Samstag, 22. September 2018

Sophie Charlotte

Johann Georg Ziesenis, Sophie Charlotte als Prinzessin 
von Mecklenburg-Strelitz, ca. 1761, hier gefunden

Immerhin 3 Königinnen hat das kleine Mecklenburg-Strelitz in seiner nur wenig über 200 Jahre hinausgreifenden Geschichte hervorgebracht. Nicht, daß es jemals zum Königreich herangereift wäre (der Großherzogstitel war schon etwas hochgestapelt, aber da die Schweriner 1815 auf dem Wiener Kongreß auf der Standeserhöhung bestanden, konnte man schlecht zurückstehen), sie sind natürlich Königinnen durch Heirat geworden (wobei das Deutsche hier höflicher ist als etwa das Englische).

Von Königin Charlotte, der Gemahlin Georg III. soll die Rede sein. Ihr Bruder wurde 1753 als Adolf Friedrich IV. überraschend Regent in Strelitz (nach einigen Wirren - der Schweriner Herzog Christian Ludwig II. hatte die Vormundschaft beansprucht und schickte Truppen, bis der Bruder vom Kaiser vorzeitig für mündig erklärt worden war), da der zuvor regierende Onkel keine männlichen Nachkommen hinterließ (der Bruder dann übrigens ebenso nicht; ihr Vater war am 4. Juni desselben Jahres verstorben, so daß Adolf Friedrich noch für ein halbes Jahr bis zum 11. Dezember 1752 Thronfolger wurde).

Adolf Friedrich IV. ist durch Fritz Reuters „Dörchläuchting“ immerhin noch etwas mehr in der allgemeinen Erinnerung geblieben, wenn auch überzeichnet. Doch welcher Erinnerung darf man schon trauen? Aber wir schweifen bereits ab, bevor wir überhaupt nur angefangen haben.

Sophie Charlotte wurde am 19. Mai 1744 in Mirow geboren, ihr bereits erwähnter Vater war ein  Halbbruder des regierenden Herzogs Adolf Friedrich III., ihre Mutter Elisabeth Albertine eine geborene Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen. Diese Umstände deuteten nicht darauf, daß Sophie Charlotte einmal die spätere Aufmerksamkeit erlangen sollte, die uns heute bekannt ist  - ein kleines Herzogtum in Norddeutschland, und dann der Vater gewissermaßen einer Nebenlinie angehörend. Der Fortgang der Dinge ist oben bereits angedeutet. Mit dem Regierungsantritt des Bruders wechselte sie nach Neustrelitz.

Zu ihren Lehrern zählen der Naturforscher und spätere Stargarder Propst Gottlob Burchard Genzmer sowie Friderike Elisabeth von Grabow. Der britische Reiseschriftsteller Thomas Nugent traf sie 1766 in Güstrow und wußte zu berichten: „In Gesellschaften ist sie angenehm und herablassend, und dabei ungemein gesprächig... Sie spricht fertig italiänisch und französisch, und ihre Muttersprache mit der feinsten Kritik; auch ist sie Verfasserin verschiedener Gedichte, wodurch sie sich den Namen der deutschen Sappho erworben hat.“ Nun ja, (auf 184 Seiten) gedruckt erhalten haben sich von ihr „Freye Betrachtungen über die Psalmen Davids“, Lübeck, und Leipzig, 1752, durchaus lesbar übrigens.

Friderike Elisabeth von Grabow
„Freye Betrachtungen über die Psalmen Davids“

Warum ich das so breit ausführe? Englische Stimmen aus der Zeit ihrer Vermählung lassen verlauten, sie hätte eine sehr mäßige Bildung genossen, vergleichbar mit der der Tochter eines englischen Landedelmanns, sie habe zwar rudimentäre Kenntnisse in Botanik, Naturgeschichte und Sprachen erlangt, aber der Schwerpunkt ihrer Erziehung habe in Haushaltsführung und Religion gelegen, erst nach dem Regierungsantritt ihres Bruders sei sie überhaupt in fürstliche Verpflichtungen und die des Hofleben eingeführt worden. Man sieht förmlich die hochgezogenen Augenbrauen, während man es liest. Nur zum Nachrechnen: Anfang 1753 war sie 8 Jahre alt!

