Donnerstag, 23. März 2023

Heute vor 90 Jahren im Reichstag

Berliner Krolloper um 1890

Nachdem am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, brannte bereits in der Nacht zum 28. Februar 1933 der Reichstag: In der Wahl vom 5. März gewannen NSDAP und DNVP gemeinsam die absolute Mehrheit der Sitze. Da der bisherige Tagungsort nicht nutzbar war, wich man auf die nahe gelegene Krolloper aus. Sie ist der Ort der nachfolgenden Ereignisse.

Am 23. März 1933 wurde gegen die Stimmen der SPD, aber mit denen aller übrigen Parteien (aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat waren die Mandate der KPD annulliert worden) das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“ beschlossen, das die Reichregierung ermächtigte, ohne das Parlament Gesetze zu erlassen. Es wurde mehrfach verlängert. Infolgedessen diente der Reichstag in den seltenen folgenden Zusammenkünften der Parlamentarier nur noch als Podium für öffentliche Auftritte Adolf Hitlers, so etwa am 6. Oktober 1939 bei der Verkündung des Sieges über Polen.

Adolf Hitler vor dem Reichstag in der Kroll-Oper zum Abschluß des Feldzugs gegen Polen, Quelle Bundesarchiv 

Es mag verwundern, wenn ich nachfolgend die Rede eines einmal führenden Politikers der SPD vollständig anbringe. Aber der für manchen überraschende, in jedem Fall aufschlußreiche Inhalt rechtfertigt dies vollauf, vom Anlaß völlig abgesehen. 

Es handelt sich um die Rede des Reichstagsabgeordneten und SPD-Vorsitzenden Otto Wels in der Sitzung des Reichstags vom 23. März 1933 in der Debatte über das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (Ermächtigungsgesetz).

Otto Wels (1873 – 1939) 1924, von hier

Otto Wels (SPD) Rede zur Begründung der Ablehnung des Ermächtigunsgesetzes

"Meine Damen und Herren! Der außenpolitischen Forderung deutscher Gleichberechtigung, die der Herr Reichskanzler erhoben hat, stimmen wir Sozialdemokraten umso nachdrücklicher zu, als wir sie bereits von jeher grundsätzlich verfochten haben.

Ich darf mir wohl in diesem Zusammenhang die persönliche Bemerkung gestatten, dass ich als erster Deutscher vor einem internationalen Forum, auf der Berner Konferenz, am 3. Februar des Jahres 1919, der Unwahrheit von der Schuld Deutschlands am Ausbruch des Weltkrieges entgegengetreten bin.

Der Versailler Vertrag wurde am 28. Juni 1919 zwischen dem Deutschen Reich einerseits sowie Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten andererseits geschlossen und beendete den Ersten Weltkrieg, er war ohne Beteiligung Deutschlands ausgehandelt worden und stellte die alleinige Schuld Deutschlands und seiner Verbündeten am Ausbruch des Weltkriegs fest, verpflichtete es zu Gebietsabtretungen, Reparationszahlungen an die Siegermächte und stark reduzierten eigenen Verteidigungskräften. 

William Orpen: Vertragsunterzeichnung in der Spiegelgalerie des Schlosses von Versailles 1919, von hier

Nie hat uns irgendein Grundsatz unserer Partei daran hindern können oder gehindert, die gerechten Forderungen der deutschen Nation gegenüber den anderen Völkern der Welt zu vertreten.

Der Herr Reichskanzler hat auch vorgestern in Potsdam einen Satz gesprochen, den wir unterschreiben. Er lautet: 'Aus dem Aberwitz der Theorie von ewigen Siegern und Besiegten kam der Wahnwitz der Reparationen und in der Folge die Katastrophe der Weltwirtschaft.' Dieser Satz gilt für die Außenpolitik; für die Innenpolitik gilt er nicht minder.

Am 21. März 1933 fand in der Potsdamer Garnisonkirche ein Staatsakt zur Eröffnung des aus den Wahlen vom 5. März 1933 hervorgegangen Reichstages statt. Otto Wels zitiert aus der Ansprache Hitlers bei diesem Anlaß. Bild: Reichskanzler Adolf Hitler verneigt sich vor Reichspräsident Paul von Hindenburg und reicht ihm die Hand. Photo von hier.

