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Donnerstag, 2. Februar 2023

Mariä Lichtmeß &

Pietro Cavallini, Zyklus von Mosaiken zum Marienleben, Santa Maria Trasteverde, Rom, hier die Präsentation Jesu im Tempel, ca. 1291

Ich muß gestehen, es ist mir in diesem Jahr etwas schwergefallen, die Weihnachtsdekoration wegzuräumen, so bescheiden sie war. Sie bestand eigentlich nur aus diversen transparenten Sternen an den Fenstern, einem leuchtenden davor und dem kleinen Aufbau auf dem Tisch, den man nachfolgend noch sehen kann.

Durch äußere Umstände länger in häuslicher Ruhe versunken, stellte sich irgendwann auch eine Gemütsruhe ein, die sich mit den Geschichten, Farben, Formen und dem Licht verband, eine ganz eigentümlich Art von Innenraum. Nicht zu vergessen die Gerüche, wenn man etwa Schnitzel von Falläpfeln, die mir eine Nachbarin im Herbst vorbeigebracht hatte, aus dem Kälteschlaf holte und mit Hilfe von ziemlich viel  Zimt, gemahlenen Nelken und ebensolchem Ingwer in passablen Teigtaschen unterbringen konnte.

Hans Holbein d.Ä., Darstellung des Herrn im Tempel, 1500 / 1501, von hier

Doch mit Mariä Lichtmeß ist das Weihnachtskapitel definitiv abgeschlossen. Herr Roloff hat schon vor 12 Jahren dazu einen sehr schönen Text geschrieben, den ich noch einmal in Erinnerung rufen will (so man diesem Verweis folgen will) und der u.a. dies dort erklärt:

"Vierzig Tage sind am 2. Februar seit dem Weihnachtsfest und der Geburt Jesu vergangen. Vierzig Tage galt eine Frau nach der Geburt eines Jungen als kultisch unrein. Erst wenn diese Frist verstrichen war, konnte das neugeborene Kind zum Tempel gebracht und dem Priester gezeigt werden, wie es das mosaische Gesetz vorschrieb. Darum endet auch erst an diesem Tag die Weihnachtszeit."

nachgetragen am 6. Februar

Sonntag, 19. Dezember 2021

Zum 4. Advent

Nikolaus Harnoncourt mit dem Arnold Schoenberg Chor und dem Concentus Musicus Wien, hier gefunden 



Johann Sebastian Bach

„Herz und Mund und Tat und Leben“

Kantate in 2 Teilen, BWV 147

vom 2. Juli 1723 zum Fest Mariae Heimsuchung


Erster Teil

   

1. Satz: Herz und Mund und Tat und Leben (Chor)


Herz und Mund und Tat und Leben

Muß von Christo Zeugnis geben

Ohne Furcht und Heuchelei,

Daß er Gott und Heiland sei.

   

2. Satz: Gebenedeiter Mund! (Rezitativ, Tenor)


Gebenedeiter Mund!

Maria macht ihr Innerstes der Seelen

Durch Dank und Rühmen kund;

Sie fänget bei sich an,

Des Heilands Wunder zu erzählen,

Was er an ihr als seiner Magd getan.

O menschliches Geschlecht,

Des Satans und der Sünden Knecht,

Du bist befreit

Durch Christi tröstendes Erscheinen

Von dieser Last und Dienstbarkeit!

Jedoch dein Mund und dein verstockt Gemüte

Verschweigt, verleugnet solche Güte;

Doch wisse, dass dich nach der Schrift

Ein allzuscharfes Urteil trifft!

   

3. Satz: Schäme dich, o Seele, nicht. (Arie, Alt)


Schäme dich, o Seele, nicht,

Deinen Heiland zu bekennen,

Soll er dich die seine nennen

Vor des Vaters Angesicht!

Doch wer ihn auf dieser Erden

Zu verleugnen sich nicht scheut,

Soll von ihm verleugnet werden,

Wenn er kommt zur Herrlichkeit.

   

4. Satz: Verstockung kann Gewaltige verblenden. (Rezitativ, Baß)


Verstockung kann Gewaltige verblenden,

Bis sie des Höchsten Arm vom Stuhle stößt;

Doch dieser Arm erhebt,

Obschon vor ihm der Erde Kreis erbebt,

Hingegen die Elenden,

So er erlöst.

O hochbeglückte Christen,

Auf, machet euch bereit,

Itzt ist die angenehme Zeit,

Itzt ist der Tag des Heils: der Heiland heißt

Euch Leib und Geist

Mit Glaubensgaben rüsten,

Auf, ruft zu ihm in brünstigem Verlangen,

Um ihn im Glauben zu empfangen!

   

5. Satz: Bereite dir, Jesu, noch itzo die Bahn. (Arie, Sopran)


Bereite dir, Jesu, noch itzo die Bahn,

Mein Heiland, erwähle

Die gläubende Seele

Und siehe mit Augen der Gnade mich an!

   

6. Satz: Wohl mir, daß ich Jesum habe. (Choral, Chor)


Wohl mir, daß ich Jesum habe,

O wie feste halt ich ihn,

Daß er mir mein Herze labe,

Wenn ich krank und traurig bin.

Jesum hab ich, der mich liebet

Und sich mir zu eigen gibet;

Ach drum laß ich Jesum nicht,

Wenn mir gleich mein Herze bricht.

 


 

Zweiter Teil

   

7. Satz: Hilf, Jesu, hilf, daß ich auch dich bekenne. (Arie, Tenor)


Hilf, Jesu, hilf, daß ich auch dich bekenne

In Wohl und Weh, in Freud und Leid,

Daß ich dich meinen Heiland nenne

Im Glauben und Gelassenheit,

Daß stets mein Herz von deiner Liebe brenne.

   

8. Satz: Der höchsten Allmacht Wunderhand. (Rezitativ, Alt)


Der höchsten Allmacht Wunderhand

Wirkt im Verborgenen der Erden.

Johannes muß mit Geist erfüllet werden,

Ihn zieht der Liebe Band

Bereits in seiner Mutter Leibe,

Daß er den Heiland kennt,

Ob er ihn gleich noch nicht

Mit seinem Munde nennt,

Er wird bewegt, er hüpft und springet,

Indem Elisabeth das Wunderwerk ausspricht,

Indem Mariae Mund der Lippen Opfer bringet.

Wenn ihr, o Gläubige, des Fleisches Schwachheit merkt

Wenn euer Herz in Liebe brennet,

Und doch der Mund den Heiland nicht bekennet,

Gott ist es, der euch kräftig stärkt,

Er will in euch des Geistes Kraft erregen,

Ja Dank und Preis auf eure Zunge legen.

   

9. Satz: Ich will von Jesu Wundern singen. (Arie, Bass)


Ich will von Jesu Wundern singen

Und ihm der Lippen Opfer bringen,

Er wird nach seiner Liebe Bund

Das schwache Fleisch, den irdischen Mund

Durch heilges Feuer kräftig zwingen.

   

10. Satz: Jesus bleibet meine Freude. (Choral, Chor)


Jesus bleibet meine Freude,

Meines Herzens Trost und Saft,

Jesus wehret allem Leide,

Er ist meines Lebens Kraft,

Meiner Augen Lust und Sonne,

Meiner Seele Schatz und Wonne;

Darum lass ich Jesum nicht

Aus dem Herzen und Gesicht.




