Wilhelm Unger, Friedrich Wilhelm Buttel, 1830
Warum ich die „Erinnerungen an Friedrich Wilhelm Buttel“ von Jacob Friedrich Roloff bringe, habe ich an jenem Ort näher erklärt, doch während ich dort noch gekürzt hatte, muß ich jetzt doch Erläuterungen beibringen. Ich werde aber suchen, sie kurz halten.
Es handelt sich um den mehr biographischen Mittelteil seiner Erinnerungen, den ich bis in die Orthographie hinein präsentiere. Warum? Des Zeitkolorits wegen natürlich.
Aber ich bringe sie auch deswegen so umfänglich, um in seiner fremd gewordenen Sprache nicht nur die uns mitunter ungewöhnlichen Urteile anzuzeigen (mutmaßliche Irrtümer finden eine Anmerkung), sondern um einen diskreten Hinweis mitzuliefern, wie wechselnd doch stets geläufige Urteile ausfallen können.
Und demjenigen, der meint, Roloff sei seinem Gegenstand nicht immer recht gewachsen gewesen, dem wollen wir sagen, andere, die auch hätten schreiben können, haben es nicht getan. Aber das ist oft so. Und darum wollen wir in ihm einen von denen würdigen, die das Rechte zu tun immerhin versucht haben.
Buttel – Der frühe Werdegang
Zielenzig heute (St. Nikolai-Kirche) und 1905
„Friedrich Wilhelm Buttel wurde am 1. Dezember 1796 in dem preußischen Städtchen Zielenzig, wo sein Vater Maurermeister war, geboren. Als bald darauf sein Vater nach Meseritz gezogen war, und unser Buttel dort die weitere Schulbildung genossen hatte, faßte er den Entschluß, zu seinem künftigen Lebensberuf das Baufach zu wählen.
Zu dem Zwecke sollten zunächst die Vorstudien dazu praktisch durchgemacht und durchgelebt werden, um dann später auf der Akademie in Berlin die wissenschaftliche Ausbildung zu vollenden.
Meseritz, Burgruine
Meseritz, Kirche St. Johannes d. Täufer
ehem. Zisterzienser-Kloster Paradies bei Meseritz,
Beide Orte liegen heute in Polen.
Hierauf arbeitete Buttel, nachdem er sich durch Privatstudium die erforderlichen theoretischen Kenntnisse erworben hatte, als praktischer Feldmesser beim Königl. Oberförster König in Birnbaum.
Unterdeß hatte in Deutschland nach einer langen Nacht der Fremdherrschaft der Morgen der Freiheit zu tagen begonnen und auch Buttel wurde von der heiligen Begeisterung für die Befreiung des Vaterlandes ergriffen und vertauschte Zirkel und Winkelmaß mit dem Schwert und der Flinte, um als freiwilliger Jäger im Füsilier-Bataillon des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments (Kronprinz von Preußen) die Campagne von 1815 mitzumachen. Kaum war er eingekleidet und nothdürftig einexerciert, so begann der anstrengungsvolle Marsch des Bataillons durch die Mark Brandenburg, Altmark, Braunschweig, Westphalen nach den Feldern von Waterloo.
William Sadler, Schlacht von Waterloo
Thomas Rowlandson, „Blucher the brave extracting the
groan of abdication from the Corsican blood hound“,
brit. Karrikatur, hier gefunden
groan of abdication from the Corsican blood hound“,
brit. Karrikatur, hier gefunden
Seine Erlebnisse als freiwilliger Jäger hat Buttel in einem von ihm geführten Tagebuche aufgezeichnet, welches in frischen Zügen die Einzelheiten des Feldzuges bis zur Schlacht von Belle-Alliance schildert.
Mit freudigem Muthe hatte Buttel die Mühseligkeiten des Marsches und Feldzuges ertragen, tapfer gekämpft in der Vorschlacht, und mit siegen geholfen in der letzten großen Befreiungsschlacht von Waterloo.
Für seine Tapferkeit erhielt Buttel die Kriegsdenkmünze von 1815, wurde, nach Berlin zurückgekehrt, als Officier verabschiedet, und erhielt am 7. Januar 1816 das Patent als Seconde-Lieutenant.