Auch hier ist die Theorie von ewigen Siegern und Besiegten, wie der Herr Reichskanzler sagte, ein Aberwitz. Das Wort des Herrn Reichskanzlers erinnert uns aber auch an ein anderes, das am 23. Juli 1919 in der Nationalversammlung gesprochen wurde. Da wurde gesagt: 'Wir sind wehrlos, wehrlos ist aber nicht ehrlos.'

'Gewiss, die Gegner wollen uns an die Ehre, daran ist kein Zweifel. Aber dass dieser Versuch der Ehrabschneidung einmal auf die Urheber selbst zurückfallen wird, da es nicht unsere Ehre ist, die bei dieser Welttragödie zugrunde geht, das ist unser Glaube bis zum letzen Atemzug.'

-- Das steht in einer Erklärung, die eine sozialdemokratisch geführte Regierung damals im Namen des deutschen Volkes vor der ganzen Welt abgegeben hat, vier Stunden bevor der Waffenstillstand abgelaufen war, um den Weitervormarsch der Feinde zu verhindern. - Zu dem Ausspruch des Herrn Reichskanzlers bildet jene Erklärung eine wertvolle Ergänzung. Aus einem Gewaltfrieden kommt kein Segen; Im Innern erst recht nicht.

Eine wirkliche Volksgemeinschaft lässt sich auf ihn nicht gründen. Ihre erste Voraussetzung ist gleiches Recht. Mag sich die Regierung gegen rohe Ausschreitungen der Polemik schützen, mag sie Aufforderungen zu Gewalttaten und Gewalttaten selbst mit Strenge verhindern. Das mag geschehen, wenn es nach allen Seiten gleichmäßig und unparteiisch geschieht, und wenn man es unterläßt, besiegte Gegner zu behandeln, als seien sie vogelfrei.

Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.

Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten können, daß sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt. Die Wahlen vom 5. März haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die Möglichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu regieren. Wo diese Möglichkeit besteht, besteht auch die Pflicht.

Kritik ist heilsam und notwendig. Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Eine solche Allmacht der Regierung muss sich umso schwerer auswirken, als auch die Presse jeder Bewegungsfreiheit entbehrt.

Meine Damen und Herren! Die Zustände, die heute in Deutschland herrschen, werden vielfach in krassen Farben geschildert. Wie immer in solchen Fällen fehlt es auch nicht an Übertreibungen. Was meine Partei betrifft, so erkläre ich hier: Wir haben weder in Paris um Intervention gebeten, noch Millionen nach Prag verschoben, noch übertreibende Nachrichten ins Ausland gebracht.

Solchen Übertreibungen entgegenzutreten wäre leichter, wenn im Inlande eine Berichterstattung möglich wäre, die Wahres vom Falschen scheidet.

Noch besser wäre es, wenn wir mit gutem Gewissen bezeugen könnten, dass die volle Rechtssicherheit für alle wiederhergestellt sei.

Das, meine Herren, liegt bei Ihnen.

Die Herren von der Nationalsozialistischen Partei nennen die von ihnen entfesselte Bewegung eine nationale Revolution, nicht eine nationalsozialistische. Das Verhältnis ihrer Revolution zum Sozialismus beschränkt sich bisher auf den Versuch, die sozialdemokratische Bewegung zu vernichten, die seit mehr als zwei Menschenaltern die Trägerin sozialistischen Gedankengutes gewesen ist und auch bleiben wird. Sollten die Herren von der Nationalsozialistischen Partei sozialistische Taten verrichten, sie brauchten kein Ermächtigungsgesetz.

Eine erdrückende Mehrheit wäre Ihnen in diesem Hause gewiß. Jeder von Ihnen im Interesse der Arbeiter, der Bauern, der Angestellten, der Beamten oder des Mittelstandes gezielte Antrag könnte auf Annahme rechnen, wenn nicht einstimmig, so doch mit gewaltiger Majorität.

Aber dennoch wollen Sie vorerst den Reichstag ausschalten, um Ihre Revolution fortzusetzen. Zerstörung von Bestehendem ist aber noch keine Revolution. Das Volk erwartet positive Leistungen. Es wartet auf durchgreifende Maßnahmen gegen das furchtbare Wirtschaftselend, das nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt herrscht.

Wir Sozialdemokraten haben in schwerster Zeit Mitverantwortung getragen und sind dafür mit Steinen beworfen worden.

Unsere Leistungen für den Wiederaufbau von Staat und Wirtschaft, für die Befreiung der besetzten Gebiete werden vor der Geschichte bestehen.