Samstag, 11. April 2020

Die Nacht der Gottesmutter nach von Stuck

Franz von Stuck, Pietà, 1891
Ausschnitt, hier gefunden

Todesbläue und wächsernes Fleisch, das ist es, was ein Kind dieser Welt auf jenem Gemälde eines vor mehr als 100 Jahren hochberühmten Malers, der heute allenfalls noch als dekoratives Kuriosum bekannt ist, sieht, und versteinerte Trostlosigkeit.

Doch Blau ist die Farbe Mariens. Und: Die Heiligkeit ist nicht erloschen, ein dünner gerade noch sichtbarer goldener Ring aus Licht um das Haupt der Gottesmutter. Diese schmale Grenze scheidet das Göttliche vom Menschlichen.

Der wie zu Stein gewordene Leichnam – zermartert, doch aufrecht und ungebrochen - leuchtet unwirklich auf der Grenze von Leben und Tod. Nur noch ein Grabmal, ein Ritter ruhend vom heiligen Kampf?

Sie verbirgt nicht ihr Antlitz. Auch dieser Schein trügt. Mit ihren ihr Haupt stützenden Händen hört sie nicht in sich, sondern in die Abgründe der Welt. Sie übernimmt diese Last, für ihn, der nicht mehr das Vermögen hat zu hören, sondern sich ganz in sich zurückgezogen hat.

Sie nimmt die Verlassenheit der Welt auf sich. Die Verzweiflungsleere ohne Gott. Das Zerfallen der Schöpfung, ihres Lebensgeistes entzogen. Die doch mit ihrem Ja letztlich das Geschehene in Gang gesetzt hat. Sie steht in statuarischer Trauer, aber hört weit darüber hinaus. Sie ist dem Unerwarteten gewachsen.

Das dunkle Mysterium der Spanne zwischen Karfreitag und Ostern. Maria geht ganz in der Dunkelheit auf, scheint es. Löst sie sich in ihr auf oder löst sie sie auf? In eine sehende Dunkelheit.

Da ist keine Berührung im Körperlichen mehr nötig, wie wir sie vielfach von Darstellungen der Pietà gewohnt sind. Sie sind lange beieinander. Und sie steht hier, um den Abgrund zu überbrücken, eine Wächterin.

Nicht, daß sie selbst etwas zu sein forderte, außer zu helfen in diesem gefährdeten Moment. Es ist ihr zweites Ja. Und ihren mütterlichen Schmerz nimmt sie in dies alles ganz mit hinein.

Die Legenden berichten, Maria wäre bei ihrem erflehten Tode ein Engel erschienen, mit einem Palmzweig, der war grün als ein junger Zweig und funkelte wie der Morgenstern. Der  Engel grüßte die Mutter seines Herrn mit großer Ehrfurcht. Sie aber bittet, daß ihre lieben Söhne und Brüder, die Apostel, in dieser Stunde allesamt um sie seien. Also wurden sie zu ihr entrückt und waren alle bei ihr in ihrem Hinübergang.

Franz von Stuck, Pietà, 1891,

Nachtrag

Obiges taucht ein in die Wahrheit des Bildes. Die Beschreibung der Evangelien ist eine andere. Danach ruhte unser Herr am Karsamstag in Grabtüchern in einer Felsenhöhle, vor die ein Stein gerollt lag, der am Ostersonntagmorgen auf wundersame Weise beiseite gekommen war. Dies mag verwirren. 

In die Abfolge der Evangelien paßt der obige Moment nur kurz vor die Grablegung. Nehmen wir daher das erstere einfachen als einen weiteren apokryphen Text, über die es bei Luther so schön heißt: "so der heiligen Schrift nicht gleich gehalten werden und doch nützlich und gut zu lesen". Oder vielleicht besser als ein geistiges Bild.

nachgetragen am 14. April

Mittwoch, 4. März 2020

Krudes vom Krankenlager


I

Man komme mir nicht mit den Verwicklungen christlicher Prädestinations-Lehrversuche.
Ein C-Christ mag viele dubiose Vorstellungen über Bilder und Orgeln haben, aber merkwürdigerweise spornt ihn seine zweifelhafte Vorstellung von der Vorherbestimmung dazu an, herausbekommen zu wollen, ob er zu den Verdammten gehöre oder nicht. Und so entstehen Handelshäuser, Kolonien, irgendwann sogar diese merkwürdigen Vereinigten Staaten in Nordamerika.

Ein süd-östlich Erleuchteter denkt, wenn er Flöhe hat, daß sein A-Gott das so will, also wäre es doch Gotteslästerung, daran etwas ändern zu wollen. Selbst schräge Ideen können das tiefer Angelegte in Menschen aufrufen, wie auch immer, andere töten es ab. Eine traurige Sache.

II

Wo ich ein von der Apothekerin empfohlenes Gesundheitsbad nahm – kein Vorwurf – das Wasser abgelassen war und ich erkennen durfte, daß eine zu kleine Kraft keinen weit zu schweren Körper zu bewegen vermag (ja, selbst Badewannen können zu Fast-Todesfallen werden, aber ist das das Leben nicht sowieso), hatte ich zwischen meinen Befreiungsversuchen in der leeren Wanne ausreichend Zeit zum Nachdenken. Nun immerhin würde die Entsorgung (im Falle von) einfacher werden, aber wäre der Anblick nicht trotzdem zu unhöflich. So vermag Oberflächlichkeit zu motivieren.

III

Ernesto Cardenal ist tot. Diese Dinge geschehen regelmäßig. Bei Che Guevara kann man das romantische Gefühl beobachten, das vor allem Frauen zu Mördern hinzieht. Nun, Herr Cardenal hat niemanden persönlich umgebracht, das spricht für ihn, Aber mit seinem großen Talent die Wahrheit verdunkelt. Eine weitere irregeleitete Seele, von der nichts bleiben würde, wenn nicht die Sprache größer wäre als der Mensch. Der Hl Vater hat versucht, ihm ins Gewissen zu reden (nicht der aus dem Heutigen).

Und wo wir eben dort angekommen sind


Johannes Paul II - Abbà Pater
10 Madre di tutte le genti – hier gefunden

Erhab'ne Mutter des Erlösers, 
Du allzeit offene Pforte des Himmels
Und Stern des Meeres.
Komm, hilf deinem Volke, das sich müht, vom Falle aufzusteh'n.
Du hast geboren, der Natur zum Staunen, deinen heiligen Schöpfer...

Donnerstag, 12. September 2019

Über Mariä Namen und ein Kreuzzugslied von Novalis

Martino Altomonte, Schlacht von Wien, zwischen 1693 - 1695

Am 12. September 1683 hat unter der Führung des polnischen Königs Jan III. Sobieski und dem Banner Mariens ein christliches Heer von 65.000 Mann eine dreimal stärkere türkische Übermacht vernichtend geschlagen und damit die Belagerung Wiens beendet.

 Wien vor 1640, hier gefunden

2. Türkenbelagerung; Laufgräben vor Wien gegen Ravelin, 
die Löbel- und Burgbastei; Kupferstich des kaiserlichen Hauptmanns 
und Ingenieurs Daniel Suttinger, hier gefunden

Der Friede von Karlowitz vom 26. Januar 1699 beendete den Großen Türkenkrieg und brach die Expansion des Osmanischen Reiches

Nach diesem Sieg bestimmte Papst Innozenz XI. die Feier von Mariä Namen als Fest der ganzen Kirche für diesen Tag.

Schutzmantelmadonna, hier gefunden

Papst Benedikt XVI. hielt an eben diesem Tag im Jahre 2006 an der Universität Regensburg eine Vorlesung, die zu tumultuarischer Empörung in der islamischen Welt führte und gern von den „Kritikern“ des Papstes gegen diesen gewendet wird...

