Sonntag, 14. Mai 2023

Zum Sonntag Rogate – eine Predigt

Reformationskirche in Magdeburg-Rothensee, von hier

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Das Gemeindegebet

1 So ermahne ich euch nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, 2 für die Könige und alle Obrigkeit, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. 3 Denn solches ist gut und angenehm vor Gott, unserm Heiland, 4 welcher will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen 5 Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, 6 der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, 

(1 Tim 2,1-6a)

Liebe Gemeinde,

jubelt, singt und betet. Das ist der wunderbare Dreiklang, der am Ende der Osterzeit steht. So lauten nämlich die Namen der drei Sonntage vor dem Himmelfahrtsfest – Jubilate, Kantate und Rogate. Jubelt, singt und betet. Und in einer gewissen Weise ist das Gebet der Abschluss und vielleicht sogar der Höhepunkt davon, wie wir Christen Ostern feiern, wie wir unser Leben führen.

Betet Brüder und Schwestern und ihr werdet lernen, was Beten bedeutet, dass es Sinn macht, und ohne zu beten werdet ihr es nicht lernen. Die erste Bitte des Gebetes richtet sich demzufolge immer auf das Beten selbst.

Herr, lehre uns zu beten!

Vater unser im Himmel!

Das Gebet tastet und sucht und stammelt zunächst auf ein Anreden hin. Das Gebet tastet und sucht und stammelt auf den hin, an den mein Bitten und Reden und Hoffen und Leben gerichtet ist. Selbst unsere Sprache hat sich erhoben und gebildet aus dem dringenden, drängenden und brennenden Wunsch, mit dem zu kommunizieren, aus dem die Welt geworden ist.

Gott, Herr, Vater! Dich rufen wir an.

Reformationskirche, von hier

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet. In diesem Lob, in diesem Sprechen, in dieser Hinwendung zu dem, der die ganze Schöpfung in seinen Händen hält, wird der Mensch zum Menschen gebildet. Durch den unverwandten Blick auf Gott, durch das Sprechen zu Gott und durch das Hören von Gott wird der Mensch zum Menschen und es beginnt das Lernen und es beginnt menschliches Leben.

Von Paulus lernen wir dann: So ermahne ich euch nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen.

Liebe Gemeinde,

nur durch Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung wird aus uns Menschen ein Gottesvolk. Das Gebet stiftet und bewahrt Gemeinschaft. Von Novalis stammt die Vorstellung, dass die Luft, die allen Menschen lebensnotwendig durch die Lungen strömt, so etwas ist, wie ein gemeinsames Organ. In der Schöpfungsgeschichte können wir etwas davon erahnen, dass es einen Lebensodem gibt, der uns von Gott eingehaucht wird. Wir sind eben nicht nur Individuen, wir sind auch ganz real ein Gemeinschaftswesen. Das, was uns hier umgibt, ist nicht nur etwas Physikalisches, es ist Teil unserer Lebendigkeit, denn es ist ein Teil von Gottes Schöpfung.

Auf dieses Einatmen des Lebens soll das Ausatmen des Dankens folgen. Einatmen und Ausatmen sind die Grundübung unserer Lebendigkeit. Füllt den ganzen Erdkreis mit eurem Danken und atmet die Bitte, das Gebet, die Fürbitte und die Danksagung aller Menschen und aller Zeiten. Unser letztes Atmen wird dann auch ein Dank sein.

Betet auch für die Könige und für alle Obrigkeit. Am vergangenen Wochenende wurden wir Zeugen davon, dass es auch heute noch gesalbte und gekrönte Könige gibt. Wie auch immer man dazu im Einzelnen steht, so macht uns Paulus doch deutlich, wie sehr auch sie auf unsere Fürsprache angewiesen sind.

Wir sollen für die Obrigkeit beten, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Obrigkeiten, die die Menschen beunruhigen, die Gewachsenes und Vertrautes in Frage stellen und ständig vorgeben, sie erst müssten die Welt retten, die haben offenbar nach dem Verständnis des Paulus wenig von dem begriffen, worin ihre Aufgabe liegt.

Lasst euch also durch die Aufgeregtheit der Welt nicht in die Irre führen, sondern sucht das ruhige und stille Leben in Gottseligkeit und Ehrbarkeit und im Vertrauen auf den Retter der Welt, dessen Auferstehung wir feiern.

Denn solches ist gut und angenehm vor Gott, unserm Heiland, welcher will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.

Das ist der interessanteste Gedanke für mich in unserem heutigen Predigttext. Paulus beschreibt hier einen Zusammenhang, der erst in der Erkenntnis der Wahrheit sein Ziel findet. Unser stetes Gebet, unsere ständige Erörterung mit Gott, suchen nach Wahrheit, die uns als Antwort auf unser Beten geschenkt wird.

Beten ist ein Zugewandtsein und ein von sich selbst Absehen. Beten sucht das Gegenüber und in ihm eine Vollständigkeit, wenigstens eine Vervollständigung. Der Mensch ist sich selbst nicht genug. Er richtet in die Welt durch sein Gebet sein Wort, seine Frage, seine Zweifel, seine Angst. Damit gewinnt er die Möglichkeit, dem zu begegnen, der sein Wort hört, seiner Frage antwortet, die Zweifel zerstreut und die Angst nimmt. So kann er angenehm werden vor Gott, wie Paulus es nennt.

Wir werden angenehm vor Gott und können ihm dafür danken, ihn loben und ehren von nun an bis in alle Ewigkeit.

Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.

Amen.

Thomas Roloff

nachgetragen am 15. Mai

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