In Großbritannien wurde nach dem Tod seines Großvaters am 25. Oktober 1760 also der zukünftige Gatte von Sophie Charlotte als Georg III. König von Großbritannien und Irland sowie Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg. Der brauchte eine standesgemäße Gemahlin. Die Wahl fiel auf Sophie Charlotte, am 8. September 1761 sahen sich beide überhaupt zum ersten Mal, die Vermählung erfolgte unverzüglich. Man sollte erwarten, daß sich ein solches „Kennenlernen“ nicht unbedingt förderlich auf das weitere „Eheglück“ auswirkt, doch erstaunlicherweise war es nicht so.

Warum die Wahl auf sie fiel, ist schwer zu ersehen. Vielleicht spielte das wirklich liebenswürdige Porträt eine Rolle, das oben zu finden ist. Oder es waren politische Gründe: Mecklenburg-Strelitz war machtpolitisch zu unbedeutend, als daß von dieser Ehe Einflußversuche zu befürchten waren, außerdem war es protestantisch. Wie auch immer.

Charlottes Wappen als Königin von Großbritannien und Irland
sowie von Hannover, hier gefunden

Schon am 22. September 1761 wurden die erst 17-jährige Charlotte und der sechs Jahre ältere Georg gekrönt. Wie die Floskel so geht, ließ die Ehe sich gut an. Was, wie gesagt, überraschen könnte, denn nach den erwähnten Zeitgenossen sollte sie doch einen beschränkten geistigen Horizont haben, Georg hingegen hatte eine anspruchsvolle Erziehung genossen.

Man könnte einwenden, sie habe eben eine anziehende Erscheinung gehabt. Aber auch hier sind sich die Briten einig: Ihr Teint war dunkel und dazu kamen noch weite Nasenlöcher! Desmond Shawe-Taylor, der derzeitige Oberaufseher über die königlichen Sammlungen: „Sie war berühmt für ihre Häßlichkeit“. Ein Höfling habe einmal über Charlotte im Alter geurteilt: „Die Häßlichkeit Ihrer Majestät ist ziemlich verblaßt“. Und ab hier wollen wir die Gehässigkeiten unübersetzt lassen: Der Historiker John H. Plumb beschreibt sie als"plain and undesirable".

Sogar ihr Arzt, Baron Christian Friedrich Stockmar, habe die gealterte Königin als "small and crooked, with a true mulatto face" beschrieben. Nun lieben die Briten schroffe Urteile über andere. Der König hat sich diesem offenkundig nicht angeschlossen, was zumindest mißtrauisch gegen das Urteil machen sollte.

Andere wieder meinen, zwar sei Georg III. vom Mangel an Schönheit seiner Braut enttäuscht gewesen, mit ihrem frommen und bescheidenen Charakter habe sie aber bald für sich eingenommen. Nicht Geist, Witz und Schönheit waren es demnach, sondern Charakter und gemeinsames Interesse, die verbanden. Zu letzterem kommen wir gleich.

Allan Ramsay, Queen Charlotte with her two Eldest Sons
etwa 1764-69, hier gefunden

Eine Skurrilität wollen wir noch anfügen. Tatsächlich sieht sie auf einigen Porträts etwas, sagen wir, unvorteilhafter (etwa bei Allan Ramsay) aus als auf anderen, die es ebenso gibt. Und jetzt kommt die Pointe, nein, nicht häßlich wäre sie gewesen, sondern schwarzes Blut, das auch in ihren Adern floß, sei so zum Vorschein gekommen. Ein gewisser Mario de Valdes y Cocom will herausgefunden haben daß die portugiesische Vorfahrin Margarida de Castro e Souza (†1475) ihrerseits eine maurische Ahnin gehabt habe. Wer solche, dem Zeitgeist entkrochenen Geschichten, bebildert gar als Stammbaum, mag, darf sich das gern hier ansehen.

Nathaniel Dance-Holland  (1735–1811), 
Porträt der Königin Charlotte, hier gefunden

Immerhin räumen die scharfen Kritiker ein, daß sie sich sehr bemühte, die englische Sprache schnell zu erlernen (obwohl die engere Familie noch komplett deutschsprachig war), und eine Leidenschaft für Kunst und Musik gesteht man ihr ebenso zu (sie sang auch und spielte das Cembalo). Allerdings wäre der Musikgeschmack wie der ihres Mannes ein deutscher gewesen, Georg liebte die Musik Händels (bedauerlicherweise war der schon 1759 verstorben).