Mariä-Namen-Kirche in Novi Sad, Serbien

Spätestens jetzt muß ich wohl einräumen, daß dies ein Selbstzitat war, aber da es um meine vernachlässigbare Person dabei beim besten Willen nicht geht, fühle ich mich gänzlich ohne schlechtes Gewissen, so habe ich eben resolviert. Dem Beitrag von 2012 kann man dort weiter folgen.

Manchmal bin sogar ich in der Lage, all das fast Fertige, an dem ich unzufrieden herumwerkele, einfach beiseite zu schieben und gewissermaßen spontan zu tun. Eben wurde ich an Heinrich von Ofterdingen erinnert, passend zum Tag des Namens Mariens. Warum? Das mag jeder für sich selbst sehen.

Es ist merkwürdig, wie jahrhundertealte Gedenktage ins Vergessen abdriften und schlagartig wieder aktuell werden. In Wien wüteten die Jünger des Anderen gegen das Gedenken an diesen Sieg, in Potsdam gegen das Glockenspiel von "Üb immer Treu und Redlichkeit". In der Tat, beides eine arge Zumutung und gewissermaßen eine angekündigte Kriegserklärung. So fügt sich eben vieles gerade zur Kenntlichkeit.

Moritz von Schwind, Sängersaal im Palas der Wartburg

Friedrich von Hardenbergs Heinrich von Ofterdingen ist ein so merkwürdiges Werk, daß selbst ein Versuch wie, es mit den Worten zu beschreiben, er versuche darin zu zeigen, wodurch die menschliche Existenz durch die Poesie zu ihrer Tiefendimension zurückzufinden vermag, abgeschmackt klingen muß.

Novalis beschreibt im 4. Kapitel des 1. Teils seines Fragment gebliebenen Heinrich von Ofterdingen zunächst eine Reisegesellschaft von Kaufleuten:

„Einige Tagereisen waren ohne die mindeste Unterbrechung geendigt. Der Weg war fest und trocken, die Witterung erquickend und heiter, und die Gegenden, durch die sie kamen, fruchtbar, bewohnt und mannigfaltig. Der furchtbare Thüringer Wald lag im Rücken; die Kaufleute hatten den Weg öfter gemacht, waren überall mit den Leuten bekannt, und erfuhren die gastfreiste Aufnahme. Sie vermieden die abgelegenen und durch Räubereien bekannten Gegenden, und nahmen, wenn sie ja gezwungen waren, solche zu durchreisen, ein hinlängliches Geleite mit.“

Bei den Besuchen am Wege liegender Burgen kommt es zum Austausch von Neuigkeiten und Aufträgen. „Der junge Ofterdingen ward von Rittern und Frauen wegen seiner Bescheidenheit und seines ungezwungenen milden Betragens gepriesen, und die letztern verweilten gern auf seiner einnehmenden Gestalt, die wie das einfache Wort eines Unbekannten war, das man fast überhört, bis längst nach seinem Abschiede es seine tiefe unscheinbare Knospe immer mehr auftut, und endlich eine herrliche Blume in allem Farbenglanze dichtverschlungener Blätter zeigt, so daß man es nie vergißt, nicht müde wird, es zu wiederholen, und einen versieglichen, immer gegenwärtigen Schatz daran hat. Man besinnt sich nun genauer auf den Unbekannten, und ahndet und ahndet, bis es auf einmal klar wird, daß es ein Bewohner der höhern Welt gewesen sei.“

„Auf einem dieser Schlösser, wo sie gegen Abend hinkamen, ging es fröhlich zu. Der Herr des Schlosses war ein alter Kriegsmann, der die Muße des Friedens und die Einsamkeit seines Aufenthalts mit öftern Gelagen feierte und unterbrach, und außer dem Kriegsgetümmel und der Jagd keinen andern Zeitvertreib kannte, als den gefüllten Becher.

Er empfing die Ankommenden mit brüderlicher Herzlichkeit, mitten unter lärmenden Genossen...  Das Gespräch lief über ehmalige Kriegsabenteuer hin. Heinrich hörte mit großer Aufmerksamkeit den neuen Erzählungen zu.

Die Ritter sprachen vom Heiligen Lande, von den Wundern des Heiligen Grabes, von den Abenteuern ihres Zuges, und ihrer Seefahrt, von den Sarazenen, in deren Gewalt einige geraten gewesen waren, und dem fröhlichen und wunderbaren Leben im Felde und im Lager. Sie äußerten mit großer Lebhaftigkeit ihren Unwillen, jene himmlische Geburtsstätte der Christenheit noch im frevelhaften Besitz der Ungläubigen zu wissen. Sie erhoben die großen Helden, die sich eine ewige Krone durch ihr tapfres, unermüdliches Bezeigen gegen dieses ruchlose Volk erworben hätten...

Die Ritter sangen mit lauter Stimme den Kreuzgesang, der damals in ganz Europa gesungen wurde:

Das Grab steht unter wilden Heiden;
Das Grab, worin der Heiland lag,
Muß Frevel und Verspottung leiden
Und wird entheiligt jeden Tag.
Es klagt heraus mit dumpfer Stimme:
»Wer rettet mich von diesem Grimme!«

Wo bleiben seine Heldenjünger?
Verschwunden ist die Christenheit!
Wer ist des Glaubens Wiederbringer?
Wer nimmt das Kreuz in dieser Zeit?
Wer bricht die schimpflichsten der Ketten,
Und wird das Heil'ge Grab erretten?

Gewaltig geht auf Land und Meeren
In tiefer Nacht ein heil'ger Sturm;
Die trägen Schläfer aufzustören,
Umbraust er Lager, Stadt und Turm,
Ein Klaggeschrei um alle Zinnen:
»Auf, träge Christen, zieht von hinnen.«

Es lassen Engel aller Orten
Mit ernstem Antlitz stumm sich sehn,
Und Pilger sieht man vor den Pforten
Mit kummervollen Wangen stehn;
Sie klagen mit den bängsten Tönen
Die Grausamkeit der Sarazenen.

Es bricht ein Morgen, rot und trübe,
Im weiten Land der Christen an.
Der Schmerz der Wehmut und der Liebe
Verkündet sich bei jedermann.
Ein jedes greift nach Kreuz und Schwerte
Und zieht entflammt von seinem Herde.

Ein Feuereifer tobt im Heere,
Das Grab des Heilands zu befrein.
Sie eilen fröhlich nach dem Meere,
Um bald auf heil'gem Grund zu sein.
Auch Kinder kommen noch gelaufen
Und mehren den geweihten Haufen.

Hoch weht das Kreuz im Siegspaniere,
Und alte Helden stehn voran.
Des Paradieses sel'ge Türe
Wird frommen Kriegern aufgetan;
Ein jeder will das Glück genießen
Sein Blut für Christus zu vergießen.

Zum Kampf, ihr Christen! Gottes Scharen
Ziehn mit in das Gelobte Land.
Bald wird der Heiden Grimm erfahren
Des Christengottes Schreckenshand.
Wir waschen bald in frohem Mute
Das Heilige Grab mit Heidenblute.

Die Heil'ge Jungfrau schwebt, getragen
Von Engeln, ob der wilden Schlacht,
Wo jeder, den das Schwert geschlagen,
In ihrem Mutterarm erwacht.
Sie neigt sich mit verklärter Wange
Herunter zu dem Waffenklange.

