Samstag, 12. Oktober 2019

Bei Land - Baumeister Buttel II


Friedhöfe sind ein Gedächtnis des Ortes. Weniger der Namen, die allgemein schnell unverständlich werden, aber woran die Bewohner Gefallen fanden, was dem Gestalt gab, das ihnen bedeutend schien, was sie tröstete, ihnen Halt gab, worauf sie hofften. An der Hohenzieritzer Straße findet sich der dem Neustrelitzer bekannte Friedhof, den man vielleicht nur den Neuen nennen sollte, um wenigstens im Namen noch an den alten zu erinnern.

Der alte lag am Ende der Strelitzer Straße, begrenzt des weiteren von der Friedrich-Wilhelm- und der Augustastraße, und so sehr sich in dem jetzigen Kultur-, Lebens- und Geistesgeschichte der Bewohner dieser Stadt vielfältig ablesen lassen - es fehlen uns gute 100 Jahre. Denn geweiht wurde dieser 1769 (es war schon der 2.), genutzt wegen Platzmangels nicht viel über die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts hinaus, zuletzt in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Urnenfriedhof.

Er kam nach dem Bau (ab 1843) und der Erweiterung (ab 1859) der Infanteriekaserne in der Strelitzer Straße auch zunehmend in Bedrängnis, verblieb aber in zurückgenommener Form als Park mit alten Monumenten und barocken Grabdenkmalen und vor allem der Zesterfleth-Kapelle ein stimmungsvoller und geschichtsversunkener Ort. Bis 1945 dann das andere kam und der Ort verschwand.

In der Nr. 89 des Carolinums kann man in einem Aufsatz von Annalise Wagner nachlesen, was dort verloren gegangen ist. Und das übrig gebliebene letzte lädierte Mausoleum sieht man unten im Bild.

Zesterfleth-Kapelle (1945 abgerissen)




Jetzt wären wir auch schon auf dem neuen Friedhof. Annalise Wagner, von der eben die Rede war und deren Name in Neustrelitz noch des öfteren fällt, ist dort begraben. Dieser Friedhof wurde angelegt, als, wie schon erwähnt, der alte zu klein wurde. 1849 erwarb die Kirchenökonomie ein Stück Land von der Forstverwaltung, das von Kiefernwald bestanden war.

Großherzog Georg gab die Mittel, um das Gelände einzuebnen und mit einer filigranen Backsteinmauer einzufrieden und von der damaligen Neubrandenburger Chaussee abzugrenzen. Im 4. Bild des vorigen Beitrages (ich hatte dort erläuternde Nachträge versprochen, es hat etwas gedauert) kann man sie im Hintergrund finden. Die Mauer, wie die 1852 vollendete und ebenfalls vom Großherzog gestiftete Friedhofskapelle, stammen von Buttel, geweiht wurde der Ort bereits 1851.

Auch zu diesem Friedhof hat Frau Wagner selbstredend etwas geschrieben, in der 80. Nr. des Carolinums ab Seite 18 nachzulesen.


Diese beiden Bilder erinnern an zwei bedeutende Neustrelitzer Gestalten, die sich um die Bewahrung des Strelitzer Erbes Verdienste erworben haben. Einmal Walter Karbe, der große Erforscher der Geschichte dieser Region, dessen letzter, vergeblicher Kampf der um den Erhalt der Mecklenburg-Strelitzschen Landesbibliothek war († 25. Oktober 1956).

Der zweite Name ist der des Konrad Hustaedt († 17. Oktober 1948) Autor, Forscher, Kunsthistoriker und Konservator des Mecklenburg-Strelitzschen Landesmuseums.


Geht man durch die langgezogenen Alleen des Friedhofs, wandert man wie durch ein Geschichtsbuch. Und wem die hiesige Geschichte etwas sagt, der stößt immer wieder auf bekannte Namen, und kann sich an unbekannten Familiengräbern aus den Inschriften doch wenigstens ein wenig an Geschichten erschließen. Er stößt auf die Trauer um Gefallene oder die Verzweifelten von 1945 und ganz am Ende auf einen Gefallenenfriedhof, der sich mit seinem zentralen Monument etwas merkwürdig ausnimmt.

Nicht des Namens von Großherzog Adolf Friedrich VI. wegen natürlich - das Denkmal wurde also noch im Kriege angelegt - oder überhaupt der Inschrift wegen, sondern diese Form eines gewissermaßen gesprengten und wieder zusammengefügten großen Findlings wirkt auf mich etwas gespenstisch. Wie auch immer. Auch Soldaten nichtdeutscher Herkunft sind dort übrigens beigesetzt.






Auf dem Weg zurück zum Eingang und zur von Friedrich Wilhelm Buttel erbauten Friedhofskapelle kommen wir an seinem eigenen bescheidenen Mausoleum vorbei. Das auf dem nachfolgenden Bild, am Ende der Allee, ist übrigens das seines Sohnes, des Bürgermeisters Hermann Buttel.

Das Lebensende des für unser Land so prägenden Baumeisters ist von seinem Freitod überschattet. Am Ende war er der Bürde seines Lebens nicht mehr gewachsen - Arbeitsüberlastung, gleichzeitige gesundheitlichen Einbußen (er war deutlich über 70 und hätte längst pensioniert werden müssen), familiäre Belastungen, der Verlust seiner Frau nach langer Krankheit, an seinem großen Werk, der Schloßkirche, waren die von ihm befürchteten Bauschäden aufgetreten – so warf er diese Bürde selbst ab.

Aber wie viel Schönes hat er uns bleibend hinterlassen, in Neustrelitz die Schloßkirche vor allem, aber auch die von ihm umgebaute Orangerie, Fürstenberg, die Klosterkirche in Malchow, die Dorfkirche in Liepen, viele andere Dorfkirchen... Allein eine Liste seiner Bauten würde hier nur unnötig ermüden.

Ich habe erneut nachgelesen, was ich vor Jahren einmal zur Schloßkirche und zu Buttel selbst geschrieben hatte (ich muß damals einen meiner lichteren Momente gehabt haben), und jetzt mache ich etwas, das man eigentlich nicht tut - ein Selbstzitat.

Ich hatte die Schloßkirche einen Ort von transzendenter Schönheit genannt und gemeint, Buttel gehöre zu den wenigen, "die beides vermochten, die Idee einer irdischen Schönheit aufzuzeigen, die mit jedem Ziegelstein über sich hinaus wächst, und zugleich das Bild einer spannungsvollen Ruhe vorzustellen...

Oder um die nüchterneren Worte seines Freundes Roloff zu zitieren, der ihm eine kurze Gedächtnisschrift nach seinem Tode hatte drucken lassen: ‚Andererseits sind aber auch die Baukünstler wieder die Schöpfer und Urheber eines sich allgemeiner verbreitenden und durch den steten Anblick des Schönen und Großartigen sich nach und nach einlebenden bessern Geistes und edlern Geschmackes, und groß ist deshalb ihr Verdienst...‘"

Und noch einmal ein böses Selbstzitat: „Es ist nicht zwangsläufig der Wirkungskreis, der einen Mann bedeutend macht, im Grunde ist es immer der Mann, der dem Ort seines Wirkens Bedeutung verschafft.“




Buttel wird, wie man leicht nachrechnen kann, am 4. November seinen 150. Todestag haben. Wenn ich es recht überschaue, wird es ein eher stilles Gedenken an diesem Ort werden. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch. Und wenn, seine Bauten übernehmen diese Aufgabe ganz gut selbst.


nachgetragen am 15. Oktober 

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