Sonntag, 2. Juni 2013

Sonntag & - Nachtrag II


Es gibt Tage, an denen scheint die Zeit rückwärts zu laufen. Dieser Sonntag war von solcher Art. Viertel nach 7 Uhr am Morgen zeigte das Außenthermometer nach meiner Erinnerung 12°C an, einige Stunden später 11°, und es war auch deutlich düsterer. Wäre mittags die Nacht hereingebrochen, hätte das nicht mehr übermäßig überrascht. Passend zur merkwürdigen Stimmung gab es als Hintergrund etwas Bach, interpretiert von Glenn Gould in seiner ihm eigenen gespenstisch lebendigen Weise (übrigens hieraus).

Dafür in Kontrast war das Essen ausgesprochen gemütvoll. Kotelett (was an Rustikalität kaum zu überbieten ist), die hatte ich ewig nicht mehr gemacht, aber siehe da - es funktionierte. Ganz traditionell, also in Mehl und dann Ei und zuletzt Semmelmehl gewälzt und schließlich in der Pfanne gebraten. Dazu Spargel und eine Sauce davon (irgendetwas mit Eigelb, Muskat, Mehl, Sahne, Butter). Ich dachte, alle Bilder wären mißlungen, aber zwei waren noch leidlich und geben so einen Eindruck.


Glenn Gould, das kanadische Musikphänomen, vollgestopft mit Exzentrik (der selbst bei schwülstem Hochsommer tief in Winterkleidung eingemummt erschien und deswegen in Florida als vermuteter Landstreicher sogar einmal verhaftet wurde, und von Mozart meinte, der sei eher zu spät als zu früh gestorben, nur so als Beispiel) und über die Maßen begabt, war wahrlich ein rätselhafter Mensch. Halb aus der Zeit gefallen und halb ihr Protagonist.


Glenn Gould - J. S.Bach - Goldberg Variationen (1964)

Seine Exzentrik scheint auch nicht die Ernsthaftigkeit seines Denkens und seine musikalischen Bemühungen getrübt zu haben; in dem Sinne war er wohl auch gänzlich uneitel, aber ich spreche von Dingen, von denen ich nichts verstehe. Nur 2 Zitate noch, im ersten klingt sein künstlerisches Ethos an:

„Zweck der Kunst ist nicht die Freisetzung eines momentanen Ausstoßes von Adrenalin, sondern vielmehr die allmähliche, lebenslange Verfertigung einer Verfassung des Staunens und der Klarheit.“

Glenn Gould - J. S.Bach 
Konzert für Klavier und Orchester No.1 in d-moll BWV 1052
nach diesem Link

Und im zweiten wird deutlich, wie zeitlos er in vielem wirklich empfunden haben muß:

„Ich habe mein ganzes Leben lang das ungemein intensive Gefühl gehabt, daß es tatsächlich ein Jenseits gibt...Es gibt für mich in diesen Dingen etwas, das ich intuitiv als wahr betrachte... Es scheint mir einfach viel einleuchtender zu sein als das Gegenteil, als das Nichts und das Vergessen.“

Glenn-Gould-Statue in Toronto vor dem CBS-Gebäude

nachgetragen am 4. Juni

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