Hinüber zu der heil'gen Stätte!
Des Grabes dumpfe Stimme tönt!
Bald wird mit Sieg und mit Gebete
Die Schuld der Christenheit versöhnt!
Das Reich der Heiden wird sich enden,
Ist erst das Grab in unsern Händen.

Heinrichs ganze Seele war in Aufruhr, das Grab kam ihm wie eine bleiche, edle, jugendliche Gestalt vor, die auf einem großen Stein mitten unter wildem Pöbel säße, und auf eine entsetzliche Weise gemißhandelt würde, als wenn sie mit kummervollem Gesichte nach einem Kreuze blicke, was im Hintergrunde mit lichten Zügen schimmerte, und sich in den bewegten Wellen eines Meeres unendlich vervielfältigte...

Der Abend war heiter; die Sonne begann sich zu neigen, und Heinrich, der sich nach Einsamkeit sehnte, und von der goldenen Ferne gelockt wurde, die durch die engen, tiefen Bogenfenster in das düstre Gemach hineintrat, erhielt leicht die Erlaubnis, sich außerhalb des Schlosses besehen zu dürfen."

Benedetto Bonfigli, "Gonfalone di S. Francesco al prato", 1464

nachgetragen  am 13. September

Montag, 25. März 2019

Annuntiatio Domini oder Mariä Verkündigung

Katharinen-Kloster, Sinai - Marias Verkündigung durch den Engel. 
Ikone aus der ausgehenden Komnenenzeit, Ende 12. Jh.

"Und der Priester nahm Maria in Obhut, küßte und segnete sie und sprach: 'Groß gemacht hat der Herr deinen Namen unter allen Geschlechtern. An dir wird am Ende der Tage der Herr sein Lösegeld den Kindern Israel offenbaren.' Und er hieß sie sich auf der dritten Stufe des Altars niedersetzen, und der Herr Gott legte Anmut auf sie."

Sophienkathedrale, Kiew

"Die Priester aber besprachen sich und sagten: 'Wir wollen einen Vorhang für den Tempel des Herrn anfertigen lassen.' Und es sprach der Priester: 'Rufet mir unbefleckte Jungfrauen aus dem Stamme Davids!'... Und es erinnerte sich der Priester an die kleine Maria, daß sie ja aus dem Stamme Davids war und unbefleckt war vor Gott. Und die Diener gingen hin und brachten sie Maria. Und sie führten sie die sieben Jungfrauen und Maria hinein in den Tempel des Herrn, und es sprach der Priester: 'Stellt mir durchs Los fest, wer das Gold spinnen soll und den Bergflachs und die Baumwolle und die Seide und das Hyazinthenfarbige und das Scharlachfarbige und den echten Purpur!'

Theotókos der Verkündigung, Ohrid, Nordmazedonien

Und auf Maria entfiel dabei der echte Purpur und das Scharlachfarbige... Maria aber nahm das Scharlachfarbige und widmete sich dem Spinnen. Und sie nahm den Krug und ging hinaus, um Wasser zu schöpfen.

Und siehe, eine Stimme sprach: 'Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr sei mit dir, du Gepriesene unter den Frauen!' Und sie blickte sich um nach rechts und nach links, woher diese Stimme wohl käme. Und es kam sie ein Zittern an. Da ging sie heim in ihr Haus und stellte den Krug ab. Dann nahm sie den Purpur und setzte sich auf ihren Sessel und zog ihn zu Fäden. Und siehe, ein Engel des Herrn trat vor sie hin und sprach: 'Fürchte dich nicht, Maria! Denn du hast Gnade gefunden vor dem Gebieter über alles, und du sollst empfangen aus seinem Wort.'

Mariä Verkündigung

Als sie das aber hörte, bekam sie bei sich Zweifel und sagte: 'Soll ich empfangen vom lebendigen Gott her und gleichwohl gebären, wie jede Frau gebiert?' Und es sprach der Engel des Herrn: 'Nicht so, Maria! Denn Kraft des Herrn wird dich überschatten. Deswegen wird auch das, was von dir geboren wird, heilig, nämlich Sohn des Höchsten genannt werden. Und du sollst seinen Namen Jesus nennen; denn er wird sein Volk erretten von seinen Sünden.' Und Maria sprach: 'Siehe, des Herrn Magd will ich gern sein vor ihm; mir geschehe; wie du gesagt hast!'"

Wem dies vertraut und fremd zugleich erscheint, der liegt völlig richtig. Dieser Text findet sich so nicht im Neuen Testament. Allerdings als Bild an vielen Ikonostasen. Es ist ein Stück aus dem Protevangelium des Jakobus, einstmals sehr beliebt, vor allem in der Ostkirche.

Die Westkirche hat es als apokryph früh abgewiesen und allenfalls als fromme Legende überleben lassen. Dennoch hat es auch dort seine Folgen gehabt. Etwa die Lehre von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens besitzt hier einen frühen Textzeugen, denn wir sind hier wohl in der Mitte des 2. Jahrhunderts.

Königstüren, Schule von Andreas Ritzos 
(Puschkin-Museum der Schönen Künste, Moskau), 

In der Ostkirche ging das Detail mit dem zu webenden Tempelvorhang in die Königspforte der Ikonostase ein. Und offen gestanden bin ich über diesen Umweg wieder an obigen Text erinnert worden. Denn da ich auf Marienbildern aus der Ostkirche immer wieder auf Spinnrocken und Spindel stieß und darauf nach der Bedeutung des mir unbekannten Mariensymbols suchte, stellte sich die Verbindung her: Die Darstellung Mariens erfolgt nach dem Protevangelium des Jakobus.

Und der Vorgang ist ja auch nicht ohne Tiefsinn. Maria webt am Vorhang des Tempels. Der später bei der Passion zerreißen sollte… Und die Verkündigung an Maria als Darstellung auf der Pforte zum heiligen Mysterium hat ebenso ihre besondere Symbolik.  Aber wir brechen besser ab.

Das Datum des Festes der Verkündigung des Herrn, der 25. März liegt, wie leicht nachvollziehbar ist,  neun Monate vor Weihnachten. In ihm scheint die Geburt des Herrn gleichsam schon auf. Und da Ostern frühestens am 22. März und spätestes am 25. April begangen werden kann, steht dieses Fest zugleich in einem ganz eigentümlichen Verhältnis zu Passionszeit und Ostern. Aber auch das wollen wir nicht vertiefen.

Herr Roloff hat an diesem Ort vor genau 10 Jahren (fast hätte ich 100 geschrieben) aus Anlaß des Festes erklärt, warum man die Schwalbe auch den „Muttergottesvogel“ nenne. „Langjährigen Erfahrungen nach kehrt dieser Vogel in der Zeit um das Fest Mariä Verkündigung in unsere Breiten zurück, um uns am Geburtsfest Marias, den 8. September, wieder zu verlassen. Die Bauernregeln reimen dazu: ‚Wenn Maria sich verkündet, Storch und Schwalbe heimwärts findet.‘“ Seinen Beitrag findet man hier.

Barmherzige Jungfrau von Cobre

Und der Hl. Vater hat 2012 in Santiago de Cuba während einer Messe zum 400. Jahrestag der Wiederauffindung der barmherzigen Jungfrau von Cobre u.a. das folgende gesagt:

„Die Menschwerdung des Gottessohns ist tatsächlich das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens, und in ihm nimmt Maria einen vorrangigen Platz ein. Worin liegt aber die Bedeutung dieses Geheimnisses? Und welche Bedeutung hat es für unser konkretes Leben?

