Sonntag, 23. Oktober 2022

Über Heil und Heilung - eine Predigt

Der Löwe des Hl. Markus, hier gefunden

Herr Roloff hält gerade in der Markusgemeinde von Magdeburg diese Predigt. Man kann zum Evangelisten selbst hier noch ein wenig nachlesen. Anmerken möchte ich zu den gedankenreichen Ausführungen nur: Religiöse Gelehrsamkeit trägt immer die Versuchung in sich, über Gott Recht haben zu wollen, weil der Mensch, jeder Mensch eben recht eigentlich Gott sein will, solange er sich der Gnade verschließt. Aber das erklärt der Prediger u.a. mit Verweisen auf unseren Vater Luther im folgenden hinreichend selbst. 

Angelo Bronzino, Hl. Markus, hier gefunden


Predigt zum 19. Sonntag nach Trinitatis in der Markuskirche zu Magdeburg - Mk 2, 1-2


Gnade sei mit euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Der Predigttext steht bei Markus im 2. Kapitel:

Die Heilung eines Gelähmten

1 Und über etliche Tage ging er wiederum gen Kapernaum; und es ward ruchbar, daß er im Hause war. 2 Und alsbald versammelten sich viele, also daß sie nicht Raum hatten auch draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen etliche zu ihm, die brachten einen Gichtbrüchigen, von vieren getragen. 4 Und da sie nicht konnten zu ihm kommen vor dem Volk, deckten sie das Dach auf, da er war, und gruben's auf und ließen das Bett hernieder, darin der Gichtbrüchige lag. 5 Da aber Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. 6 Es waren aber etliche Schriftgelehrte, die saßen allda und gedachten in ihrem Herzen: 7 Wie redet dieser solche Gotteslästerung? Wer kann Sünden vergeben denn allein Gott? 8 Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, daß sie also gedachten bei sich selbst, und sprach zu Ihnen: Was denkt ihr solches in eurem Herzen? 9 Welches ist leichter: zu dem Gichtbrüchigen zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Stehe auf, nimm dein Bett und wandle? 

10 Auf das ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht hat, zu vergeben die Sünden auf Erden, (sprach er zu dem Gichtbrüchigen): 11 Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Bett und gehe heim! 12 Und alsbald stand er auf, nahm sein Bett und ging hinaus vor allen, also daß sie sich entsetzten und priesen Gott und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

Amen

Liebe Gemeinde,

es hat sich so gefügt, dass ich über einen Text des Evangelisten Markus zu predigen habe, der der Patron Ihrer Gemeinde ist. Nun heißt es wohl, Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich hier zunächst von ihm erzählen will. Aber manchmal erfreut es auch, schon Bekanntes wieder zu hören. 

Der Apostelschüler schrieb bereits um das Jahr 60 nach Christus das erste Evangelium überhaupt und war eine bemerkenswerte Gestalt der frühen Kirche. Durch seine Mutter, in deren Haus sich die Jünger oft versammelten und in dem auch das letzte Abendmahl gefeiert worden ist, kam auch er mit der Gemeinde in Verbindung und schloss sich wohl besonders innig Petrus an, der ihn sogar seinen Sohn nennt. 

Er begleitete dann auch bald den Apostelfürsten und diente ihm als Dolmetscher, denn Petrus sprach kein Griechisch, das damals die Verkehrssprache des gesamten östlichen Mittelmeerraumes gewesen ist.

Mit Paulus hingegen geriet er in Auseinandersetzungen, die aber endlich wieder beigelegt werden konnten. Paulus war es dann wohl auch, der Markus veranlasste, sein Evangelium abzufassen, für das die Predigten des Petrus die entscheidende Grundlage werden sollten. Besonders charakteristisch für dieses Buch ist seine Kürze und prägnante Betonung der Leidensgeschichte Jesu.