Jetzt kehrte Buttel zunächst zur Feldmeßkunst zurück, um die erforderliche praktische Ausbildung zu vollenden.
Hierauf begann Buttel die streng wissenscaftliche Carriere und studirte vom 15. November 1816 an in Berlin Mathematik. Sein Lehrer war unter Andern der berühmte Mathematiker Lehmus, von welchem ausgestellt noch ein sehr lobenswerthes Zeugniß für "den Kandidaten der Mathematik F. W. Buttel" vorliegt. Buttel bildete sich nun zum Architekten aus und studirte das Baufach in Berlin.
Er besuchte gleichzeitig die Akademie der Künste und hier war es besonders Schadow, dessen Einfluß auf ihn sich auch in seinen späteren Werken kund gab.
Nach den weiteren architektonischen Studien bestand Buttel 1817, nachdem er die ziemlich schweren theoretischen wie praktischen Examen-Arbeiten recht gut gelöst, bei der Königl. Ober-Bau-Deputation in Berlin die Prüfung, und am 13. Februar 1818 wurde der Candidat der Mathematik F. W. Buttel als Feldmesser vereidigt.
Er muß nun abermals sehr fleißig studirt haben, denn schon im Jahre 1819 machte er das Examen als Bau-Conducteur.
Sein deßfallsiges sehr gutes Zeugniß ist unter Andern unterzeichnet von Eitelwein, Schinkel und Crelle.
Carl Joseph Begas: Karl Friedrich Schinkel, 1826
Wie diese Kunstheroen Schinkel und Schadow auf Buttel bildend gewirkt, unterstützt freilich von einem seltenen plastischen und Kunst-Talent, das beweisen die späteren Leistungen Buttels auch auf dem Gebiete der Kunst überhaupt.
Er war ein vortrefflicher Zeichner und fast spielend warf er manche geistvolle Skizze schnell aufs Papier. Seine Bauzeichnungen und Pläne waren nicht blos höchst correct, sondern auch künstlerisch schön angefertigt. Buttel malte auch vortrefflich in Oel. Außer vielen sehr gelungenen Copien berühmter Meister, sind von ihm wohl zwanzig größere Original-Oelgemälde vorhanden und waren seine Lieblingsgegenstände Landschaften, Ruinen, monumentale Gebäude mit landschaftlicher Staffage. -
Ebenso war Buttel ein wahres musikalisches Genie. Aus einer einmal gehörten Oper wußte er sofort am Klavier die hervorleuchtendsten Musikstücke aus dem Kopfe zu reproduciren. Ja er lente noch fleißig Generalbaß, um wie jede Kunst, so auch die Musik gründlich verstehen zu lernen. -
Doch kehren wir zu seinem eigenen Lebensbilde zurück.
Nachdem Buttel alle erforderlichen Bau-Prüfungen gut bestanden hatte, leitete er in Berlin als Regierungs-Bau-Conducteur unter Schinkels Direction verschiedene Bauten und erhielt unterm 2. April 1821 das Attest, "daß er besonders bei der Ueberbrückung des Opern-Canals, bei der Erbauung der neuen Königswache und bei dem äußern Umbau der Domkirche mit Fleiß, Kenntniß und Umsicht seinem Geschäfte vorgestanden hatte." -
Buttel in Strelitz
Christian Philipp Wolff , „Die Hoffnung tröstet die Trauer“, 1798
Wir betreten jetzt den eigentlichen Schauplatz des thätigen praktischen Lebens, das reich und schön bebaute Arbeitsfeld unsers Buttel, worauf er sich als Ehrensäule seines Namens Werke für die Unsterblichkeit erbauet hat.
