Posts mit dem Label Calvin werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Calvin werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 2. Juli 2018

Über Puritanismus &

Ruinen der St Andrews Cathedral, zerstört ab 1559 
durch Anhänger des schottischen Reformators John Knox

„Jede späte Philosophie enthält den kritischen Protest gegen das unkritische Schauen der Frühzeit. Aber diese Kritik eines seiner Überlegenheit sicheren Geistes trifft auch den Glauben selbst und ruft die einzige große Schöpfung im Religiösen hervor, die Eigentum der Spätzeit ist und zwar jeder: den Puritanismus.

Er erscheint im Heere Cromwells und seiner eisernen, bibelfesten, psalmensingend in die Schlacht ziehenden Independenten, im Kreise der Pythagoräer, die im bittren Ernst ihrer Pflichtenlehre das fröhliche Sybaris zerstörten und ihm für immer den Makel einer sittenlosen Stadt anhängten, im Heere der ersten Kalifen, das nicht nur Staaten, sondern auch die Seelen unterwarf. Miltons Verlorenes Paradies, manche Suren des Koran, das wenige, was sich über pythagoräische Lehren feststellen läßt — das ist alles eins: Begeisterung eines nüchternen Geistes, kalte Glut, trockne Mystik, pedantische Ekstase.

Aber noch einmal lodert doch eine wilde Frömmigkeit darin auf. Was die zur unbedingten Herrschaft über die Seele des Landes gelangte große Stadt an transzendenter Inbrunst aufbringen kann, das ist hier gesammelt, wie mit der Angst, daß es künstlich und vorübergehend ist, und deshalb ungeduldig, ohne Verzeihung, ohne Barmherzigkeit. Dem Puritanismus nicht nur des Abendlandes, sondern aller Kulturen fehlen das Lächeln, das die Religion aller Frühzeiten verklärt hatte, die Augenblicke tiefer Lebensfreude, der Humor.

Nichts von der stillen Glückseligkeit, die in magischer Frühzeit in den Kindheitsgeschichten Jesu oder bei Gregor von Nazianz so oft aufleuchtet, findet sich in den Suren des Koran, nichts von der versonnenen Heiterkeit der Gesänge des heiligen Franz bei Milton. Ein tödlicher Ernst ruht über den jansenistischen Geistern von Port Royal und den Versammlungen der schwarzgekleideten Rundköpfe, die das old merry England Shakespeares, auch ein Sybaris, in wenigen Jahren vernichtet haben.

Sammlung der Predigten des Hl. Gregor von Nazianz, 
Vision des Ezechiel, hier gefunden

Der Kampf gegen den Teufel, dessen leibhafte Nähe sie alle fühlten, wurde erst jetzt mit einer finstren Erbitterung geführt. Im 17. Jahrhundert sind mehr als eine Million Hexen verbrannt worden und nicht nur im protestantischen Norden und katholischen Süden, sondern auch in Amerika und Indien. Freudlos und gallig ist die Pflichtenlehre des Islam (fikh) mit ihrer harten Verständigkeit so gut wie die des Westminsterkatechismus (1643) und die Ethik der Jansenisten (Jansens 'Augustinus' 1640) — denn auch im Reiche Loyolas gab es mit innerer Notwendigkeit eine puritanische Bewegung.

Religion ist erlebte Metaphysik, aber sowohl die Gemeinschaft der Heiligen, wie die Independenten sich nannten, als die Pythagoräer, als die Umgebung Mohameds erlebten sie nicht mit den Sinnen, sondern zuerst als Begriff... Ein zügelloser und doch trockener allegorischer Geist ist in aller puritanischen Dichtung an die Stehe gotischer Visionen getreten. Der Begriff ist die wahre und einzige Macht im Wachsein dieser Asketen. Um Begriffe und nicht wie Meister Eckart um Gestalten ringt Pascal.

Man verbrennt Hexen, weil sie bewiesen sind und nicht, weil man sie nachts in den Lüften sieht; die protestantischen Juristen wenden den Hexenhammer der Dominikaner an, weil er auf Begriffen errichtet ist. Die Madonnen der frühen Gotik waren den Betenden erschienen, die Madonnen Berninis hat niemand gesehen. Sie sind vorhanden, weil sie bewiesen sind, und man begeistert sich für diese Art von Existenz. Cromwells großer Staatssekretär Milton verkleidet Begriffe in Gestalten und Bunyan hat einen ganzen Begriffsmythos in eine ethisch-allegorische Handlung gebracht. Ein Schritt weiter und man steht vor Kant, aus dessen Begriffsethik zuletzt der Teufel als Begriff in Gestalt des Radikal-Bösen herauswuchs.

