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Sonntag, 24. Oktober 2021

Goldener Oktober-Sonntag & zwei lyrische Gegenstimmen







Friedrich Rückert

Herbsthauch


Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,

Hoffst du von Tagen zu Tagen,

Was dir der prangende Frühling nicht trug

Werde der Herbst dir noch tragen!


Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,

Immer zu schmeicheln, zu kosen.

Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,

Abends verstreut er die Rosen.


Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,

Bis er ihn völlig gelichtet.

Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,

Was wir geliebt und gedichtet.





Heinrich Heine

XLII.


Verdroß’nen Sinn im kalten Herzen hegend,

Reis’ ich verdrießlich durch die kalte Welt,

Zu Ende geht der Herbst, ein Nebel hält

Feuchteingehüllt die abgestorbne Gegend.


Die Winde pfeifen, hin und her bewegend

Das rothe Laub, das von den Bäumen fällt,

Es seufzt der Wald, es dampft das kahle Feld,

Nun kommt das Schlimmste noch, es regen’t.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Über den Kyffhäuser &

Franz von Lenbach, „Ein Hirtenknabe“, 1860
hier gefunden

Da träumt er also vor sich, der junge Hirte, und wer weiß, was er da so zusammenträumt. Herr von Lenbach träumt vermutlich auch gerade, da er zwar an einem 13. Dezember geboren wurde, aber schon länger tot ist (wieder einer der Fälle, wo man dachte, man hätte schon mal was geschrieben, hat es aber dann allenfalls zu Andeutungen gebracht).

Und noch einer schläft und träumt, erzählt uns jedenfalls Christian Johann Heinrich Heine (geboren am 13. Dezember 1797), wobei es eher er ist der träumt, sagt er:

Mit stockendem Atem horchte ich hin,
Wenn die Alte ernster und leiser
Zu sprechen begann und vom Rotbart sprach,
Von unserem heimlichen Kaiser.

Sie hat mir versichert, er sei nicht tot,
Wie da glauben die Gelehrten,
Er hause versteckt in einem Berg

Mit seinen Waffengefährten.


Kyffhäuser ist der Berg genannt,
Und drinnen ist eine Höhle;

Die Ampeln erhellen so geisterhaft
Die hochgewölbten Säle.


Der Kaiser bewohnt den vierten Saal.
Schon seit Jahrhunderten sitzt er
Auf steinernem Stuhl, am steinernen Tisch,
Das Haupt auf den Armen stützt er.


Sein Bart, der bis zur Erde wuchs,
Ist rot wie Feuerflammen,

Zuweilen zwinkert er mit dem Aug',

Zieht manchmal die Braunen zusammen.


Schläft er oder denkt er nach?
Man kann's nicht genau ermitteln;
Doch wenn die rechte Stunde kommt,
Wird er gewaltig sich rütteln…


Doch wie endet Herr Heine?

Das beste wäre, du bliebest zu Haus,
Hier in dem alten Kyffhäuser –

Bedenk ich die Sache ganz genau,

So brauchen wir gar keinen Kaiser.

Burg Kyffhausen - Burgkapelle der Unterburg
hier gefunden

Dazu gibt es etwas ganz Merkwürdiges, nicht gerade ein Kommentar, nein, aber man lese selbst (aus „Ludwig Börne. Eine Denkschrift“):

