Mittwoch, 11. April 2012

Auguste Viktoria


Auguste Viktoria, die letzte Deutsche Kaiserin, starb am 11. April 1921. Ihre Kinderfrau, die alte Frau Kruschwitz hat sie im Traum einmal, als sie noch die kleine Tochter eines verjagten holsteinischen Herzogs und erfolglosen Prätendenten auf den dänischen Thron im „Exil“ war und in einem bescheidenen schlesischen Ort lebte, auf einem goldenen Thron gesehen. Die Antwort war ein lachendes: „Ja, als Königin von Primkenau“, so hieß der Ort.

Merkwürdigerweise pflegten die „Holsteins“ und die „Hohenzollern“ gesellschaftlichen Umgang, obwohl der Herzog allen Grund gehabt hätte, sich verbittert zurückzuziehen. Der Kronprinz und spätere Kaiser Wilhelm II. verliebte sich offenbar irgendwann eher plötzlich, wie es seine Art war, und gegen mancherlei Widerstände wurde sie seine Gattin.

Sie erschien nicht unbedingt als Frau von intellektueller Überspanntheit, wie sie es sich selbst eingestand:
„Ich weiß gar nicht, was ich mit den Menschen, die zu der eleganten Welt gehören, reden soll, ich finde niemals das rechte Wort.“ So Eulenburg in seinen Erinnerungen.

Es gibt bösartigere Bemerkungen (Daisy von Pless), Dona (ihr Spitzname) sei „ganz wie eine gute, stille sanfte Kuh, die kalbt, langsam Gras frißt und widerkäut.“

Wir springen ein paar Jahre weiter und sehen sie als Kaiserin. Sie hatte im Gegensatz zu ihren beiden Vorgängerinnen keine hochgespannten politischen Ambitionen und war dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ungemein populär. Warum? Eine liebevolle Mutter, charakterfest, couragiert und zutiefst integer, hat sich nach ihren Kräften und Möglichkeiten um die bemüht, die in Armut und Not waren. Selbst persönlich, indem sie solche Familien im Geheimen besuchte. Als dies bekannt wurde, warf man ihr ein zu glanzvolles Äußeres dabei vor. Das hat die, denen geholfen wurde, offenbar nicht gestört. Denn diese durften das Gefühl kennenlernen, daß an der Spitze des Reiches keine gefühllosen und hohlen Gestalten standen.

Sie hatte ein deutliches Empfinden für die immer stärker werdende religiöse Not, gerade in einer Großstadt wie Berlin und sorgte etwa dafür, daß über 60 neue Kirchen dort gebaut wurden, darunter die nicht ganz unbekannte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Den Untergang der Monarchie konnte sie nicht verwinden. Als sie am 19. April 1921 in Potsdam beigesetzt wurde, säumten geschätzte 200 000 Menschen ihren Weg.

Antikentempel, Photo: Paul Odörfer

Es gibt ein dünnes Band eigener Erinnerung, das ihre Wertschätzung bezeugt. Meine Stief-Großmutter hat mir als Kind in lebhaften Farben geschildert, wie böse Menschen den guten Kaiser aus dem Land getrieben hätten, eben solche, wie sie auch jetzt regieren würden (man denke sich das Ganze in den späten 60er und frühen 70er Jahren), und seitdem wäre alles immer schlimmer geworden. Aber als die Kaiserin, eine herzensgute Frau, der darüber das Herz gebrochen sei, gestorben war, da habe der Kaiser sie nicht besuchen dürfen und hätte von einem Flugzeug über Berlin einen großen Kranz mit roten Rosen abwerfen lassen.

Am 22. Oktober 2008 wurde im Antikentempel im Park von Sanssouci, wo sie begraben ist, ihres 150. Geburtstags gedacht. Der hier bekannte Herr Roloff hat damals dazu die Andacht gehalten, offenbar habe ich seinerzeit seine Beiträge hier noch nicht veröffentlicht, das wäre dann wohl besser nachzuholen.

Standarte der Deutschen Kaiserin

nachgetragen am 15. April


Herr Roloff hat erfreulicherweise in seinem Archiv den Text der oben erwähnten Andacht auffinden können, so daß ich ihn, wie in Aussicht gestellt, nahezu in Gänze nachfolgend anbringen will.

Liturgie am 22.10.2008,
zur Feier der 150. Wiederkehr des Tages der Geburt
IM der Kaiserin und Königin Auguste Viktoria.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Der Herr sei mit euch.

Im Matthäusevangelium lesen wir für diesen Tag: Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; Mt 12,35

Wir hören und beten den 122. Psalm:

Ich freue mich über die, die mir sagten: Lasset uns ziehen zum Haus des Herrn!
Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem.
Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll,
wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme des Herrn, wie es geboten ist dem Volke Israel, zu preisen den Namen des Herrn.
Denn dort stehen die Throne zu Gericht, die Throne des Hauses Davids.
Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohl gehen denen, die dich lieben!
Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen!
Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen.
Um des Hauses des Herrn willen, unseres Gottes, will ich dein Bestes suchen.
Amen

Heute jährt sich zum 150. Mal der Tag der Geburt der letzten Kaiserin des Deutschen Reiches, der letzten Königin Preußens. Im Kirchenbuch von Dolzig steht:
„Den 22. Oktober, früh 7 ½ Uhr geboren:
Auguste Viktoria Luise Feodora Jenny,
eheliches Mädchen. Vater: Seine Durchlaucht Herr Friedrich Christian August, Erbprinz“
Den 30. November getauft.

In dieser Taufe wurde auch ein erstes Band zu der Familie geknüpft, deren Namen und Würden sie dereinst tragen sollte, denn der Prinzregent Wilhelm und sein Sohn Prinz Friedrich Wilhelm und ihre Gemahlinnen waren Taufpaten der kleinen Prinzessin.