Man muß sich vom Oberflächenbilde der Geschichte befreien und ganz über die künstlichen Grenzen hinwegsetzen können, welche die Methodik abendländischer Einzelwissenschaften gezogen hat, um zu sehen, daß Pythagoras, Mohammed und Cromwell in drei Kulturen ein und dieselbe Bewegung verkörpern.

Pythagoras war kein Philosoph. Nach allen Aussagen der vorsokratischen Denker war er ein Heiliger, Prophet und Stifter eines fanatisch-religiösen Bundes, der seine Wahrheiten mit allen politischen und militärischen Mitteln der Umgebung aufzwang. In der Zerstörung von Sybaris durch Kroton, die sicherlich nur als Höhepunkt eines wilden Religionskrieges in der geschichtlichen Erinnerung haften blieb, entlud sich derselbe Haß, der auch in Karl I. von England und seinen fröhlichen Kavalieren nicht nur eine Irrlehre, sondern auch die weltliche Gesinnung ausrotten wollte.

Ein gereinigter und begrifflich befestigter Mythos mit einer rigorosen Sittenlehre verlieh den Auserwählten des Pythagoräerbundes die Überzeugung, vor allen andern zum Heil zu gelangen. Die in Thurioi und Petelia gefundenen Goldtäfelchen, welche den Leichen der Geweihten in die Hand gegeben wurden, enthielten die Versicherung des Gottes: 'Seliger und Gebenedeiter, du wirst nicht mehr ein Sterblicher, sondern ein Gott sein'.

Es ist dieselbe Überzeugung, die der Koran all denen verlieh, die im heiligen Kriege gegen die Ungläubigen fochten — 'das Mönchtum des Islam ist der Religionskrieg' lautet ein Hadith des Propheten — und mit welcher Cromwells Eisenseiten die 'Philister und Amalekiter' des königlichen Heeres bei Marston Moor und Naseby zersprengten."

aus Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes Kapitel III, III, Puritanismus

Pariser Psalter, Mitte des 10. Jahrhunderts, byzantinisch 
Durchgang durch das Rote Meer, hier gefunden

Das war ein sehr langes Zitat und ein vermutlich ermüdendes. Sei es so. Es ist erstaunlich, welche Umwege manchmal dazu führen, daß man ein Buch wieder in die Hand nimmt, von dem man irgendwann beschlossen hatte, es sei unlesbar. Spenglers Untergang des Abendlandes gehört in diese Kategorie.

Erst einmal will ich ihm zugute halten, er ist immerhin lesbarer als z.B. Heidegger. Und seine Methode ist durchaus interessant. Vergleichbar mit St. Jordan (also Prof. Peterson, dem inzwischen berühmten religiösen Agnostiker aus Toronto, den ich mit sehr leiser Ironie für mich inzwischen derart tituliere) sieht Spengler überall Analogien, Synchronizitäten etc. etc.

Das ist oft verblüffend anregend, nicht selten aber auch anstrengend, um höflich zu bleiben. Der Gesamteindruck mag im Zwiespalt verharren, aber leben wir nicht alle auf einem Zwiespalt, bei diesen zweifellos großen Geistern ist er halt etwas weiter gespannt. Und wenn seine Erklärungsmuster mitunter auch nicht unbedingt überzeugen. Auch falsche Schlüsse können anregen. Die Phänomene sieht er sehr scharf umrissen -  „kalte Glut, trockne Mystik, pedantische Ekstase“. Ich kann mich nicht erinnern, eine präzisere Beschreibung irgendwo gelesen zu haben.

Spengler sieht Kulturen als Lebewesen, das ist weniger absurd als es auf den ersten Blick erscheint. Denn woraus bestehen denn Kulturen. Aus Zahnrädern? Und wenn Menschen über ein Bewußtsein verfügen, was offenkundig regelmäßig der Fall ist, sollte es dann nicht auch kollektives Bewußtsein abgrenzbarer Gruppen geben, mit einer je eigenen Geschichte?

