche und beherzigenswerte Worte, für die ich dich dem Herrn Roloff zu danken bitte, lieber Martin!

Herzliche Grüße
Morgenländer

MartininBroda hat gesagt…

Ja natürlich, geschätzter Herr Morgenländer, aber ich denke, er findet den Kommentar von selbst :)