Bevor die erwartbare Hitze das letzte Stück Hirn lahmlegen wird, ein paar beiläufige Anmerkungen. Wie hält man sich eine immer unerträglicher werdende Gegenwart vom Leib? Ignorieren, in Nostalgie flüchten, distanzierend kommentieren, wie der hochgeschätzte Herr Klonowsky (durch dessen Lektüre man wenigstens spürt, man ist nicht der einzige Anti-Irre im Land, soviel Hochmut gestehe ich mir einfach zu)? Nein, diesmal wollen wir seinen Kompagnon, den Herrn Wendt loben, der war wie immer gründlich, und somit zu ermüdend lang, und er irrte an einer Stelle.
Sein Stück zu Beginn war erhellend, nicht angenehm, aber erhellend. Hier ist es.
Ins gegenwärtig Politische übersetzt, klingt das so:
„Und natürlich gibt es Schwankungen. Das ist vollkommen klar. An Tagen wie diesen, wo es grau ist, da haben wir natürlich viel weniger erneuerbare Energien. Deswegen haben wir Speicher. Deswegen fungiert das Netz als Speicher. Und das ist alles ausgerechnet. Ich habe irgendwie keine wirkliche Lust, mir gerade mit den politischen Akteuren, die das besser wissen, zu sagen, das kann nicht funktionieren.”
Es geht um die Spitzenkandidatin der Grünen und die Degeneration des west-deutschen Bürgertums, wenn man es denn noch so nennen will. Die führenden Politiker der Grünen stammten meist aus besseren Kreisen, ein großer Teil ihrer Wählerschaft auch. Vertreter dieses Milieus fänden sich auch noch in zwei anderen Bereichen überdurchschnittlich oft: in den Medien und in den NGOs.
Die Wirkung dieses Phänomens potenziere sich dadurch, daß sich hier der gleiche latent narzisstische Typus in einem Selbstbestätigungszirkel aus Partei, Fernsehstudio und Aktivistenorganisation unentwegt selbst begegne. In diesem Zirkel behandelten die wohlmeinenden Medien die Partei der Grünen insgesamt exakt wie die Eltern aus diesem Milieu ihre Kinder: Sie lobten, lobten und lobten nochmals. Sie bestaunten die Löcher in den Socken des Parteivorsitzenden, wuschelten ihm freundschaftlich durchs Haar, wenn er Unsinn über die Pendlerpauschale und die BaFin erzähle, sie unterbrächen die Kanzlerkandidatin nicht, wenn sie etwas über einen beinahe gewählten Faschisten in Thüringen und andere kontrafaktische Dinge erzähle, und vor allem gelte die stillschweigende Verabredung, jede Grundsatzkritik an der Partei als Ganzes zu vermeiden.
„Die Grünen ähneln folglich einem verzogenen Blag, das sich eigentlich alles erlauben kann, auch und gerade Dissonanzen, an denen Parteien weiter rechts zerbrechen würden.“
„Das Milieu der ewig gelobten Metaebenen-Bürgerkinder, die darauf vertrauen, dass die eigentliche Arbeit anderswo stattfindet, dieses Milieu bildet mehr oder weniger die harte Grünen-Wählerschaft in Deutschland.“
Ich denke, er irrt ein wenig, genauer: Er bestaunt zu sehr die Oberfläche. Die ambitionierte Mutter weiß, daß ihre Tochter nicht singen kann. Es ist ihr egal, schlimmer noch, sie kennt ihr Milieu (ihr juste milieu) nur zu gut, um nicht zu wissen, daß sich daraus ein properes Terrorinstrument basteln lasse. Egal für welche Rache, des Lebens wegen, der eigenen Unfähigkeit, der unerfüllbaren Allmachtsphantasien, wie auch immer.
Es ist auch einer gewissen Spitzenkandidatin völlig gleichgültig, ob sie mit Technik und Physik nur lose Bekanntschaft gemacht zu haben zeigt. Mit anderen Worten, das beschriebene Phänomen reicht tiefer hinab ins Bösere.
Eine zweite Beobachtung. Zuerst ein Zitat: „Das wichtigste Ziel wird sein, dass es keinen zweiten Trump oder Trump zum zweiten Mal nach Biden gibt. Deshalb eröffnet sich für Europa eine neuartige Aufgabe, nämlich sich aus eigenem Interesse massiv für den Ausgang der nächsten Präsidentschaftswahl zu engagieren.“
Der Hauptvorwurf der moralischeren Hälfte der Menschheit war, dem 45. Präsidenten der Ver.St.v. A. wäre durch Russian Collusion ins Amt verholfen worden. Hier ruft ein gewisser Herr Ischinger zur scheinbar ebenso gearteter Einmischung auf, ohne den Umstand überhaupt bemerkenswert zu finden. Doch merke: Quod licet Iovi, non licet bovi! Auffallend interessant.
Ein Drittes. Um die Gegenwart zu schützen, versucht man die Vergangenheit zu verbieten. Jeder, der zu einer deutschen Fahne ab 1867 trommelt, pfeift, Kerzen hält, überhaupt eine undemokratische Gesinnung zwischen den Zähnen zeigt, wird nun durch die Polizei angreifbar. So ein kürzlich beschlossener Mustererlaß. Hysterie pur oder machtangemalte Unsicherheit? Warum und wozu eigentlich?
Im Grunde ist das alles nicht sehr mitteilenswürdig. Aber. Es zeigt uns, wie wir in einem Zeitalter des Zerfalls der Vernunft leben. Was also tun? Das Andere gegen dessen angemaßte Sachwalter verteidigen, so absurd es anmutet, weil es eine notwendige Korrektur zum Eigenen bleibt. Sich der Gegenwart gewahr werden. Daß es in ihr gegenwärtig keine ertragbare Normalität mehr gibt. Sich auf sein inneres Kloster vorbereiten. Keine Furcht zulassen.
abgeschlossen am 17. Juni