Auf Empfehlung des Geh. Ober-Bauraths Schinkel, der sich besonders für ihn interessirte und der sein Genie bald erkannt hatte, erhielt Buttel im Jahre 1820 einen Ruf nach Neustrelitz an Stelle des verstorbenen Hof-Baumeisters Wolf. Nach längerem Ueberlegen und Verhandeln entschied er sich jedoch, diese Stelle vorläufig erst auf ein Jahr zur Probe anzunehmen.“
Der Einwurf kann nur pedantisch klingen, doch Roloffs enthusiatischer Wille, Buttel immer als den souverän Handelnden darzustellen, trug ihn wohl mitunter etwas über das Faktische hinaus. Herr Müther, der über Buttel 1935 dissertiert hat (wir kommen sicher später darauf zurück) zitiert einen Kammerbericht vom 17. März 1821 wie folgt: „B. zeigt an, daß er nicht gerade ein Zeugnis des Geh. Oberbaurates Schinkel wird vorlegen können. Die Briefe des Schinkel enthalten schon ein Zeugnis über den Buttel und das Probejahr wird für uns das praktische Zeugnis sein.“ Dienstantritt war dann der 1. April 1821, die Festanstellung folgte am 18. Januar 1822, auch da müssen wir pedantisch korrigieren. Zurück zu Roloffs Bericht.
Georg, Großherzog von Mecklenburg
„Buttel übersiedelte nach Neustrelitz und befriedigte so sehr durch seine Leistungen, daß er schon am 21. Januar 1821 als Baumeister, und im April desselben Jahres als Hof-Baumeister mit einem jährlichen Gehalt von 500 Thlr. fest angestellt wurde. Es war unserm Buttel durch diese Berufung eine herrliche Gelegenheit gegeben, unter der Anregung und Aegide des damals regierenden Großherzogs Georg und der Großherzogin Marie, welche letztere selbst ausübende Künstlerin - viele vortreffliche Oelgemälde von ihrer Hand, theils Originale, theils Copien berühmter Meister beweisen ihren feinen Kunstsinn und ihre Meisterschaft, - seine Kunstideale und architektonischen Pläne zu verwirklichen.
Georg, Großherzog von Mecklenburg, KPM Berlin 1837-1844
Marie von Hessen-Kassel, Großherzogin von Mecklenburg
Buttel war nun das hohe Glück beschieden, an einem so kunstsinnigen Hofe, theils selbst noch zu lernen, theils in Gemeinschaft mit seinen hohen Gönnern, Baupläne für die Verschönerung der Stadt und des Landes entwerfen und zur Ausführung bringen zu können.
Im Mai 1823 wurde Buttel ins Hof-Marschallamt berufen und am 7. März 1832 zum Baurath ernannt.
Großherzog-Georg-Denkmal, 1911
im Hintergrund das 1843 eingeweihte Rathaus von Neustrelitz
Die Klosterkirche in Malchow ist im Basilikenstyle erbaut, stellt sich als Kreuzkirche dar, und enthält im Innern die schönste Ornamentik, an den Seitenwänden auf Goldgrund die Bilder der Evangelisten und als Altargemälde den Erlöser mit erhobenen Händen, die Gemeinde segnend. -"
Malchow, Kloster, hier gefunden
Kloster Malchow, hier gefunden
Die Klosterkirche wurde bis 1849 errichtet, nach einem Brand 1888 wurde Buttels Fassung im wesentlichen wiederhergestellt. Das ehem. Kloster beherbergt eine bedeutsame Ausstellung zur Geschichte des mecklenburgischen Orgelbaus.
"Ja wohl, es sind wahr geworden die an unsern Buttel bei der Einweihung dieser Kirche gerichteten Dankesworte: "Dem Baumeister, der mit der Meisterhand seiner berühmten Kunst den Plan zu diesem Bau entworfen, möge der Herr geben, daß er noch viele Kirchen erbaue zu seines Namens Ehre und mit jedem Kirchenbau immer mehr selbst erbauet werde zu einem Tempel Gottes, darin des Herrn Friede wohne, der seine Seele selig mache." - In der That hat wohl selten ein Baumeister so viele würdige, schöne Werke der heiligen Kunst, so viele Gotteshäuser erbauet, wie unser Buttel.
Marienkirche in der deutschen Stadt Neubrandenburg, Mecklenburg,
etwa 1860, hier gefunden
Vorher schon hatte Buttel sein größtes und schönstes Bauwerk, die restaurirte Marienkirche in Neubrandenburg vollendet.
