Montag, 13. März 2023

Auch über den Prinzen von Preußen


Stammwappen der Hohenzollern

Der Berliner Tagesspiegel, dessen Ehrgeiz seit einiger Zeit offenkundig darin zu bestehen scheint, taz, Rote Fahne et al. im Vergleich geradezu "rechts" aussehen zu lassen, was immer das stündlich bedeuten soll - aber das ist ja der Trick dieser Gegenwart, die Begriffe so verschwommen werden zu lassen, daß sie zu allem zu gebrauchen sind - besagtes Presseorgan hat sich also jüngst über den Adel echauffiert, den es sowieso nicht mehr gibt, aber eben deshalb.

Andere Phantasierealitäten müssen mit höchstem Ernst, ja mit der sonstigen Androhung peinlichster Sanktionen behandelt werden. Wir wollen in diesen Sumpf nicht hinabsteigen, es ist sowieso bekannt, was gemeint ist, nur andeuten.

Aber wenn jemand es wagt, ungezwungen, womöglich noch sympathisierend, den Prinzen von Preußen mit "Königliche Hoheit" anzusprechen, dann hat er die Dämonen der Vergangenheit losgelassen, dann ist die Machtfrage gestellt, dann steht die Reaktion um die Ecke und will zum Gegenschlag ausholen. Nach über 100  Jahren.

Wenn anderem mit Respekt begegnet wird, sieht sich der Respektlose angegriffen. Wenn der Prinz von Preußen es wagt, auf der Bundespressekonferenz nicht in Jogginghosen aufzutreten (ich bezweifle, daß er solche überhaupt besitzt), schwillt dem Schreibenden die Zornesader. Übertrieben? Wir wollen uns kurz an dem besagten  Ausbruch amüsieren:

„Die Versammlung strahlte – für das legere Berlin ungewohnt, mit Herren in sehr guten Wollstoffen, perfekt passenden Einstecktüchern und Schlipsen sowie vorbildlicher Sitzhaltung. Im Haus der Bundespressekonferenz galt es, ein neues Buch über den vormaligen Kronprinzen Wilhelm kennenzulernen...“

Wir brechen hier erst einmal ab, schon die Einleitung beginnt mit einer wichtigen Auslassung, und es gibt gute Gründe, den Kronprinzen Wilhelm nicht zu mögen. Aber diese Entgegensetzung des „legeren“ Berlin zu dieser provozierenden „Vornehmheit“...

[„leger Adj. ‘ungezwungen, zwanglos, oberflächlich’, anfangs auch ‘leichtfertig, unbesonnen’, Entlehnung (Ende 18. Jh.) von frz. léger (afrz. legier) ‘leicht, unbedeutend, flink, ungezwungen, leichtfertig, oberflächlich’. Diesem liegt vlat. *leviārius zugrunde, das, wohl als Ableitung von vlat. *levius, letztlich zu lat. levis ‘leicht, schnell, sanft, unbedeutend, gering(fügig), leichtfertig, wankelmütig’ (verwandt mit leicht, s. d.) gebildet ist.“]

Da war also diese Atmosphäre im Raum, die völliges Mißvergnügen und Unbehagen hervorrief. Die Veranstaltung habe durchaus einer Audienz beim Urenkel besagten Wilhelms geglichen, „bei Herrn Georg Friedrich Prinz von Preußen. Jenem Mann, der selbst in strikt republikanischen Medien oft als ‚der Prinz‘ oder als ‚Chef des Hauses Hohenzollern‘ bezeichnet wird. Beides ist er nicht.“

Georg Friedrich Prinz von Preußen mit Gemahlin Sophie Prinzessin von Isenburg 2011

Wir lassen erst einmal beiseite, warum er es nach der Meinung besagten Autors nicht sei. „Fast 104 Jahre später wurde aber wieder viel vom ‚Haus‘ gesprochen, ein rückenbeugendes ‚Königliche Hoheit‘ war deutlich vernehmbar und die entweder unhöfliche kurze oder ehrerbietig-artikellose Formulierung ‚Prinz von Preußen spricht nun zu uns‘. 

