Montag, 16. August 2021

Afghanistan


Darul-Aman-Palast 1982, hier gefunden


Darul-Aman-Palast 2015 (angeblich sei er inzwischen wieder zu 90 % aufgebaut gewesen), hier gefunden


Theodor Fontane

Das Trauerspiel von Afghanistan


Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,

Ein Reiter vor Dschellalabad hält,

„Wer da!“ – „„Ein britischer Reitersmann,

Bringe Botschaft aus Afghanistan.““


Afghanistan! er sprach es so matt;

Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,

Sir Robert Sale, der Commandant,

Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.


Sie führen in’s steinerne Wachthaus ihn,

Sie setzen ihn nieder an den Kamin,

Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,

Er athmet hoch auf und dankt und spricht:


„Wir waren dreizehntausend Mann,

Von Cabul unser Zug begann,

Soldaten, Führer, Weib und Kind,

Erstarrt, erschlagen, verrathen sind.


„Zersprengt ist unser ganzes Heer,

Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,

Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,

Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“


Sir Robert stieg auf den Festungswall,

Offiziere, Soldaten folgten ihm all’,

Sir Robert sprach: „Der Schnee fällt dicht,

Die uns suchen, sie können uns finden nicht.


„Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,

So laßt sie’s hören, daß wir da,

Stimmt an ein Lied von Heimath und Haus,

Trompeter, blas’t in die Nacht hinaus!“


Da huben sie an und sie wurden’s nicht müd’,

Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,

Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,

Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.


Sie bliesen die Nacht und über den Tag,

Laut, wie nur die Liebe rufen mag,

Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,

Umsonst, daß ihr ruft, umsonst, daß ihr wacht.


Die hören sollen, sie hören nicht mehr,

Vernichtet ist das ganze Heer,

Mit dreizehntausend der Zug begann,

Einer kam heim aus Afghanistan.



"The Char-Chatta Bazaar of Kabul", by A. Gh. Brechna, 1932, hier gefunden

2 Kommentare:

Markus Vette hat gesagt…

Da gibt es inzwischen eine gewisse Wiederholung, was den Einsatz in Afghanistan betrifft. Entweder wussten die Politiker und ihre Berater nichts von Fontanes (und seitdem anderer) Worten und Erfahrungen oder aber sie glaubten, dass sie nun diesmal alles besser wüssten und im Griff hätten. Letzteres entspricht einem Wahrheitsanspruch, der mich schaudern lässt, ehrlich. - Diese beiden Möglichkeiten sind daher gleich schlecht.

MartininBroda hat gesagt…

Sie wußten nichts, weil dazu die Bereitschaft zu einer gewissen Reflexion gehört, es interessierte sie also gar nicht erst. Und dann kommt diese ungebremste Selbstgefälligkeit samt irrationalem Sendungsbewußtsein hinzu. Es ist gruselig.

Tut mir leid, ich habe Deinen Kommentar eben erst entdeckt.