Montag, 25. März 2019

Annuntiatio Domini oder Mariä Verkündigung

Katharinen-Kloster, Sinai - Marias Verkündigung durch den Engel. 
Ikone aus der ausgehenden Komnenenzeit, Ende 12. Jh.

"Und der Priester nahm Maria in Obhut, küßte und segnete sie und sprach: 'Groß gemacht hat der Herr deinen Namen unter allen Geschlechtern. An dir wird am Ende der Tage der Herr sein Lösegeld den Kindern Israel offenbaren.' Und er hieß sie sich auf der dritten Stufe des Altars niedersetzen, und der Herr Gott legte Anmut auf sie."

Sophienkathedrale, Kiew

"Die Priester aber besprachen sich und sagten: 'Wir wollen einen Vorhang für den Tempel des Herrn anfertigen lassen.' Und es sprach der Priester: 'Rufet mir unbefleckte Jungfrauen aus dem Stamme Davids!'... Und es erinnerte sich der Priester an die kleine Maria, daß sie ja aus dem Stamme Davids war und unbefleckt war vor Gott. Und die Diener gingen hin und brachten sie Maria. Und sie führten sie die sieben Jungfrauen und Maria hinein in den Tempel des Herrn, und es sprach der Priester: 'Stellt mir durchs Los fest, wer das Gold spinnen soll und den Bergflachs und die Baumwolle und die Seide und das Hyazinthenfarbige und das Scharlachfarbige und den echten Purpur!'

Theotókos der Verkündigung, Ohrid, Nordmazedonien

Und auf Maria entfiel dabei der echte Purpur und das Scharlachfarbige... Maria aber nahm das Scharlachfarbige und widmete sich dem Spinnen. Und sie nahm den Krug und ging hinaus, um Wasser zu schöpfen.

Und siehe, eine Stimme sprach: 'Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr sei mit dir, du Gepriesene unter den Frauen!' Und sie blickte sich um nach rechts und nach links, woher diese Stimme wohl käme. Und es kam sie ein Zittern an. Da ging sie heim in ihr Haus und stellte den Krug ab. Dann nahm sie den Purpur und setzte sich auf ihren Sessel und zog ihn zu Fäden. Und siehe, ein Engel des Herrn trat vor sie hin und sprach: 'Fürchte dich nicht, Maria! Denn du hast Gnade gefunden vor dem Gebieter über alles, und du sollst empfangen aus seinem Wort.'

Mariä Verkündigung

Als sie das aber hörte, bekam sie bei sich Zweifel und sagte: 'Soll ich empfangen vom lebendigen Gott her und gleichwohl gebären, wie jede Frau gebiert?' Und es sprach der Engel des Herrn: 'Nicht so, Maria! Denn Kraft des Herrn wird dich überschatten. Deswegen wird auch das, was von dir geboren wird, heilig, nämlich Sohn des Höchsten genannt werden. Und du sollst seinen Namen Jesus nennen; denn er wird sein Volk erretten von seinen Sünden.' Und Maria sprach: 'Siehe, des Herrn Magd will ich gern sein vor ihm; mir geschehe; wie du gesagt hast!'"

Wem dies vertraut und fremd zugleich erscheint, der liegt völlig richtig. Dieser Text findet sich so nicht im Neuen Testament. Allerdings als Bild an vielen Ikonostasen. Es ist ein Stück aus dem Protevangelium des Jakobus, einstmals sehr beliebt, vor allem in der Ostkirche.

Die Westkirche hat es als apokryph früh abgewiesen und allenfalls als fromme Legende überleben lassen. Dennoch hat es auch dort seine Folgen gehabt. Etwa die Lehre von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens besitzt hier einen frühen Textzeugen, denn wir sind hier wohl in der Mitte des 2. Jahrhunderts.

Königstüren, Schule von Andreas Ritzos 
(Puschkin-Museum der Schönen Künste, Moskau), 

In der Ostkirche ging das Detail mit dem zu webenden Tempelvorhang in die Königspforte der Ikonostase ein. Und offen gestanden bin ich über diesen Umweg wieder an obigen Text erinnert worden. Denn da ich auf Marienbildern aus der Ostkirche immer wieder auf Spinnrocken und Spindel stieß und darauf nach der Bedeutung des mir unbekannten Mariensymbols suchte, stellte sich die Verbindung her: Die Darstellung Mariens erfolgt nach dem Protevangelium des Jakobus.

Und der Vorgang ist ja auch nicht ohne Tiefsinn. Maria webt am Vorhang des Tempels. Der später bei der Passion zerreißen sollte… Und die Verkündigung an Maria als Darstellung auf der Pforte zum heiligen Mysterium hat ebenso ihre besondere Symbolik.  Aber wir brechen besser ab.

Das Datum des Festes der Verkündigung des Herrn, der 25. März liegt, wie leicht nachvollziehbar ist,  neun Monate vor Weihnachten. In ihm scheint die Geburt des Herrn gleichsam schon auf. Und da Ostern frühestens am 22. März und spätestes am 25. April begangen werden kann, steht dieses Fest zugleich in einem ganz eigentümlichen Verhältnis zu Passionszeit und Ostern. Aber auch das wollen wir nicht vertiefen.