Schauen wir zunächst einmal, was die Inkarnation bedeutet. Im Evangelium des heiligen Lukas haben wir die Worte des Engels an Maria gehört: ‚Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden‘ (Lk 1,35). In Maria wird der Sohn Gottes Mensch, und so erfüllt sich die Prophezeiung Jesajas: ‚Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben‘ (Jes 7,14).

Ja, Jesus, das fleischgewordene Wort, ist der Gott-mit-uns, der gekommen ist, um unter uns zu wohnen und unser Menschsein zu teilen. Der heilige Apostel Johannes drückt das so aus: ‚Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt‘ (Joh 1,14). Der Ausdruck ‚ist Fleisch geworden‘ weist auf die ganz konkrete und greifbare menschliche Wirklichkeit hin.

In Christus ist Gott wirklich in die Welt gekommen, in unsere Geschichte eingetreten und hat unter uns gewohnt. So hat sich die tiefe Sehnsucht des Menschen erfüllt, daß die Welt tatsächlich ein Zuhause für den Menschen sei. Umgekehrt verwandelt sich die Welt, wenn Gott aus ihr ausgeschlossen wird, in einen für den Menschen unwirtlichen Ort und vereitelt zugleich die wahre Berufung der Schöpfung, nämlich Raum zu sein für den Bund, für das ‚Ja‘ der Liebe zwischen Gott und der Menschheit, die ihm antwortet. Und so wurde Maria mit ihrem vorbehaltlosen ‚Ja‘ zum Herrn die erste der Glaubenden.

Mariae Verkündigung, Hans Memling

Daher dürfen wir bei der Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung nicht unterlassen, unsere Augen auf Maria zu richten, um voller Staunen, Dankbarkeit und Liebe zu sehen, daß unser Gott beim Eintritt in die Welt auf die freie Zustimmung eines seiner Geschöpfe vertrauen wollte.

Erst von dem Augenblick an, als die Jungfrau dem Engel antwortete: ‚Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast‘ (Lk 1,38), begann das ewige Wort des Vaters seine menschliche Existenz in der Zeit. Es ist ergreifend zu sehen, wie Gott nicht nur die menschliche Freiheit respektiert, sondern sie zu benötigen scheint. Und wir sehen auch, daß der Beginn der irdischen Existenz des Sohnes Gottes von einem doppelten ‚Ja‘ zum Heilswillen des Vaters – dem Ja Christi und dem Ja Marias – gekennzeichnet war.

Dieser Gehorsam gegenüber Gott ist es, der der Wahrheit, dem Heil die Pforten der Welt öffnet. Gott hat uns nämlich als Frucht seiner unendlichen Liebe erschaffen. Gemäß seinem Willen zu leben, ist deshalb der Weg, um unsere eigentliche Identität, die Wahrheit unseres Seins zu finden, während das Sich-Trennen von Gott uns von uns selbst entfernt und uns in die Leere stürzt.

Der Glaubensgehorsam ist die wahre Freiheit, die echte Erlösung, die uns erlaubt, uns mit der Liebe Jesu zu verbinden in seinem Bemühen, in den Willen des Vaters einzustimmen. Die Erlösung ist immer dieser Prozeß, den menschlichen Willen in die volle Gemeinschaft mit dem göttlichen Willen zu führen.

Liebe Brüder und Schwestern, heute loben wir die Allerseligste Jungfrau für ihren Glauben, und mit der heiligen Elisabeth sagen auch wir: ‚Selig ist, die geglaubt hat‘ (Lk 1,45). Wie der heilige Augustinus sagt, empfing Maria Christus zuerst durch den Glauben in ihrem Herzen, bevor sie ihn physisch in ihrem Leib empfing; Maria glaubte, und es erfüllte sich in ihr, was sie geglaubt hat...“

Die ganze Predigt Benedikt XVI. findet sich hier.

nachgetragen am 26. März

Donnerstag, 28. Februar 2019

Eine geträumte Madonna & Benedikt XVI.

Stefan Lochner: Madonna im Rosenhag, etwa 1448

Oskar Loerke 

GETRÄUMTE MADONNA

Der Abend hat sie ockerrot bestaubt:
Wie Kerzen stehn die bleichen Stauden da.
Zu ihrem Chore senke du dein Haupt.

Im Durchlug zwischen Buchen brennt
In purpurner Dalmatica
Ein Flügelbote, der dich kennt.

Mit Tränen, die kein Mensch noch sah,
Du wäschst mit Tränen ohne Laut,
Wie sie am Weg stehn, sandbegraut:
Lichtnägel, Kreuz- und Sternenkraut.

aus „Atem der Erde“ 

Das Pontifikat Benedikt XVI. endete am 28. Februar 2013. Ich will die unselige Entscheidung des Hl. Vaters nicht weiter kommentieren und meine aufsteigenden Gedanken besser mit diesem wundervollen Mariengedicht Loerkes besänftigen, und darüber hinaus auf die verwaiste Tiara Benedikt XVI. verweisen, zu der man Näheres erfährt, so man diesem Link folgt. 

Tiara Papst Benedikt XVI.

nachgetragen am 4. März

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Überraschendes von Großherzogin Marie

Großherzogin Marie vor Schloß Rumpenheim, ihrem Geburtsort,
Gemälde von Hofmaler Prof. Georg Kannengießer 

Man kann gegenwärtig in Neustrelitz der Großherzogin Marie an 2 ganz unterschiedlichen Orten und in jeweils anders erstaunlicher Weise neu begegnen. In der Stadtkirche und im Kulturquartier. Aber ich will etwas weiter ausholen.

Beginnen wir mit einem Eintrag aus dem „Damen Conversations Lexikon“, Band 7 von 1836:

„Maria Wilhelmine Friederike, Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, Gemahlin des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz, eine Tochter des Landgrafen Friedrich von Hessen-Kassel und der Prinzessin Karoline Polixene von Nassau-Usingen wurde in Rumpenheim, dem nicht weit von Frankfurt, dicht an den Ufern des Mains liegenden Landsitz ihrer Eltern, am 21. Januar 1796 geb. Die ersten Zeiten ihres Lebens brachte sie abwechselnd in der freundlichen Heimath, theils in Frankfurt, theils in dem am Rheine prachtvoll gelegenen Schloße ihrer Großeltern, Biberich, zu, wo ihre Großmutter, die Fürstin von Nassau-Usingen, eine nach alter Weise in strengen Formen erzogene Prinzessin, sich nicht wenig Einfluß auf die Erziehung und das Benehmen ihrer munteren Enkelschaar aneignete, aber doch, bestochen durch die Liebenswürdigkeit derselben, zu mildern Grundsätzen gelangte, als ihr selbst in ihrer Jugend zu Statten gekommen waren.

So entfalteten sich, größtentheils in ländlicher Stille, aber umgeben von liebenden Eltern und Geschwistern, die persönliche Anmuth und die glücklichen Anlagen der Prinzessin. Es konnte daher an fürstlichen Bewerbern nicht fehlen, und am 12. August 1817 schlang sich die bräutliche Myrthe ihre Locken, indem sie dem Großherzoge von Mecklenburg-Strelitz ihre Hand zum ehelichen Bunde reichte.“

Damit hätten wir schon einmal einiges an Biographischem beisammen. Marie Wilhelmine Friederike Prinzessin von Hessen-Kassel wurde durch die Heirat von Georg von Mecklenburg-Strelitz Großherzogin. Sie hatte vier Kinder aus dieser Ehe, nämlich Luise (1818-1842), Friedrich Wilhelm (1819-1904), späterer Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, Karoline Charlotte Marianne (1821-1876), Georg (1824-1876).