Und können nicht wiederkehrende Konstellationen vergleichbare Muster hervorrufen? Spengler nennt  sein Werk im Untertitel „Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“. Und dieser Ansatz einer Strukturgeschichte der Menschheit, das Aufspüren und Deuten wiederkehrender Muster etc. ist sicher eine enorm notwendige und herausfordernde Angelegenheit. Wobei mir allerdings Schelers Vergleichsmaschine mitunter etwas zu, nun ja mechanisch daherkommt. Und sein Relativismus ist auch eher beschwerlich. Z. B.:

"Gäbe es Wahrheiten abgelöst von den Daseinsströmen, so könnte es keine Geschichte der Wahrheit geben. Gäbe es eine einzige, ewig richtige Religion, so wäre Religionsgeschichte eine unmögliche Vorstellung." III, III, 16

Eine Geschichte der „Wahrheit“ wäre tatsächlich eine Geschichte von Meinungen. Letztlich bedeutungslos. Was aber möglich erscheint, wäre eine Geschichte des Bewußtwerdens der Wahrheit.

Doch zurück zum Puritanismus. Schelers Analogie zum Islam fand ich interessant. Und wenn man darüber nachdenkt, fallen einem in der Tat ständig Parallelen auf: Freudlosigkeit, aggressive Proselytenmacherei, Bilder- und Kulturfeindschaft, eine Klaustrophobie erzeugende Denk- und Glaubenshaltung, noch eine Menge mehr. Aber ich will mich auf die christliche Variante beschränken. Mir war Puritanismus immer instinktiv zuwider.

Und ich habe gelernt, wenn man die falschen Geister aufspüren will, folge man der Spur der Verwüstung. Als ich einmal in Irland war, fiel mir bald auf: Der heilige Krieger Cromwell hatte mehr Kirchen zerstört als drei Heere der Ungläubigen es vermocht hätten. Gewissermaßen eine kriegerische Form des Askese, angemaßte Heiligkeit durch Feindschaft gegen das Lebendige. Doch wir schweifen ab. Zurück zum Calvinismus. Denn dieser radikalisierte Calvinismus hat die Untugenden seines Ursprungs noch verschärft.

Das ist jetzt nicht besonders ökumenisch. Aber ich will kurz aufzählen, welche calvinistischen bzw. reformierten Lehren mir als bloße Irrlehren erscheinen. Die bekannteste ist wohl die sog. „doppelte Prädestination“.  Gott offenbart an einem Teil der Menschheit seine Gnade, an einem anderen seine Gerechtigkeit. Mit anderen Worten, noch vor der Schöpfung hat Gott für jeden künftigen Menschen bestimmt, ob er gerettet oder verworfen werden soll.  Die Auserwählten dürfen Gott erkennen und werden auferstehen, die Nicht-Erwählten bleiben unwissend und dürfen in der Hölle schmoren.

Gründe für diese eher willkürlich erscheinende Entscheidung werden nicht angeboten. Gott tut, was ihm beliebt. Das kann man zwar glauben, aber warum mußte er dann in seinem Sohn sterben. Gut, das war jetzt fast häretisch. Nein, ich bin kein Patripassianer. Die Jungfrau steh mir bei!

Naheliegenderweise ist Jesus Christus dann nur für die Auserwählten am Kreuz gestorben. Die Auserwählten vermögen ihrer Erwählung auch nichts entgegenzusetzen, sie sind ihr hilflos ausgeliefert  und mangeln darin eines freien Willen. Es ist ihnen ebenso unmöglich, Gottes Gnade wieder zu verlieren. Wir brechen  hier besser ab.

Ach vielleicht dies noch: Die Väter des reformierten Glaubens (sprich Calvin und Zwingli) hatten vorgeschrieben, daß nur gelten solle, was in der Hl. Schrift ausdrücklich bestimmt ist, und wollten daher ursprünglich nicht nur die Bilder aus den Kirchen zu schaffen, da diese schließlich in der Bibel verboten sind, sondern auch Glocken und Orgeln, da sie in dieser nicht erwähnt werden…

Man kommt leicht auf den Gedanken, daß sich derartiges nur fromme Sadisten und Zwangsneurotiker ausdenken konnten. Mir ist es immer unbegreiflich geblieben, wie man den christlichen Glauben zu einer derart vergiftenden Sache deformieren kann. Damit meine ich nicht, daß man nur als Lutheraner selig werden kann, beim besten Willen nicht, aber hier ist doch eindeutig eine Grenze überschritten. *Grusel

Pariser Psalter, Mitte des 10. Jahrhunderts, byzantinisch 
Der Prophet Jesaja und Nyx, die Nacht, hier gefunden