„In der That, die Juden sind aus jenem Teige, woraus man Götter knetet; tritt man sie heute mit Füßen, fällt man morgen vor ihnen auf die Kniee; während die Einen sich im schäbigsten Kothe des Schachers herumwühlen, ersteigen die anderen den höchsten Gipfel der Menschheit, und Golgatha ist nicht der einzige Berg wo ein jüdischer Gott für das Heil der Welt geblutet. Die Juden sind das Volk des Geistes, und jedesmal, wenn sie zu ihrem Prinzipe zurückkehren, sind sie groß und herrlich, und beschämen und überwinden ihre plumpen Dränger. Der tiefsinnige Rosenkranz vergleicht sie mit dem Riesen Anteus, nur daß dieser jedesmal erstarkte, wenn er die Erde berührte, jene aber, die Juden, neue Kräfte gewinnen, sobald sie wieder mit dem Himmel in Berührung kommen. Merkwürdige Erscheinung der grellsten Extreme! während unter diesen Menschen alle möglichen Fratzenbilder der Gemeinheit gefunden werden, findet man unter ihnen auch die Ideale des reinsten Menschenthums, und wie sie einst die Welt in neue Bahnen des Fortschrittes geleitet, so hat die Welt vielleicht noch weitere Iniziazionen von ihnen zu erwarten ...
Die Natur, sagte mir einst Hegel, ist sehr wunderlich; dieselben Werkzeuge die sie zu den erhabensten Zwecken gebraucht, benutzt sie auch zu den niedrigsten Verrichtungen, z. B. jenes Glied, welchem die höchste Mission, die Fortpflanzung der Menschheit, anvertraut ist, dient auch zum – – –
Diejenigen, welche über die Dunkelheit Hegels klagen, werden ihn hier verstehen, und wenn er auch obige Worte nicht eben in Beziehung auf Israel aussprach, so lassen sie sich doch darauf anwenden. Wie dem auch sey, es ist leicht möglich, daß die Sendung dieses Stammes noch nicht ganz erfüllt, und namentlich mag dieses in Beziehung auf Deutschland der Fall seyn. Auch letzteres erwartet einen Befreyer, einen irdischen Messias – mit einem himmlischen haben uns die Juden schon gesegnet – einen König der Erde, einen Retter
mit Zepter und Schwert, und dieser deutsche Befreyer ist vielleicht derselbe, dessen auch Israel harret ...
O theurer, sehnsüchtig erwarteter Messias!
Wo ist er jetzt, wo weilt er? Ist er noch ungeboren oder liegt er schon seit einem Jahrtausend irgendwo versteckt, erwartend die große, rechte Stunde der Erlösung? Ist es der alte Barbarossa, der im Kiffhäuser schlummernd sitzt auf dem steinernen Stuhle und schon so lange schläft, daß sein weißer Bart durch den steinernen Tisch durchgewachsen ... nur manchmal schlaftrunken schüttelt er das Haupt und blinzelt mit den halbgeschlossenen Augen, greift auch wohl träumend nach dem Schwert ... und nickt wieder ein, in den schweren Jahrtausendschlaf!
Nein, es ist nicht der Kaiser Rothbart, welcher Deutschland befreyen wird, wie das Volk glaubt, das deutsche Volk, das schlummersüchtige, träumende Volk, welches sich auch seinen Messias nur in der Gestalt eines alten Schläfers denken kann!