Herr Prinz von Preußen ging freundlich lächelnd über solche Unkorrektheiten hinweg. Schließlich weiß niemand besser als der 1918 gestürzte Adel, dass Namens- und Titelbezeichnungen keineswegs bedeutungslos sind. Ihre Verwendung ist Teil einer Dauer-Auseinandersetzung um gesellschaftlichen und politischen Einfluss...“

Es ginge also nicht nur um Kultur- oder Geschichtsbewußtsein, sondern um handfeste aktuelle Interessen. Die unkorrekte Verwendung von Ex-Titeln sei keine Belanglosigkeit, sondern die sprachliche Anerkennung einer sozialen Sonderrolle. Denn „Namensfragen sind Machtfragen“, wie es in der Überschrift dieser kleinen Attacke bereits so selbst entlarvend hieß. Dem Autor geht es also um Macht und er wittert diese bei der anderen Seite. Skurril.

Langweiliger Einschub

Jetzt zu dem, wo er sogar einmal Recht hat: Adelstitel wurden mit dem Adel in der Reichsverfassung von 1919 abgeschafft und gelten auch heute nur noch als Teil des Namens. Aus den Häusern wurden rein privatrechtliche Familienverbände. Aus dem Artikel 109: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“

Was von Österreich noch übrig war, hatte sich ebenfalls 1919  mit dem „Gesetz über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden“ anders entschieden. Und mit neu gewonnener republikanischer Härte schreckte man auch vor der nötigen Konsequenz nicht zurück: „Strafbar ist... die Führung von Adelsbezeichnungen sowie von aufgehobenen Titeln und Würden im öffentlichen Verkehr, das heißt im Verkehr mit Behörden und öffentlichen Stellen, sowie in an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen und Äußerungen. Ebenfalls mit Verwaltungsstrafe bedroht ist die Führung im amtlichen Schriftverkehr, im rein gesellschaftlichen Verkehr und der Gebrauch von Kennzeichen, die einen Hinweis auf den früheren Adel oder auf aufgehobene Titel oder Würden enthalten, sofern darin eine dauernde oder herausfordernde Missachtung der Bestimmungen des Gesetzes zu erblicken ist.“

Jemand mag einwenden, die österreichische Entscheidung von 1919, wo Knall auf Fall mit dem Adel auch die Titel selbst als Namensbestandteil abgeschafft wurden, sei die konsequentere gewesen, sicher. Aber auch die schäbigere.

Zum Vorigen

Was sind Machtfragen und warum kann jemand die Wirklichkeit nur durch diese Brille sehen? Weil er nichts anderes hat? Weil die Sicht auf das Wirkliche auf diese eine Dimension geschrumpft ist?

Obwohl, bloß instinktiv hat er ja recht. Ich hätte es mir nicht träumen lassen, einmal den gegenwärtigen Papst Franziskus zu zitieren. Und selbst das Thema ist mir eher suspekt, aber ich kann hier auch nicht ewig nur Natur-Bilder anbringen:

„Die Gender-Ideologie ist heute eine der gefährlichsten ideologischen Kolonialisierungen, … Warum ist es gefährlich? Weil es Unterschiede und den Wert von Männern und Frauen verwischt.“ Die ganze Menschheit definiere sich über die Spannung der Unterschiede. Sie solle durch die Spannung der Unterschiede wachsen. Diese Ideologie aber verwässere die Unterschiede und mache die Welt gleich und langweilig, und das widerspräche der menschlichen Berufung. Was äußerst gefährlich sei, weil es Unterschiede beseitige, lösche es die Menschheit aus, den Reichtum der Menschheit, sowohl persönlich, kulturell als auch sozial, die Vielfalt und die Spannungen zwischen den Unterschieden.

