Donnerstag, 13. August 2009

Über Gedenktage oder die lastende Erinnerung



Balthasar Permoser, Apollo mit der Lyra,
Schwerin, Schloßgarten, 1720
hier gefunden

Ich habe heute leider keine idyllischen Sachen anzubieten, aber ich war gerade von Gregs Bildern auf seinem midnightgarden sehr angetan. Ich empfehle also einfach, dort einmal vorbeizuschauen.

Über den gestrigen Jahrestag habe ich noch einmal nachgedacht. Denn worüber man sich vielleicht täuscht, ich bin überhaupt kein fanatischer Preußenverehrer, es war eher ein Akt der Verpflichtung, zu erinnern an das, was war, und warum?

Schlagen wir dazu einen kleinen Bogen. Ich lese daß zum 31. August 2009 von John Gray „Politik der Apokalypse - Wie Religion die Welt in die Krise stürzt“ erscheinen wird (Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2009, 360 Seiten, gebunden, Euro 22,90). Man stutzt, aber ich gebe etwas aus der Leseprobe an:

„Die politischen Ideologien der letzten 200 Jahre waren getragen von einem Mythos der innergeschichtlichen Erlösung, der das fragwürdigste Geschenk des Christentums an die Menschheit ist. Die im Glauben an diesen Mythos gründende Gewalt ist gleichsam ein Geburtsfehler des Abendlands.“

„Das Bild, das Hobbes von den Gefahren der Anarchie zeichnet, ist gerade heute von großer Aussagekraft. Liberale Theoretiker sehen die Hauptgefahr, die der Freiheit des Menschen droht, nach wie vor in einer ungebremsten Macht des Staates. Hobbes wusste es besser: Der schlimmste Feind der Freiheit ist die Anarchie, die ihre größte destruktive Wirkung entfaltet, wenn sie Schauplatz rivalisierender Glaubensüberzeugungen ist.“

Wenn ich es recht sehe, gibt er damit der Religion die Schuld an den säkularisierten Erlösungsdelirien, die in der Folge der Aufklärung über Europa gekommen sind. Das ist doch aber wohl als wolle man dem ehrlichen Kellermeister vorwerfen, daß Halunken seinen guten Wein übel gepanscht haben.

Ich habe 1993 einen beeindruckenden Essay gelesen, aus dem ich 2 Sätze zitieren will: „Die moderne Kultur basiert auf den großen utopischen Visionen einer vollständigen Emanzipation des Menschen. Nachdem der Weg zum Absoluten der Freiheit in der Sackgasse des Totalitarismus geendet war und der Traum von der besten aller Welten sich als Utopie im buchstäblichen Sinne des Wortes herausgestellt hatte als ein nichtvorhandener Ort, kam es zu Beginn der siebziger Jahre zu einer Wende...

Die moderne Kunst und Zivilisation wollte mit der gesamten westeuropäischen Tradition reinen Tisch machen, um eine absolut neue Kunst und eine absolut neue das heißt die allerbeste Zivilisation zu schaffen.“ (Dubravka Oraic Tolic, FAZ 17. Mai 1993)

Nun, die Verirrung, die Deutschland heimgesucht hat, wurde zum Vorwand benutzt, um nicht nur ideengeschichtlich tabula rasa zu machen, eine Art partieller selbstverordneter Gehirnwäsche. Es ist schon erstaunlich, vor 100 Jahren war Friedrich der Große in weiten Kreisen ungebrochen populär, heute sucht man eher nach Gründen, ihm Nachgeborene in die Schuhe zu schieben oder ignoriert ihn ganz; das wäre fast so (es ist ein recht schiefer Vergleich), als würde Napoleon aus dem französischen Gedächtnis ausgelöscht, weil Politiker nach ihm Verheerendes ausgelöst hätten.

Darum kann man dagegen nur eines tun, erinnern.

Es ist übrigens nicht ganz unangebracht, Friedrich den Großen mit seinen eigenen Worten zum Siebenjährigen Krieg zu Wort kommen zu lassen, ach und das obige Bild ist lediglich ein Hinweis darauf, daß Balthasar Permoser am 13. August 1651 geboren wurde.

