Sonntag, 24. Februar 2019

Über Großherzog Georg und die Ewigkeit der Bäume

in einem Strelitzer Flur gefunden

Unter meinen alten Buchen,
Die wie Himmelssäulen stehn,
Möchte ich Dich, o Ruhe suchen,
Möchte den Himmel wieder sehn,

Wie er durch die dunklen Äste,
Zwiefach schön und her erscheint,
Dann seh' ich gewiß das Beste
Erd und Himmel eng vereint.

Wenn des Mittags glüh'nde Schwüle,
Alles lähmt und schier verdorrt,
Fächelt balsamreiche Kühle
Hier noch unverändert fort.

Nur die Wipfel säumt die Sonne,
Bildet gold´ne Sterne dort.
Schönes Spiel, das ich mit Wonne
Seh´ vom schattenreichen Ort.

Dies Gewölbe mir ersetzen,
Kann nicht Mailands hoher Dom.
Ja, so spricht zu meinem Herzen
Selbst St. Peter nicht zu Rom.

Nichts Vollkommnes kann entspringen
Aus der Sterblichen Verstand,
Dir Natur kann's nur gelingen,
Denn in Dir schafft Gottes Hand.

Georg, Großherzog von Mecklenburg-Strelitz
„Bei der Erinnerung des Buchenwaldes bei Lüttenhagen“


Als ich zufällig auf dieses bemerkenswert präsentierte Gedicht des Großherzogs stieß, war ich gewissermaßen doppelt überrascht, ich kannte es nicht. Daß es mit den „Heiligen Hallen“ zu tun haben könnte, ahnte ich zunächst mehr. Ein Ort, den ich aus unerfindlichen Gründen nie bewußt aufgesucht habe (da ich als sehr junger Mensch öfters in der Feldberger Gegend unterwegs war, vielleicht einmal unbewußt).

Inzwischen weiß ich also, sofern man etwas zuverlässig wissen kann, daß es tatsächlich von unserem Großherzog stammt und teilweise durchaus beliebt ist, etwa bei Betreibern von Friedwäldern und anderen Esoterikern, nun, nicht nur, aber wir brechen hier besser ab.

"Heilige Hallen", hier gefunden

Die „Heiligen Hallen“ sind gewissermaßen ein gewesenes Naturdenkmal. Großherzog Georg stieß auf einen Buchenwald, dem er nicht nur die um 1850 entstandenen obigen Verse widmete, sondern den er auch „für alle Zeiten“ unter seinen Schutz stellte. Er muß ihm wie ein Dom aus Bäumen erschienen sein, mehr noch, als ein vollkommenes Bild der Ewigkeit, als ein heiliger Ort.

Aber auch dieses Bild der Ewigkeit hat einen Anfang. Als Folge des 30jährigen Krieges wurde eine Siedlung aufgegeben und an der Stelle entstand ein Buchenwald. Dendrochronologische Untersuchungen datierten die ältesten Bäume auf etwa 1653, lese ich. Daß in dieser Zeit viele Orte aufgegeben werden mußten, kam wenigstens dem Wald wohl öfters zugute. Ich weiß nicht mehr, wo ich es einmal gelesen habe, aber mir hat sich die zeitgenössische Bemerkung eingeprägt, ‚man habe meilenweit keinen Baum gefunden, um jemanden daran aufzuknüpfen‘.

Seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde das Waldgebiet zum Totalreservat, 1993 erweiterte man dieses von 25 auf 65,5 Hektar. Ich lese weiter, die Bäume hätten seit den 50ern ihre Reifephase überschritten und nunmehr herrschten Zerfall und Verjüngung. Mit anderen Worten, die alten Bäume stürzen nach und nach, und so wird aus den „Heiligen Hallen“ ein gewöhnlicher Buchenwald, mit gewissem Urwaldcharakter.

"Heilige Hallen", hier gefunden

Das Gedicht erwähnt zwar das Wort „ewig“ nirgends, beschwört aber doch dessen Bild, einen Ort, in dem Gottesnähe spürbar wird. Und indem er ihn „für alle Zeiten“ unter Schutz stellen will, schleicht sich doch eine gewisse Ewigkeitserwartung ein. Als könne man den Augenblick, der ihn so überwältigte, konservieren. Denn das Wort „Vergänglichkeit“ kommt ebenso wenig vor. Die ewige Natur ist tatsächlich sehr veränderlich.

Hat dieser Wunsch noch eher etwas Unschuldiges (anders als etwa das derzeitige Glaubensgespenst, man könne das Weltklima gewissermaßen einwecken), ist die 2. Pointe schon vertrackter. Wenn man nicht nur an diesem Ort einen Zustand wiederherstellen will, der vermutlich zuletzt vor 700 – 800 Jahre vorherrschend war, man lege mich nicht auf die hundert Jahre fest, sehnt man sich auf andere Art einen Idealzustand herbei. „Sekundäre“ Urwälder, die nachgeholte Konservierung eines „Urzustandes“ (wo vermutlich alles gut und vor allem ohne Menschen war). Und dies alles in einer kurios technokratischen Sprache, die in weitester Spannung zu ihren innersten Intentionen stehen dürfte, auf die ich nicht weiter eingehen mag.

Aber inzwischen glaube ich, der Herr hat uns die Wirrnis dieser Zeiten so exzessiv vor Augen gestellt, damit wir in besonderer Weise weise werden dürfen. Nicht, daß Er uns deswegen gefragt hätte. Aber ich schweife ab.

Neustrelitz, Schloßkirche, Empore

Wie entgeht man dem Trügerischen der Vertrautheit. Wie überlebt man den Verlust und die Vergänglichkeit? Wie findet man den archimedischen Punkt, der alles Vorübergehende zurechtweist?   Auch das Holzwerk der Schloßkirche, die vom selben Großherzog erbaut wurde, der den Buchenwald unter Schutz stellte, war einmal Wald. Wo Natur und menschlicher Geist sich begegnen und eine Gestalt erschaffen, die auf Größeres verweist, wachsen Natur und Menschengeist über sich hinaus und gewinnen trotz aller Vergänglichkeit bleibenden Anteil am Ewigen.

Hat unser Großherzog also die Zutraulichkeit im Falschen gesucht. Nein denke ich, er stieß auf die Zeichen der Ewigkeit und beschrieb sie. Alles andere ist Deutung.


nachgetragen am 4. März

2 Kommentare:

naturgesetz hat gesagt…

When I am preparing parents for the baptism of their first child, I quote Father Jurgen Liias: "A sacrament is a guaranteed encounter with God." But, as he said, this acknowledges that there can be, and are, other encounters with God. Since God is always present, all that is necessary is for us to realize his presence. Often it can be the beauty of nature, as with Grand Duke Georg's beech forest.Although everything earthly is subject to change, the changing forest also endures, and can always help us know eternity.

MartininBroda hat gesagt…

And not to forget "For the invisible things of him from the creation of the world are clearly seen, being understood by the things that are made, even his eternal power and Godhead; so that they are without excuse." :)