Da machen doch die Juden sich eine weit bessere Vorstellung von ihrem Messias, und vor vielen Jahren, als ich in Polen war und mit dem großen Rabbi Menasse ben Naphtali zu Krakau verkehrte, horchte ich immer mit freudig offenem Herzen, wenn er von dem Messias sprach ... Ich weiß nicht mehr in welchem Buche des Talmuds die Details zu lesen sind, die mir der große Rabbi ganz treu mittheilte, und überhaupt hnur in den Grundzügen schwebt mir seine Beschreibung des Messias noch im Gedächtnisse. Der Messias, sagte er mir, sey an dem Tage geboren wo Jerusalem durch den Bösewicht, Titus Vespasian, zerstört worden, und seitdem wohne er im schönsten Palaste des Himmels, umgeben von Glanz und Freude, auch eine Krone auf dem Haupte tragend, ganz wie ein König ... aber seine Hände seyen gefesselt mit goldenen Ketten!
Was, frug ich verwundert, was bedeuten diese goldenen Ketten?
»Die sind nothwendig,« – erwiederte der große Rabbi, mit einem schlauen Blick und einem tiefen Seufzer – »ohne diese Fessel würde der Messias, wenn er manchmal die Geduld verliert, plötzlich herabeilen und zu frühe, zur unrechten Stunde, das Erlösungswerk unternehmen. Er ist eben keine ruhige Schlafmütze. Er ist ein schöner, sehr schlanker aber doch ungeheur kräftiger Mann; blühend wie die Jugend. Das Leben, das er führt, ist übrigens sehr einförmig. Den größten Theil des Morgens verbringt er mit den üblichen Gebeten oder lacht und scherzt mit seinen Dienern, welche verkleidete Engel sind und hübsch singen und die Flöte blasen. Dann läßt er sein langes Haupthaar kämmen und man salbt ihn mit Narden, und bekleidet ihn mit seinem fürstlichen Purpurgewande. Den ganzen Nachmittag studirt er die Cabala. Gegen Abend läßt er seinen alten Kanzler kommen, der ein verkleideter Engel ist, eben so wie die vier starken Staatsräthe, die ihn begleiten, verkleidete Engel sind. Aus einem großen Buche muß alsdann der Kanzler seinem Herren vorlesen was jeden Tag passirte ... Da kommen allerley Geschichten vor, worüber der Messias vergnügt lächelt, oder auch mißmüthig den Kopf schüttelt ... Wenn er aber hört, wie man unten sein Volk mißhandelt, dann geräth er in den furchtbarsten Zorn und heult daß die Himmel erzittern ... Die vier starken Staatsräthe müssen dann den Ergrimmten zurückhalten, daß er nicht herabeile auf die Erde, und sie würden ihn wahrlich nicht bewältigen, wären seine Hände nicht gefesselt mit den goldnen Ketten ... Man beschwichtigt ihn auch mit sanften Reden, daß jetzt die Zeit noch nicht gekommen sey, die rechte Rettungsstunde, und er sinkt am Ende aufs Lager und verhüllt sein Antlitz und weint ...«
So ungefähr berichtete mir Menasse ben Naphtali zu Krakau, seine Glaubwürdigkeit mit Hinweisung auf den Talmud verbürgend. Ich habe oft an seine Erzählungen denken müssen, besonders in den jüngsten Zeiten, nach der Juliusrevoluzion. Ja, in schlimmen Tagen, glaubt ich manchmal mit eignen Ohren ein Gerassel zu hören, wie von goldenen Ketten, und dann ein verzweifelndes Schluchzen ...
O verzage nicht, schöner Messias, der du nicht bloß Israel erlösen willst, wie die abergläubischen Juden sich einbilden, sondern die ganze leidende Menschheit! O, zerreißt nicht, ihr goldenen Ketten! O, haltet ihn noch einige Zeit gefesselt, daß er nicht zu frühe komme, der rettende König der Welt!“