Beisetzung von Essener Opfern am 10. April 1923, Bild von hier

Otto Wels spricht die Besetzung des Ruhrgebiets an: Ab 8. März 1921 besetzten französische und belgische Truppen die Städte Duisburg und Düsseldorf, ab 11. Januar 1923 dann das gesamte Ruhrgebiet bis Dortmund, vorübergehend auch Teile des bergischen Industriegebiets (Remscheid und Lennep) sowie Barmen. Die Alliierten hatten inzwischen statt Reparationen in Form von Geld, Sachleistungen (Stahl, Holz, Kohle) gefordert. Am 9. Januar 1923 erklärte die alliierte Reparationskommission, Deutschland halte absichtlich Lieferungen zurück (unter anderem seien 1922 nur 11,7 Millionen statt der geforderten 13,8 Millionen Tonnen Kohle und nur 65.000 statt 200.000 Telegraphenmasten geliefert worden). Dies nahm Frankreich zum Anlaß, in das Ruhrgebiet einzumarschieren. Die Besetzung, die auch mehrfach zu Toten unter der deutschen Zivilbevölkerung geführt hatte, endete im August 1925.

Denkmal für die belgische Besatzung am Niederrhein in Kleve-Kellen bei Haus Schmithausen. Vorderseite: "Zur Erinnerung an schwere Besatzungszeit 1918 - 1926", Bild von hier

Wir haben gleiches Recht für alle und ein soziales Arbeitsrecht geschaffen. Wir haben geholfen, ein Deutschland zu schaffen, in dem nicht nur Fürsten und Baronen, sondern auch Männern aus der Arbeiterklasse der Weg zur Führung des Staates offensteht.

Davon können Sie nicht zurück, ohne Ihren eigenen Führer preiszugeben.

Vergeblich wird der Versuch bleiben, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Wir Sozialdemokraten wissen, daß man machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen kann. Wir sehen die machtpolitische Tatsache Ihrer augenblicklichen Herrschaft. Aber auch das Rechtsbewußtsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewußtsein zu appellieren.

Die Verfassung von Weimar ist keine sozialistische Verfassung. Aber wir stehen zu den Grundsätzen des Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes, die in ihr festgelegt sind. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.

Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen.

Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht -- verbürgen eine hellere Zukunft."

Montag, 13. März 2023

Auch über den Prinzen von Preußen


Stammwappen der Hohenzollern

Der Berliner Tagesspiegel, dessen Ehrgeiz seit einiger Zeit offenkundig darin zu bestehen scheint, taz, Rote Fahne et al. im Vergleich geradezu "rechts" aussehen zu lassen, was immer das stündlich bedeuten soll - aber das ist ja der Trick dieser Gegenwart, die Begriffe so verschwommen werden zu lassen, daß sie zu allem zu gebrauchen sind - besagtes Presseorgan hat sich also jüngst über den Adel echauffiert, den es sowieso nicht mehr gibt, aber eben deshalb.

Andere Phantasierealitäten müssen mit höchstem Ernst, ja mit der sonstigen Androhung peinlichster Sanktionen behandelt werden. Wir wollen in diesen Sumpf nicht hinabsteigen, es ist sowieso bekannt, was gemeint ist, nur andeuten.

Aber wenn jemand es wagt, ungezwungen, womöglich noch sympathisierend, den Prinzen von Preußen mit "Königliche Hoheit" anzusprechen, dann hat er die Dämonen der Vergangenheit losgelassen, dann ist die Machtfrage gestellt, dann steht die Reaktion um die Ecke und will zum Gegenschlag ausholen. Nach über 100  Jahren.

Wenn anderem mit Respekt begegnet wird, sieht sich der Respektlose angegriffen. Wenn der Prinz von Preußen es wagt, auf der Bundespressekonferenz nicht in Jogginghosen aufzutreten (ich bezweifle, daß er solche überhaupt besitzt), schwillt dem Schreibenden die Zornesader. Übertrieben? Wir wollen uns kurz an dem besagten  Ausbruch amüsieren:

„Die Versammlung strahlte – für das legere Berlin ungewohnt, mit Herren in sehr guten Wollstoffen, perfekt passenden Einstecktüchern und Schlipsen sowie vorbildlicher Sitzhaltung. Im Haus der Bundespressekonferenz galt es, ein neues Buch über den vormaligen Kronprinzen Wilhelm kennenzulernen...“

Wir brechen hier erst einmal ab, schon die Einleitung beginnt mit einer wichtigen Auslassung, und es gibt gute Gründe, den Kronprinzen Wilhelm nicht zu mögen. Aber diese Entgegensetzung des „legeren“ Berlin zu dieser provozierenden „Vornehmheit“...

