Samstag, 24. Dezember 2016
Freitag, 16. Dezember 2016
„Ich muß noch Hund“
Nein, das ist nicht das Aufheben des Schweigens hier, und ich winde mich auch ein wenig in mir selbst, nennen wir es einen kleinen Unfall, der sich in meine durchaus noch bestehenden Schreibpläne gemogelt hat:
Früher habe ich einmal das Feuilleton einer gewissen Zeitung gesammelt und bei jedem Umzug mitgeschleppt. Allein die Erinnerung daran kommt mir heute mehr als absurd vor. Ich lese im Gegensatz zu früher (mit spärlichen Ausnahmen) kaum noch vollständige Zeitungen. In fast allen findet sich der gleiche verwechselbare Sprach- und Meinungsbrei, und dieser Eindruck hat, denke ich, weniger mit mir und meiner Wahrnehmung zu tun. Denn als ich das zufälligerweise einmal dem honorigen ehemaligen Herausgeber einer ehemals konservativen Zeitung gestand und sein einverstehendes Leiden sah... Aber lassen wir derlei Eitelkeiten.
Immerhin kaufe ich noch jeden Sonnabend die „Welt“ wegen ihres Literaturteils und eines ab und an beiliegenden Kunstmagazins (zumindest ist beides anregend). Und wo ich eben diese Beilage weglegen will, falle ich über den Reiseteil ("Im Herzen des Waldes", von Philipp Laage) – und grusel mich.
„Die Lastwagen mit den Tropenhölzern riefen eine traurige Verstimmung hervor. Sie zeigten, dass selbst die entlegensten Orte der Welt und ihre unberührten Naturschätze nicht vor dem Zugriff des Profits geschützt sind.“
„Der Regenwald des Kongobeckens löste eine unerklärliche Anziehungskraft aus... Der tropische Primärwald Afrikas türmt sich auf wie mehrstöckige Häuser, immergrün und undurchdringlich, auf einer Fläche so groß wie Mitteleuropa, abgeschieden von allem, das uns das Gefühl gibt, in der Welt zu sein. Dieser Wald beflügelt die Fantasie: Liegt dort vielleicht der Schlüssel zu einem ontologischen Verständnis der Dinge verborgen, den wir einfach noch nicht gefunden haben? Buchstäblich klein ist man in diesem Wald, die Hybris des modernen Menschen wird dort gebrochen: durch Erschöpfung, durch den Biss einer Zecke, durch ein Fieber, das nicht mehr zurückgeht.“
Das war der Punkt, wo sich der Autor wirklich sprachlich aufgipfelte. Ansonsten war dieser Ausflug in den Dschungel Kameruns, um dort Waldelephanten zu gucken, wohl eher ein öder Mißerfolg. Jemand hatte geraucht!
Dieser Reiseblogger mag ein herzensguter und grundnetter junger Mensch sein, aber diese dünne Sprache! Diese Schrumpfform des Deutschen, durch dessen Schilderungen das eine oder andere abgenutzte Bild schwimmt.
„So verbrachten wir den Rest des Tages zusammen in dieser einsamen Bucht, bis das Licht zu schwinden begann.“
Oder andererseits eben:
„Da gab es die typischen draufen Teilzeitaussteiger, von denen manche so aussahen, als würden sie schon zu lange zu schlechte Drogen nehmen. Aber es gab eben auch – sagen wir mal rein fiktiv – Katharina, 25, die in Münster was mit Medien studierte.“
Das erinnerte mich merkwürdigerweise an eine Unterhaltung zweier junger Menschen, die ich an einem frühen Sonntagmorgen im Zug erleiden mußte. Sie ließen wohl einen Club-Besuch ausklingen, wirkten aber äußerlich beisammen. Bis sie den Mund aufmachten (ich war in nämlichen Zug, weil mein frommer Chor einen Auftritt haben würde, vorher gab es noch eine Probe, es war also wirklich früh, für einen Sonntag).