Um an ihre früh verstorbene Tochter zu erinnern, rief sie einen der ältesten Kindergärten Deutschlands ins Leben, 1842 die „Kleinkinderbewahranstalt Luisenstiftung“, sie wollte sich den Widrigkeiten des Lebens offenkundig nicht so widerstandslos geschlagen geben; doch hatte sie generell eine Neigung zum Fürsorglichen.

Nach 45 Regierungsjahren verstarb am 6. September 1860 ihr Gatte, Großherzog Georg in Serrahn (seinem gewöhnlichen Sommeraufenthalt). Die Großherzogin folgte ihm erst mehr als zwanzig Jahre später am 30. Dezember 1880, in Neustrelitz. Beide sind in Mirow beigesetzt.

Großherzogin Marie war eine kunstsinnige Frau und begabte Malerin und fand vor allem in Prof. Georg Kannengießer einen sinnverwandten Förderer und Lehrer. Offenkundig war sie auch von ausgeprägtem Realismus, etwa, was die Originalität ihres Könnens betraf, also schuf sie vor allem Nachschöpfungen von Gemälden aus und nach der Renaissance, aber diese eben mit zunehmender Meisterschaft.

Davon ist manches erhalten, vieles ist verschollen oder eher wohl vernichtet; so verbrannte ihre Dürer-Version von „Christus am Kreuz“ in der Johanniterkirche zu Mirow 1945. Dasselbe dürfte von ihren Bildern im Neustrelitzer Schloß, der Orangerie oder im Marienpalais (ihrem Witwensitz) gelten.

Und hier kommt jetzt das Kulturquartier ins Spiel. Dort gibt es nämlich noch bis zum 20. Januar 2019 die Weihnachtsausstellung - „Schenkungen und Leihgaben“.  Darin finden sich als neue Dauerleihgaben des Großherzoglichen Hauses Mecklenburg-Strelitz Porträts von Familienmitgliedern (2 Gemälde der Königin Charlotte fallen besonders auf, genauer gesagt, ist das eine davon ein ganz rührendes Kinderporträt) und eben mehrere Gemälde, geschaffen von Großherzogin Marie.

Raffael, Hl. Familie, 1518

Die Kopie von 1859 des obigen Abbildes der Hl. Familie von Raffael zieht absolut in den Bann. Es hing einst an der Chorwand links neben dem Altar in der Schloßkirche von Neustrelitz (das eigentliche Altarbild – eine Grablegung Christi von Prof. Kannengießer - ist verloren, ich bilde mir ein, irgendwo gelesen zu haben, die Russen hätten es ´45 zerschossen, kann die Stelle aber gerade nicht wiederfinden). 

[Eine erneute Suche nach der Stelle führte zu der Einsicht, daß diese Nachricht falsch war. Es betätigten sich dabei spätere Akteure, wie hier umfänglich nachzulesen.]

Das Gemälde ist eine Leihgabe der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Strelitzer Land und wird gerahmt von zwei Mariendarstellungen aus dem Besitz des Museums, gleichfalls von der Hand der Großherzogin.

Das Merkwürdige an Kopien ist, sie altern. Oft sieht man ihnen die Entstehungszeit an, was den Zeitgenossen vermutlich nicht auffiel, sehen wir heute sofort. Hinzu kommt, daß ihnen nicht selten etwas uninspiriert Pedantisches anhaftet. Und höflich gesagt, wenn man sich die Datierungen bei den Werken der Großherzogin anschaut, spürt man doch auch eine gewisse Entwicklung.

Und bei der Hl. Familie ist das dann überraschend anders, man scheut sich fast, das Bild noch eine bloße Kopie zu nennen. Eher ist es eine wundersam lebendige Nachschöpfung. Denn nicht nur ist diese handwerklich exzellent und keinesfalls konventionell, aus keinem Winkel erscheint sie medioker, sondern aus jedem geradezu alterslos lebendig. Respekt. Und dazu muß man wissen, daß das Bild in einem beklagenswerten Zustand ist, und wir reden nicht von nachgedunkeltem Firnis. Die Abbildung oben steht für das Original aus dem Louvre, bei unserem Bild ist die Leinwand an 3 Stellen aufgerissen, einer geht durch das Gesicht des Johannes-Knaben. Das Bild erscheint aber rettbar, und wir können nur hoffen, daß es dazu, auch ggf. durch Spenden, kommen wird.

Eine dringende Empfehlung also, diese Sonderausstellung zu besuchen, wie gesagt, bis zum 20. Januar 2019 kann sie täglich besichtigt werden.

Raffaello Sanzio da Urbino, Kreuztragung Christi, ca. 1516
Museo del Prado, hier gefunden

Wie eine solche Rettung ausfallen kann, läßt sich jetzt in der Stadtkirche bestaunen. Als ich im Juli diesen Jahres 4 Statuen aus der Stadtkirche etwas näher beleuchtete („Glaube, Liebe, Hoffnung & Barmherzigkeit in der Stadtkirche zu Neustrelitz“), mußte ich kurz erwähnen, wie ein offenbar psychisch kranker 29-Jähriger, benebelt von Alkohol und Drogen, dort gehaust hatte.

Die Schäden sind inzwischen behoben, und es kommt einem wieder einmal 1. Mose 50 Vers 20 in den Sinn, nämlich wie sich böse Absichten gegen die Intentionen des Bösewichts richten können („Ihr gedachtet's böse mit mir zu machen; aber Gott gedachte es gut zu machen.“). Auch das Altargemälde hatte Schaden genommen, ebenfalls eine Arbeit der Großherzogin Marie, und jetzt hängt es, wunderbar restauriert, an seinem alten Platz. Und hier können wir froh ausrufen: So wie das Original, das oben abgebildet ist, ganz so stelle man sich jetzt die „Kopie“ vor, nur den prächtigen Goldrahmen muß man sich noch hinzudenken.

Am 22. Dezember werden in der Stadtkirche ab 17.00 Uhr die Kantaten I - III des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach aufgeführt. Das wäre dann die nächste Gelegenheit, sich von dem oben Genannten selbst zu überzeugen.

Sonntag, 25. November 2018

Über den Trost der Dinge und auch die Ewigkeit

Busto ritratto di Antinoo. Galleria Estense, Modena.


Der November drängt so sehr das Gedenken der Toten auf und es ist ein wahrlich zwiespältiges Erinnern. Denn wie eindrückliche Menschen sind einem begegnet und wieder verhüllt worden, daß man ihr Andenken nicht mit Worten verunstalten mag. Aber vielleicht werde ich in der Ewigkeit Nicolás Rackiewicz aus Argentinien, einem Ort, den er vom Innersten haßte, mit Maria Wandelt bekannt machen können. Das wäre schon was.


G.F Händel, Allor ch'io dissi addio, Roberta Invernizzi

Seit jenem Sonntag also, der jetzt Ewigkeitssonntag heißt, kreisen meine inneren Gedanken um dieses Thema, und ja, wie sagt man es, sie „behinderten“, das ist falsch, sie hielten anderes zurück. Und auch das sollte irgendwann enden. Warum nicht jetzt? Als Abbreviatur.

