Michelangelo Merisi da Caravaggio, Der ungläubige Thomas, von hier
Predigt zum 4. Advent (Thomastag) 2025 in Rothensee
Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Sehnsucht nach der himmlischen Heimat
1Wir wissen aber, so unser irdisch Haus, diese Hütte, zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben, von Gott erbauet, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel. 2Und darüber sehnen wir uns auch nach unsrer Behausung, die vom Himmel ist, und uns verlangt, daß wir damit überkleidet werden; 3so doch, wo wir bekleidet und nicht bloß erfunden werden. 4Denn dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind beschwert; sintemal wir wollten lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben. 5Der uns aber dazu bereitet, das ist Gott, der uns das Pfand, den Geist, gegeben hat. 6So sind wir denn getrost allezeit und wissen, daß, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir ferne vom HERRN; 7denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. 8Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, außer dem Leibe zu wallen und daheim zu sein bei dem HERRN. 9Darum fleißigen wir uns auch, wir sind daheim oder wallen, daß wir ihm wohl gefallen. 10Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse.
2. Kor. 5.1 ff.
Liebe Gemeinde,
diese Verse sind der Predigttext zum Gedenktag des Apostel Thomas und sie sind doch zugleich ganz und gar adventlich.
Das mag daran liegen, dass der Thomastag immer im Advent liegt. Noch mehr aber steht es damit im Zusammenhang, dass das Leben des Jüngers gleichsam eine Illustration zu diesem Text ist.
Der 21. Dezember markiert die längste Nacht und den kürzesten Tag des Jahres. Es ist die Nacht, die den Zweifel gebiert, und es ist der Apostel Thomas, der im Kreise der Jünger der Zweifler genannt wird, und dessen Gedenken die Kirche am 21. Dezember begeht.
Thomas ist eine ganz auffällige und bedeutungsschwere Gestalt in der Gemeinschaft Jesu. Sein Name bedeutet Zwilling. Die Überlieferung sieht darin nur einen Beinahmen und setzt die Person gleich mit Judas, einem der Brüder Jesu. Manchmal wird er sogar als Zwillingsbruder Jesu angesehen. Die im Zwilling ausgedrückte Zweiheit kann aber auch auf die eigentlichen Urgründe des Zweifels hin gedeutet werden. Dort nämlich, wo eine ursprünglich vorhandene Einheit verloren geht, da beginnt der Mensch zu zweifeln. Der Zweifel gehört darum zum Menschen und zum Glauben.
Das Johannesevangelium bringt das in drei Szenen eindrucksvoll zum Ausdruck. Als Jesus aufbrechen will, um Lazarus, der gestorben war, wieder zu erwecken, sagt Thomas resigniert: „Lasst uns mitziehen, dass wir mit ihm sterben!“ Auch im Rahmen der Leidensankündigung Jesu erweist sich Thomas als der Zweifler, denn auf die Feststellung Jesu „Und wo ich hingehe, den Weg dorthin kennt ihr“, entgegnet Thomas: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst und wie sollen wir den Weg wissen?“ Damit gibt er Jesu Anlass zu der Offenbarung: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“
Berühmtheit aber erlangte die Geschichte vom achten Tag nach der Auferstehung des Herrn. Thomas war nämlich nicht bei den anderen Jüngern gewesen, als Jesu diesen erstmals erschien und bezweifelte ihre Erzählungen. „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich´s nicht glauben.“
Die Finsternis des Zweifels umhüllte Thomas. Das nächste Mal war Thomas dann bei den Jüngern, als Jesus kam, und dieser sprach zu ihm: „Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite und sei nicht ungläubig sondern gläubig!“ Thomas antwortete: „Mein Herr und mein Gott!“
Mit diesen Worten ist er der erste Apostel, der die Gottheit Jesu bekennt, woher sicher seine besondere Stellung im Jüngerkreis herrührt. Gregor der Große hat wohl auch darum formuliert: „Dieser Apostel habe durch seinen Unglauben unserem Glauben mehr genützt, als die übrigen Apostel durch ihren Glauben.“ Dass diese Einschätzung zutreffend ist, lässt sich sicher auch durch das dieser Szene unmittelbar folgende Wort des Auferstandenen zeigen, das sogar sprichwörtlich wurde: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“
Der Mensch soll gerade in der jeweiligen Finsternis seiner Zeit am Glauben der Väter festhalten und sich durch ihn führen und halten lassen, denn nur das Licht des Glaubens durchdringt am Ende alle Finsternis. Thomas hat gleichsam allen menschlichen Zweifel hineingetragen in den Kreis der Jünger, in die Nähe des Herrn und hat sie durch die Gemeinschaft mit ihm, dem Auferstandenen, im Glauben überwunden.
Nationalheiligtum der Basilika des Heiligen Thomas, von hier
Der Legende nach soll Thomas nach der Himmelfahrt des Herrn Richtung Osten gezogen sein und das Evangelium verkündet haben. Er gilt als Apostel Indiens. Auf dem Wege dahin sollen ihm übrigens die Heiligen Drei Könige begegnet sein. Er hat sie getauft und zu Bischöfen ernannt. In Indien war Thomas dann als Baumeister tätig, weshalb sein Attribut das Winkelmaß ist und er zum Patron der Architekten, Maurer, Bau- und Zimmerleute wurde.
Genau hier findet sich nun der Anknüpfungspunkt zu unserem Predigttext. Es wird erzählt, dass der Großkönig, Maharadscha, an dessen Hofe Thomas als Baumeister tätig war, ihn beauftragte, ihm einen neuen Palast zu errichten. Er gab ihm für den Bau wieder und wieder große Summen Geld, die Thomas allerdings an die Armen verteilte. Endlich aber wollte der König den Baufortschritt besichtigen und deckte den vermeintlichen Schwindel auf. Thomas musste ins Gefängnis und sollte hingerichtet werden. In der Nacht davor aber hatte der Maharadscha einen Traum. Der Allmächtige Gott wandelte mit ihm durch einen einzigartigen Palast voller Glanz und Herrlichkeit, wie er ihn niemals zuvor gesehen hatte. Der Großkönig fragte den Herrn, wer dieses Haus gebaut hat und Gott antwortete: Diesen Palast hat Thomas für dich errichtet durch seine Mildtätigkeit und durch die Werke seines guten Herzens.
Als der König wieder erwachte, da begnadigte er Thomas und belohnte ihn. Lasst uns in dieser Geschichte erkennen, dass wir wissen können, so unser irdisch Haus, diese Hütte, zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben, von Gott erbauet, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel. Und wir erkennen, dass wir alle offenbar werden müssen vor dem Richtstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse.
Vielleicht ist in diesem Bild auch viel von dem zu erkennen, was wir im Advent erwarten. Advent ist nämlich nicht nur die Vorbereitungszeit auf das Christfest. Uns, die wir Jesus als unseren Herrn und unseren Gott verehrten, ist es ein ewiger Advent, denn wir erwarten seine Wiederkunft und sprechen: Komm, denn du bist mein Herr und mein Gott!
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.
Amen
Thomas Roloff