Gegen Ende seines Lebens kam Markus nach Alexandrien, einer der damaligen Weltmetropolen, wurde Bischof der Stadt und Gründer der koptischen Kirche, die bis heute in Ägypten besteht, und der etwa 10 % der ägyptischen Bevölkerung angehören. Der seit 2012 regierende Papst Tawadros II. zählt als 118. Nachfolger des Hl. Markus.

Markus fand sein Ende im Jahre 68, als ihn Feinde der Kirche vor dem Altar überfielen und ihn mit einem Strick um den Hals zu Tode schleiften. Sein Gedenken wird am 25. April gefeiert. Die Gebeine des Heiligen gelangten nach Venedig, wo ihnen im frühen 11. Jahrhundert der berühmte Markusdom gebaut wurde. 

Die Legende weiß, dass bei den Arbeiten zu diesem einzigartigen Gotteshaus ein Handwerker vom Gerüst stürzte und durch sein Gebet zu Markus dann unverletzt geblieben ist. Diese Geschichte brachte dem Evangelisten das Patronat über die Maurer ein und führt uns zum Thema der Heilung und damit zu unserem heutigen Evangeliumstext zurück.

Markus stellt das große Thema Heilung ganz an den Anfang seines Buches. Tatsächlich kann man das ganze Evangelium als die Geschichte einer Gesundung lesen. Dazu braucht es allerdings die Erfahrung von Krankheit und die Gewissheit des Todes. Die Krankheit setzt unserem Leib, unseren Kräften und unserem Leben Grenzen. Erst die Krankheit erweckt die Sehnsucht nach Heilung.

Und über etliche Tage ging er wiederum gen Kapernaum; und es ward ruchbar, daß er im Hause war. Und alsbald versammelten sich viele, also daß sie nicht Raum hatten auch draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. So beginnt unsere Geschichte.

Bereits der Name Kapernaum macht uns darauf aufmerksam, dass wir uns in der Heimat des Apostels Petrus und weiterer Jünger befinden. Darum dürfen wir annehmen, dass Markus das Geschehen, von dem hier berichtet wird, aus einer Predigt des Apostelfürsten kannte oder gar selbst zugegen gewesen ist. Das Evangelium ist ein großes Licht, das unserer Welt geschenkt ist. 

Erst die Dunkelheit unserer Welt erweckt die Sehnsucht nach dem Licht.

Martin Luther ist und bleibt ein wichtiger Lehrer der reformatorischen Kirchen und wir tun gut daran, oft und gern bei ihm zu lesen, hat in seiner großen Streitschrift gegen die Humanisten „De servo arbitrio“ – Vom unfreien Willen – die ganze Heilige Schrift „ein geistliches Licht“ genannt, das „heller ist als selbst die Sonne“. Er wandte sich damit gegen „die verderbliche Rede der Sophisten, die Schrift sei dunkel und zweifelhaft“.

Die Schrift strahlt heller als die Sonne, denn sie zeugt von dem, der alles geschaffen hat und dessen erste Worte waren: „Es werde Licht!“ Wer die Schöpfungsgeschichte kennt, der weiß, dass Sonne, Mond und alle Sterne erst am vierten Tag geschaffen worden sind. Sie überstrahlen wohl zu ihrer Zeit jenes Licht vom Anfang. Dennoch ist das geistliche Licht heller als die Sonne.

Jesaja verkündet von ihm: „Deine Sonne wird nicht mehr untergehen, noch dein Mond den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht sein, und die Tage deines Leidens sollen ein Ende haben.“ Und an anderer Stelle verheißt er uns: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell!“ Erst in der Dunkelheit erwacht unsere Sehnsucht nach dem Licht.

Der Zusammenhang zwischen Licht und Heilung macht darauf aufmerksam, dass wir es in Christus nicht mit einem zweifelhaften Heiler zu tun haben, über dessen Wunder man streiten könnte. Dieser Streit ist der Zugang der verderblichen Sophisten zum Evangelium. Sie finden am Ende alles dunkel und zweifelhaft. Genau darauf weist Luther uns hin.