Und jetzt will ich endlich aufklären, was mich zu derart eifernden Gedanken trieb. Ein Beitrag in einem konservativen „rechtgläubigen“ Blog aus Amerika (der sinnigerweise daher auch „Orthosphere“ heißt), den ich seit einiger Zeit regelmäßig verfolge und der mich erstens zurück zu Spengler brachte und zweitens eine originelle Linie in die Neuzeit zieht. Meine Haltung zur modernen Kunst deckt sich mit der des Autors zwar nicht so ganz, aber sie ist interessant und ohne weitere Umschweife werden ich den letzten Teil dieses Beitrags daher jetzt einfach, aus dem Englischen von mir dürftig übersetzt, folgen lassen:

„Moderne Häßlichkeit ist ein und dasselbe wie moderner Puritanismus. Eine gotische Marienkirche ist ein Wunder seltener Kunstgriffe, in jedem Detail schön, mit jedem Detail zu einem erhabenen Ganzen beitragend, das die Summe seiner bloßen Teile übersteigt. Eine gotische Kirche ist voller Bilder. Die byzantinische Isaurische Orthodoxie und der Islam waren - und der Islam blieb es - nicht nur anikonisch, sondern willentlich ikonoklastisch…

Die Implikationen der künstlerischen Schönheit, die nicht von spiritueller Schönheit getrennt werden kann, bedrohten diese Regime. Ob Luther und Calvin sie dazu aufforderten oder nicht, frühe Protestanten übten den Ikonoklasmus aus: Die Zerstörung des katholischen Eigentums und der katholischen Kunst in England und Nordeuropa, besonders in Schweden, war weit verbreitet und entsetzlich.

Die moderne liberale Mentalität ist ikonoklastisch und daher auch in vielerlei Hinsicht puritanisch. Sie möchte alle christlichen Bilder aus der Öffentlichkeit verbannen. Sie greift die Schönheit immer und überall an und ersetzt sie durch jede Form von Mißbildung und Häßlichkeit. Es ist ihre Absicht, alles, was sie beleidigt, aus dem Blickfeld zu entfernen, sei es eine Bronzestatue eines konföderierten  Generals oder ein Gemälde von John Waterhouse, das "den männlichen Blick" wiedergibt. Die Tatsache, daß die moderne liberale Mentalität sofort eine Allianz schließt mit dem Islam gegen die Traditionen des Westens deutet darauf hin, dass er psychisch mit dem Islam konvergiert. Die Verflachung des tiefen-getränkten dreidimensionalen Bildes durch die Moderne im Kubismus oder die flachen gegenstandslosen Flecken abstrakter Kunst sind zugleich ikonoklastisch und puritanisch. Es verachtet die Welt.“

St Andrews Cathedral Ruins at dusk, Scotland

nachgetragen am 3. Juli

Freitag, 10. Juli 2009

Über Calvin, Taliban und die Ambivalenz der Heiligen



Was mich an Calvin am meisten abstößt, ist sein Lebenswandel. Ich muß das mit einem heiklen Selbstzitat erläutern. Als ich vor einiger Zeit einmal etwas über meinen Namenspatron, den Hl. Martin schrieb, kam ich nicht um folgende Bemerkung herum: „Was mir allerdings, wie ich zugeben muß, ein wenig säuerlich aufstieß, als ich eben etwas in der „Legenda aurea“ herumlas, war, daß ihm besonders nachgerühmt wurde, wie viele alte heidnische Tempel er hätte zerstören können. Denn ich empfinde doch gut fundierte Feindschaft gegen jeglichen talibanesisch-asketischen Irrsinn.“ Calvin war sehr asketisch.Er würde wunderbar in so manche Heiligenlegende passen, dabei war er einer derjenigen, die die Reformation Luthers reformieren wollten.

Johannes Calvin oder Jean Cauvin wurde am 10. Juli 1509 geboren, das sind, wie leicht feststellbar, 500 Jahre, eigentlich mochte ich, eingefleischter vorgestriger Lutheraner, der ich nun einmal bin, nichts über ihn schreiben, aber ich war darüber so unsicher, daß ein einziger Anstoß genügte, und jetzt sitze ich da mit diesem Namen. Wenn mich jemand fragen würde, wem lutherisch geprägtes Christentum näher ist, der katholischen Kirche oder dem reformierten Bekenntnis, würde ich keine Sekunde zögern, der katholischen Kirche natürlich.

