Sonntag, 12. Mai 2019

Sonntag Jubilate – Bach & unbekleidete Jünglinge

Johann Sebastian Bach, „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“, 
Kantate BWV 12, hier gefunden

Üblicherweise ist sein Programm ja nahezu so auferbauend wie die Predigt einer neu-protestantischen Geistlichen, die zwar nicht an die leibliche Auferstehung unseres Herrn zu glauben vermag, und neben dem meisten anderen auch an sonst nicht viel, dafür aber ganz doll an die Hl. Greta Thunfisch. Das erträgt man rein körperlich nicht viel über eine halbe Stunde. Aber es gibt erfreuliche Ausnahmen, ich spreche über den Deutschlandfunk.

Ohne diesen wäre mir etwa diesen Sonntag völlig entgangen, daß schließlich Johann Sebastian Bach für Jubilate die wunderbare Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ BWV 12, geschrieben hat, zu hören war sie in der Stunde Geistlicher Musik (sie ging bis 7.00 Uhr, der Link lohnt sich, es erweist sich als wahre Fundgrube).


Wir sind beim 2. Teil meiner obigen Ankündigung. Von Neustrelitz‘ vergangener Pracht ist immerhin auch der Schloßgarten übriggeblieben. Dessen Mittelachse nimmt langsam wieder Form an.

Und nun ist die sog. Ildefonso-Gruppe zurückgekehrt, mit Marmorsäulen zur rechten und zur linken Seite, die zur rechten sozusagen als Original, die andere als Kopie. Zurück ist sie zwar schon etwas länger, aber das Umfeld ist inzwischen aufgeräumter, und wenn ich auch halb ins Gegenlicht photographieren mußte, wie um diese Tageszeit hier üblich, war es dennoch irgendwie gnädiger, das Licht. Daher die Bilder.


Ildefonso-Gruppe ist natürlich der Name des Originals, das heute im Prado in Madrid zu finden ist. Aus der Zeit des Hadrian stammend, weiß man von ihm wieder seit dem frühen 17. Jahrhundert, bis 1839 stand es im Schloßgarten von La Granja de San Ildefonso bei Segovia, daher der Name.

Wen die Figuren eigentlich darstellen, darüber wurde viel gerätselt. Für Winckelmann war es Orest und Pylades, für Lessing Hypnos und Thanatos, also Schlaf und Tod (man kann das länger hier finden). Originell fand ich die Idee des sich auf seinen Todesdämon lehnenden Antinous und auch interessant, da der linke Jüngling der Figurengruppe seinen Kopf durch den Bildhauer Ippolito Buzzi 1623 wiederbekam, wobei dieser einen antiken Kopf des Antinous verwendete. Das spricht für dessen Stilsicherheit, denn schließlich war dieser der Liebling des Kaisers Hadrian. Wie auch immer. Sollten es die Dioskuren Castor und Pollux sein, wollen wir noch schnell nachliefern, welche Bewandtnis es mit denen auf sich hat.


Kastor und Polydeukes (so die griechische Form des Namen) waren beide Söhne der Leda, nach vorherrschender Meinung Halbbrüder, Kastor hatte zum Vater deren Gatten Tyndareos und war somit ein Sterblicher, während Polydeukes als Sohn des bekannten göttlichen Schwans eben Unsterblichkeit besaß. Die Dioskuren nahmen als Angehörige der Argonauten an der Suche nach dem Goldenen Vlies teil, sie begleiteten Herakles zu den Amazonen. Das ist jetzt nicht gar so aufregend.


Aber die Geschichte um den Tod beider, die ist recht rührend. Kastor starb im Streit mit seinem Cousin Idas, der wurde darauf von Zeus mit einem Blitz erschlagen. Das ist nicht der rührende Teil, sondern: Der trauernde unsterbliche Polydeukes bat darum, die Unsterblichkeit zu verlieren, um bei seinem Bruder Kastor in der Unterwelt sein zu können.

Der gerührte Zeus stellte ihm die Wahl: Ewige Jugend unter den Göttern oder den täglichen Wechsel zwischen Totenreich und Olymp, so daß er einen Tag mit Kastor im Hades und den anderen mit den Göttern im Olymp verbringen würde, dabei aber altern und endlich sterben. Polydeukes wählte den Tod und das Wandern.

Das Kunstwerk war ausgesprochen beliebt, ist daher vielfach kopiert worden, am liebsten als Garten- oder Brunnenfigur. Neustrelitz ist da in bester Gesellschaft etwa mit Charlottenburg, Versailles, Neapel oder Drottningholm.

Schloß Charlottenburg, Belvedere

Die Charlottenburger Variante wirkt etwas derb, die Neustrelitzer ist natürlich auch züchtiger, aber die Nachschöpfung des Briten Joseph Nollekens gibt den Geist des Originals wirklich wundervoll wieder.

Joseph Nollekens, Castor und Pollux

Was sehen wir eigentlich? Nun das Bildprogramm ist wirklich etwas mysteriös. Der eine Jüngling hält mit der rechten Hand eine Fackel zwischen beiden gesenkt und mit der linken eine hinter der Schulter, während der andere, den linken Arm auf dessen Schulter legt und auf eine  Scheibe in seiner rechten Hand schaut. Als Deutung wird angeboten, er gieße ein Trankopfer auf den girlandenumkränzten Altar vor ihnen, auf dem sein Begleiter eben die Fackel löscht, ein Zeichen des Todes.

Neben beiden steht gewissermaßen als Pendant zum Altarstein eine kleine Kore, wahrscheinlich stellt sie Persephone dar.

Wem‘s konveniert, auch noch die rückwärtige Ansicht.

Joseph Nollekens, Castor und Pollux


Die Tristesse, die hier noch mehr vorherrschte, weicht also Tag für Tag der Hoffnung, für den Schloßgarten. Und wenn das nichts ist.

nachgetragen am 14. Mai

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