Hermann Hesse
Wir leben hin...
Wir leben hin in Form und Schein
Und ahnen nur in Leidestagen
Das ewig wandellose Sein,
Von dem uns dunkle Träume sagen.
Wir freuen uns an Trug und Schaum,
Wir gleichen führerlosen Blinden,
Wir suchen bang in Zeit und Raum,
Was nur im Ewigen zu finden.
Erlösung hoffen wir und Heil
In wesenlosen Traumesgaben -
Da wir doch Götter sind und teil
Am Urbeginn der Schöpfung haben.
We live as form...
We live as form, from truth estranged -
surmising (when the pains assail us)
eternal realm that never changed,
of which dark dreams at night do tell us.
We like illusion's false embrace,
we're blind and leaderless and lonely -
and search in fear through time and place
for what's of the eternal only.
Salvation we expect and grace
from dreams that cannot go the distance -
We, who are Gods, and in whose space
creation first became existence.
„But poems are not life as it is; poems are life as it could and perhaps even should be.“ Dies schreibt Prof. Aue in seinen Kommentaren zu Hesse. Nicht so selten verweise ich Menschen, die ich zu schätzen und zu mögen gelernt habe und denen unglücklicherweise Englisch als Muttersprache zufiel, auf seine Seite, die des Herrn Prof. Aue. Und wo dies gestern wieder geschah, durchzuckte es mich förmlich, als mir dabei aufging, wie lange ich nichts von ihm hier gebracht habe.
Ich gestehe, mein Zeitempfinden dehnt sich mitunter und schnurrt dann wieder zusammen und ist mit der realen Zeit nur mühsam in Einklang zu bringen. Und ich will mich damit gar nicht auf Hesse herausreden, der irgendwo schreibt: „Diese schäbige, stets enttäuschende oder öde Wirklichkeit ist auf keine andre Weise zu ändern, als indem wir sie leugnen, indem wir zeigen, daß wir stärker sind als sie.“ Übrigens habe ich, als ich mein obiges Motto - „Gelegentlich ist die Wirklichkeit doch zu wenig respektabel, als daß wir sie ernsthaft in Erwägung ziehen könnten“ - schrieb, diesen Satz noch gar nicht gekannt. Merkwürdig.
Nein, jeder Entschuldigungsversuch wäre einfach nur peinlich. Also versuchen wir, diese Pein mannhaft zu ertragen.
Wo ich in dem Beitrag, der diesem vorangeht, so ausführlich theologisch sein mußte, habe ich eben ein wenig darüber nachgedacht, wie am Ende die schwierige Beziehung Hesses zum Christentum wohl ausgegangen ist. Nun er starb mit den „Bekenntnissen“ des Augustinus in der Hand, vielleicht war er gewissermaßen in einer Spiralbewegung dabei, sich seinem Ursprung zu nähern?
Nun zu diesem Thema sollten wir besser mit wacherem Geist noch einmal zurückkehren. Und auch zu dem des Unterschieds von westlichem und östlichen Geist (das Herr Prof. Aue in seinem Kommentar ebenfalls aufwirft), ob man Pein und Drangsal des menschlichen Lebens in eine ozeanische Leere ausströmen lassen will oder ob sie uns nicht Anlaß für ein gesteigertes Dasein werden sollen, das von der Unendlichkeit umfangen und aufgehoben, aber nicht ausgelöscht, sondern bestätigt wird. Das nennt man dann wohl Auferstehung. Aber für heute Nacht ist es genug, nein, Lenau, der muß noch:
Lenau
O Menschenherz, was ist dein Glück?
Ein rätselhaft geborner,
Und, kaum gegrüßt, verlorner,
Unwiederholter Augenblick!
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