Es gibt erfreuliche Veränderungen an der Schloßkirche. Sowohl innen als auch außen. Die Westfassade mit den 4 Evangelisten wurde gereinigt, Schadstellen wurden ausgebessert. Mitunter ist Patina eben auch einfach nur Taubendreck. Jetzt muß nur noch das Gerüst „fallen“, was in den nächsten Tagen geschehen soll. Dann wird es auch hoffentlich eine mehr konvenierende Variante des Eingangsbildes geben.
Bis zum 4. Oktober kann man sich, bei freiem Eintritt, über die laufenden und vorgesehenen Wiederherstellungen im Inneren ins Bild setzen lassen. Die Kanzel ist proper restauriert, nur leider fehlen immer noch die sechs Kanzelfiguren von Mose und Jesaja, Paulus und Petrus, Augustinus und Luther. Das heißt, zwei gibt es immerhin noch. Luther steht bereits auf einem Sockel im Innenraum und auch Mose (derzeit in der Ausstellung zur Landesgeschichte im Kulturquartier) soll an die Kanzel zurückkehren.
Für die fehlenden 4 hat die Stadt einen rührenden Aufruf gestartet und die Bürger um Nachrichten über deren Schicksal gebeten. Viel Glück kann man da nur wünschen.
Wir wechseln jetzt mehr in das über, das gerade geschieht oder geschehen soll. Spätestens jetzt muß man ja festhalten: Der Innenraum beeindruckt durch seine raffinierte Balance von Flächen und Proportionen, den malerischen Rhythmus der von eleganten Säulen getragenen Emporen und der zeltartigen Decke, die Lichtführung u.a. Aber er ist von gegenständlicher Kunst leergeräumt wie eine reformierte Kirche oder Schlimmeres.
Die Kirche war einmal ein Gesamtkunstwerk und, ohne den Spuren des Verschwindens im Einzelnen nachgehen zu wollen, es ist eine merkwürdige Mischung aus Freude und Verlusterinnerung, wenn ein weniges zurückkehrt.
Das nächste Bild gibt eine Ahnung vom Ursprungszustand. Der wenigstens erhaltene vornehme Altar steht vor der Leere. Das Altargemälde von Prof. Kannengießer hat die Befreier von ‘45 nicht überlebt. [Hier habe ich mich zu korrigieren, es waren spätere Akteure, siehe hier.]
Die ursprüngliche Apsismalerei wird gerade ein wenig freigelegt, nach den sparsamen Auskünften der Restauratorin wäre mehr zu aufwendig, aber wenigstens gibt es wohl keine Fehlstellen.
Man sollte bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß mit Carl Eggers Neustrelitz einen Maler aus dem Kreis der Nazarener um Friedrich Overbeck hervorgebracht hat. Sein Auferstehungsengel, ein Freskogemälde in der Friedhofskapelle von Neustrelitz wurde in den 50ern übergeschmiert. Wir wollen den Namen des selbstgefälligen Kirchenmannes, der diese Schandtat begangen hat, nicht aus dem verdienten Vergessen reißen.
Übergeschmiert geht halt schnell, wieder Freilegen ist mühsam. Aber jetzt wird es doch wieder erfreulich:
Eine Kopie der Hl. Familie von Raffael von der Hand der Großherzogin Marie hing einst an der Chorwand links neben dem Altar. Ich hatte vor einiger Zeit das große Vergnügen das (beschädigte) Original (der Kopie) sehen zu dürfen und meinte damals, das Problem mit Kopien sei ja in der Regel, sie würden altern und man sähe ihnen sehr die Entstehungszeit an. Diese Kopie hingegen sei eher eine wundersam lebendige Nachschöpfung, handwerklich exzellent, keinesfalls konventionell, aus keinem Winkel medioker, sondern geradezu alterslos lebendig.
Und das obwohl der Firnis es eher verdüsterte und die Leinwand an 3 Stellen aufgerissen, einer geht durch das Gesicht des Johannes-Knaben. Nun soll das Bild restauriert werden und dann in die Kirche zurückkehren. Es wäre wunderbar.
Ein solches Wunder könnte auch die verwüstete Grüneberg-Orgel gut gebrauchen. Aber wir wollen mit einer freundlichen Note enden.
Baurat a.D. Erich Brückner schrieb (Carolinum Nr. 33, 1961) über die Gestalt des Lukas an der Hauptfassade, die ja demnächst wieder zu sehen sein wird:
„Lucas (griechisch loikos, zu deutsch der Erleuchtete, der Lichtspender) ist von Buttel in klarem Unterschied zu den drei andern dargestellt, in kraftvoller Männlichkeit, das Gesicht umrahmt von halblangem Haar und Vollbart, das erhobene Haupt mit festem zielklaren Fernblick und mit zum Verkündigungsruf leicht geöffneten Mund. Der Finger der erhobenen rechten Hand und das aufwärts gerichtete schmale lange Buch in der linken weisen nach oben, von wo die Erleuchtung kommt. Zwischen diesen beiden senkrechten Akzenten ist nun das Himation in großer weltumspannender Kurve entfaltet, von der rechten Schulter bis unter das linke Knie und wieder aufsteigend zu dem das Buch haltenden Arm, von dem die Falten auf das Stierkalb herunterhängen. Ein Vergleich mit den ganz anders behandelten Johannes, Marcus und Matthäus zeigt hier klar die Absicht Buttels, der Zielsetzung des Lucas-Evangeliums, den Weltheiland zu verkündigen, Ausdruck zu geben.“
Evangelist Lukas, hier gefunden
nachgetragen am 28. August