Büste Kaiser Friedrich II., Castello di Barletta
hier gefunden

Da kommt man hin, wenn man mit dem Lesen erst anfängt. Eigentlich sollte es nämlich um S.M. Kaiser Friedrich II. gehen, er starb am 13. Dezember 1250, ein schreckliches Datum. Wenn die Sympathie mit der Römischen Kirche überhandnimmt, lese man in seinen Briefen (habe das die letzten Tage wieder ausgiebig getan), denn so man auf seine päpstlichen Widersacher schaut, da spielen der Hölle entstiegene Dämonen mit dem Heiligen.

Die Kyffhäuser-Legende verband sich ursprünglich mit ihm und wanderte erst später zu seinem Großvater, allein daran mag man ersehen, wie stark sein Tod in die Volksseele drang. Aber genug davon für heute.
nachgetragen am 14. Dezember

Donnerstag, 17. Februar 2011

Heine-Nachtrag


Robert Schumann, Liederkreis Op 24
hier gefunden

„Heine hat, um es in einem Wort zu sagen, im Gros seiner Gedichte eigentlich nichts zu sagen, aber das macht er sehr schön. Und da er viel zu gewitzt ist, um nicht zu ahnen, dass viele Leser das Spiel durchschauen, durchbricht er es gern mit einer ironischen Pointe.“ So schreibt der „Morgenländer“ ein wenig böse über Christian Johann Heinrich Heine, der am 17. Februar 1856 starb. Ich habe in der Tat ebenso meine Schwierigkeiten mit Herrn Heine, da man häufig nicht weiß, ob seine ironischen Brechungen irgendwann einfach nur zur Masche wurden, oder man doch nach einer tieferen Bedeutung suchen sollte. Das scheint viele nicht gestört zu haben, so sie es denn bemerkten, ich höre immer noch meine verstorbene Stiefgroßmutter hingebungsvoll „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ singen. Wie auch immer, das Leben ist oft nicht leicht und hinterläßt dann nicht selten seine Spuren in der Lyrik, seine sind zumindest eindeutig originell.

Ich muß zugeben, seine Vorrede zum Buch der Lieder hat mich berührt als ich sie wieder las: „Erste Gedichte! Sie müssen auf nachlässigen, verblichenen Blättern geschrieben sein, dazwischen, hie und da, müssen welke Blumen liegen, oder eine blonde Locke, oder ein verfärbtes Stückchen Band, und an mancher Stelle muß noch die Spur einer Träne sichtbar sein... Erste Gedichte aber, die gedruckt sind, grell schwarz gedruckt auf entsetzlich schwarzem Papier, diese haben ihren süßesten, jungfräulichsten Reiz verloren und erregen bei dem Verfasser einen schauerlichen Mißmut…

‚Die Heimkehr‘, welche zuerst in den Reisebildern erschien, ist der seligen Friederike Varnhagen von Ense gewidmet, und ich darf mich rühmen, der erste gewesen zu sein, der diese große Frau mit öffentlicher Huldigung verehrte. Es war eine große Tat von August Varnhagen, daß er, alles kleinliche Bedenken abweisend, jene Briefe veröffentlichte, worin sich Rahel mit ihrer ganzen Persönlichkeit offenbart. Dieses Buch kam zur rechten Zeit, wo es eben am besten wirken, stärken und trösten konnte. Das Buch kam trostbedürftig zur rechten Zeit. Es ist als ob die Rahel wußte, welche posthume Sendung ihr beschieden war. Sie glaubte freilich, es würde besser werden, und wartete; doch als des Wartens kein Ende nahm, schüttelte sie ungeduldig den Kopf, sah Varnhagen an, und starb schnell - um desto schneller auferstehen zu können…

Diese Zeit ist vorbei! Ich bin jetzt mehr erleuchtet als erhitzt. Solche kühle Erleuchtung kommt aber immer zu spät bei den Menschen. Ich sehe jetzt im klarsten Lichte die Steine, über welche ich gestolpert. Ich hätte ihnen so leicht ausweichen können, ohne darum einen unrechten Weg zu wandeln. Jetzt weiß ich auch, daß man in der Welt sich mit Allem befassen kann, wenn man nur die dazu nötigen Handschuhe anzieht. Und dann sollten wir nur das tun, was tunlich ist und wozu wir am meisten Geschick haben, im Leben wie in der Kunst. Ach! zu den unseligsten Mißgriffen des Menschen gehört, daß er den Wert der Geschenke, die ihm die Natur am bequemsten entgegen trägt, kindisch verkennt, und dagegen die Güter, die ihm am schwersten zugänglich sind, für die kostbarsten ansieht. Den Edelstein, der im Schoße der Erde festgewachsen, die Perle, die in den Untiefen des Meeres verborgen, hält der Mensch für die besten Schätze; er würde sie gering achten, wenn die Natur sie gleich Kieseln und Muscheln zu seinen Füßen legte. Gegen unsere Vorzüge sind wir gleichgültig; über unsere Gebrechen suchen wir uns so lange zu täuschen, bis wir sie endlich für Vortrefflichkeiten halten. Als ich einst, nach einem Konzerte von Paganini, diesem Meister mit leidenschaftlichen Lobsprüchen über sein Violinspiel entgegentrat, unterbrach er mich mit den Worten: Aber wie gefielen Ihnen heut meine Komplimente, meine Verbeugungen?