Sehr wahr, und irgendwie auch überraschend. Wie überhaupt man zu allen Untergangsprognosen nur sagen kann, egal welcher Konvenienz. Die Geschichte geht sowieso immer anders als erwartet aus, und natürlich gibt es einen Untergang, besser Übergang. Wir nennen es die Wiederkunft des Herrn.

Was haben wir also gelernt

Noch einmal zurück zum Anlaß. Eigentlich ging es bei der ganzen scheinberichteten Erzählung um einen Verzicht. SKH Georg Friedrich Prinz von Preußen: „Ich habe daher entschieden, auf die Rückgabe von jenen rund 4.000 Kunstwerken sowie die damit verbundenen Leistungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zu verzichten. Damit möchte ich den Weg frei machen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert nach dem Ende der Monarchie.“ [ausführlich hier] 

Der Verzicht ist honorig. Aber, daß gerade bei dieser Familie so heftiger Widerstand aufbrach und immer noch besteht, was immer sie tut, gibt ebenfalls Anlaß zu überraschter Hoffnung. Das nur nebenbei.

Was lernen wir. Eine andere Wirklichkeit hat kein Daseinsrecht, wenn sie aus der konkreten Geschichte dieses Landes begründet ist. Die freiwillige Bindung an Erinnerung und Tradition ist Konterrevolution. 

All diese Dinge sind auch eine Charakterprüfung. Die Last des Wissen-Müssens tragen, das Aushalten von Ambivalenzen, Sympathien für das Größere, das Mehr, für das, was den eigenen Erfahrungshorizont übersteigt. Und vor allem, sich nicht zum freiwilligen Gefangenen des Ressentiments zu machen.

Provozierende Vornehmheit also, den verkörperten Unterschied, den in Generationen mühsam erlernten Distinktionsgewinn als eine Leistung höherer Kultur zu behaupten, die auf der Gegenseite Würgreiz hervorruft. 

Die Vergangenheit ist kein Ort der verlorenen Idylle. Niemand weiß das besser als der, der in ihr zuhause ist. Aber sie ist das, aus dem und mit dem wir uns emporzuarbeiten suchen müssen. Höhere Kultur bedarf der Vorarbeit von Generationen, sie ist ein Geflecht von Anstrengungsbereitschaft über Jahrhunderte hinweg. 

Den Schlachtruf: Wir sind alle Mollusken und stolz darauf, mögen andere genießen. 

Das Problematische an unseren linken Zeitgenossen ist, daß für sie alles eine Machtfrage ist und daß es darüber hinaus nicht viel mehr gibt. Das sich Angegriffen-Fühlen von anderen Sinnzusammenhängen, um einmal diesen verqueren Jargon zu benutzen (auffällig, wie oft neuerdings von Gefühl anstelle von Vernunft die Rede ist). Also wenig souveränes Zutrauen ins „Eigene“, was immer das sein soll, und dafür viel Auslöschungsbedürfnis. 

Aber wie gesagt, die Geschichte ist immer offen.

Mittleres Wappen Sr. Majestät des Deutschen Kaisers

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

So lange ich den Prinzen von Preußen kenne, habe ich es niemals erlebt, dass er auf irgendeine Höflichkeit bestanden hätte. Wenn wir, die wir seine Familie achten und ehren, ihre Mitglieder auf traditionelle Weise ansprechen, dann tun wir es freiwillig. Es ist dies nur ein Nachklang auf die Tatsache, dass das vormals regierende Königshaus und dieses Land unlöslich miteinander verbunden sind. Die Geschichte kann man nicht ändern. Man kann nur aus ihr lernen. Traditionsbewusstsein und Rücksichtnahme haben noch zu keiner Zeit geschadet. Neid und Umerziehung hingegen waren meist verhängnisvoll. Das nun ausgerechnet in diesem Zusammenhang das Gendern, in allen anderen Fragen der neue Heilsweg, wiederum unzulässig sein soll, lässt mich laut lachen.

Thomas Roloff