Herr Roloff hat an diesem Ort vor genau 10 Jahren (fast hätte ich 100 geschrieben) aus Anlaß des Festes erklärt, warum man die Schwalbe auch den „Muttergottesvogel“ nenne. „Langjährigen Erfahrungen nach kehrt dieser Vogel in der Zeit um das Fest Mariä Verkündigung in unsere Breiten zurück, um uns am Geburtsfest Marias, den 8. September, wieder zu verlassen. Die Bauernregeln reimen dazu: ‚Wenn Maria sich verkündet, Storch und Schwalbe heimwärts findet.‘“ Seinen Beitrag findet man hier.

Barmherzige Jungfrau von Cobre

Und der Hl. Vater hat 2012 in Santiago de Cuba während einer Messe zum 400. Jahrestag der Wiederauffindung der barmherzigen Jungfrau von Cobre u.a. das folgende gesagt:

„Die Menschwerdung des Gottessohns ist tatsächlich das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens, und in ihm nimmt Maria einen vorrangigen Platz ein. Worin liegt aber die Bedeutung dieses Geheimnisses? Und welche Bedeutung hat es für unser konkretes Leben?

Schauen wir zunächst einmal, was die Inkarnation bedeutet. Im Evangelium des heiligen Lukas haben wir die Worte des Engels an Maria gehört: ‚Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden‘ (Lk 1,35). In Maria wird der Sohn Gottes Mensch, und so erfüllt sich die Prophezeiung Jesajas: ‚Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben‘ (Jes 7,14).

Ja, Jesus, das fleischgewordene Wort, ist der Gott-mit-uns, der gekommen ist, um unter uns zu wohnen und unser Menschsein zu teilen. Der heilige Apostel Johannes drückt das so aus: ‚Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt‘ (Joh 1,14). Der Ausdruck ‚ist Fleisch geworden‘ weist auf die ganz konkrete und greifbare menschliche Wirklichkeit hin.

In Christus ist Gott wirklich in die Welt gekommen, in unsere Geschichte eingetreten und hat unter uns gewohnt. So hat sich die tiefe Sehnsucht des Menschen erfüllt, daß die Welt tatsächlich ein Zuhause für den Menschen sei. Umgekehrt verwandelt sich die Welt, wenn Gott aus ihr ausgeschlossen wird, in einen für den Menschen unwirtlichen Ort und vereitelt zugleich die wahre Berufung der Schöpfung, nämlich Raum zu sein für den Bund, für das ‚Ja‘ der Liebe zwischen Gott und der Menschheit, die ihm antwortet. Und so wurde Maria mit ihrem vorbehaltlosen ‚Ja‘ zum Herrn die erste der Glaubenden.

Mariae Verkündigung, Hans Memling

Daher dürfen wir bei der Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung nicht unterlassen, unsere Augen auf Maria zu richten, um voller Staunen, Dankbarkeit und Liebe zu sehen, daß unser Gott beim Eintritt in die Welt auf die freie Zustimmung eines seiner Geschöpfe vertrauen wollte.

Erst von dem Augenblick an, als die Jungfrau dem Engel antwortete: ‚Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast‘ (Lk 1,38), begann das ewige Wort des Vaters seine menschliche Existenz in der Zeit. Es ist ergreifend zu sehen, wie Gott nicht nur die menschliche Freiheit respektiert, sondern sie zu benötigen scheint. Und wir sehen auch, daß der Beginn der irdischen Existenz des Sohnes Gottes von einem doppelten ‚Ja‘ zum Heilswillen des Vaters – dem Ja Christi und dem Ja Marias – gekennzeichnet war.

Dieser Gehorsam gegenüber Gott ist es, der der Wahrheit, dem Heil die Pforten der Welt öffnet. Gott hat uns nämlich als Frucht seiner unendlichen Liebe erschaffen. Gemäß seinem Willen zu leben, ist deshalb der Weg, um unsere eigentliche Identität, die Wahrheit unseres Seins zu finden, während das Sich-Trennen von Gott uns von uns selbst entfernt und uns in die Leere stürzt.

Der Glaubensgehorsam ist die wahre Freiheit, die echte Erlösung, die uns erlaubt, uns mit der Liebe Jesu zu verbinden in seinem Bemühen, in den Willen des Vaters einzustimmen. Die Erlösung ist immer dieser Prozeß, den menschlichen Willen in die volle Gemeinschaft mit dem göttlichen Willen zu führen.

Liebe Brüder und Schwestern, heute loben wir die Allerseligste Jungfrau für ihren Glauben, und mit der heiligen Elisabeth sagen auch wir: ‚Selig ist, die geglaubt hat‘ (Lk 1,45). Wie der heilige Augustinus sagt, empfing Maria Christus zuerst durch den Glauben in ihrem Herzen, bevor sie ihn physisch in ihrem Leib empfing; Maria glaubte, und es erfüllte sich in ihr, was sie geglaubt hat...“

Die ganze Predigt Benedikt XVI. findet sich hier.

nachgetragen am 26. März

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