In einem Stücke von Raimund, dem wackeren Komiker, der sich unlängst aus Melancholie totgeschossen, erscheinen Jugend und Alter als allegorische Personen, und das Lied welches die Jugend singt, wenn sie von dem Helden Abschied nimmt, beginnt mit den erwähnten Versen…

O, Ihr Götter! ich bitte Euch nicht mir die Jugend zu lassen, aber laßt mir die Tugenden der Jugend, den uneigennützigen Groll, die uneigennützige Träne! Laßt mich nicht ein alter Polterer werden, der aus Neid die jüngeren Geister ankläfft, oder ein matter Jammermensch, der über die gute alte Zeit beständig flennt... Laßt mich ein Greis werden, der die Jugend liebt, und trotz der Alterschwäche noch immer Teil nimmt an ihren Spielen und Gefahren! Mag immerhin meine Stimme zittern und beben, wenn nur der Sinn meiner Worte unerschrocken und frisch bleibt!“

Geschrieben zu Paris im Frühjahr 1837.


Heinrich Heine

Ich wandelte unter den Bäumen
Mit meinem Gram allein;
Da kam das alte Träumen,
Und schlich mir in’s Herz hinein.

Wer hat Euch dies Wörtlein gelehret,
Ihr Vöglein in luftiger Höh?
Schweigt still, wenn mein Herz es höret,
Dann thut es noch einmal so weh.

„Es kam ein Jungfräulein gegangen,
Die sang es immerfort,
Da haben wir Vöglein gefangen
Das hübsche, goldne Wort.“

Das sollt Ihr mir nicht mehr erzählen,
Ihr Vöglein wunderschlau;
Ihr wollt meinen Kummer mir stehlen,
Ich aber niemanden trau’.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Über Kunst-Rosen &


Der letzte Sonntag war der „Letzte Sonntag nach Epiphanias“. Das heißt, damit ist der Weihnachtsfestkreis endgültig abgeschlossen. Ich erwähne das nur daher, weil meine Frau Mutter schon länger drängelte, nun müsse der Epiphanias-Stern aber doch auf den Boden. Und das letzte Argument für mich, es nicht zu tun, ist damit entfallen. Deshalb noch einmal ein Bild.

Dies ist ein wenig ein Verlegenheits-Post, da ich an verschiedenem Liegengebliebenen „herumkaue“. Und bevor noch jemand glaubt, ich sei dem Winterschlaf verfallen, und zumal ich soeben eine interessante Anregung beim Lesen eines Kommentars zum letzten Sonntag erhielt - ein paar häusliche Bilder, hauptsächlich von Kunstrosen und alten Photoalben (es gab eine kleine nostalgische Veranstaltung). Ich persönlich habe ein eher zwiespältiges Verhältnis zu Kunstblumen, jedenfalls im Sommer, zu dieser Jahreszeit verschaffen sie zumindest eine angenehme Erinnerung an die Erscheinung wirklicher Rosen. Und um die Imagination weiter zu befeuern, noch 2 Rosengedichte recht gegensätzlicher Art.


Friedrich Hölderlin


An eine Rose

Ewig trägt im Mutterschoße
Süße Königin der Flur!
Dich und mich die stille, große,
Allbelebende Natur;
Röschen! unser Schmuck veraltet,
Stürm' entblättern dich und mich,
Doch der ewge Keim entfaltet
Bald zu neuer Blüte sich!


Heinrich Heine

Die Rose duftet – doch ob sie empfindet
Das, was sie duftet, ob die Nachtigall
Selbst fühlt, was sich durch unsre Seele windet
Bei ihres Liedes süßem Widerhall; –

Ich weiß es nicht. Doch macht uns gar verdrießlich
Die Wahrheit oft! Und Ros und Nachtigall,
Erlögen sie auch das Gefühl, ersprießlich
Wär solche Lüge, wie in manchem Fall –

Sonntag, 21. Februar 2010

Justinus Kerner, vertont


aus „Zwölf Gedichte von Justinus Kerner für Singstimme und Klavier“
op. 35 von Robert Schumann (1840)
hier gefunden

Stille Tränen

Du bist vom Schlaf erstanden
Und wandelst durch die Au‘,
Da liegt ob allen Landen
Der Himmel wunderblau.