Ich habe keine Aussage verstanden, vielleicht einzelne Worte, aber Sätze? Nun ja Sätze, es gab keinen, der sich als Zitat hätte merken lassen. Jedenfalls kamen sie fast völlig ohne Verben aus, es war eine fremde Spezies, obwohl sie den Eindruck vermittelten, sich prächtig zu verstehen.
Nun will ich das nicht gleichsetzten, aber ich war gewissermaßen vorgewarnt. Es soll ruhig Schülerzeitungen geben und junge Menschen dürfen Tagebücher schreiben, vor denen sie sich Jahre später hoffentlich gruseln werden, wegen der ausgeleierten Metaphern, die man so neu und aufregend fand, weil man sie noch nicht länger kannte, und der ganze Seelenschmerz etc. Bei dem man sich altersmüde fragt, wo bitteschön war das Problem in dieser Oase der Sicherheit, die es so später nie wieder geben würde. Die gespreizte Bedeutsamkeit, die eine geahnte Gedankenarmut kaschieren soll.
All das hat es schon immer gegeben, aber auch in einer der größeren Zeitungen, früher? Vielleicht haben wir hier grandiose Anlagen vor uns, und persönlich ist dieser junge Mann auch ganz erwachsen, vor allem in praktischen Dingen, und unternehmungssicher, und was weiß ich noch, aber diese Sprache, aber man sehe selbst. Er hat wie gesagt auch noch einen Reiseblog, auf dem ich mich sogar länger aufgehalten habe (es konnte ja sein, er hatte einfach einen schlechten Tag oder die Grippe).
Aber im Grunde ist es wie bei den jungen Männern im Zug. Man stößt in diesem Fall auf ein durchschnittslinkes dürftiges Weltbild mit seinen gängigen Stereotypen, gewinnt einen Eindruck von der Mentalität eines Milieus, das sich für das selbstverständlichste der Welt hält und sich begeistert wechselseitig bestätigt, und ist dabei vor allem eines, gelangweilt.
Nun wäre das eigentlich ein Grund, diesen Beitrag gar nicht erst zu bringen, aber gut, man sehe selbst und unterhalte sich womöglich sogar dabei.
Früher habe ich einmal das Feuilleton einer gewissen Zeitung gesammelt und bei jedem Umzug mitgeschleppt. Allein die Erinnerung daran kommt mir heute mehr als absurd vor. Ich lese im Gegensatz zu früher (mit spärlichen Ausnahmen) kaum noch vollständige Zeitungen. In fast allen findet sich der gleiche verwechselbare Sprach- und Meinungsbrei, und dieser Eindruck hat, denke ich, weniger mit mir und meiner Wahrnehmung zu tun. Denn als ich das zufälligerweise einmal dem honorigen ehemaligen Herausgeber einer ehemals konservativen Zeitung gestand und sein einverstehendes Leiden sah... Aber lassen wir derlei Eitelkeiten.
Immerhin kaufe ich noch jeden Sonnabend die „Welt“ wegen ihres Literaturteils und eines ab und an beiliegenden Kunstmagazins (zumindest ist beides anregend). Und wo ich eben diese Beilage weglegen will, falle ich über den Reiseteil ("Im Herzen des Waldes", von Philipp Laage) – und grusel mich.
„Die Lastwagen mit den Tropenhölzern riefen eine traurige Verstimmung hervor. Sie zeigten, dass selbst die entlegensten Orte der Welt und ihre unberührten Naturschätze nicht vor dem Zugriff des Profits geschützt sind.“
„Der Regenwald des Kongobeckens löste eine unerklärliche Anziehungskraft aus... Der tropische Primärwald Afrikas türmt sich auf wie mehrstöckige Häuser, immergrün und undurchdringlich, auf einer Fläche so groß wie Mitteleuropa, abgeschieden von allem, das uns das Gefühl gibt, in der Welt zu sein. Dieser Wald beflügelt die Fantasie: Liegt dort vielleicht der Schlüssel zu einem ontologischen Verständnis der Dinge verborgen, den wir einfach noch nicht gefunden haben? Buchstäblich klein ist man in diesem Wald, die Hybris des modernen Menschen wird dort gebrochen: durch Erschöpfung, durch den Biss einer Zecke, durch ein Fieber, das nicht mehr zurückgeht.“
Das war der Punkt, wo sich der Autor wirklich sprachlich aufgipfelte. Ansonsten war dieser Ausflug in den Dschungel Kameruns, um dort Waldelephanten zu gucken, wohl eher ein öder Mißerfolg. Jemand hatte geraucht!