Die Dinge also. Es ist ein verbreitetes Vorurteil gegen sie, daß sie vergehen würden, wieso so? Die Verächtlichung-Machung der Schöpfung ist der Kern des Bösen. Gewalttätig gegen ihre Ratio, also die Ordnung, ihre Wahrheit; die Wirklichkeit überhaupt. Ein Beispiel davon im Sing-Sang der Bedeutungslosigkeit. Denn man kann vom Schönen nur sorglos reden, solange man abwehrt, was einen nicht beflecken darf:

"Aber diese Leere empfinde ich als Versprechen. Also ich denke mir, jede Form von Aufladung dieser Leere ist heute zum Scheitern verurteilt, eben weil die Gesellschaft so pluralisiert ist. Die einzige Hoffnung, die wir haben, ist, daß wir auf ein Wir rekurrieren können, das leer bleibt. Weil nämlich diese Leere die einzige Hoffnung ist, unter der wir uns in unserer Vielfalt so versammeln können, ohne diese Vielfalt aufgeben zu müssen."

Das Schöne ist die Ewigkeit, jedes Stück davon. Die Dinge von Schönheit sind… Charlatanhafte Charaktere werden davon angezogen und werfen sie sich in ihrer Dürftigkeit gern über als genialischen Mantel.

Das ist das andere also. Genug davon.

Man begegnet oft dem triumphierend (worüber eigentlich?), zumindest betulich affirmierend vorgetragenen Urteil: ‚Alles sei vergänglich‘. Die Dinge sind immer in Gefahr, aber sie trösten auch. Denn sie sind Teil der Ewigkeit, sie sind die wundervollste Frucht des Leidens an der Vergänglichkeit. Da sie in die Ewigkeit hineinragen.

Auch Fortschritte im Religiösen sind mit Opfern erkauft: Als den alten Juden eingebläut wurde, daß das Göttliche nicht hinreichend in der lebendigen Natur zu finden sei, geriet ihnen das alberne Bilderverbot zupaß und später kam irgendwann dann davon die Askese auf und noch später schlug man Venus-Statuen die Köpfe ab.

Eine der Quellen meines Mißtrauens war immer, daß die größten Eiferer, ob ägyptische Mönche oder calvinistische Bilderstürmer gerne Dinge zerstörten. Da gibt es einen kleinen Webfehler in der Tradition. Einer der nebenher laufenden Grundsätze christlichen Denkens ist, daß Gott aus seiner Schöpfung erkannt werden könne, nur als Anfang, aber immerhin.

Wenn er sich aber inkarniert hat, dann hat er auch die Schönheit der Dinge hervorgerufen, sich dieser Schönheit ausgeliefert, ist ihr Wesen. Man kann sich nicht inkarnieren, sprich ausliefern, und anschließend fröhlich den eigenen Untergang feiern. Wie kann man dann den Satz tröstlich finden, daß eh alles vergänglich sei. Wie kann sich Gott in etwas hinein offenbaren, das er für wertlos hält, auch nach seiner Inkarnation, mit dem er sich gewissermaßen gemein gemacht hat. Das Vergehen der Dinge müßte ihn dann doch persönlich angehen.

Gott aber zerstört nicht seine Schöpfung, er stellt sie wieder her. In jedem unbegrenzten Augenblick von Schönheit wohnt die Präsenz des Ewigen. Darum kehrt auch im Verfall die Schönheit in die Ewigkeit zurück, sie mag vergehen, aber nur für uns. Wir aber können, wenn wir uns über den Verlust von schönen Dingen grämen - und wie viel hat unsere Heimat, dieses alte Reich nicht verloren – uns nur in diesen Strom stellen, der uns zur Quelle der Schönheit zurückträgt, in dem alle Dinge geborgen sind, zu Gott.

Und da das hier ja eine persönliche Ecke der Welt und keine Tageszeitung ist oder so etwas Schreckliches...


Als ich jemandem vorklagte, ich wüßte nicht, was schlimmer sei, die Schlaflosigkeit, die unvorbereitet einfallenden Müdigkeits-Attacken oder die reichlich illuminierten Albträume, wenn es denn doch zum Schlaf kam, und er mir vorschlug, so etwas Interessantes müsse ich doch aufschreiben. Nein. Ich bin schlicht froh, wenn es vorbei ist.

Eine Ausnahme, weil es so rührend banal daherkommt. Man muß Neustrelitzer sein, um das mit dem inneren Auge sehen zu können: Also wenige Schritte von der Tiergartenstraße entfernt (im Rücken das ehemalige Amtsgericht), weiter hinten ragte die Seitenfront der Schloßkirche empor, erhob sich ein runder Tempel, der einen Brunnen umfing. Als ich aufwachte, fing ich pedantisch an, die Säulen zu zählen, waren es acht oder waren es 12? Mein Gott, es war ein Traum.

Unter der Kuppel eine aufrechte Frauengestalt, von der man sofort wußte, daß es die Hl. Jungfrau war, obwohl keinerlei Attribute beigegeben. Unter ihr 4 Engel, damit beschäftigt, 4 Drachen zu beherrschen, aus deren bedrohlich aufgerissenen Mäulern das Wasser ins Brunnenbecken floß. Die Jungfrau war in Verbindung mit allem, sie streckte ihre Hände ermutigend den Engeln entgegen, die ihrerseits mit Blicken und Gesten auf sie achteten.

Um den Tempel war ein kleiner Rosengarten.


So jetzt habe ich das einmal aufgeschrieben und kann künftig zur Abschreckung darauf verweisen. Eine gesegnete Nacht und einen ebensolchen Tag.

Starnberg, Marienbrunnen. 1912 
vom Apotheker Vinzenz Gresbek gestiftet, hier gefunden

nachgetragen am 6. Dezember

Sonntag, 2. Juli 2017

Mariä Heimsuchung - ein Nachtrag

Antependium, Straßburg um 1410

Wir wollen unsere Geschwätzigkeit zu beschränken suchen. Das Fest Mariä Heimsuchung wird äußerlich auch heute noch in der lutherischen Kirche gelegentlich begangen (daher die Predigt). Die Kantate „Meine Seel erhebt den Herren“ (BWV 10) von 1724 kommt von Johann Sebastian Bach, für eben diesen Tag.

Herr Roloff, der hier hinreichend präsent ist und darum bekannt sein darf, hat aus diesem Anlaß eine sehr eindringliche und schöne Predigt auf die Gottesmutter halten dürfen. Sie hat mich angerührt. So folgt also der Nachtrag.



 Predigt zum Festtag Mariae Heimsuchung am 2. Juli 2017 in St. Nicolai zu Magdeburg

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Der Predigttext ist die Epistel des heutigen Tages aus dem 1. Timotheus Brief:

Und kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit. Amen.

Liebe Gemeinde,

tatsächlich haben wir es hier ganz und gar mit einem unergründlichen Geheimnis zu tun. Maria, eine noch sehr junge Frau, begegnet einem Engel. Auch wir würden dem wohl nicht sofort trauen. Das macht aber nun gerade die Glaubwürdigkeit und das Unerfindliche dieser Geschichte aus.

Maria erschrickt. Sie findet den Gruß des Besuchers ganz und gar unangemessen. Und als er ihr die Schwangerschaft ankündigt, da bestärkt sie das nur in ihrer Skepsis, denn so viel weiß auch jede junge Frau im Lande Judäa, ohne Mann ist schwerlich schwanger werden.