Mehr noch aber ist ihre Taufe der eigentliche Grund für diese kleine Versammlung, denn die Kirche erinnert an ihre Toten weil sie leben und nicht damit sie leben. Wir erinnern nicht an Menschen, damit ein wenig von ihnen in unserem Gedächtnis bleibt, sondern wir stellen uns hinein in eine wirkliche Gemeinschaft mit ihnen. Äußere Verhältnisse mögen da sein wie sie wollen.

Welche Rolle spielt es da beispielsweise heute noch, dass die ehrwürdigen und gut begründeten Ansprüche der Familie, aus der Auguste Viktoria hervorging, ein Opfer der Machtkonstellationen des 19. Jahrhunderts wurden? Selbst die endliche Versöhnung zwischen den Häusern Preußen und Augustenburg durch die Hochzeit des Prinzen Wilhelm mit ihr, 1881, wer erinnert sich noch daran?

An der Seite ihres Gemahls wurde sie 1888 Kaiserin. Sie stand nun an der Spitze zahlloser karitativer Werke und Vereine. Dank ihrer Initiative entstand der Evangelische Kirchbauverein, durch den eine geradezu unglaubliche Zahl von Kirchen errichte wurde, die immer auch gleichsam der Königin ein Denkmal setzten, aber natürlich allein der Ehre Gottes dienten.

1899 dann begründet sie das noch heute bestehende Auguste Viktoria Stift in Jerusalem und erwies sich darin als wirkliche Kaiserin, als Patronin der Christen in aller Welt.

1913 wurde das Kaiserpaar auf den Gipfelpunkt seiner Beliebtheit und auf eine Höhe des Glanzes geführt, die für Menschen nur möglich ist. Man feierte unter der Anteilnahme ganz Europas die Vermählung der einzigen Tochter unter den sieben Kindern und das Silberne Regierungsjubiläum. Es sollte nur noch Monate dauern, bis sich das Grauen des Krieges erhob und die bis dahin gekannte Welt in den Abgrund riss.

In ihrer Konfirmation war Auguste Viktoria unter das Wort gestellt worden: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.

Sie hielt dem gemäß in dieser gewaltigen Prüfung aus und teilte am Ende mit ihrem Gemahl auch die Verbannung, nachdem sie in den Tagen des Umsturzes königliche Haltung gewahrt hatte.

In Amerongen und später in Doorn lebte sie mit gebrochenem Herzen und glaubte wohl lange noch, nur mit dem Unglück, das sie und die ihren und das ganze Reich heimgesucht hatte, zu ringen, als sie doch schon längst mit dem Tode rang.

Wenn der Erzherzog Franz Ferdinand d´ Este das erste Opfer des Weltkrieges war, dann wurde sie, die Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen, Auguste Viktoria, sein letztes.

Auguste Viktoria starb am 11. April 1921, einem Montag, kurz vor 6 Uhr früh.

Der Trauerzug, der sie zurück nach Hause, hierher nach Potsdam, brachte, war ein gewaltiges Ereignis an dem Hunderttausende Menschen teilnahmen. Es drückte sich darin wohl aber weniger die Hoffnung danach aus, dass alles wieder so würde, wie es einmal war, sondern vielmehr wurde der Wunsch nach Versöhnung und Frieden sichtbar. Amen

Wir wollen beten:

Allmächtiger Gott,
Du hast uns mit der verewigten Kaiserin eine Frau vor Augen gestellt, die uns mit ihrer Liebe zu dir ein Beispiel gegeben hat, von dem wir erzählen sollen, durch das wir ermutigt werden, in dem wir Hoffnung finden.

Ewiger Gott,
in dir findet unsere Zeit ihr Maß und ihr Ziel. Auf dich trauen wir und bitten für den Prinzen von Preußen und die ganze königliche Familie. Sie ist wie jede Familie, wie dein ganzes Volk, eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten, als solche mögen sie unserem Lande dienen und voller Freude dich bekennen, in dem wir ewiges Leben haben.

Großer Gott,
hilf uns, dass wir in der Geschichte nicht eigenen Ruhm suchen, sondern dein Wirken erblicken. Schenke deinem Volk Einheit und Frieden und gib, dass wir untereinander gesinnt seien, wie Jesus Christus auch war: Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. In seinem Namen sollen sich alle derer Knie beugen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind und alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist.

Mit ihm und in Gemeinschaft der ganzen Kirche wollen wir beten:
Vater unser...

Sendung und Segen

2 Kommentare:

Irmgard Butterbrod hat gesagt…

Dass Auguste Viktoria nicht verwinden konnte, ihr geliebtes Potsdam verlassen zu
müssen und das im fortgeschrittenen Alter, kann ich gut verstehen.
"Einen alten Baum verpflanzt man nicht", wie wahr! Hinzu kam der Tod ihres jüngsten
Sohnes Joachim, das war einfach zu viel für diese herzensgute Frau.

MartininBroda hat gesagt…

Schön, daß Sie mich zu diesem Text zurückgeführt und damit an die Kaiserin erinnert haben. Die Umstände des Todes ihres Sohnes Joachim waren zweifelsohne zusätzlich niederdrückend, auch angesichts dessen, wie sehr sie im Untergang Haltung zu behaupten suchte und doch gleichzeitig ein fürsorglicher und mitfühlender Mensch blieb.
Ich habe alles noch einmal sorgfältig gelesen, und es bleibt ja wahr, man hat ihr gern Schlichtheit vorgehalten und dabei ihre Charakterstärke übersehen; wie Sie zu recht geschrieben haben eine „herzensgute Frau“!