Freitag, 19. Juli 2019

Luisens gedenken

Königin Luise von Preußen, 
Gemälde von Josef Maria Grassi, 1802, hier gefunden

Wer sich einmal das Vergnügen bereitet hat, in den Briefen der Königin Luise zu lesen, weiß, wie viel lebensvoll Unterhaltames, charmant Selbstironisches, Verspieltes wie Geistreiches sich darin findet.

Für ihren Todestag wäre das aber wohl unpassend. Ich habe daher zwei Stücke herausgesucht, die einen gänzlich anderen Ton anschlagen. In dem ersten Brief, an ihren Vater, hält sie sich in Königsberg auf, noch immer auf der Flucht vor Napoleon, in völliger Ungewißheit über die unmittelbare Zukunft, dabei aber eine eine unglaubliche Seelenstärke beweisend.

Der zweite Brief klingt zunächst weniger schwermütig. Doch wenn man weiß, daß es der letze an ihre Schwester Therese sein wird, erscheint er wie ein geahntes Vermächtnis. Zu beiden wird es am Ende ein paar Anmerkungen geben, ob sie nun nötig seien oder nicht.

Friedrich Georg Weitsch: Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise
im Park von Schloß Charlottenburg, 1799, hier gefunden

Aus 2 Briefen der Königin Luise von Preußen

Luisens „politisches Glaubensbekenntnis“ in einem Brief an ihren Vater vom April 1808 aus Königsberg

„Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Für mein Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe, wenn auch nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig glückselig. Es wird mir immer klarer, dass Alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein und es soll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat, und in sich selbst als abgestorben zusammen stürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeern Friedrich des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. Das siehet Niemand klarer ein, als der König. Noch eben hatte ich mit Ihm darüber eine lange Unterredung und er sagte in sich gekehrt wiederholentlich: das muß auch bei uns anders werden.“

"Von ihm [dem Feind] können wir Vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben.

Gewiß wird es besser werden; das verbürgt der Glaube an das vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten. Deßhalb glaube ich auch nicht, daß der Kaiser Napoleon Bonaparte fest und sicher auf seinem, jetzt freilich glänzenden Thron ist. Fest und ruhig ist nur allein Wahrheit und Gerchtigkeit, und er ist nur politisch, das heißt klug, und er richtet sich nicht nach ewigen Gesetzen, sondern nach Umständen, wie sie nun eben sind. Damit befleckt er seine Regierung mit vielen Ungerechtigkeiten. Er meint es nicht redlich mit der guten Sache und mit den Menschen. Er und sein ungemessener Ehrgeiz meint nur sich selbst und sein persönliches Interesse. Man muß ihn mehr bewundern, als man ihn lieben kann. Er ist von seinem Glück geblendet und er meint Alles zu vermögen. Dabei ist er ohne alle Mäßigung, und wer nicht Maß halten kann, verliert das Gleichgewicht und fällt.

Königin Luise und Napoleon in Tilsit, 
Denkmalentwurf von Gustav Eberlein, 1899, hier gefunden

Ich glaube fest an Gott, also auch an sittliche Weltordnung. Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht; deßhalb bin ich in der Hoffnung, daß auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird. Diese hoffen, wünschen und erwarten alle besseren Menschen, und durch die Lobredner der jetzigen und ihres großen Helden darf man sich nicht irre machen lassen.

Ganz unverkennbar ist Alles, was geschehen ist und was geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sonderfn nur die Bahnung des Weges zu einem bessern Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen, und darüber hinsterben. Wie Gott will; Alles, wie Er will. Aber ich finde Trost, Kraft und Muth und Heiterkeit in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch alles in der Welt nur Übergang! Wir müssen durch.

Sorgen wir nur dafür, daß wir mit jeden Tage reifer und besser werden. - Hier, lieber Vater! haben Sie mein politisches Glaubensbekenntnis, so gut ich, als eine Frau, es formen und zusammensetzen kann. Mag es seine Lücken haben, ich befinde mich wohl dabei."

Gedenktafel in Memel an den Aufenthalt
von Königin Luise und ihres Ehemanns Friedrich Wilhelm III., 
1807 - 1808 während der Flucht vor Napoleon, hier gefunden

Luise an ihre Schwester Therese, Fürstin von Thurn und Taxis, Potsdam 8. Juni 1810

"Meine Seele ist grau geworden durch Erfahrungen und Menschenkenntnis,  aber mein Herz ist noch jung. Ich liebe die Menschen, ich hoffe so gern und habe allen, ich sage, allen meinen Feinden verziehen. Die Menschen sind dennoch recht schlecht, und es sitzt hier ein Nest Menschen, die so arg und ärger sind als die Kienraupe; diese fressen die Wurzel des Baumes ab, so daß er sterben muß, und jene nagen an jedem guten Namen, bis der Mensch für Herzenskränkung stirbt. Hardenberg ist wieder unser, durch und mit Napoleons Bewilligung. Es ist ein Engel in der Not."

