Sebastian Brant „Das Narrenschiff“, 1494
Robin Alexander „Die Getriebenen – Merkel und die Flüchtlingspolitik: Report aus dem Innern der Macht“ Siedler-Verlag 2017
Robin Alexander hat uns ein Buch geschenkt, in dem akribisch beschrieben wird, auf welchem Niveau auch die Bundespolitik sich in diesem Land inzwischen ereignet. Er beschreibt einen energischen Kampf, der mit völlig untauglichen Mitteln gegen Probleme geführt wird, die man zuvor aus Dummheit hervorgerufen und aus verbohrter Uneinsichtigkeit immer weiter verschärft hat. Zurecht stellt der Autor an zentraler Stelle seines Werkes fest: „Niemand fragt die Bundesregierung, wie sie neue Regeln in Europa durchsetzen will, wenn sie die alten schnöde missachtet.“
Das ist tatsächlich der Ausgangspunkt des Unheils, das über Europa hereingebrochen ist. Noch lange vor der Eskalation der Zuwanderungsfrage stellte der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, gebetsmühlenartig fest, dass der Artikel 16a des Grundgesetzes, der politisch Verfolgten das Asylrecht verbürgt, im zweiten Absatz lautet: „Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder einem anderen sicheren Drittstaat einreist.“ Darüber hinaus sah das sogenannte Dublin-Verfahren vor, dass ein Asylantrag in dem Staat zu stellen sei, in dem der Antragsteller zuerst den Boden der Europäischen Union betreten hatte.
Die erste Pflicht eines Staates ist es, das Recht auch durchzusetzen, genau darauf hat man in der sogenannten Flüchtlingskrise irgendwann ganz verzichtet. So konnte es geschehen, dass aus der „Ausnahme vom Recht“, besser wäre der Begriff Rechtsbruch, ein über Monate andauernder Ausnahmezustand geworden ist, in dem sich eine massenhafte und unkontrollierte Zuwanderung ereignete, wie sie dieses Land in Friedenszeiten noch nicht erlebt hat. Die berechtigte Frage: „Kann es noch einmal zu einer Ausnahme kommen?“ beantwortete der Kanzleramtsminister wie folgt: „Es hat jetzt wenig Sinn, zu spekulieren.“ Es ist künftig also reine Spekulation, ob sich die deutsche Regierung an Recht und Gesetz hält. Alles das kann man in diesem Buch komprimiert nachlesen. Es wird dadurch zu einem Dokument der Ernüchterung.
Der Autor scheut sich aber auch nicht, die ans Pathologische grenzende Gefühlslage von Teilen der Bevölkerung und vor allem der Medien zu erörtern. „Mit jungen Syrerinnen und Irakern vorwärts in die multikulturelle Zukunft oder mit primitiven Ossis und Ewiggestrigen zurück in die rassistische Vergangenheit?“ Mit dieser absurden Alternative hätten die „Spiegel“-Macher die spezifische deutsche Gefühlslage in jenem Herbst perfekt getroffen, stellt Alexander fest und bietet noch weitere Beispiele für die schaurig-schöne Ideologisierung der Völkerwanderung. „Die Flüchtlinge als Erlöser von der schrecklichen deutschen Vergangenheit“ ist eine besonders hervorstechende These.
Bedrückender Weise stellt auch die Frau im Amt der Kanzlerin diesen Zusammenhang her und nutzt dazu ihre unvergleichliche Sprache: „Und das ist etwas sehr Wertvolles, wenn man einen Blick in unsere Geschichte wirft, und das drückt sich darin aus. Also, ich finde das schon durchaus bewegend.“
Dass dann am Ende McKinsey-Berater Millionen Euro von der Regierung kassieren, um Konzepte dafür zu schreiben, wie ein Problem bewältigt werden kann, dass bei bloßer Beachtung des Rechts niemals eingetreten wäre, ist schon nur noch eine Randnotiz in diesem absurden Theater.
Nach der Lektüre des 286 Seiten starken Bandes beschleicht einen das Gefühl, dass das Vorgehen dieser politischen Klasse auch bei ihren anderen großen Projekten – Energiewende, Eurorettung, um nur zwei zu nennen – genauso aussieht. Es bleibt der Satz der Frau aus dem Kanzleramt: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin. Nun sind sie halt da.“
Thomas Roloff
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