„Scheint es nicht erstaunlich, daß alle List und Macht der Menschen so oft durch unerwartete Ereignisse oder Schicksalsschläge genarrt wird? Scheint nicht eine unbekannte Macht verächtlich mit den Plänen der Menschen zu spielen?“

„Mögen solche Beispiele wenigstens die Projektemacher unter den Staatsmännern belehren, daß der menschliche Geist, so umsichtig er auch sei, doch niemals all die feinen Verkettungen so zu durchschauen vermag, um Ereignisse, die von künftigen Zufällen abhängen, vorauszusehen oder herbeizuführen. Wir erklären recht gut das Vergangene, weil dessen Ursachen offen daliegen, aber wir irren stets über das Kommende; denn die Ursachen zweiter Ordnung entziehen sich unseren verwegenen Blicken.“

„Es ist keine Besonderheit unseres Jahrhunderts, daß Staatsmänner sich täuschen. So war es in allen Zeiten, wo der menschliche Ehrgeiz große Pläne gebar… Alle jene großen Unternehmungen führten fast zum Gegenteil dessen, was ihre Urheber gewollt hatten. Denn alle menschlichen Dinge sind wandelbar, und wir selbst, unsere Pläne und die Ereignisse sind ewigem Wechsel unterworfen.“

„Wenn die Vorsehung auf die menschlichen Armseligkeiten herabblickt, so gebe der Himmel, daß Preußen unveränderlich blühe und in Zukunft vor dem Jammer und Elend bewahrt bleibe, die das Land in diesen Zeiten des Umsturzes und der Verwirrung heimgesucht haben. Mögen seine Herrscher niemals gezwungen werden, zu den gewaltsamen und verhängnisvollen Mitteln zu schreiten, die der König zur Verteidigung des Staates gegen den Haß und den Ehrgeiz der europäischen Fürsten ergreifen mußte, als sie das Haus Brandenburg vernichten und den preußischen Namen für immer austilgen wollten!“

4 Kommentare:

Mr. Urs hat gesagt…

Heute bei dieser Hitze war das wirklich etwas schwer für mich. Und dann haben sich die Bäume hinter Apollo auch noch so ordentlich wie die Soldaten Friedrichs hingepflanzt... Aber ich schreibe, weil ich Deine Hilfe brauche. Was soll ich unter "Mythos der innergeschichtlichen Erlösung" verstehen?

MartininBroda hat gesagt…

Uff, als ich es schrieb, dachte ich, bei einigen, die das lesen und verstimmt sein werden, ist dir das reichlich wurscht, aber er tut dir leid, aber es bringt ja nichts, sich anders zu stellen als man ist.

Du sprichst einen relativ bekannten Topos konservativer (?) Ideologiekritik an, es gibt die Auffassung, daß die christliche Erlösungshoffnung, die nun mal endzeitlich und transzendent ist auch, ich steige jetzt bestimmt hier nicht in die Feinheiten ein) mit der Säkularisierung innerweltlich umgedeutet wurde, siehe etwa Heine (Wintermärchen):

„Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
Gerühret von ihrem Spiele.

Sie sang von Liebe und Liebesgram,
Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Wo alle Leiden schwinden.

Sie sang vom irdischen Jammertal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew'gen Wonnen.

Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.



Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.


Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.“

Hat ja auch proper funktioniert in China, Rußland und Kambodscha (was nicht andere Ereignisse dieser fröhlichen Art abmindern soll), ich hoffe, das hat deine Frage ein wenig beantwortet.

Komisch ist nur, daß hier kaum Hitze zu verspüren ist (und das in unserem kleinen Mitteleuropa), aber ich mag sie auch wirklich nicht, ich finde bei großer Hitze kommt man sich irgendwie intellektuell entmannt vor. Und wer will das schon.

Greg hat gesagt…

Hiya, Martin! Glad you enjoyed morning on the Deck Garden. Thanks for the "link-love".

Sorry I couldn't offer you a cup of coffee to go along with the view. ; )

MartininBroda hat gesagt…

Aww, you caught me. You know I’m a loyal reader and since I had to write about some boring stuff I thought, what to make with the nice people thinking they can find some pleasant things here today and my sudden idea was - Greg, it’s always pleasant to look at your place, but this time particularly. And yes, sigh.