"Gern hätte ich der Heilquelle, die mir das Leben wieder gab und stärkte, eine Träne der Dankbarkeit gebracht. Tränen der Freude kann ich ihr nicht weinen, aber der Dankbarkeit, wie gesagt, mit aufrichtigem Herzen. Ich habe gelebt und gelitten, das ist wahr, es mußte aber so kommen, um mich zu läutern und festzustellen, im Glauben und Demut vor Gott, die die wahre Erkenntnis ist. In diesen wenigen Zeilen hast Du mein ganzes Bild, und wenn du mir folgst, so wirst du immer in allen meinen Handlungen diese Grundlinien meines Seins wiedererkennen."

Porträt der Königin Luise von Preußen, 
Biskuitporzellan auf blauem Grund im Goldrähmchen, 
Königliche Porzellan-Manufaktur, Berlin um 1810, hier gefunden

Anmerkungen zum Brief an ihren Vater:

Die  Authentizität des Briefes ist bezweifelt worden. Dagegen zunächst ein allgemeinerer Gedanke: Nicht daß ich die Königin mit unserem Herrn und Heiland oder gar der allerseligsten Jungfrau vergleichen will, aber die Methode kommt einem doch bekannt vor. Solch originelle Gedanken könne Er unmöglich gehabt haben, das müßten spätere Gemeindebildungen sein, was, nebenbei gesagt, das Bemerkenswerte nach hinten verschiebt. Die späteren Redakteure sind also die eigentlichen Helden.

Es ist die gleiche merkwürdig umgekehrte, gewissermaßen rückwirkende Kausalität: Zuerst kommt die Person, die überraschend beeindruckt und unerwartete Folgen auslöst, und diese Folgen wiederum haben sich dann sozusagen ihren Ursprung herbeigeschrieben. Das ist die Art von Unsinn, der neuzeitlich über uns hereingebrochen ist.

Die Königin hat ihre Zeitgenossen tief beindruckt und vermutlich nicht nur durch ihre Aura und ihre Wallegewänder. Ihr bevorzugtes Mittel der Kommunikation war, neben dem persönlichen Gespräch, Briefe, viele davon.

Seelengröße, Widerstandskraft, Anteilnahme und Bestärkungswille zeichneten die Königin aus, um nur einige ihrer Tugenden zu nennen. Und all das sprcht sich in ihren Briefen aus.

In den schweren Zeiten der Napoleonischen Bedrückungen und seines unaufhaltsam scheinenden Erfolges richteten sich Menschen an ihr auf. Die ungebrochene Seelenkraft des Landes sprach aus ihr und gewann in ihr eine viele bezaubernde Gestalt. Wenn Menschen auch ihre eigenen Erwartungen  und Sehnsüchte in sie hineintrugen, was gäbe es Natürlicheres.

Nun konkreter. Der Brief, der nur in Auszügen oben wiedergegeben wurde, ist vom Potsdamer Hofprediger und Bischof Rulemann Friedrich Eylert wiedergegeben (in seinem umfänglichen Werk - „Charakterzüge und historischen Fragmente aus dem Leben des Königs von Preußen, Friedrich Wilhelms III.“) und bei Caroline von Berg. Welche sich als „aufrichtige Freundin“ der Königin bezeichnete, von der Friedrich Wilhelm III. in seinen eigenhändigen Aufzeichnungen allerdings meinte: „Es war eine gefährliche Frau in ihrem Gemisch von Enthusiasmus und hoher Poesie mit Trivialität“, die „manches Üble gestiftet“ habe. Caroline Friederike Gräfin von Berg war Hofdame und engste Vertraute der Königin, in ihren Armen verstarb Luise am 19. Juli 1810 in Hohenzieritz. Sie war ihre erste Biographin. Das ist an Nähe kaum zu überbieten.

Beiden kann man wohl vorhalten, daß sie das vorgefundene Material in gewisser Weise bearbeitet hätten (mit Glättungen etc.). Da nun eben das Original nicht vorliegt, kann man nur mutmaßen, inwieweit, aber für freie Erfindungen fehlt eben ebenso ein Beleg, wie auch immer. Im Kontext ihrer sonstigen, im Original überlieferten Briefe, spricht dafür eher nichts.

Anmerkung zum Brief an ihre Schwester Therese:

Es ist der letzte Brief an ihre Schwester, den diese erst nach ihrem Tode empfing. Die Fürstin von Thurn und Taxis hatte daran mitgewirkt, daß der Freiherr von Hardenberg schließlich zum „Staatskanzler“ berufen werden konnte.

Königin-Luise-Gedenkstätte, Schloß Hohenzieritz, 2014

2 Stimmen zur Königin

Der Tod der Königin löste in ganz Deutschland und natürlich sehr stark in Preußen eine ungemeine Betroffenheit aus. Eine Trauer, die überraschenderweise nicht zu lähmendem Verstummen führte, sondern sich in ungekanntem Maße dann auch vielfach aussprach.

