Dienstag, 27. Januar 2009

Über das Zur-Hilfe-Nehmen von Fassaden oder: Warum wir nicht wissen, ob uns dieser Nachbau glücklicher macht


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Gestern war im Feuilleton einer „führenden“ Zeitung dieses Landes der Potsdamer „Alte Markt“ zweimal abgebildet. Einmal, wie er sich heute darstellt, und einmal, wie er vor den Zerstörungen von Kriegs- und Nachkriegszeit aussah. Anlaß war eine Entscheidung, es gab schon mehrere in dieser causa und es wird wohl noch einige geben, zugunsten eines, nun ja sagen wir, Nachbaus des Stadtschlosses (dessen beträchtliche Überreste demonstrativ nach dem Kriege abgeräumt worden sind), und das nicht nur in seiner Außen- , sondern jetzt sogar, teilweise, mit seiner Innenhoffassade.

Nun will ich Fassaden nicht herabsetzen, um mit Oscar Wilde zu sprechen: „Nur die oberflächlichsten Eigenschaften dauern; des Menschen tieferes Wesen ist bald entlarvt.“ Oder anders gesagt, unter der Haut des Körpers wohnt bald das Grauen. Aber im Gegensatz zu Organismen ist es mit Bauten doch ein wenig anders.

Mutmaßlich gehört ein Landtag zu den Institutionen, die so wichtig sind, daß ihr Verschwinden niemandem auffallen würde, nicht einmal dessen Mitgliedern, der erforderliche Neubau eines Landtagsgebäudes führte aber zur o.g. Entscheidung, Näheres mag man hier nachlesen. Das bedeutet, solch ein Bau muß natürlich zweckmäßig sein, funktional etc. (die Argumentationsmaschinerie ist bekannt), und das in der Fassade eines Schlosses?

Ich muß, um noch einmal die Eingangsbemerkung zu berühren, einen Einschub machen und gestehen, daß es mir schwerfällt zu verstehen, wie jemand neuzeitliche Architektur ganz überwiegend nicht hohl und gesichtslos, verstörend geradezu finden kann. Ich sehe diese monotonen, einförmigen, gestaltlosen Klötze und bin verstört, man gewöhnt sich ein wenig mit der Zeit, so wie man sich vielleicht an das Lieblingsvergnügen eines Nachbarn gewöhnen mag, nicht singen zu können und davon reichlich Gebrauch zu machen, aber man fängt deshalb doch nicht eines Tages an, die nicht getroffenen Töne für himmlische Harmonien zu halten.

Ich bin als Kind in keiner mittelalterlichen Bilderbuch-Stadt aufgewachsen oder gar einer barocken Residenz, aber daß das meiste, was man neu zu sehen bekam, häßlicher Schrott war, davon war mein kindliches Gemüt doch früh überzeugt, dabei war dies weniger eine Überzeugung als vielmehr unmittelbares Empfinden – daß all dies gemütsverarmend niederdrückend scheußlich ist, auch wenn mir die Worte wohl nicht ganz so geläufig waren. Mittlerweile habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, daß dies mir selbstverständliche Empfinden nicht ganz so verbreitet ist, aber belassen wir es dabei und kommen zum Zweckmäßigen.

Der Landtagsneubau soll also zweckmäßig gebaut werden, das soll es heutzutage immer, und da zu diesen Zwecken nie so etwas anachronistisches wie „Schönheit“ gehört, sieht es danach in der Regel auch aus. Jetzt soll aber um dieses zweckmäßige moderne Grauen eine alte Fassade gelegt werden. Und hier wird es in der Tat kurios, sollte es sein, daß man langsam seiner üblen Taten, nein, nicht überdrüssig wird, eher etwas unsicher, so daß man sich genötigt sieht, sie besser zu verstecken.

So sehr ich mich freuen würde, wenn ich die Potsdamer Mitte, die einmal wunderschön gewesen sein muß und heute überwiegend ausgelöscht ist, wiederhergestellt sehen könnte: Kann aus diesen Motiven etwas Bewahrenswürdiges entstehen, mehr als eine nett verpackte Leere.

Diese mäandernden Gedanken drängten sich mir bei obiger Nachricht auf und noch andere, die ich dem geneigten Leser ersparen will. Zumal noch ein anderes Thema wartet.


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