Dann erzählt der Engel ihr von der schon hochbetagten Verwandten Elisabeth, die trotz ihres Alters auch schwanger geworden ist und betont: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich!“

Nun ist zwar das Alter eines Menschen ein sicher weniger großer Hinderungsgrund für das Eintreten einer Schwangerschaft als das völlige Fehlen eines Mannes, aber aus irgendeinem Grund fasst Maria Vertrauen zu Gabriel, dem Engel, dessen Name „Mann Gottes“, „Kraft Gottes“ bedeutet. Sie ergibt sich seiner Botschaft und spricht ihr: „Mir geschehe, wie du gesagt hast!“

An dieses Ereignis erinnert die Kirche am Verkündigungstag, dem 25. März. An ihm ereignet sich die Fleischwerdung des Erlösers. Sie wird zur unwiderruflichen Tatsache in dem Moment, da Maria, die Geliebte Gottes, das bedeutet nämlich ihr Name, ihren Gehorsam bezeugt. Es geschehe mir, wie du gesagt hast. In diesem Augenblick ist sie wahrhaftig schwanger geworden, und Gabriel verlässt sie wieder.

In diesem Augenblick treten Schöpfung und Erlösung in Eins. So wie Gott mit seinem Wort es geschehe, es werde, fiat, das Licht und dann alle Dinge aus dem Nichts in die Wirklichkeit rief – und auch das ist ein nicht zu lösendes Geheimnis – so wird nun durch die Antwort Mariens, durch ihr es werde, mir geschehe, fiat, die Fleischwerdung Jesu gewirkt, von ihr empfangen.

Zunächst wird sie diese Episode vielleicht für ein Traumgespinst gehalten haben. Dann aber kommt die Zeit, da sie das Wachsen des Kindes in ihrem Leibe spürt. Es wird ihr gewesen sein, als verlöre sie den Boden unter den Füßen. Egal, was der Besucher dort Großes und Weises erzählt hat, vor aller Welt würde nun bald feststehen, dass sie ihren Bräutigam, den treuen Joseph, entehrt. Sie drohte ihm zur größten Schande zu werden.

Aber irgendetwas hatte der Besucher doch auch noch von Elisabeth erzählt, bei ihr will Maria nun eilends Zuflucht nehmen. Ja, es ist vielmehr eine Flucht fort von Joseph als ein einfacher Verwandtenbesuch, den man wohl auch eher gemeinsam unternommen hätte.

Maria flüchtet, um ihrem Verlobten die Schande zu ersparen, die das sichtbar werdende Bäuchlein bedeutet hätte.
Es ist gar nicht auszudenken, was alles ihr auf dem Weg ins Gebirge durch den Kopf gegangen sein wird.

Und dann kommt sie an mit ihrem Geheimnis, das sie bedrückt und bedrängt und ihr ganzes Leben zu zerstören droht, wenn es bekannt wird.

Das ist das Außergewöhnliche an den Leiden der Gottesmutter. Die gleichen Umstände, die sie bedrücken und bedrängen, die sie als bedrohliches Geheimnis in sich trägt, werden ganz anders gedeutet, als sie endlich Elisabeth begegnet, bei der sie sich aussprechen, wohl noch eher ausweinen will.

Denn Elisabeth spürt, wie ihr Kind vor Freude in ihrem Leibe hüpft und antwortet auf Marias Gruß: Gebenedeit bist du unter den Weibern und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes.

Das ist doch derselbe Gruß, mit dem schon der Engel sie gegrüßt hatte, und auch die von ihm behauptete Schwangerschaft der Elisabeth, trotz ihres Alters, ist Wahrheit. Alles ist so, wie er es gesagt hat, der Engel des Herrn, die Kraft Gottes, der nichts unmöglich ist.

Und dann spricht die viel ältere Verwandte auch noch den folgenden Satz zu dem jungen Mädchen, das sie besucht: Und woher kommt mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?

Sie weiß nicht nur von der Schwangerschaft Mariens, sie nennt den Ungeborenen ihren Herrn und bestätigt auch darin die Ankündigung Gabriels: Er wird ein Sohn des Höchsten genannt werden, er wird ein Gottessohn.

Plötzlich ist alles anders. Ein Anklang erreicht uns schon hier von dem viel späteren, noch viel leidvolleren Geschehen auf dem Wege nach Golgatha. Alle werden weinen und klagen, und die Mutter des Herrn wird kaum ertragen haben, was sie in jenen Stunden erleben musste. Ihr Sohn aber blickt sie an und sagt: Siehe, ich mache alles neu!

Ja, auch schon hier im Gebirge wird alles neu und ganz anders. Die Furcht Marias ist fort. Alles mündet ein in größte Ruhe und Gewissheit. Maria ist schlagartig von allen Zweifeln und Ängsten befreit und ganz selig. Das können wir wissen, weil nur jemand, der ganz befreit und selig ist, so sprechen kann, wie sie gesprochen hat:

Meine Seele erhebt den HERRN,  und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder; denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und des Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten. Er übet Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer. Er denkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel wieder auf, wie er geredet hat unsern Vätern, Abraham und seinem Samen ewiglich.

Aus der Flucht ist eine Vergewisserung geworden. Maria ist ganz erfüllt von ihrem Auftrag und davon, dass alles richtig und gut ist, was sich mit ihr ereignet.

Jetzt sind da nur noch Freude und Erkenntnis der eigenen Situation und der Wahrheit dessen, was ihr vom Engel verkündet worden war. Niemals in der Geschichte der ganzen Schöpfung ist ein niedriger Mensch so erhoben worden wie sie, die Mutter Gottes. Ja, der Allmächtige hat tatsächlich eine niedrige Magd erhoben, damit der Höchste in unser Menschsein herabsteigen konnte.

Das ist das Geheimnis, von dem nun auch der Apostel kündet, und von dem wir künden sollen bis an das Ende der Welt.

Gott ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

Vor dieser Höhe des Ereignisses wird sie ganz erbärmlich, die moderne Theologie, die das Geheimnis der Jungfrauengeburt zum Übersetzungsfehler erklärt, die die Kindheitsgeschichten zu ausgedachten Fabeln macht und die sich am liebsten aus allem herausmogelt, was die Größe und Schönheit unseres Glaubens ausmacht.

Was wäre denn so berichtenswert daran, dass vor über 2000 Jahren eine junge Frau schwanger geworden ist? Wie kann man im Ernst die Auferstehung der Toten für wahr halten, wenn man der Jungfrauengeburt nicht glaubt?

Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß;

So singt Martin Luther vom gewaltigsten aller Geheimnisse. Der Schöpfer der Welt, aus dem alles hervorgegangen ist, der Ursprung und Urheber aller Dinge, der Allmächtige, Allgewaltige, der Ewige und Unendliche, der liegt im Schoße der Jungfrau und nimmt unser Fleisch an und wird Mensch.

Alles was er tut ist gerechtfertigt in Ewigkeit. Er ist den Engeln erschienen und wird allen Völkern gepredigt. Er wird von aller Welt und in aller Welt geglaubt. Wir predigen ihn und bezeugen ihn mit unserem Leben.

Er ist aufgenommen in die Herrlichkeit. Das ist es was wir glauben. In Christus ist unser Menschsein in das ewige Gottsein hineingenommen. Dadurch sind wir erlöst.

Alle Bedrängnis findet in dieser Gewissheit ihr Ende. Wen dieses Licht des Glaubens durchstrahlt, dem geht es wie Maria, die eben noch voller Sorge ist und dann erkennt, welches große beglückende Geheimnis ihr zuteil geworden ist. Mit der Gottesmutter sprechen und bekennen darum auch wir: „Seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten.“

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

nachgetragen am 15. Juli