Sonntag, 6. August 2023

Salomo und über die Weisheit – eine Predigt

Nicolas Poussin, das Urteil Salomos, 1649, von hier

Dieser Nachtrag ist unvermeidlich, denn Herr Roloff hat den zurückliegenden Sonntag zu Magdeburg gepredigt. Sogar zweimal. Einmal in der hier nun schon öfters erschienen Nikolaigemeinde, zum anderen in der im Gegensatz zum Schinkel-Bau DDR-modernen Hoffnungskirche; er mag sie, warum sollte ich dann urteilen. 

Das zu den Äußerlichkeiten. Worüber er zu predigen hatte, ist ganz wunderbar. Aber das erschließt sich aus dem Nachfolgenden von selbst.



Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt ist uns heute der wunderbare Text aufgetragen, in dem es um Salomos Bitte um Weisheit geht und in dem mit Salomos Urteil gleichsam die erste Frucht dieser Weisheit dargestellt ist:

Salomos Gebet um Weisheit

5Und der HERR erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts, und Gott sprach: Bitte, was ich dir geben soll! 6Salomo sprach: Du hast an meinem Vater David, deinem Knecht, große Barmherzigkeit getan, wie er denn vor dir gewandelt ist in Wahrheit und Gerechtigkeit und mit richtigem Herzen vor dir, und hast ihm diese große Barmherzigkeit gehalten und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Stuhl säße, wie es denn jetzt geht. 7Nun, HERR, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David Statt. So bin ich ein junger Knabe, weiß weder meinen Ausgang noch Eingang. 8Und dein Knecht ist unter dem Volk, das du erwählt hast, einem Volke, so groß das es niemand zählen noch beschreiben kann vor der Menge. 9So wollest du deinem Knecht geben ein gehorsames Herz, daß er dein Volk richten möge und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten? 10Das gefiel dem HERRN wohl, daß Salomo um ein solches bat. 11Und Gott sprach zu ihm: Weil du solches bittest und bittest nicht um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Seele, sondern um Verstand, Gericht zu hören, 12siehe, so habe ich getan nach deinen Worten. Siehe, ich habe dir ein weises und verständiges Herz gegeben, daß deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dir nicht aufkommen wird. 13Dazu, was du nicht gebeten hast, habe ich dir auch gegeben, sowohl Reichtum als Ehre, daß deinesgleichen keiner unter den Königen ist zu deinen Zeiten. 14Und so du wirst in meinen Wegen wandeln, daß du hältst meine Sitten und Gebote, wie dein Vater David gewandelt hat, so will ich dir geben ein langes Leben. 15Und da Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum. Und er kam gen Jerusalem und trat vor die Lade des Bundes des HERRN und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes Mahl allen seinen Knechten.

Salomos Urteil

16Zu der Zeit kamen zwei Huren zum König und traten vor ihn. 17Und das eine Weib sprach: Ach, mein Herr, ich und dies Weib wohnten in einem Hause, und ich gebar bei ihr im Hause. 18Und über drei Tage, da ich geboren hatte, gebar sie auch. Und wir waren beieinander, daß kein Fremder mit uns war im Hause, nur wir beide. 19Und dieses Weibes Sohn starb in der Nacht; denn sie hatte ihn im Schlaf erdrückt. 20Und sie stand in der Nacht auf und nahm meinen Sohn von meiner Seite, da deine Magd schlief, und legte ihn an ihren Arm, und ihren toten Sohn legte sie an meinen Arm. 21Und da ich des Morgens aufstand, meinen Sohn zu säugen, siehe, da war er tot. Aber am Morgen sah ich ihn genau an, und siehe, es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte. 22Das andere Weib sprach: Nicht also; mein Sohn lebt, und dein Sohn ist tot. Jene aber sprach: Nicht also; dein Sohn ist tot, und mein Sohn lebt. Und redeten also vor dem König. 23Und der König sprach: Diese spricht: mein Sohn lebt, und dein Sohn ist tot; jene spricht: Nicht also; dein Sohn ist tot, und mein Sohn lebt. 24Und der König sprach: Holet mir ein Schwert her! und da das Schwert vor den König gebracht ward, 25sprach der König: Teilt das lebendige Kind in zwei Teile und gebt dieser die Hälfte und jener die Hälfte. 26Da sprach das Weib, des Sohn lebte, zum König (denn ihr mütterliches Herz entbrannte über ihren Sohn): Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind lebendig und tötet es nicht! Jene aber sprach: Es sei weder mein noch dein; laßt es teilen! 27Da antwortete der König und sprach: Gebet dieser das Kind lebendig und tötet es nicht; die ist seine Mutter. 28Und das Urteil, das der König gefällt hatte, erscholl vor dem ganzen Israel, und sie fürchteten sich vor dem König; denn sie sahen, daß die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten.

