Samstag, 29. April 2023
Samstag, 8. April 2023
Dem Karfreitag nachgetragen und aus den Türkenkriegen
Eine Geschichte aus Zeiten, als man sich noch zu wehren wußte, und vor allem wollte, und eine Vorstellung davon hatte, warum. Und noch wichtiger: Als nicht alles zerfallen war zwischen denen, die das Land, in das sie gemeinerweise hineingeboren worden sind, hassen, und denen, die, mühsam erwachend, nicht wissen, wie ihnen geschieht, und was sie mit all dem anfangen sollen.
Agnus Dei - Samuel Barber, von hier
Bach - Agnus Dei - H - moll - Messe, BWV 232, von hier
Bach - Agnus Dei - H - moll - Messe, BWV 232, Karl Richter, 1969
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, dona nobis pacem.
O Lamm Gottes, unschuldig
Unsere Geschichte handelt von einem geistlichen Lied, das in den Türkenkriegen eine überraschende Rolle gespielt hat. Es kommt vom Agnus – Dei – Hymnus her, von dem wir nicht nur die wunderbarsten Vertonungen besitzen, sondern eben auch deutsche Nachdichtungen. Und um eine solche handelt es sich im folgenden. Ich lasse nunmehr ausschließlich Herrn Paul Dorsch und sein deutsches evangelisches Kirchenlied in Geschichtsbildern zu Wort kommen.
"Die alte Kiche liebte besonders solche Lieder, welche ausschließlich Schriftgedanken und Bibelworte enthielten. So wurde denn auch das auf Joh. 1,29 gegründete 'Agnus Dei' schon im siebten Jahrhundert am Sonntagmorgen und bei der Abendmahlsfeier regelmäßig gesungen...
Der Gesang dieses Liedes, dessen heutige Textfassung... in einem Gesangbuch von 1531 erstmals erscheint, hat im Jahre 1717 einem von den Türken bereits gekreuzigten Christen das Leben gerettet.
Aus dem durch die Familie Harms später rühmlich bekannt gewordenen Dorfe Hermannsburg in Hannover war ein Herr von Staffhorst mit zwei Reitknechten in den Türkenkrieg gezogen. Beim Sturm auf Belgrad fiel er, wie kurz zuvor der eine Knecht. Der andere aber, Peter Paasch, geriet in der Hitze der Verfolgung mitten unter die fliehenden Feinde, an denen er den Tod seines Herrn hatte rächen wollen.
Er wurde von ihnen gefangengenommen. Aller Kleider beraubt und an den Schweif seines Pferdes, das jetzt ein Türke ritt, gebunden, mußte er barfuß mitspringen über Stock und Stein, bis am Abend ein Wald erreicht war, der den Türken eine gewisse Sicherheit zu bieten schien.
Hier wurde Paasch unter schrecklichen Drohungen aufgefordert, ein Kreuz, das sie schnell aus Baumzweigen zusammengefügt hatten, anzuspucken, und damit den Herrn Christus zu verleugnen. Er aber weigerte sich dessen und schlug seinerseits jeden, der dies tat, ins Gesicht.
Verlangten die Türken, daß er den Namen 'Mohammed' ausspreche, so sagte er: 'Jesus Christus'. Da schlugen sie ihn mit Peitschen und Stöcken, stachen ihn mit Messern und Dolchen, nagelten ihm zuletzt beide Hände über den Kopf an einen Baumstamm und zündeten zu seinen Füßen ein Feuer an, um ihn entweder zur Verleugnung zu zwingen oder dem Feuertode zu überantworten.
Er hatte im Kampfe mehrere aus dieser Türkenschar niedergehauen, daher kam der besondere Haß gegen ihn. Ruhig erwartete Paasch sein Ende. Er betet laut das Vaterunser, hernach begann er, da ein rechter Geist der Freudigkeit über ihn gekommen war, für seine Mörder zu beten und mit heller Stimme zu singen: 'O Lamm Gottes unschuldig, am Stamm ds Kreuzes geschlachtet.'
Kaum war er mit Vers 3 zu Ende gekommeen, da hörte man von draußen vor dem Walde Trompetengeschmetter, und deutsche Reiter stürmten heran. Zur Verfolgung ausgesandt, hatten sie den Gesang im Walde gehört und zueinander gesagt: ' Drauf! Das muß ein Christ sein!'. So kamen sie gerade noch rechtzeitig, um den treuen Paasch, der ohnmächtig und aus vielen Wunden blutend in ihre Arme fiel, vom Tode zu erretten. Prinz Eugen von Savoyen, der berühmte Feldherr, ließ den Verwundeten aufs beste verpflegen, besuchte ihn selbst mehrmals im Feldspital und freute sich über seinen kindlichen, einfältigen Glauben.
Aber mit dem Kriegsdienst war es nun doch nichts mehr bei Paasch. Dafür wurde ihm eine fröhliche Heimkehr zuteil nach seiner Wiederherstellung. Er starb 1727 auf seinem Paaschenhof, nachdem er eben noch zum letzenmal gesungen: 'O Lamm Gottes unschuldig."
aus Paul Dorsch: "Das deutsche evangelische Kirchenlied in Geschichtsbildern", 3. Aufl. Stuttgart 1940
Was mir nur noch in den Sinn kam: Gegen Irrsinn und Gewalt auch dieser Zeit kommt man am Ende mit Vernunft nicht an, sondern nur mit Glauben.
nachgetragen am 4. Mai