Montag, 4. November 2019

Zum 150. Todestag von Friedrich Wilhelm Buttel, 1. Nachtrag



"Buttel wird, wie man leicht nachrechnen kann, am 4. November seinen 150. Todestag haben. Wenn ich es recht überschaue, wird es ein eher stilles Gedenken an diesem Ort werden. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch. Und wenn, seine Bauten übernehmen diese Aufgabe ganz gut selbst."

So hatte ich im Oktober geschrieben. Und so geschah es. Es geschah eigentlich nichts. Es sei denn, irgendwo hätte eine klandestine Würdigung stattgefunden, von der ich nichts weiß. Womit ich natürlich nicht etwa die Ausstellung „Zum 150. Todestag von Friedrich Wilhelm Buttel“ herabwürdigen will, die der  Zeichner Wilfried Neumann gemeinsam mit der Musik- und Bilderstube in der Strelitzer Straße veranstaltet hatte, aber sonst…

Nun kann man sich über derlei ärgern oder selbst in die Bresche springen. Nur wie? Die Literatur zu ihm ist überschaubar. Das verwundert auch nicht bei jemandem, der nahezu ausschließlich im Mecklenburgischen tätig war und dann auch noch in seinem, zu Unrecht, allgemein als eher unauffällig angesehenen Teil. Also galt es, sich in die Sache hineinzuarbeiten bzw. abzuschreiben. Nun, das ist eine gängige Übung, meint aber hier etwas anderes.

Der Großteil der biographischen Angaben, die uns bekannt sind, stammt aus einer Schrift, die ohne Autorennennung unmittelbar nach seinem Tod 1870 in Berlin erschien. Der Verfasser war Jacob Friedrich Roloff, geboren 1813 in Schwanebeck bei Halberstadt und gestorben am 12. November 1877 in Neustrelitz, wo er ab 1838 als Realschullehrer tätig war. Von Hause aus Mathematiker und Naturwissenschaftler trat er hier u.a. als Mitbegründer des Gewerbevereins in Erscheinung. Das ist insofern interessant, als man sich daraufhin doch mehr eine nüchtern-pragmatische und unpoetische Person vorstellt. Aber es waren halt andere Zeiten.

Rein Biographisches ist selten interessant. Interessanter wird es, wenn es von einem Zeitgenossen mitgeteilt wird, wo bis in die Sprache hinein Denkungsart und Vorstellungswelt eines Zeitalters lebendig werden. Also habe ich es auf mich genommen, seine kleine Schrift (mit marginalen Kürzungen) nachfolgend wörtlich zu präsentieren, mit Rücksicht auf die Lesbarkeit portionsweise. So beginnen wir also mit den allgemeinen Bemerkungen der Einleitung (da ich den nächsten Teil gerade Korrektur lese, sollte er zügig folgen).

Jacob Friedrich Roloff

Erinnerungen an Friedrich Wilhelm Buttel


Zu den hervorragenden Männern, deren Leben und Wirken auf die schönere und bessere Gestaltung der Verhältnisse eines weiteren Gebietes von segensreichem Einfluß gewesen ist, deren Namen und Werke schon bei Lebzeiten über die engeren Grenzen des eigensten Wirkungskreises hinaus ruhmvoll bekannt und weithin hoch verehrt wurden und die es verdienen, in den Jahrbüchern der vaterländischen Geschichte für die Nachwelt aufgezeichnet zu werden: gehört mit Recht und als einer der Ersten auf dem Gebiete der bauenden Kunst, der am 4. November 1869 in Neustrelitz verstorbene, im Leben als Baumeister und Baukünstler, wie als Mensch und Beamter, von Fürst und Volk, von allen Seiten so hoch geachtete - im Tode so tief betrauerte Mecklenb.-Strel. Ober-Baurath Friedrich Wilhelm Buttel.

Es ist wohl unbestritten, welche hohe Bedeutung für Bildung, Geschmack und Sitten der Stellung eines einflußreichen Baumeisters beizumessen ist, der in seinen Bauten sich selber schon die Ehrensäulen seines Namens und die Denksteine seiner Zeit errichtet.

Denn die Kunst ist die Bildnerin und Veredlerin der Sitten und die großartigen Bauwerke sind die Culturwarten für Jahrtausende.


Beim Betreten einer Stadt, eines Landes fallen uns die hervorragenden öffentlichen Gebäude, Kirchen, Thürme, Rathhäuser, Schlösser etc. zunächst in die Augen und deren Styl und Ausführung giebt die erste Anknüpfung für unser Urtheil über die an solchen Orten wohl herrschenden und waltenden Ideen und Sitten.

Die Baumeister sind die Träger und Darsteller solcher herrschenden Bildungs-Ideen; sie geben dem waltenden Geiste durch ihre Werke Ausdruck und Gepräge. Andererseits sind aber auch die Baukünstler wieder die Schöpfer und Urheber eines sich allgemeiner verbreitenden und durch den steten Anblick des Schönen und Großartigen sich nach und nach einlebenden bessern Geistes und edlern Geschmackes, und groß ist deßhalb ihr Verdienst, sowohl um den herrschenden Kunstsinn und allgemeinere Bildung, - wie auf materiellem Gebiet - um Gewerbefleiß und Wohlstand.
...

Die Baukunst, in ihrem Begriff als freie Kunst, ist der unmittelbare Ausdruck der gemeinsamen Sinnesrichtung, des gemeinsamen geistigen Strebens in Zeit und Volk.

Je schärfer die Volksthümlichkeiten von einander unterschieden sind, um so bestimmter unterscheidet sich auch die Bauweise der verschiedenen Völker; je lebendiger der historische Fortschritt ist, um so charaktervoller zeigt sich dies in den Gestaltungen der Architektur.