Diese Klugen geben bis in unsere Tage immer wieder vor, sie würden uns einen wahrhaftigeren Jesus vorstellen, wenn sie ihn von allen unglaubwürdigen Wundergeschichten befreiten und ihn uns dadurch ganz gleich machten, sie berauben ihn mit ihrem Tun aber nur seiner Gottheit und machen die Offenbarung zunichte. Und in allem geht es ihnen nur darum, den kläglichen Schimmer ihres eigenen Verstandes herauszustellen, durch den sie meinen, über der Schrift zu stehen.

Die reformatorische Kirche aber beharrte zu allen Zeiten ganz besonders auf „sola scriptura“, auf den Vorrang der Schrift, und drückte damit aus, dass die Bibel der Maßstab ist, dass die Bibel der Maßstab sein muss, denn den „verborgenen Gott“ können menschliche Wesen nicht verstehen, er kann von menschlicher Rationalität nicht erfasst werden. Genau darin drückt sich Luthers Grundüberzeugung vom Wesen des Menschen aus: „Der Mensch kann nicht von Natur wollen, dass Gott Gott sei; vielmehr wollte er, er sei Gott und Gott sei nicht Gott.“

Diese ins Böse führende Anmaßung des Menschen hat sich in der Moderne radikal verschärft, sie ist gleichsam der dominante Irrtum unserer Zeit geworden. Genau dieser Anmaßung, der Mensch könne aus sich heraus, aus Humanismus, aus Erkenntnis, aus Vernunftgründen Gutes tun, trat Luther, trat die gesamte Reformation mit aller Macht und mit Entschiedenheit entgegen. 

Gerade darin ist die Reformation in unseren Tagen aktueller denn jemals. Kirche und Theologie sind nicht dazu berufen, Christus uns gleich zu machen, indem wir ihn seiner Wunder berauben und seine Auferstehung in Zweifel ziehen, sondern Gott hat seinen Sohn in die Welt gesandt, um uns sein Heil zu senden, um uns heil zu machen, um uns in der Einheit mit ihm Heilung und Heiligung zu schenken.

So sind wir denn erneut bei unserem Predigttext: Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. In Jesus Christus hat sich nämlich der verborgene Gott verlassen. Er hat sich in unser Menschsein hinein erbarmt, ist gegenwärtig geworden. Der sophistische und anmaßende Streit, ob und wie Jesus Wunder gewirkt und Menschen geheilt hat, versteht das Geschehen von der Wurzel her nicht. Die Gegenwart Gottes als Mensch und seine bleibende Gegenwart als Herr der Kirche ist das Wunder. In ihr geht uns das Licht auf, das ewig ist.

Aus der Gegenwart des Herrn heraus ist den Kranken geholfen, die Gegenwart Christi vertreibt die Teufel. 

Aus der Begegnung mit dem Herrn erwächst Heilung und die Erkenntnis, dass wir im Leiden dem Herrn ähnlich werden. Darum sollen wir seine Gegenwart suchen, und ehren seine Gegenwart im Sakrament. Der lutherischen Reformation ist dies ein unaufgebbares Bekenntnis, der Herr ist in seiner Kirche gegenwärtig. Jedermann sucht ihn. Von diesem Gedanken ist auch diese Heilungsgeschichte ganz und gar bestimmt.

Die Menschen, die den Kranken auf seiner Liege herantragen, sind sich sicher, dass die Begegnung mit dem, zu dem sie da gerade nicht gelangen können, alles verändern wird. Darum sind ihnen auch alle Mittel recht. Sie graben das Dach auf, sie räumen alles beiseite, was sie hindert, zum Herrn zu gelangen. Aber genau dadurch wird deutlich, was eigentlich unser Leben ausmachen muss, damit es wahrhaft Leben genannt werden kann. Es muss nach dem suchen und zu dem drängen, der Ursprung und Ziel allen Lebens ist. 

So wie die Pflanzen sich nach der Sonne drehen und zum Licht hinwachsen, so wird der Mensch zum Menschen und zum lebendigen Wesen, durch seine Suche nach Gott. Was würden wir halten von einer Revolution unter den Pflanzen, nach der sich jede Pflanze zu ihrer Sonne wenden kann oder auch die Sonne überhaupt verneinen.