Im April 1764 erreichte der achtjährige Wolfgang Amadeus Mozart mit seinem Vater und seiner Schwester London (man ist gewissermaßen auf Europa-Tournee), von Georg III. und Königin Charlotte freundlich begrüßt. Bei einem Hofkonzert präsentierte der Bachsohn Johann Christian, seit Sommer 1762 persönlicher Musiklehrer der Königin, dem Wunderkind Werke seines Vaters, Händels und von Carl Friedrich Abel, die dieser zu allgemeinem Entzücken interpretierte und anschließend noch die Königin begleitete, die eine Arie sang. Johann Christian Bach sollte nicht ohne Einfluß auf Mozart bleiben.

Johann Zoffany,  Queen Charlotte with her Two Eldest Sons, 1765

Übrigens fällt eine der ersten Veröffentlichungen Mozarts in diese Zeit. Leopold Mozart gibt sie im Januar 1765 heraus, sechs Sonaten für Klavier und Violine, KV 10 bis 15 als „Opus 3“, die Wolfgang Amadeus der Königin Charlotte widmet. Die Königin revanchierte sich dafür mit stolzen 50 Guineen. Man höre einmal in Mozarts Sonate KV 15, um sich von einem 8jährigen überwältigen zu lassen!


W. A. Mozart - KV 15p to KV 15bb - London Sketchbook

Die Neigung zu Kunst, Musik und Geselligkeit verband also offenkundig das Paar, sowie eben tiefempfundene Religiosität und sittlicher Lebensernst (für den britischen Hochadel untypisch hatte Georg etwa nie eine Geliebte). Sophie Charlotte gebar in den ersten 21 Jahren ihrer Ehe 15 Kinder, von denen nur 2 die Kindheit nicht überlebten. Die Ehe war harmonisch, auch das ungewöhnlich.  Man führt im Kew Palace ein fast bürgerliches Leben und sorgt sich persönlich um die Erziehung der Kinder (leider nicht unbedingt immer mit erfreulichem Ausgang). Wegen dieses hausbackenen und frommen Lebensstils galt der englische Hof dafür als der langweiligste Europas.

Johann Zoffany, Queen Charlotte, 1771

Die Wohltätigkeit der Königin beeindruckt – sie begründete das Queen's Lying-in Hospital in London; Waisenhäuser, in Not geratene Musiker und arme Familien wurden von ihr unterstützt. Als Johann Christian Bach an Schwindsucht starb, kam sie für sein Begräbnis auf und stiftete der Witwe eine Pension.

Die königliche Familie ist mit ihrem Auftreten anfangs auch eher populär. Die politischen Verwicklungen der Zeit lassen wir beiseite, da sich die Königin bewußt aus diesen Dramen heraushielt, wenn sie sie auch, soweit ihre Briefe erhalten sind, privat zumindest gelegentlich kommentierte.

Benjamin West, Queen Charlotte, 1779

Charlotte hatte einen ausgeprägten Geschmack für Design und Innenausstattungen, der sich entsprechend fördernd auswirkte. Vor allem aber bemühte sie sich lebhaft um die Erweiterung der botanischen Gärten von Kew. Ihre seit früher Jugend bestehenden Interessen auf diesem Feld trugen hier also wortwörtlich die schönsten Früchte. Nicht von ungefähr also ist eine exotische Blumengattung aus dem südlichen Afrika nach ihr benannt, die der Paradiesvogelblumen – die Strelitzien (1773, von ihrem Erstbeschreiber William Aiton).

Johann Zoffany, George III, Queen Charlotte 
and their Six Eldest Children, 1770, hier gefunden

Ihr persönliches Leben hätte also in eher ruhigen, doch freundlichen Bahnen ablaufen können, aber das Schicksal wollte es anders und drängte sie in die Zurückgezogenheit. Bereits 1765 zeigte sich bei Georg ein Krankheitsbild, das man als eine Geistesstörung deutete, es war aber vorübergehend und ließ sich vor ihr geheim halten.