Solang du ohne Sorgen
Geschlummert schmerzenlos,
Der Himmel bis zum Morgen
Viel Tränen niedergoß.

In stillen Nächten weinet
Oft mancher aus den Schmerz,
Und morgens dann ihr meinet,
Stets fröhlich sei sein Herz.

Ich muß gestehen, daß ich die Gedichte von Justinus Kerner, der am 21. Februar 1862 gestorben ist, gesungen noch am ehesten genießen kann, vor allem, wenn die Vertonung von Robert Schumann stammt. Man rechnet ihn zur „Schwäbischen Dichterschule“, über die sich Heinrich Heine in seinem Schwabenspiegel ziemlich böse lustig gemacht hat. Er urteilt dort mitunter ein wenig arg, aber immer unterhaltsam, man mag das hier weiter nachlesen. Kerner wird dabei von ihm mit diesen freundlichen Worten bedacht:

„Nach ihm kommt der Doktor Justinus Kerner, welcher Geister und vergiftete Blutwürste sieht und einmal dem Publikum aufs ernsthafteste erzählt hat, daß ein Paar Schuhe, ganz allein, ohne menschliche Hülfe, langsam durch das Zimmer gegangen sind, bis zum Bette der Seherin von Prevorst. Das fehlt noch, daß man seine Stiefel des Abends festbinden muß, damit sie einem nicht des Nachts trapp! trapp! vors Bett kommen und mit lederner Gespensterstimme die Gedichte des Herrn Justinus Kerner vordeklamieren! Letztere sind nicht ganz und gar schlecht, der Mann ist überhaupt nicht ohne Verdienst, und von ihm möchte ich dasselbe sagen, was Napoleon von Murat gesagt hat, nämlich: ‚Er ist ein großer Narr, aber der beste General der Kavallerie.‘ Ich sehe schon, wie sämtliche Insassen von Weinsberg über dieses Urteil den Kopf schütteln und mit Befremden mir entgegnen: ‚Unser teurer Landsmann, Herr Justinus, ist freilich ein großer Narr, aber keineswegs der beste General der Kavallerie!‘ Nun, wie ihr wollt, ich will euch gern einräumen, daß er kein vorzüglicher Kavalleriegeneral ist.“

Wie auch immer, dies ist zweifelsohne ein sehr schönes Lied, hier in einer anderen Interpretation, gesungen von Peter Schreier.

Dienstag, 8. September 2009

Über Heine



Eigentlich wollte ich heute noch etwas über Heinrich Heine (1797-1856) bringen, ehe ich zu einer literarischen Veranstaltung enteile, die ihm gewidmet ist, so reicht es "nur" dazu, erneut eine Übersetzung von Prof. Aue zu zitieren:

Heinrich Heine

Der Herbstwind

Der Herbstwind rüttelt die Bäume,
Die Nacht ist feucht und kalt;
Gehüllt im grauen Mantel,
Reite ich einsam im Wald.

Und wie ich reite, so reiten
Mir die Gedanken voraus;
Sie tragen mich leicht und luftig
Nach meiner Liebsten Haus.

Die Hunde bellen, die Diener
Erscheinen mit Kerzengeflirr;
Die Wendeltreppe stürm ich
Hinauf mit Sporengeklirr.

Im leuchtenden Teppichgemache,
Da ist es so duftig und warm,
Da harret meiner die Holde -
Ich fliege in ihren Arm.

Es säuselt der Wind in den Blättern,
Es spricht der Eichenbaum:
Was willst du, törichter Reiter,
Mit deinem törichten Traum?