1Kön 3,5-28

James Tissot, die Weisheit Salomos, ca. 1896–1902, von hier

Liebe Gemeinde,

dieser Text ist beinahe schon seine eigene Predigt und er steht in einem wunderbaren Einklang mit der gesamten Heiligen Schrift, in der die Weisheit eine zentrale Rolle spielt. Eine Gattung biblischer Bücher heißt sogar „Weisheitsliteratur“ und kreist um das rechte Verständnis dieses Begriffs, der für unser christliches Glaubens- und Weltverständnisses maßgeblich ist.

Ein Psalmwort (Ps 111,10) kann uns den Zusammenhang aufschließen: Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.

Weisheit ist Gottvertrauen. Das Wort Gottes ist die Quelle der Weisheit. So heißt es im Buche Jesus Sirach. Die Weisheit kommt uns aus dem Wort Gottes. In ihm haben wir Menschen die Quelle der Weisheit.

Und gleichzeitig hören wir bei Paulus, und dadurch wird dieser Gedanke nur noch verstärkt: Die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott.

Weisheit, die diesen Namen verdient, kommt allein von Gott her.


Der erste Teil unserer Geschichte ist ein Traumgespinnst. Man staunt, wie klar die Fragen und wie sicher und überlegt die Antworten sind. 

Das verrät uns, dass diese Geschichte, in der mit Sicherheit ein wahrer Kern eingeschlossen ist, durch die Gelehrten am Königshof in ihre Form gebracht wurde. Dadurch erfahren wir etwas über das Amt des Königs. Der König soll seinem Volk ein Vorbild sein. Er ist es, mit dem der Allmächtige verkehrt. Ihm beantwortet er Fragen. Und dann spricht er: Bitte, was ich dir geben soll!

Was alles kommt einem selber in den Sinn, wenn man einmal die Möglichkeit hätte, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen?

Darin aber liegt der Unterschied zwischen dem einfachen Menschen und einem zum König Berufenen. Er erweist sich sogar erst darin als wahrer König, dass er der Versuchung, die in Gottes Frage eben auch liegt, widersteht. So wollest du deinem Knecht geben ein gehorsames Herz, daß er dein Volk richten möge und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten?

Salomo weiß, wie tief der alte Konflikt reicht, der darin besteht, dass ein Mensch nicht König sein kann. Denn Gott ist der alleinige König seines Volkes. Einen König haben zu wollen, wie alle anderen Völker ihn hatten, wurde als Sünde angesehen und von den Propheten scharf verurteilt.

Salomo wusste darum, dass man ein Volk nicht richten und regieren kann, wenn der Beistand des allmächtigen Gottes einem nicht sicher ist.

Seine Bitte ist darum auch Ausdruck seiner Liebe zu Gott. Es ist Liebe zu Gott, von ihm alles zu erbitten und jegliches Ding zu erwarten.

Es ist Liebe zu Gott, alles in seine Hand zurückzulegen. Von Gott her ist alles und zu Gott hin wird alles sein. Das ist der Kern unseres Schicksals. Darum ist die Gottesfurcht der Beginn aller Weisheit.