[„leger Adj. ‘ungezwungen, zwanglos, oberflächlich’, anfangs auch ‘leichtfertig, unbesonnen’, Entlehnung (Ende 18. Jh.) von frz. léger (afrz. legier) ‘leicht, unbedeutend, flink, ungezwungen, leichtfertig, oberflächlich’. Diesem liegt vlat. *leviārius zugrunde, das, wohl als Ableitung von vlat. *levius, letztlich zu lat. levis ‘leicht, schnell, sanft, unbedeutend, gering(fügig), leichtfertig, wankelmütig’ (verwandt mit leicht, s. d.) gebildet ist.“]

Da war also diese Atmosphäre im Raum, die völliges Mißvergnügen und Unbehagen hervorrief. Die Veranstaltung habe durchaus einer Audienz beim Urenkel besagten Wilhelms geglichen, „bei Herrn Georg Friedrich Prinz von Preußen. Jenem Mann, der selbst in strikt republikanischen Medien oft als ‚der Prinz‘ oder als ‚Chef des Hauses Hohenzollern‘ bezeichnet wird. Beides ist er nicht.“

Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Gemahlin Sophie Prinzessin von Isenburg 2011

Wir lassen erst einmal beiseite, warum er es nach der Meinung besagten Autors nicht sei. „Fast 104 Jahre später wurde aber wieder viel vom ‚Haus‘ gesprochen, ein rückenbeugendes ‚Königliche Hoheit‘ war deutlich vernehmbar und die entweder unhöfliche kurze oder ehrerbietig-artikellose Formulierung ‚Prinz von Preußen spricht nun zu uns‘. 

Herr Prinz von Preußen ging freundlich lächelnd über solche Unkorrektheiten hinweg. Schließlich weiß niemand besser als der 1918 gestürzte Adel, dass Namens- und Titelbezeichnungen keineswegs bedeutungslos sind. Ihre Verwendung ist Teil einer Dauer-Auseinandersetzung um gesellschaftlichen und politischen Einfluss...“

Es ginge also nicht nur um Kultur- oder Geschichtsbewußtsein, sondern um handfeste aktuelle Interessen. Die unkorrekte Verwendung von Ex-Titeln sei keine Belanglosigkeit, sondern die sprachliche Anerkennung einer sozialen Sonderrolle. Denn „Namensfragen sind Machtfragen“, wie es in der Überschrift dieser kleinen Attacke bereits so selbst entlarvend hieß. Dem Autor geht es also um Macht und er wittert diese bei der anderen Seite. Skurril.

Langweiliger Einschub

Jetzt zu dem, wo er sogar einmal Recht hat: Adelstitel wurden mit dem Adel in der Reichsverfassung von 1919 abgeschafft und gelten auch heute nur noch als Teil des Namens. Aus den Häusern wurden rein privatrechtliche Familienverbände. Aus dem Artikel 109: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“

Was von Österreich noch übrig war, hatte sich ebenfalls 1919  mit dem „Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden“ anders entschieden. Und mit neu gewonnener republikanischer Härte schreckte man auch vor der nötigen Konsequenz nicht zurück: „Strafbar ist... die Führung von Adelsbezeichnungen sowie von aufgehobenen Titeln und Würden im öffentlichen Verkehr, das heißt im Verkehr mit Behörden und öffentlichen Stellen, sowie in an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen und Äußerungen. Ebenfalls mit Verwaltungsstrafe bedroht ist die Führung im amtlichen Schriftverkehr, im rein gesellschaftlichen Verkehr und der Gebrauch von Kennzeichen, die einen Hinweis auf den früheren Adel oder auf aufgehobene Titel oder Würden enthalten, sofern darin eine dauernde oder herausfordernde Missachtung der Bestimmungen des Gesetzes zu erblicken ist.“

Jemand mag einwenden, die österreichische Entscheidung von 1919, wo Knall auf Fall mit dem Adel auch die Titel selbst als Namensbestandteil abgeschafft wurden, sei die konsequentere gewesen, sicher. Aber auch die schäbigere.