Dieser Reiseblogger mag ein herzensguter und grundnetter junger Mensch sein, aber diese dünne Sprache! Diese Schrumpfform des Deutschen, durch dessen Schilderungen das eine oder andere abgenutzte Bild schwimmt.
„So verbrachten wir den Rest des Tages zusammen in dieser einsamen Bucht, bis das Licht zu schwinden begann.“
Oder andererseits eben:
„Da gab es die typischen draufen Teilzeitaussteiger, von denen manche so aussahen, als würden sie schon zu lange zu schlechte Drogen nehmen. Aber es gab eben auch – sagen wir mal rein fiktiv – Katharina, 25, die in Münster was mit Medien studierte.“
Das erinnerte mich merkwürdigerweise an eine Unterhaltung zweier junger Menschen, die ich an einem frühen Sonntagmorgen im Zug erleiden mußte. Sie ließen wohl einen Club-Besuch ausklingen, wirkten aber äußerlich beisammen. Bis sie den Mund aufmachten (ich war in nämlichen Zug, weil mein frommer Chor einen Auftritt haben würde, vorher gab es noch eine Probe, es war also wirklich früh, für einen Sonntag).
Ich habe keine Aussage verstanden, vielleicht einzelne Worte, aber Sätze? Nun ja Sätze, es gab keinen, der sich als Zitat hätte merken lassen. Jedenfalls kamen sie fast völlig ohne Verben aus, es war eine fremde Spezies, obwohl sie den Eindruck vermittelten, sich prächtig zu verstehen.
Nun will ich das nicht gleichsetzten, aber ich war gewissermaßen vorgewarnt. Es soll ruhig Schülerzeitungen geben und junge Menschen dürfen Tagebücher schreiben, vor denen sie sich Jahre später hoffentlich gruseln werden, wegen der ausgeleierten Metaphern, die man so neu und aufregend fand, weil man sie noch nicht länger kannte, und der ganze Seelenschmerz etc. Bei dem man sich altersmüde fragt, wo bitteschön war das Problem in dieser Oase der Sicherheit, die es so später nie wieder geben würde. Die gespreizte Bedeutsamkeit, die eine geahnte Gedankenarmut kaschieren soll.
All das hat es schon immer gegeben, aber auch in einer der größeren Zeitungen, früher? Vielleicht haben wir hier grandiose Anlagen vor uns, und persönlich ist dieser junge Mann auch ganz erwachsen, vor allem in praktischen Dingen, und unternehmungssicher, und was weiß ich noch, aber diese Sprache, aber man sehe selbst. Er hat wie gesagt auch noch einen Reiseblog, auf dem ich mich sogar länger aufgehalten habe (es konnte ja sein, er hatte einfach einen schlechten Tag oder die Grippe).
Aber im Grunde ist es wie bei den jungen Männern im Zug. Man stößt in diesem Fall auf ein durchschnittslinkes dürftiges Weltbild mit seinen gängigen Stereotypen, gewinnt einen Eindruck von der Mentalität eines Milieus, das sich für das selbstverständlichste der Welt hält und sich begeistert wechselseitig bestätigt, und ist dabei vor allem eines, gelangweilt.
Nun wäre das eigentlich ein Grund, diesen Beitrag gar nicht erst zu bringen, aber gut, man sehe selbst und unterhalte sich womöglich sogar dabei.
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