So sind die Denkmäler der Baukunst recht eigentlich die Denkmäler der Culturgeschichte des Menschengeschlechtes. -

Wenn wir von diesen allbekannten allgemeinen Erfahrungen Anwendung machen auf Mecklenburg und insbesondere auf Mecklenburg-Strelitz, so ist wohl unbestritten, daß Buttel es war, welcher in den letzten funfzig Jahren dem hier herrschenden Streben nach Verbesserung und Verschönerung der äußeren Verhältnisse durch seine Bauwerke den sprechendsten und wohlthuendsten Ausdruck gegeben hat.

Schinkel, welcher durch seine hervorragenden Prachtbauten der norddeutschen Metropole die eigenthümlich schöne Physiognomie aufgedrückt, war auch Buttels Vorbild, sein Ideal.

Doch war Buttel kein sklavischer Nachahmer desselben, oder eines bestimmten Styls. Er hat es verstanden, die Bau-Logik, die Bau-Phantasie der verschiedenen architektonischen Systeme in seinen Werken zur angenehmen Erscheinung zu bringen und hierauf begründet, nach unsern Bedürfnissen, mit unsern technischen Fortschritten wahrhaft schöne, den Zwecken und dem Geist auf das Vollkommenste entsprechende Bauten geschaffen und in diesem Sinne durch die von ihm entworfenen oder ausgeführten, nach Plan und Durchführung gleich meisterhaften und schönen Gestaltungen, unserm Lande und der Hauptstadt ein edles, wohlthuendes Gepräge verliehen, und wenig andere Länder dürften vorhanden sein, wo auf einem kleinen Gebiete so viele mannigfaltige, wirklich schöne Bauten im edelsten Styl aufgeführt sind, wie in unserer Heimath; und an allen diesen Buttel'schen Bauten, welche unserm Lande zu einer wahrhaften Zierde gereichen, so verschieden sie auch sein mögen nach Zweck und Einrichtung, seien es Kirchen, Schlösser, Schulen, Wirthschaftsgebäude etc., bemerken wir - und wenn seine ursprünglichen Entwürfe in Berücksichtigung der Kosten und anderer Nebenzwecke auch mannigfache Abänderungen erfuhren - neben der Solidität einen gewissen Idealismus, der die realen Grundlagen mit einem klassischen Hauche überzieht.

Fast funfzig Jahre lang ist Buttel der Leiter des gesammten Bauwesens in Mecklenburg-Strelitz gewesen.


Als Mitglied des Bau-Departements, sowie des Hofbauamtes hatte er vornehmlich das gesammte Bauwesen in artistischer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu leiten, und er hatte dasselbe, freilich unter einer ungeheuren Arbeitslast, wie sie theilweis seine Stellung und seine vielen Geschäfte mit sich brachten, mit seltener Arbeitskraft, Arbeitsenergie und Gewissenhaftigkeit zum Segen des Landes, zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, zum Wohle seiner Untergebenen meister- und musterhaft geleitet.

Gleich hochgeachtet stand er da als durch und durch ehrenhafter Charakter im öffentlichen Leben, als nie rastender, in Wissenschaft, Technik und Kunst unermüdlich vorwärtsstrebender, für alles Gute und Schöne warm empfänglicher Mann, als liebevoller, zärtlicher Familienvater, als treuer Rathgeber und Helfer der Bedürftigen und Unglücklichen! -

Wie ist nun Buttel der geniale Schöpfer so großartiger, schöner Bauwerke geworden, wie ist er zu dieser künstlerisch-praktischen, zu dieser sittlichen Höhe gelangt?

Um einen solchen Geist heranzubilden, da müssen sich Natur, Kunst und Wissenschaft, Theorie und Praxis die Hand reichen, da ist es nöthig, die Realität der Verhältnisse nicht blos zu kennen, sondern diese mit freiem Auge, scharfem Blick und klarem Urtheil selber durchlebt zu haben.

Und das war der Fall bei unserm Buttel, dem die Glückssonne der Verhältnisse auf seinem ersten Lebenswege wenig gelächelt, der -  Alles durch sich selbst geworden ist!

Es ist erhebend und für nachstrebende Talente ermunternd, das Lebensbild und das Arbeitsfeld eines solchen edlen Geistes kennen zu lernen und mit sinnigem Blicke näher betrachten zu können; es ist für die Kunstgeschichte wichtig, ja es ist ein Herzensgenuß für befreundete Seelen, bei der Betrachtung so vieler ausgezeichnet schöner Bauwerke, wie sie Buttels seltenes Talent geschaffen, auch einen Einblick zu thun auf die dornenreiche, mühe- und arbeitsvolle Lebensbahn des Erbauers.

Und so will der Verfasser dieses, dem das Glück zu Theil geworden war, das Leben, das Wirken und den Charakter des nun Vollendeten nach mannigfachen Seiten näher kennen und verehren zu lernen, es versuchen, seinen vielen Freunden, Gönnern und Genossen zu treuer lieber Erinnerung an den Heimgegangenen, der Mitwelt zur Nacheiferung im Streben, Arbeiten, Kämpfen und Dulden, der Nachwelt als erhebendes Beispiel, dem von ihm so hochverehrten Freunde als Immortellenkranz auf seine letzte irdische Ruhestätte: in nachfolgenden "Erinnerungen" die einfachen Umrisse eine kurzen Lebensbildes von dem edlen Manne, dem großen Baumeister, dem treuesten Familienvater hier aufzuzeichnen und vorzuführen, ehe der Trauerflor der Vergessenheit diese seltene Erscheinung uns für immer verhüllt und in jene dunkelste Ferne und letzte Lebensumnachtung unserm irdischen Auge entrückt. -

nachgetragen am 3. Dezember

der 2. Teil findet sich hier

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