Sonntag, 25. November 2018

Über den Trost der Dinge und auch die Ewigkeit

Busto ritratto di Antinoo. Galleria Estense, Modena.


Der November drängt so sehr das Gedenken der Toten auf und es ist ein wahrlich zwiespältiges Erinnern. Denn wie eindrückliche Menschen sind einem begegnet und wieder verhüllt worden, daß man ihr Andenken nicht mit Worten verunstalten mag. Aber vielleicht werde ich in der Ewigkeit Nicolás Rackiewicz aus Argentinien, einem Ort, den er vom Innersten haßte, mit Maria Wandelt bekannt machen können. Das wäre schon was.


G.F Händel, Allor ch'io dissi addio, Roberta Invernizzi

Seit jenem Sonntag also, der jetzt Ewigkeitssonntag heißt, kreisen meine inneren Gedanken um dieses Thema, und ja, wie sagt man es, sie „behinderten“, das ist falsch, sie hielten anderes zurück. Und auch das sollte irgendwann enden. Warum nicht jetzt? Als Abbreviatur.

Die Dinge also. Es ist ein verbreitetes Vorurteil gegen sie, daß sie vergehen würden, wieso so? Die Verächtlichung-Machung der Schöpfung ist der Kern des Bösen. Gewalttätig gegen ihre Ratio, also die Ordnung, ihre Wahrheit; die Wirklichkeit überhaupt. Ein Beispiel davon im Sing-Sang der Bedeutungslosigkeit. Denn man kann vom Schönen nur sorglos reden, solange man abwehrt, was einen nicht beflecken darf:

"Aber diese Leere empfinde ich als Versprechen. Also ich denke mir, jede Form von Aufladung dieser Leere ist heute zum Scheitern verurteilt, eben weil die Gesellschaft so pluralisiert ist. Die einzige Hoffnung, die wir haben, ist, daß wir auf ein Wir rekurrieren können, das leer bleibt. Weil nämlich diese Leere die einzige Hoffnung ist, unter der wir uns in unserer Vielfalt so versammeln können, ohne diese Vielfalt aufgeben zu müssen."

Das Schöne ist die Ewigkeit, jedes Stück davon. Die Dinge von Schönheit sind… Charlatanhafte Charaktere werden davon angezogen und werfen sie sich in ihrer Dürftigkeit gern über als genialischen Mantel.

Das ist das andere also. Genug davon.

Man begegnet oft dem triumphierend (worüber eigentlich?), zumindest betulich affirmierend vorgetragenen Urteil: ‚Alles sei vergänglich‘. Die Dinge sind immer in Gefahr, aber sie trösten auch. Denn sie sind Teil der Ewigkeit, sie sind die wundervollste Frucht des Leidens an der Vergänglichkeit. Da sie in die Ewigkeit hineinragen.

Auch Fortschritte im Religiösen sind mit Opfern erkauft: Als den alten Juden eingebläut wurde, daß das Göttliche nicht hinreichend in der lebendigen Natur zu finden sei, geriet ihnen das alberne Bilderverbot zupaß und später kam irgendwann dann davon die Askese auf und noch später schlug man Venus-Statuen die Köpfe ab.

Eine der Quellen meines Mißtrauens war immer, daß die größten Eiferer, ob ägyptische Mönche oder calvinistische Bilderstürmer gerne Dinge zerstörten. Da gibt es einen kleinen Webfehler in der Tradition. Einer der nebenher laufenden Grundsätze christlichen Denkens ist, daß Gott aus seiner Schöpfung erkannt werden könne, nur als Anfang, aber immerhin.

Wenn er sich aber inkarniert hat, dann hat er auch die Schönheit der Dinge hervorgerufen, sich dieser Schönheit ausgeliefert, ist ihr Wesen. Man kann sich nicht inkarnieren, sprich ausliefern, und anschließend fröhlich den eigenen Untergang feiern. Wie kann man dann den Satz tröstlich finden, daß eh alles vergänglich sei. Wie kann sich Gott in etwas hinein offenbaren, das er für wertlos hält, auch nach seiner Inkarnation, mit dem er sich gewissermaßen gemein gemacht hat. Das Vergehen der Dinge müßte ihn dann doch persönlich angehen.

Gott aber zerstört nicht seine Schöpfung, er stellt sie wieder her. In jedem unbegrenzten Augenblick von Schönheit wohnt die Präsenz des Ewigen. Darum kehrt auch im Verfall die Schönheit in die Ewigkeit zurück, sie mag vergehen, aber nur für uns. Wir aber können, wenn wir uns über den Verlust von schönen Dingen grämen - und wie viel hat unsere Heimat, dieses alte Reich nicht verloren – uns nur in diesen Strom stellen, der uns zur Quelle der Schönheit zurückträgt, in dem alle Dinge geborgen sind, zu Gott.

Und da das hier ja eine persönliche Ecke der Welt und keine Tageszeitung ist oder so etwas Schreckliches...


Als ich jemandem vorklagte, ich wüßte nicht, was schlimmer sei, die Schlaflosigkeit, die unvorbereitet einfallenden Müdigkeits-Attacken oder die reichlich illuminierten Albträume, wenn es denn doch zum Schlaf kam, und er mir vorschlug, so etwas Interessantes müsse ich doch aufschreiben. Nein. Ich bin schlicht froh, wenn es vorbei ist.

Eine Ausnahme, weil es so rührend banal daherkommt. Man muß Neustrelitzer sein, um das mit dem inneren Auge sehen zu können: Also wenige Schritte von der Tiergartenstraße entfernt (im Rücken das ehemalige Amtsgericht), weiter hinten ragte die Seitenfront der Schloßkirche empor, erhob sich ein runder Tempel, der einen Brunnen umfing. Als ich aufwachte, fing ich pedantisch an, die Säulen zu zählen, waren es acht oder waren es 12? Mein Gott, es war ein Traum.

Unter der Kuppel eine aufrechte Frauengestalt, von der man sofort wußte, daß es die Hl. Jungfrau war, obwohl keinerlei Attribute beigegeben. Unter ihr 4 Engel, damit beschäftigt, 4 Drachen zu beherrschen, aus deren bedrohlich aufgerissenen Mäulern das Wasser ins Brunnenbecken floß. Die Jungfrau war in Verbindung mit allem, sie streckte ihre Hände ermutigend den Engeln entgegen, die ihrerseits mit Blicken und Gesten auf sie achteten.

Um den Tempel war ein kleiner Rosengarten.


So jetzt habe ich das einmal aufgeschrieben und kann künftig zur Abschreckung darauf verweisen. Eine gesegnete Nacht und einen ebensolchen Tag.

Starnberg, Marienbrunnen. 1912 
vom Apotheker Vinzenz Gresbek gestiftet, hier gefunden

nachgetragen am 6. Dezember

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