Das Asketische ist eine merkwürdige Strömung auch im Christlichen, das die katholische Kirche immer irgendwie zu beherrschen vermochte, sein Konzept: Gottesnähe durch Lebensfeindlichkeit, also Tanzen verbieten, Bilder zerstören, aufreizende Freuden ersticken und Macht absorbieren, am besten tödliche Macht. Seine Selbstverleugnung wirkt meist bestechend demütig, die scheinheilige Bescheidenheit der Frommen, das Gegenteil der Demut. Um das zu verstehen muß man sich nur den Lebenswandel unseres Herrn anschauen, der Wasser zu Wein verwandelte und mit Sündern lebhaften Umgang hatte, sollte er dabei nicht irgendwann wenigstens etwas angetrunken gewesen sein.

Ich sage nicht, daß Calvin genauso wie diese Asketen oder nur so war, der "Taliban aus Genf", im Grunde weiß ich viel zu wenig von ihm. Aber wenn mir eines wichtig ist, dann nuancierte Kultur, Geist, Farbenfreude, Reichtum von Formen, von Vergnügungen, von Musik, von Gestalten, von Überlieferungen, imponierende Standbilder, tausendfache Schattierungen von Gefühlen. Wer aber Tanzen als "Einladung an den Teufel" verbietet und junge Menschen für die Übertretung dieses Verbots bestrafen läßt, kann mein Freund nicht sein.

Diese Art von Askese ist dann nur eines, der Feind. Andere haben diese Feindschaft angenommen und sehr intensiv ausgelebt, Stefan Zweig zum Beispiel in seinem "Castellio gegen Calvin", man möge Näheres dazu hier nachlesen.

Die erste Hürde bei einer Annäherung an Calvin wäre also seine Person selbst. Dazu kommt die reformierte Theologie, die alles auf das zurückschneiden will, was in der Bibel belegbar ist oder zumindest ihr als solches erscheint. Ich gestehe, daß da jetzt einiges durcheinandergeht, wenn ich Calvin mit reformierter Theologie in eins setze. Aber diese Vergröberungen kann ich im Moment nicht ersparen.

Es gibt ein hübsches Büchlein aus dem 19. Jahrhundert: „Unterscheidungslehren“ von Karl Graul und da man im 19. Jahrhundert in vielem noch nicht recht zimperlich war, wenn es darum ging, das Eigene auszusprechen, wollen wir ihn zu Wort kommen lassen, wo er die Dinge lutherisch kernig in seiner Weise zurechtgerückt hat.

Über das Bilderverbot etwa: „Das Wort ist auch ein Bild, nämlich ein hörbares; dagegen ist das Bild auch ein Wort, nämlich ein sichtbares, und also keineswegs etwas Stummes (am allerwenigsten „ein stummer Götze“); jenes macht einen mehr deutlichen, dieses einen mehr lebendigen Eindruck.“

Bei der doppelten Prädestinationslehre gerät er so richtig in Fahrt, ich hoffe, daß meine Bildauszüge lesbar bleiben:


Von MartininBroda

Von MartininBroda

Von MartininBroda

Von MartininBroda

Von MartininBroda

Damit wäre dann die doppelte Prädestination durch. In der Leuenberger Konkordie übrigens, mit der im vorigen Jahrhundert lutherische und reformierte Kirchen ihren Frieden geschlossen hatten, heißt es dazu:

„Der Glaube macht zwar die Erfahrung, daß die Heilsbotschaft nicht von allen angenommen wird, er achtet jedoch das Geheimnis von Gottes Wirken. Er bezeugt zugleich den Ernst menschlicher Entscheidung wie die Realität des universalen Heilswillens Gottes. Das Christuszeugnis der Schrift verwehrt uns, einen ewigen Ratschluß Gottes zur definitiven Verwerfung gewisser Personen oder eines Volkes anzunehmen.“

Ich bezweifle ernsthaft, daß Calvin, dem zugestimmt hätte.

Der Gerechtigkeit halber (und angesichts meines stark ermüdeten Gemüts) muß ich kurz zwei Dinge anfügen. Calvin vertritt ein quasi rationalisiertes und dadurch auch sehr erfolgreiches Christentum, frei von symbolhaften Verwirrungen, er ist modern, wofür immer das gut sein mag.

Und, um es Menschen zu erleichtern, ein anderes Urteil als meines zu gewinnen, schulde ich noch ein paar Links zu Seiten, deren Autoren ihm offenkundig deutlich näher sind als ich es bin:

calvin.efb.ch,

www.johannes-calvin.ch,

an Louis Richebourg, (1540), Zum Tode des Sohnes eines Freundes,

Brief an Farel. Straßburg, 21. Oktober 1540.