Das gefiel dem HERRN wohl, daß Salomo um ein solches bat. Gott erkennt Salomo in seiner Liebe und er belohnt diese Liebe, indem er die Bitte des Königs erfüllt und ihm über sein Bitten hinaus alles schenkt, was er zu geben hat. Reichtum und Ehre, Stärke, Macht und langes Leben.

Die Liebe zu Gott bleibt dem König nicht unbelohnt. Darum kann sein Volk in ihm Halt, Trost und Sicherheit finden. Das Volk darf der Gerechtigkeit seines Königs vertrauen, denn seine Gerechtigkeit gründet in einer Weisheit, die von Gott herkommt und nicht durch menschliche Maßstäbe gefesselt ist.

Die Bitte um Weisheit, die den Menschen zur Gottesfurcht erzieht, ist Ausdruck von wahrer Gottesliebe. Sie wird dadurch zur Erfüllung des höchsten Gebotes des Volkes Israels und auch der Kirche, in der der Weg Israels sich erfüllt hat:

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.

Wir nennen dies gewöhnlich das Doppelgebot der Liebe, denn als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Genau davon gibt uns nun der zweite Teil unsere Geschichte ein eindrucksvolles Beispiel. Im Urteil des Salomo findet es Bestätigung, dass er Anteil genommen hat an göttlicher Weisheit. Es wird aber auch eine eindrucksvolle Liebe zum Menschen offenbar, denn den Menschen erkennt man am besten in seiner Liebe und die größte Liebe, die wir auf Erden kennen, das ist die Liebe einer Mutter.

Gaspar de Crayer, Das Urteil Salomos,ca. 1620 – 1622, von hier

Liebe Gemeinde,

eine kleine Abschweifung sei mir erlaubt. Wir lesen schnell darüber hinweg, dass es zwei Huren gewesen sind, die da mit einem Rechtsstreit ganz selbstverständlich zum König kommen. 

Kein Wort lässt darauf schließen, dass diese Frauen nicht als Menschen geachtet waren. Keine Geste gibt Anlass zu der Vermutung, der König sähe sich belästigt. In der gesamten Heiligen Schrift findet man immer nur größten Respekt vor der Frau. Die Geschichten der Bibel sind voll von großen Heldinnen. Und auch hier, beim Urteil des Salomo, haben wir es mit einer Heldengestalt zu tun.

Die wahre reine Mutterliebe drückt sich nämlich darin aus, dass sie von sich selbst absieht. Dass sie das ihre nicht sucht, dass sie alles gibt, alles leidet, alles auf sich nimmt, sie rechnet das Böse nicht zu. Diese Liebe hat ganz und gar den Anderen im Blick und scheut das größte Opfer nicht. Das ist heldenhaft.

Salomo erkennt dies in seinem Herzen. Er muss nur das Liebesbekenntnis entlocken. In dem Moment, da es ausgesprochen ist, da wird auch die Wahrheit überwältigend und die Mutter wird offenbar durch ihre Liebe.

In dieser Geschichte wird uns ganz das Doppelgebot der Liebe entfaltet und sie bietet uns zwei unverzichtbare, ganz menschliche Fixpunkte für ein gutes Leben, den König und die Mutter.

„Stained glass panel in the transept of St. John's Anglican Church, Ashfield, New South Wales (NSW)“, von hier

Salvator Mundi, ,1750-1775, von hier

Darum leben wir als Christen gleichzeitig, weit über unser persönliches Erleben hinaus, unter diesen beiden Fixsternen. 

Martin Schongauer, Maria im Rosenhag, 1473, von hier

Christus, der uns ein gerechter Richter, guter Herr und unser König ist und Maria, die, als Mutter des Erlösers, alles Leid trug und jedes Opfer brachte und der ganzen Welt zur Mutter wurde.

Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unseren Herrn.

Amen.

nachgetragen am 9. August

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