„Mein Herr und mein Gott,

nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,

gib alles mir, was mich fördert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,

Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“


So, wie dieses Gebet von Nikolaus von der Flüe, so soll unser ganzes Leben sein.

Darin geschieht das Wunder, dass wir uns zu ihm wenden. Und Christus spricht:

„Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.“ Es waren aber etliche Schriftgelehrte, die saßen allda und gedachten in ihrem Herzen: Wie redet dieser solche Gotteslästerung? Wer kann Sünden vergeben denn allein Gott?

Den Schriftgelehrten wird ihre theologische Reflexion zu einer Anklage gegen Gott, denn der Herr ist Gott. Ihnen wird ihre Gelehrsamkeit zur Ursache, sich von Christus abzukehren.

Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, daß sie also gedachten bei sich selbst, und sprach zu Ihnen: Was denkt ihr solches in eurem Herzen? Welches ist leichter: zu dem Gichtbrüchigen zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Stehe auf, nimm dein Bett und wandle? 

Christus droht ihnen das Wunder geradezu an!

Auf das ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht hat, zu vergeben die Sünden auf Erden, (sprach er zu dem Gichtbrüchigen): Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Bett und gehe heim!

Und alsbald stand er auf, nahm sein Bett und ging hinaus vor allen, also daß sie sich entsetzten und priesen Gott und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.

Christus heilt hier zwar eine beklagenswerte Kreatur. Vor allem aber macht er sie zu einem hellstrahlenden Zeichen gegen den Unglauben und gegen eine Theologie, die uns von Gott trennt.

Das ist und bleibt darum unsere Hoffnung, dass er von allen Menschen gesucht und am Ende gefunden wird. Lauft ihm nach, sucht seine Nähe, deckt die Dächer ab, überwindet die Schranken. Das Menschsein erfüllt sich erst in der Begegnung mit ihm. Die Gegenwart des Erlösers ist das eine große Wunder in dem alles seinen Grund und seine Ursache hat. Aus der Begegnung mit ihm erwachsen Heilung und das Heil.

Amen

Und der Frieden Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn.

Thomas Roloff

Samstag, 15. Oktober 2022

Beim Wühlen in Zettelkästen


Das Obige ist eine Versammlung junger Christen vor dem Schloß zu Güstrow (vor sehr langer, nahezu vergessener Zeit), von denen sich offenkundig jeder in der ihm angemessen erscheinenden Pose befand, eingeschlossen dieses ältere Ich (das ohne Instrument, aber mit offenkundig belehrender Geste).

Ich suchte eigentlich nach der Tel.-Nr. von Frau Reimer-Meißner, gegenwärtige Inhaberin der alt würdigen Fischerei Reimer aus Rödlin, bei der ich, solange meine inzwischen länger verewigte Frau Mutter noch lebte, öfters das eine oder andere Stück toten Fischs erworben habe (ich fand sie sogar).

Sie hat, und hier vertrauen wir den Qualitätsmedien des gegenwärtigen Gemeinwesens einfach mal, dessen Staatsoberhaupt kürzlich hier weilte, demselbigen folgendes mitgeteilt: 

Sie habe 70 ihrer rund 700 Hektar Wasserfläche aufgeben müssen, da der Müritz-Nationalpark dort keine Fischerei mehr zulassen wolle. "Wir haben die Braunen und die Roten überstanden, nun müssen wir mit den Grünen streiten", und sie könne nicht verstehen, daß die uralte Fischerei dort nicht mehr arbeiten dürfe, wo es immer Fischerei gegeben habe. 

Natur ist gut, wenn sie allein gelassen wird, doch der Mensch ist böse, stört und muß darum weg, fällt mir da sofort ein. Ihre Farbenfolge war schon recht treffend, in mehr als einer Hinsicht.

Als Antwort habe der obig Genannte seinen Respekt vor ihrer Arbeit bekundet. Die Zeiten halt.