Autumn Wind

The fall wind rattles the forest,
the night is so wet it will freeze;
wrapped in my somber top-coat
I'm riding forth through the trees.

And as I am riding, are riding
my thoughts well ahead of me;
they carry me, lightly and sprightly,
to the house where my love shall be.

The servants rush forth with their candles,
and barking are all the curs;
I storm up the winding staircase,
up, up, with my tinkling spurs.

How brightly lit is her chamber,
sweet scented, with rugs to rest;
and there is my true love waiting:
I'm flying onto her breast.

Now rustles the wind in the foliage,
now speaks the oak tree grim:
What do you, foolish rider,
want with your foolish dream?

Übersetzung / Translation
von / by Walter A. Aue




Und jetzt sind wir zurück und versucht zu sagen, das angenehmste an dem Abend war der Heimweg, nein das wäre undankbar und unnötig unfreundlich, die Unterhaltung danach war auch recht anregend.

Aber der Weg zurück war wunderbar, oft ist er bekanntlich ein größeres Versprechen, als das Ziel es je erfüllen könnte. Und es war ein Herbstweg entlang des Sees. Müßig zu fragen, ob wir jetzt bereits Herbst haben, denn es gibt gewisse Anzeichen: Die Luft riecht unverhofft rauchig, die Geräusche haben am Abend etwas hohl Widerhallendes und die Wärme, so intensiv sie sein mag, bekommt ein kühles Unterfutter. Es war heute Abend wunderbar warm.

Als ich am See stand, sah ich ein paar Lichter und hörte entfernt den Lärm von jungen Leuten, die offenkundig ein Nachtbaden veranstalteten. Und einmal, als vor dem Mondlicht, das sich im See spiegelte, die grau-weißen Schilfenden vom Wind zu heftig bewegt wurden, dachte ich kurz, ein Gespenst würde aus dem Wasser auftauchen, ich habe mich rechtschaffen erschrocken.

Noch einmal zu Heine, oft ist es ja so, daß es für einen Gegenstand besser wäre, jemand würde ihn nicht mit seinem Interesse belasten, frei nach Nietzsche: „Im Lobe ist mehr Zudringlichkeit als im Tadel.“ Ehrlich gesagt, gilt dies genauso für mich, ich weiß von ihm viel zu wenig, da ich ihn nicht oft genug gelesen habe, denn ich bin mit ihm nie richtig warm geworden, woran immer das liegen mag. Aber, auch wenn das eigentlich den Rahmen sprengt, die interessantesten Gedichte des heutigen Abends kommentarlos zu präsentieren, das ist vielleicht angemessen und billig.

Auf den Bildern ist übrigens erneut eine der Nachbarskatzen zu sehen, ich weiß nicht, warum sie lieber hier, jedenfalls länger sind als nebenan, wahrscheinlich, weil es soviel Vögel zu jagen gibt. Und jetzt Herr Heine aus seiner Spätzeit, als sein Humor ein wenig, sagen wir, durchdringend geworden war und er sich etwas mit der Idee des Glaubens anfreundete. Und so Gott will und wir leben, werde ich morgen wieder etwas zu C. D. Friedrich schreiben.

Zum Lazarus
1

Laß die heilgen Parabolen,

Laß die frommen Hypothesen -
Suche die verdammten Fragen
Ohne Umschweif uns zu lösen.

Warum schleppt sich blutend, elend,
Unter Kreuzlast der Gerechte,
Während glücklich als ein Sieger
Trabt auf hohem Roß der Schlechte?

Woran liegt die Schuld? Ist etwa
Unser Herr nicht ganz allmächtig?
Oder treibt er selbst den Unfug?
Ach, das wäre niederträchtig.

Also fragen wir beständig,
Bis man uns mit einer Handvoll
Erde endlich stopft die Mäuler -
Aber ist das eine Antwort?

Zum Lazarus
3

Wie langsam kriechet sie dahin,
Die Zeit, die schauderhafte Schnecke!
Ich aber, ganz bewegungslos
Blieb ich hier auf demselben Flecke.