1788 ging dies nicht mehr, der König kollabierte und fiel für längere Zeit völlig aus, so daß man seine dauerhafte Regierungsunfähigkeit befürchten mußte. Prompt kam es zu einem sehr häßlichen Streit zwischen Sophie Charlotte und ihrem ältesten Sohn, dem Prince of Wales über die Frage einer möglichen Regentschaft, der beider Verhältnis zerrüttete. Zwar genas der König im folgenden Jahr, doch seine Gesundheit blieb fragil.

Thomas Lawrence, Portrait of Queen Charlotte, 1789

Ab 1804 verschlimmerte sich sein Zustand erneut erheblich. 1811 gab es einen Rückfall, von dem er sich nicht mehr erholte, so daß er schließlich dauerhaft für geistig erkrankt erklärt wurde, der älteste Sohn Georg übernahm die Regentschaft und Charlotte die Obhut über ihren zudem erblindeten Gatten. Da sein Verhalten sie verstörte, brachte sie es nicht über sich, ihn häufig zu besuchen, nahm ihre Pflichten im übrigen aber sehr ernst.

Wir wissen heute, daß Georg nur indirekt geisteskrank war, tatsächlich handelte es sich um die Folgen der Stoffwechselkrankheit Porphyrie, die durch die damals übliche arsenhaltige Medikation noch verschlimmert wurde. Es wäre ihm vermutlich besser ergangen, wenn er keinen Arzt gesehen hätte.

Nach dem Tod ihrer Lieblingsenkelin Charlotte verstarb sie tief resigniert noch vor ihm am 17. November 1818.

Queen Charlotte Statue, Wake Forest University
on North College Street, Charlotte, hier gefunden

Königin Charlotte sah ihre Aufgabe zuallererst darin, ihren Gatten zu stützen und sich um die Erziehung der Kinder zu sorgen. Georg III. war sicher kein unbedeutender Herrscher auf dem britischen Thron, auch wenn die letzten Jahre sehr verdüstert waren. Das darf sie sich durchaus mit zurechnen lassen.

Bei ihren Kindern sieht das überwiegend sehr anders aus. Zum Teil waren die Probleme selbst verursacht. Georg III. hatte in seiner protestantischen Sittenstrenge 1772 ein Königliches Heiratsgesetz durchgesetzt, das vorschrieb, daß kein Nachkomme vor dem 25. Lebensjahr heiraten durfte ohne die Einwilligung des Königs, und auch dann nur Prinzen und Prinzessinnen protestantischen Glaubens. Daher flüchteten sich die meisten seiner Kinder in Geheimehen und Liebesaffären oder blieben unverheiratet. So wurde Königin Charlottes Hof zuletzt auch als "Nonnenkloster" tituliert. 1790 hatte die Königin Frogmore House erworben, eine halbe Meile südwestlich von Schloß Windsor. Hier ging sie mit ihren Töchtern botanischen Studien nach, suchte Ruhe zu finden von der Belastung durch die Krankheit des Königs und Erholung für ihr verständlicherweise stark verdüstertes Gemüt.

Schlimmer war, daß sich ihre Söhne, vor allem ihr ältester Sohn Georg, Prinz von Wales, als herbe Enttäuschung erwiesen. Obwohl letzterer nicht unbegabt war, erschien er doch ausgesprochen charakterlos, seine zahllosen Affären und Haltlosigkeiten schadeten der Monarchie so sehr, daß man später zeitweise um ihren Bestand fürchten mußte. 1812 war er einer Zeitung folgende Beschreibung wert: ein „Wortbrüchiger, ein bis über die Ohren verschuldeter und mit Schande bedeckter Wüstling, ein Verächter ehelicher Bindungen, ein Kumpan von Spielern und Halbweltgestalten, ein Mann, der gerade ein halbes Jahrhundert vollendet hat, ohne den geringsten Anspruch auf die Dankbarkeit seines Landes oder den Respekt nachfolgender Generationen verdient zu haben“!