Das wohl schönste Gedicht, das für Luise Auguste Wilhelmine Amalie, Herzogin zu Mecklenburg, spätere Königin von Preußen geschrieben wurde, stammt von Heinrich von Kleist, es ist zwar vor ihrem Tode entstanden, allerdings im Todesjahr:


An die Königin von Preußen

Zur Feier ihres Geburtstages den 10. März 1810

Erwäg ich, wie in jenen Schreckenstagen,
Still deine Brust verschlossen, was sie litt,
Wie Du das Unglück mit der Grazie Tritt
Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,

Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen
Selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,
Wie trotz der Wunde, die Dein Herz durchschnitt,
Du stets der Hoffnung Fahn‘ uns vorgetragen:

O Herrscherin, die Zeit dann möcht‘ ich segnen!
Wir sahn Dich Anmut endlos niederregnen -
Wie groß Du warst, das ahndeten wir nicht!

Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert;
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!


Eine andere poetische Erfindung gewissermaßen stammt von Schinkel. Dieser hatte noch 1810 den Entwurf eines Mausoleums für die Königin Luise vorgelegt, von dem er wußte, daß er nicht verwirklicht werden würde. Schließlich war durch Friedrich Wilhelm III. längst der Auftrag an Heinrich Gentz ergangen, ein solches zu erbauen. Schinkel hatte sogar am Entwurf mitgewirkt.

Anton von Werner, Wilhelm I. am Sarkophag 
seiner Mutter Königin Luise im Charlottenburger Mausoleum 
(am 19. Juli 1870), 1881, hier gefunden

Dennoch lieferte er diesen aufwendigen Entwurf mit drei großen aquarellierten Zeichnungen von Grundriß, Außenansicht des Eingangs und Innenraum und gab dazu Anmerkungen, die über das technische weit hinausgehen.

Folgen wir ein wenig seinen Beschreibungen. Er ging den entgegengesetzten Weg, den wir einschlagen wollen, und hatte zuvor den Innenraum beschrieben:

Entwurf für ein Mausoleum der Königin Louise, Außenansicht

„Vor dieser Halle ist eine Vorhalle, die von den dunkelsten Bäumen beschattet wird, man steigt Stufen hinan und tritt mit einem sanften Schauer in ihr Dunkel ein, blickt dann durch drei hohe Öffnungen in die liebliche Palmenhalle, wo in hellem morgenrothen Lichte die Ruhende, umringt von himmlischen Genien liegt."

Entwurf für ein Mausoleum der Königin Louise, Innenraum

"Ein mannigfach gewölbter Raum, dessen Bögen sich auf freistehenden Säulen zusammenziehen, so angeordnet, daß die Empfindung eines schönen Palmenhains erregt wird, umschließt das auf Stufen mit vielen sprossenden Blättern, Lilien- und Rosenkelchen sich erhebende Ruhelager. Die schöne Gestalt der Königin liegt mit der Krone auf dem Haupte hier in sanfter Ruhe.

Zwei himmlische Genien mit ausgebreiteten Flügeln und Palmenzweigen stehen auf sprossenden Lilien an der Seite des Hauptes, blicken hold auf dasselbe hinunter und streuen Blumen herab, ein anderer Genius an den Füßen, auf einem Blätterkelch knieend, schaut zum Himmel im Wonnegefühl der Anschauung ihres verklärten Geistes.

Das Licht fällt durch die Fenster von drei Nischen, die das Ruhelager von 3 Seiten umgeben; wodurch über die ganze Architektur, welche in weißem Marmor ausgeführt ist, ein sanft rothes Dämmerlicht verbreitet wird.“

Büste der schlafenden Königin Louise
von Christian Daniel Rauch, 1817, hier gefunden

Schinkel deutet die Aufgabe eines solchen Gedenkortes an. Zunächst:

"Die irdische Hülle der verewigten Königin soll der Nachwelt aufbewahrt werden, es wird ihr also ein Ort geweiht, der durch eine liebliche Feierlichkeit jeden, der ihn betritt, zu den Gefühlen erhebt, welche dem Andenken an das verehrte Leben entsprechen."

Aber dieser Ort sollte nicht nur gefühlsmäßig erheben, sondern:

"Man sollte sich in dieser Halle wohlbefinden, und jedem sollte sie zur Erbauung seines Gemüths offen stehen, – das wollte ich. Ein jeder sollte darin gestimmt werden, sich Bilder der Zukunft zu schaffen, durch welche sein Wesen erhöht, und er zum Streben nach Vollendung genöthigt werde."

Selbstprüfung, Zu-sich-selbst-Finden und Erhebung am Vorbild der Königin zu Bildern der Zukunft. Diese Aufgabe sah Schinkel beim Betrachten des Bildes der Königin.

Louise Élisabeth Vigée Le Brun
Luise von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen, 1802

nachgetragen am 24. Juli 

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