Die Kirche war erbauet in den Jahren 1248 - 1287; im Jahre 1655 wurde der Thurm derselben vom Blitz zerstört und im Jahre 1832 die Wiederherstellung beschlossen, welche, wie es in der archivalischen Urkunde heißt, durch den "ausgezeichneten Baurath Buttel" ausgeführt wurde. Als die Marienkirche am 12. August 1841 eingeweiht wurde, bezeichnete der damalige Großherzog Georg, gewiß ein Kenner und Verehrer schöner Bauten, in einem Dankschreiben an Buttel diesen Bau "als eure bedeutendste Leistung, welche euch wahrhaft zur Ehre gereicht."
Wahrlich, und wenn Buttel weiter Nichts erbauet hätte, als diese Kirche, so hätte er sich schon dadurch den schönsten Ehrentempel seines Namens für alle Zeiten geschaffen. Diese Kirche ist das hervorragendste Beispiel eines auch im Aeußern vollständig durchgeführten Spitzbogenbaues in Mecklenburg und liefert den Beweis, daß auch beim Ziegelbau eine durchgehends durchbrochene Arbeit in den Verzierungen möglich ist. Ausnehmend schön ist die Ornamentik an den Fenstern, sowie an dem mit fünf kleinen Thürmchen versehenen, besonders kunstreichen östlichen Giebel der Kirche.
Sowohl im Äußern, wie im Innern ist die Neubrandenburger Marienkirche mit ihrem wunderbar schönen, majestätisch ansteigendem Thurme, mit den vielen gen Himmel strebenden und nach Oben hinauf weisenden Thürmchen und Spitzen, ein wahrhaftes Musterwerk reinster Gothik, und findet der dem Norden eigenthümliche Rohbau in derselben die schönste Würdigung.
In der That gilt auch die durch Buttel restaurirte Marienkirche bei Sach- und Kunstverständigen, was Reinheit und Vollendung des Baustyls und correcte Bauausführung betrifft, wohl für die bedeutendste und schönste Kirche in ganz Norddeutschland, ist weithin also solche bekannt, und findet man wohl die Ansichten davon als Musterzeichnungen in vielen architektonischen Sammlungen.
Der Fremde ist überrascht, in Mecklenburg-Strelitz solch‘ großartiges Prachtbauwerk anzutreffen; und ragt dieser protestantische Dom aus der schönen landschaftlichen Umgebung Neubrandenburgs, an dem Tollenser See, dem herrlichen Belvedère gegenüber, als das schönste Monument der bauenden Kunst in der Gegenwart auf nordisch alterthümlicher Grundlage, weithin sichtbar, gar herrlich und imposant aus der lieblichen Ebene hervor.
„Mit der Natur steht der Genius im Bunde,
Was die Eine verspricht, leistet der Andere gewiß.“"
Ich fürchte, ich muß wohl einen dritten Teil folgen lassen, da das Ganze doch etwas überdehnt geworden ist. Auch der Enthusiasmus des Herrn Roloff erscheint überdehnt. Sicher, wir haben hier ein Musterbeispiel einer Wiederherstellung, wo man über das bereits bedeutsame Original (besonders gilt dies für den Ostgiebel) hinaus mit einer Neuerfindung dessen Wirkung nicht verfälscht, sondern sogar sinngetreu und kongenial gesteigert hat. Etwas, was heute nicht auch nur denkbar wäre. Aber er hat die Kirche eben nicht komplett neu erbaut, wie man den euphorischen Worten entnehmen könnte, obwohl man es bei ihm selbst vorher anders gelesen hat.
Wobei ich alles Verständnis der Welt habe, wenn jemand sich zu begeistern vermag, ähnliches ist mir bei der Schloßkirche in Neustrelitz zugestoßen, wir kommen später darauf zurück und enden vorerst mit einigen Bildern der Marienkirche. Das Kurioseste gleich zu Beginn. Es ist von 1818 und von Caspar David Friedrich. Man könne es als Gedächtnisbild für Franz Christian Boll deuten, lese ich, „das Boll und seine Frau Friederike in der Laube des eigenen Gartens zeigt, mit Blick auf die Vision der Marienkirche mit einer gotischen Turmspitze“. Die gab es da bekanntlich noch nicht und die verwirklichte Vision ist eine andere geworden. Und von dem Gemälde existieren auch andere Deutungen, aber diese ist hübsch, also wollen wir sie gelten lassen.
Caspar David Friedrich, Gartenlaube, 1818
nachgetragen am 6. Dezember