Dies traf wortwörtlich auch die Königin, schon 1796 wurde ihre Kutsche mit Steinen beworfen, 1817 wurde Charlotte vom Londoner Pöbel ausgebuht, obwohl sie sich zurecht schuldlos fühlen mußte. Worin mag sie Trost gefunden haben, wahrscheinlich in ihrem Glauben:

„ Ach, wie viele unerkante Wohltaten genießet nicht ein jeder in seinem Stande. Die meinigen wünschte ich völlig erkennen zu können, zu dem grad der Perfection kan ich aber Menschlicher weise nach nicht hinreichen. Durch Gottes beystand aber hoffe ich aber mich eines guten Gewißens zu befleißigen. Daß ist eine Zufriedenheit die mir zwahr die Welt nicht geben kan, aber auch zu meinem unendlichen Troste nicht benehmen kan. Ich versichere Sie, lieber Bruder, bei meiner Ehre, daß ich jeden Tag, den ich in dieser Welt verbringe, mehr und mehr entdecke, daß die Königskrone und der Titel Majestät den Vergleich mit dem eines Christen nicht aushalten. Der letztere liefert mir nicht nur sondern befiehlt mir auch die Pflichten der Menschlichkeit zu erfüllen. So weit es den ersten angeht, welche Illusion, lieber Bruder!“

Paradiesvogelblume (Strelitzia reginae)

Was bleibt also von ihr? Bilder, Filme, Namen, Gärten, schöne Erfindungen und Erinnerungen und der Name einer Blume, nicht zu vergessen, ach so wenig ist das gar nicht.

Harare, Zimbabwe, hier gefunden

nachgetragen am 26. September

Montag, 17. September 2018

Sonntags-Nachträge











Der letzte Sonntagsspaziergang, der eher eine -fahrt war, ist unvollständig geblieben, und so sollen ein paar der Bilder nachgeholt werden. Wir beginnen mit dem Parkhaus, das unser letzter, unglücklicher Großherzog für sich erbauen ließ. Ich schaue dort gern hin und wieder vorbei, ob es denn noch steht oder etwa nicht gar heimlich nach China entführt wurde (oder so), bei diesem Gebäude kann man sich da nie ganz sicher sein. Es steht also noch. Bei dem anderen abgebildeten Bauwerk in der Parkstraße befallen einen da allerdings leise Zweifel, ob dieser Zustand noch lange andauern wird.

Vom Zierker See kommend erfreute ich mich zuvor an der Rückseite des Marstalls mit seinem Strelitzer Landes- und Herzogswappen, eines der schönsten, das noch in Neustrelitz erhalten ist. Und wo wir eben beim Erfreulichen sind, auch die wiederhergestellte Mauer am Prinzengarten strahlte ganz wunderbar in der Spätsommersonne. Die Figuren am Landestheater schauten gewohnt dramatisch. Es hatte also alles seine rechte Ordnung.

Bei den letzten beiden Bildern verläßt einen dieses Gefühl leider schon wieder. Offensichtlich  hat der Residenzschloßverein, der am Tag des offenen Denkmals auf dem Schloßberg an das verlorene Schloß erinnerte, diese beiden Plakate dort vergessen, was eine läßliche Sünde sein sollte.

Aber jetzt müssen wir kurz zum vorigen Sonntag zurückkehren. Begonnen hatte ich mit Bildern vom wundervoll restaurierten Hirschtor (bis 1826 nach Plänen von Friedrich Wilhelm Buttel errichtet, die beiden Bronzehirsche sind von Christian Daniel Rauch), um dann nach dem Pulverturm zu schauen, ob der noch stehe. Nun ja, teilweise. 1811 von Wolff erbaut, war es einmal ein „schlanker geputzter Rundbau mit spitzbogigen Blendnischen und mit Holzschindeln gedeckter Spitzkuppel“. Da der Tiergarten zuerst der Jagd diente, ist sein namensgebender Ursprungszweck leicht ersichtlich.

Und jetzt steuern wir auch schon dem unerfreulichen Ende beider Beiträge zu, sowohl des vom vorigen als auch von diesem Sonntag. Denn was man auf dem älteren Beitrag sieht, sind offenkundig Reste der Schloßfassade. Wie das? Eine Neustrelitzerin hatte sie am Morgen zufällig auf einem nahe gelegenen Schuttberg entdeckt, sie dort herausgeklaubt und am Stand des Residenzschloßvereins abgelegt...

