Mittwoch, 18. Juli 2012

Über Untergänge


Nikolaus II.

Quomodo sedet sola civitas plena populo facta est quasi vidua domina gentium facta est sub tributo.
Plorans ploravit in nocte et lacrime eius in maxillis eius non est qui consoletur eam ex omnibus caris eius: omnes amici eius spreverunt eam et facti sunt ei inimici.
Migravit Judas propter afflictionem, et multitudinem servitutis habitavit inter gentes nec invenit requiem. Omnes persecutores eius apprehenderunt eam inter angustias.

Wie liegt die Stadt so wüst, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern war, und muß nun dienen.  
Sie weint des Nachts, daß ihr die Tränen über die Wangen laufen; es ist niemand unter allen ihren Freunden, der sie tröstet; alle ihre Nächsten sind ihr untreu und ihre Feinde geworden.
Juda ist gefangen in Elend und schwerem Dienst, wohnt unter den Heiden und findet keine Ruhe. Alleseine Verfolger kommen heran und bedrängen es. 
Lamentationes Jeremiae / Die Klagelieder Jeremias

Ich war kürzlich etwas verblüfft, als Wikipedia scheinbar den Fall Jerusalems genau auf den 18. Juli 586 v. Chr. datieren zu können meinte, dabei ist man sich meines Wissens einzig einig, daß es wohl im Sommer geschah, einige meinen, schon im Sommer 587. Einfach ein gegriffenes Datum also. Ein wichtiges, ein traumatisches Ereignis aber für das sich als erwählt sehende jüdische Volk - Tempel, Königspalast und Mauern zerstört, die Oberschicht, soweit nicht getötet, in die „Babylonische Gefangenschaft“ hinweg geführt, zurück blieben die „Geringen des Landes“, Weingärtner, Ackerbauern etc.

Zerstört wurde das Königreich Davids, seine Nachkommen versinken im Dunkel der Zeit. Aber schon 515 v. Chr. gab es, gefördert von den nachfolgenden persischen Herrschern, einen neuen, wenn auch wohl bescheidenen Tempel in Jerusalem. Die Hohepriester des Tempels übernahmen gewissermaßen königliche Funktionen, und nicht wenige meinen, daß das Judentum mit seinem exklusiven Glauben erst hier wirklich entstand, nicht zuletzt durch zurückkehrende Exilanten vorangetrieben. Es wurde also ein Glaube wiederaufgerichtet, der so streng vorher wohl nie bestanden hatte.

Die Geschehnisse sind zu wenig rekonstruierbar, als daß man erklären könnte, wenn man es denn je können wird, warum sich dieses kleine Volk spätestens hier entschied, sich nicht zu assimilieren, sondern ein Sonderbewußtsein auszubilden, das uns noch heute beschäftigt, ein Mysterium, in der Tat. Es gibt also diese Art von Untergängen.

Und dann bestehen andere. Ich habe gelegentlich daran erinnert, wie Zar Nikolaus II. an einem 17. Juli mit seiner Familie und denen, die bei ihm waren, von den Bolschewiki, diesen aus der Hölle aufgestiegenen Gestalten, ermordet wurde. Am Tag danach wurden weitere Romanows in einen Minenschacht gestoßen, derer man habhaft werden konnte, in Alapajewsk - die Großfürstin Jelisaweta Fjodorowna, die Großfürsten Wladimir Pawlowitsch Paley und Sergei Michailowitsch Romanow sowie die Brüder Iwan, Konstantin und Igor Konstantinowitsch Romanow.

Auch wenn Zar Nikolaus und die erwähnte Großfürstin inzwischen von der Orthodoxen Kirche als Heilige verehrt werden, die Kraft zu einer wirklichen Auferstehung im Geist scheint dem russischen Volk bisher nicht gegeben worden zu sein.

Großfürstin Jelisaweta Fjodorowna

nachgetragen  am 19. Juli

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