Mittwoch, 15. Dezember 2010

Beiläufiger Advent


Weihnachtslied

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimathlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.

Theodor Storm



Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke



Wenn man endlich wieder mehr zum Lesen anderer Blogs kommt, hat das oft einen widersprüchlichen Effekt, man ist angetan und eingeschüchtert zugleich. Da wollte ich etwas gewollt Geistreicheres von mir geben und belasse es dann doch lieber bei dem, was ich auf meinem Lese-Weg fand, nur etwas davon, eine Art Bauchladen zum Advent also. Immerhin auf zwei der Blogbeiträge, die ich mochte, will ich doch verweisen. Frau Balzer vermag es einmal mehr, diese gewisse wunderbare Atmosphäre auf ihrem Blog entstehen zu lassen. Und in Morgenländers Notizbuch gibt es diesen bemerkenswerten Beitrag über Samuel Clarke – „Von Engeln bewegt“.

Wir alle kennen das merkwürdige Phänomen, wenn einem ein bestimmtes Musikstück nicht aus dem Kopf geht. In meinem Fall war es von Jacobus Gallus, die Suche nach einem annehmbaren Video blieb erfolglos, es gibt eine wunderbare Aufnahme davon mit dem Dresdner Kreuzchor unter Mauersberger, aber diese Aufnahme gewissermaßen vom anderen Ende der Welt, aus Neuseeland, hat einen seltsamen Charme:

Zwei der Seraphim, sie riefen einer der andern zu, Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr, der Gott Zebaoth, Himmel und Erde sind voll seiner Ehre.



Und jetzt zögere ich etwas, ich wollte das Ganze nicht so getragen enden lassen und darum mit einem Abstecher in die Populärkultur enden. Ich mag diesen Sam Tsui wirklich, es gibt wunderbare a capella Sachen von ihm, dieses, nun gut, ich habe gewarnt, aber es lohnt sich, dort weiterzusuchen. Und mit meiner letzten Linkempfehlung zögere ich noch mehr, es ist schon grenzwertig, also nichts für die reineren Seelen hier. Ich habe mich kürzlich sehr über eine Seite mir dubiosen Weihnachtsmännern amüsiert, genauso heißt sie: „sketchy santas“. Mittlerweile bin ich eigentlich bei Linkempfehlungen zurückhaltender geworden, man weiß nie, wie sich die Dinge weiterentwickeln, aber sei es drum, hier ist der Link.


2 Kommentare:

Walter A. Aue hat gesagt…

Thank you for citing Rilke's Advent. This poem is - in my, though perhaps not in most people's mind - one of his masterpieces.

It also - again, just for me - illustrates the difference in perception the poem is likely to find in German- vs. English-speaking countries. In Germany, the meaning is trivial but the poetic expression is superb, with immediate access to "the soul". In America, the meaning is all they have, so they will do a great analysis of tropes and other accouterments, but they will miss the resonance, the sudden opening - without resistance, without a single rational thought - of a beautiful and unexpected world: a world that is deep and luminous and silent, that is shared and supportive.

Now, how is that for purple prose?

MartininBroda hat gesagt…

Ich bitte um Vergebung für das Noch- nicht-geantwortet-Haben. Ich denke ebenso über das Rilke-Gedicht, es lebt ganz von der Sprache, bei einem anderen wäre es kitschig geworden, aber was ist Kitsch anderes als der mißglückte Ausdruck von Gefühlen, die möglicherweise sogar authentisch sind. Und so wirkt es in der Tat wie ein "Seelenschlüssel", und wenn Sie Ihre letzte Bemerkung als "rührselig", oder wie immer man es übersetzen soll, ansehen, dann muß ich wohl sehr mit meiner eigenen Art mich auszudrücken ins Gericht gehen, ich fand sie nämlich wunderbar.