Zum Vorigen

Was sind Machtfragen und warum kann jemand die Wirklichkeit nur durch diese Brille sehen? Weil er nichts anderes hat? Weil die Sicht auf das Wirkliche auf diese eine Dimension geschrumpft ist?

Obwohl, bloß instinktiv hat er ja recht. Ich hätte es mir nicht träumen lassen, einmal den gegenwärtigen Papst Franziskus zu zitieren. Und selbst das Thema ist mir eher suspekt, aber ich kann hier auch nicht ewig nur Natur-Bilder anbringen:

„Die Gender-Ideologie ist heute eine der gefährlichsten ideologischen Kolonialisierungen, … Warum ist es gefährlich? Weil es Unterschiede und den Wert von Männern und Frauen verwischt.“ Die ganze Menschheit definiere sich über die Spannung der Unterschiede. Sie solle durch die Spannung der Unterschiede wachsen. Diese Ideologie aber verwässere die Unterschiede und mache die Welt gleich und langweilig, und das widerspräche der menschlichen Berufung. Was äußerst gefährlich sei, weil es Unterschiede beseitige, lösche es die Menschheit aus, den Reichtum der Menschheit, sowohl persönlich, kulturell als auch sozial, die Vielfalt und die Spannungen zwischen den Unterschieden.

Sehr wahr, und irgendwie auch überraschend. Wie überhaupt man zu allen Untergangsprognosen nur sagen kann, egal welcher Konvenienz. Die Geschichte geht sowieso immer anders als erwartet aus, und natürlich gibt es einen Untergang, besser Übergang. Wir nennen es die Wiederkunft des Herrn.

Was haben wir also gelernt

Noch einmal zurück zum Anlaß. Eigentlich ging es bei der ganzen scheinberichteten Erzählung um einen Verzicht. SKH Georg Friedrich Prinz von Preußen: „Ich habe daher entschieden, auf die Rückgabe von jenen rund 4.000 Kunstwerken sowie die damit verbundenen Leistungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zu verzichten. Damit möchte ich den Weg frei machen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert nach dem Ende der Monarchie.“ [ausführlich hier] 

Der Verzicht ist honorig. Aber, daß gerade bei dieser Familie so heftiger Widerstand aufbrach und immer noch besteht, was immer sie tut, gibt ebenfalls Anlaß zu überraschter Hoffnung. Das nur nebenbei.

Was lernen wir. Eine andere Wirklichkeit hat kein Daseinsrecht, wenn sie aus der konkreten Geschichte dieses Landes begründet ist. Die freiwillige Bindung an Erinnerung und Tradition ist Konterrevolution. 

All diese Dinge sind auch eine Charakterprüfung. Die Last des Wissen-Müssens tragen, das Aushalten von Ambivalenzen, Sympathien für das Größere, das Mehr, für das, was den eigenen Erfahrungshorizont übersteigt. Und vor allem, sich nicht zum freiwilligen Gefangenen des Ressentiments zu machen.

Provozierende Vornehmheit also, den verkörperten Unterschied, den in Generationen mühsam erlernten Distinktionsgewinn als eine Leistung höherer Kultur zu behaupten, die auf der Gegenseite Würgreiz hervorruft. 

Die Vergangenheit ist kein Ort der verlorenen Idylle. Niemand weiß das besser als der, der in ihr zuhause ist. Aber sie ist das, aus dem und mit dem wir uns emporzuarbeiten suchen müssen. Höhere Kultur bedarf der Vorarbeit von Generationen, sie ist ein Geflecht von Anstrengungsbereitschaft über Jahrhunderte hinweg. 

Den Schlachtruf: Wir sind alle Mollusken und stolz darauf, mögen andere genießen. 

Das Problematische an unseren linken Zeitgenossen ist, daß für sie alles eine Machtfrage ist und daß es darüber hinaus nicht viel mehr gibt. Das sich Angegriffen-Fühlen von anderen Sinnzusammenhängen, um einmal diesen verqueren Jargon zu benutzen (auffällig, wie oft neuerdings von Gefühl anstelle von Vernunft die Rede ist). Also wenig souveränes Zutrauen ins „Eigene“, was immer das sein soll, und dafür viel Auslöschungsbedürfnis. 

Aber wie gesagt, die Geschichte ist immer offen.

Mittleres Wappen Sr. Majestät des Deutschen Kaisers