Immerhin klärt uns einige Tage später ein Zeitungsartikel auf: „Schloss taucht stückweise aus dem Boden wieder auf“. Demnach seien auf dem Schloßberg in Neustrelitz Reste des Schlosses gefunden worden. Bei den Sanierungsarbeiten auf dem Parkgelände wären „verzierte Steine in kleinem und größerem Ausmaß“ zum Vorschein gekommen. Mitarbeiter der Gartenbaufirma Anschütz tauschten nämlich derzeit im Schloßgarten den Mutterboden für neue Pflanzen und Rasen aus. Archäologen des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege hätten ein Auge auf die Schloßreste. (Wie auch immer das praktisch aussehen mag.) „Teile der Fassade?“, fragt der Artikel. Noch sei nicht klar, um welche Teile des Schlosses es sich genau handele und was mit den Überbleibseln passieren solle.

Vielleicht einfach auf den Haufen zurückwerfen? Doch in der Tat ist der Schuttberg mittlerweile kleiner geworden. Wir werden weiter aufgeklärt: Die Funde, auf den ersten Blick Teile der ehemaligen Fassade, lagere die Firma Anschütz vorerst auf ihrem Betriebshof ein. Immerhin. Warum sollte der zuständige Landesbetrieb für Bau- und Liegenschaften auch ausgerechnet beim Neustrelitzer Schloß eine übertriebene Sensibilität an den Tag legen? Ich breche hier besser ab.

Warum hängen viele Neustrelitzer immer noch an einem Bau, der lange verloren ist? Wozu braucht ein Mensch ein Schloß. Vielleicht weil sich für sie in ihm auch ein Sehnsuchtspunkt sammelt all der verlorenen Orte, die ein Mensch mit sich umherträgt? Eine Art von Heimat.

Sonntag, 16. September 2018

Sonntags am Zierker See &









Erläuterungstext

Ich will nicht wieder die Bilder so frei im Raum stehen lassen. Obwohl ich das bevorzuge, denn Stimmungen zu kommentieren, hat etwas von einem zu Tode erklärten Gedicht. Andererseits mag ein wenig Kontext hilfreich sein, also folgt ein Kompromiß, was immer eine halbgare Sache ist.

Da ich diesmal meine übliche Sonntagsmüdigkeit zeitweise überwinden konnte, suchte ich am Nachmittag die Zierker Dorfkirche auf, das erklärt schon mal die ersten Bilder. Zum 2. nur soviel, sie haben dort ein Photo von der älteren Innenausstattung gefunden, dafür, daß es jetzt in einem halbdunklen Vorraum hängt, sieht man auf meiner Aufnahme erstaunlich viel, zumindest bekommt man eine Ahnung.

Weiter geht es um den Zierker See. Auf Höhe der Weißen Brücke erkennt man den doch bedenklichen Wasserstand. Dafür war man am Chinesischen Pavillon recht lebhaft, der jetzt zu einem Café verwandelt ist. Wo wir schon einmal an der Brücke sind...

Die dort gerade entstehende Wohnanlage nimmt langsam Formen an, der eine Mehrgeschosser sieht äußerlich recht fertig aus, den anderen mag man sich entsprechend vorstellen. Wie die 11 Einfamilienhäuser einmal aussehen werden, kann man dem Exposé hinreichend entnehmen. Ich habe dort überhaupt nur hineingeschaut, weil ich wissen wollte, was aus dem anmutigen Türmchen (ein übrig gebliebener Schornstein, soweit ich mich erinnere) werden soll.

Aber das aufwendige Dokument schweigt dazu. Es beginnt zwar mit einem schnittigen Schinkel-Zitat: "Die Architektur ist die Fortsetzung der Natur in ihrer konstruktiven Tätigkeit.” Dafür verbleibt es dann sehr technisch und verzichtet etwa auf ambitionierte Eigenbeschreibungen der ästhetischen Ansprüche des Vorhabens. Bekanntlich wird dort üblicherweise gern die Art von Originalität nachgeholt, die dem Vorhaben abgeht. Dem ist hier nicht so, das ist immerhin zu loben, die Simulationen verschaffen einen Eindruck, der, nun ja, auch recht nett ist, und das ist durchaus freundlich gemeint.

Aber es könnte eben so auch genauso in Singapur stehen. Bei einer Turmvilla weiß man, oh Persius und Potsdam, und freut sich. Aber man schaue selbst, immerhin werden die Bewohner ja auf der einen Seite auf den See mit der Weißen Brücke davor schauen können und auf der anderen auf diesen charaktervollen schmalen Turm, hoffentlich.

Teil 1, nachgetragen am 17. September