In meine dunkle Zelle dringt
Kein Sonnenstrahl, kein Hoffnungsschimmer,
Ich weiß, nur mit der Kirchhofsgruft
Vertausch ich dies fatale Zimmer.

Vielleicht bin ich gestorben längst;
Es sind vielleicht nur Spukgestalten
Die Phantasien, die des Nachts
Im Hirn den bunten Umzug halten.

Es mögen wohl Gespenster sein,
Altheidnisch göttlichen Gelichters;
Sie wählen gern zum Tummelplatz
Den Schädel eines toten Dichters. -

Die schaurig süßen Orgia,
Das nächtlich tolle Geistertreiben,
Sucht des Poeten Leichenhand
Manchmal am Morgen aufzuschreiben.

Lazarus
VII. Unvollkommenheit

Nichts ist vollkommen hier auf dieser Welt.
Der Rose ist der Stachel beigesellt;
Ich glaube gar, die lieben holden Engel
Im Himmel droben sind nicht ohne Mängel.

Der Tulpe fehlt der Duft. Es heißt am Rhein:
Auch Ehrlich stahl einmal ein Ferkelschwein.
Hätte Lucretia sich nicht erstochen,
Sie wär vielleicht gekommen in die Wochen.

Häßliche Füße hat der stolze Pfau.
Uns kann die amüsant geistreichste Frau
Manchmal langweilen wie die Henriade
Voltaires, sogar wie Klopstocks Messiade.

Die bravste, klügste Kuh kein Spanisch weiß,
Wie Maßmann kein Latein - Der Marmorsteiß
Der Venus von Canova ist zu glatte,
Wie Maßmanns Nase viel zu ärschig platte.

Im süßen Lied ist oft ein saurer Reim,
Wie Bienenstachel steckt im Honigseim.
Am Fuß verwundbar war der Sohn der Thetis,
Und Alexander Dumas ist ein Metis.

Der strahlenreinste Stern am Himmelzelt
Wenn er den Schnupfen kriegt, herunterfällt.
Der beste Äpfelwein schmeckt nach der Tonne,
Und schwarze Flecken sieht man in der Sonne.

Du bist, verehrte Frau, du selbst sogar
Nicht fehlerfrei, nicht aller Mängel bar.
Du schaust mich an - du fragst mich, was dir fehle?
Ein Busen, und im Busen eine Seele.

Die Wanderratten

Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.

Sie wandern viel tausend Meilen,
Ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.

Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl durch die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick,
Die lebenden lassen die toten zurück.

Es haben diese Käuze
Gar fürchterliche Schnäuze;
Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
Ganz radikal, ganz rattenkahl.

Die radikale Rotte
Weiß nichts von einem Gotte.
Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut.

Der sinnliche Rattenhaufen,
Er will nur fressen und saufen,
Er denkt nicht, während er säuft und frißt,
Daß unsre Seele unsterblich ist.

So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs neue zu teilen die Welt.

Die Wanderratten, o wehe!
Sie sind schon in der Nähe.
Sie rücken heran, ich höre schon
Ihr Pfeifen - die Zahl ist Legion.

O wehe! wir sind verloren,
Sie sind schon vor den Toren!
Der Bürgermeister und Senat,
Sie schütteln die Köpfe, und keiner weiß Rat.

Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
Die Glocken läuten die Pfaffen.
Gefährdet ist das Palladium
Des sittlichen Staats, das Eigentum.

Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
Nicht hochwohlweise Senatsdekrete,
Auch nicht Kanonen, viel Hundertpfünder,
Sie helfen Euch heute, Ihr lieben Kinder!

Heut helfen Euch nicht die Wortgespinste
Der abgelebten Redekünste.
Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
Sie springen über die feinsten Sophismen.

Im hungrigen Magen Eingang finden
Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
Nur Argumente von Rinderbraten,
Begleitet mit Göttinger Wurst-Zitaten.

Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
Behaget den radikalen Rotten
Viel besser als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero.