Selbst Schnecken können eigensinnig sein. Das Bild oben ist tatsächlich Zeugnis einer kuriosen "Wanderung". Im Herbst schlich sich eine kleine Schnecke durch das offene Fenster und nahm eine offenkundige Überwinterungsposition direkt daneben ein.
Kürzlich fiel sie dort aber ab und da ich sie hinüber wähnte, landete sie mit ordinärem Schmutz, abgefallenen Blättern etc. erst auf der Schaufel und dann in der einschlägigen Porzellanschüssel im Bad. Als mir dabei ein flüchtiger Blick auf die Uhr verriet, daß ich wie immer schon wieder zu spät sei, unterblieb die reinigende Flut. Und als ich zurückkam, sah ich eine höchst lebendige Kreatur das Terrain erkunden. Ich fischte sie also von demselbigen und setzte sie in einen Blumenkasten, wenig später war sie nicht mehr auszumachen und heute entdecke ich sie an ziemlich haargenau derselben Stelle, von wo sie abgefallen war, mit allenfalls einem Zentimeter Differenz (ich hatte schon einmal Bilder gemacht). Merkwürdig.
Die holprichten Verse, die da unter das Bild mit Tinte geschrieben sind, lauten wie folgt:
Die göttlich Majestät nicht ganz erkannt mag werden
Dann an seinem Geschöpf im Himmel und auf Erden,
Zu sehen in die Sonn unser Augen nicht tügen
Im Wasser wir zum Teil den Schatten sehen mügen.
Ich fand sie in einer Einführung in die Barocklyrik als Beispiel für Emblemata. Um es für mich ein wenig zu glätten, dachte ich mir nachfolgende Variante aus:
Die göttlich Majestät nicht ganz erkannt kann werden,
An sein' Geschöpfe nur im Himmel und auf Erden,
Zu sehen in die Sonn' die Augen nicht ertragen,
So können wir den Schein im Wasser nur befragen.
Nur um erleichtert festzustellen, in einem anderen Druck gibt es offenbar vom Autor (Julius Wilhelm Zincgref, Emblematum ethico-politicorum centuria) selbst eine deutsche Fassung, die meine Verbesserung weit in den Schatten stellt. Aber zu den Marginalien paßt das Ganze.
Julius Wilhelm Zincgref
MONSTRATUR IN UNDIS
Begehrest Du zu seh'n den Glanz der heißen Sonnen?
Das kannst Du besser nicht als in dem Fluß und Bronnen.
So mag der große Gott auch nur erkennet werden
An seiner Hände Werk im Himmel und auf Erden.
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Ermahnung zur Vergnügung
Ach was wollt ihr trüben Sinnen
Doch beginnen!
Traurig sein hebt keine Not,
Es verzehret nur die Herzen,
Nicht die Schmerzen,
Und ist ärger als der Tod.
Dornenreiches Ungelücke,
Donnerblicke,
Und des Himmels Härtigkeit
Wird kein Kummer linder machen;
Alle Sachen
Werden anders mit der Zeit.
Sich in tausend Tränen baden
Bringt nur Schaden,
Und verlöscht der Jugend Licht;
Unser Seufzen wird zum Winde;
Wie geschwinde
Ändert sich der Himmel nicht!
Heute will er Hagel streuen,
Feuer dräuen;
Bald gewährt er Sonnenschein,
Manches Irrlicht voller Sorgen
Wird uns Morgen
Ein bequemer Leitstern sein.
Bei verkehrtem Spiele singen,
Sich bezwingen,
Reden was uns nicht gefällt,
Und bei trüben Geist und Sinnen
Scherzen können,
Ist ein Schatz der klugen Welt.
Über das Verhängnis klagen
Mehrt die Plagen,
Und verrät die Ungeduld;
Diesem, der mit gleichem Herzen
Trägt die Schmerzen,
Wird der Himmel endlich hold.
Auf O Seele! du mußt lernen
Ohne Sternen,
Wenn das Wetter tobt und bricht,
Wenn der Nächte schwarze Decken
Uns erschrecken,
Dir zu sein dein eigen Licht.
Du must dich in dir ergötzen
Mit den Schätzen,
Die kein Feind zunichte macht;
Und kein falscher Freund kann kränken
Mit den Ränken,
Die sein leichter Sinn erdacht.
Von der süßen Kost zu scheiden,
Und zu meiden,
Was des Geistes Trieb begehrt,
Sich in sich stets zu bekriegen,
Und zu siegen,
Ist der besten Krone wert.
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