Freitag, 31. Dezember 2021
Freitag, 24. Dezember 2021
Frohe und Gesegnete Weihnachten!
Johann Sebastian Bach, Weihnachts-Oratorium, BWV 248; Karl Richter mit dem Münchener Bach-Orchester & dem Münchener Bach-Chor; hier gefunden
Text: BWV 248 I, II, III, IV, V, VI
Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage,
Rühmet, was heute der Höchste getan!
Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!
Sonntag, 19. Dezember 2021
Zum 4. Advent
Nikolaus Harnoncourt mit dem Arnold Schoenberg Chor und dem Concentus Musicus Wien, hier gefunden
Johann Sebastian Bach
„Herz und Mund und Tat und Leben“
Kantate in 2 Teilen, BWV 147,
vom 2. Juli 1723 zum Fest Mariae Heimsuchung
Erster Teil
1. Satz: Herz und Mund und Tat und Leben (Chor)
Herz und Mund und Tat und Leben
Muß von Christo Zeugnis geben
Ohne Furcht und Heuchelei,
Daß er Gott und Heiland sei.
2. Satz: Gebenedeiter Mund! (Rezitativ, Tenor)
Gebenedeiter Mund!
Maria macht ihr Innerstes der Seelen
Durch Dank und Rühmen kund;
Sie fänget bei sich an,
Des Heilands Wunder zu erzählen,
Was er an ihr als seiner Magd getan.
O menschliches Geschlecht,
Des Satans und der Sünden Knecht,
Du bist befreit
Durch Christi tröstendes Erscheinen
Von dieser Last und Dienstbarkeit!
Jedoch dein Mund und dein verstockt Gemüte
Verschweigt, verleugnet solche Güte;
Doch wisse, dass dich nach der Schrift
Ein allzuscharfes Urteil trifft!
3. Satz: Schäme dich, o Seele, nicht. (Arie, Alt)
Schäme dich, o Seele, nicht,
Deinen Heiland zu bekennen,
Soll er dich die seine nennen
Vor des Vaters Angesicht!
Doch wer ihn auf dieser Erden
Zu verleugnen sich nicht scheut,
Soll von ihm verleugnet werden,
Wenn er kommt zur Herrlichkeit.
4. Satz: Verstockung kann Gewaltige verblenden. (Rezitativ, Baß)
Verstockung kann Gewaltige verblenden,
Bis sie des Höchsten Arm vom Stuhle stößt;
Doch dieser Arm erhebt,
Obschon vor ihm der Erde Kreis erbebt,
Hingegen die Elenden,
So er erlöst.
O hochbeglückte Christen,
Auf, machet euch bereit,
Itzt ist die angenehme Zeit,
Itzt ist der Tag des Heils: der Heiland heißt
Euch Leib und Geist
Mit Glaubensgaben rüsten,
Auf, ruft zu ihm in brünstigem Verlangen,
Um ihn im Glauben zu empfangen!
5. Satz: Bereite dir, Jesu, noch itzo die Bahn. (Arie, Sopran)
Bereite dir, Jesu, noch itzo die Bahn,
Mein Heiland, erwähle
Die gläubende Seele
Und siehe mit Augen der Gnade mich an!
6. Satz: Wohl mir, daß ich Jesum habe. (Choral, Chor)
Wohl mir, daß ich Jesum habe,
O wie feste halt ich ihn,
Daß er mir mein Herze labe,
Wenn ich krank und traurig bin.
Jesum hab ich, der mich liebet
Und sich mir zu eigen gibet;
Ach drum laß ich Jesum nicht,
Wenn mir gleich mein Herze bricht.
Zweiter Teil
7. Satz: Hilf, Jesu, hilf, daß ich auch dich bekenne. (Arie, Tenor)
Hilf, Jesu, hilf, daß ich auch dich bekenne
In Wohl und Weh, in Freud und Leid,
Daß ich dich meinen Heiland nenne
Im Glauben und Gelassenheit,
Daß stets mein Herz von deiner Liebe brenne.
8. Satz: Der höchsten Allmacht Wunderhand. (Rezitativ, Alt)
Der höchsten Allmacht Wunderhand
Wirkt im Verborgenen der Erden.
Johannes muß mit Geist erfüllet werden,
Ihn zieht der Liebe Band
Bereits in seiner Mutter Leibe,
Daß er den Heiland kennt,
Ob er ihn gleich noch nicht
Mit seinem Munde nennt,
Er wird bewegt, er hüpft und springet,
Indem Elisabeth das Wunderwerk ausspricht,
Indem Mariae Mund der Lippen Opfer bringet.
Wenn ihr, o Gläubige, des Fleisches Schwachheit merkt
Wenn euer Herz in Liebe brennet,
Und doch der Mund den Heiland nicht bekennet,
Gott ist es, der euch kräftig stärkt,
Er will in euch des Geistes Kraft erregen,
Ja Dank und Preis auf eure Zunge legen.
9. Satz: Ich will von Jesu Wundern singen. (Arie, Bass)
Ich will von Jesu Wundern singen
Und ihm der Lippen Opfer bringen,
Er wird nach seiner Liebe Bund
Das schwache Fleisch, den irdischen Mund
Durch heilges Feuer kräftig zwingen.
10. Satz: Jesus bleibet meine Freude. (Choral, Chor)
Jesus bleibet meine Freude,
Meines Herzens Trost und Saft,
Jesus wehret allem Leide,
Er ist meines Lebens Kraft,
Meiner Augen Lust und Sonne,
Meiner Seele Schatz und Wonne;
Darum lass ich Jesum nicht
Aus dem Herzen und Gesicht.
Sonntag, 5. Dezember 2021
Advent
Ja, ich komme bald. Amen. Ja komm, Herr Jesu! Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sei mit euch allen! Amen.
Offenbarung des Johannes 22,20f.
und ein weiterer Verweis, diesmal zu Bach - Kantate BWV 167
(Ihr Menschen, rühmet Gottes Liebe)
Sonntag, 28. November 2021
Wie die Seuche Menschen in den Mut treibt
oder
eine moderne Fürstenvermahnung
Am 12. September a.c. tat Herr Haase, ehemaliger Vorsitzender des Residenzschloßvereins und immer noch Mitinhaber des Schloßgartenhotels hier am Ort etwas sehr Unnettes: Er störte die Gedenkstundenharmonie (eine Tafel erinnert nun an die Landesverfassung von 1919) mit seinen Sorgen um den aktuellen Rechtsstaat. Er fand es offenkundig zu unerträglich, buchstäbliche Sonntagsreden zu halten, wenn das, was belobredet werden soll, unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung gerade beiseitegeschoben wird.
Zwei Zitate: „Wir erleben einen stetigen Abbau von Rechtsstaat, Demokratie, Liberalität.“ „Viele Grundrechte wurden faktisch außer Kraft gesetzt. Es wird der Eindruck erweckt, als sei es völlig in Ordnung, den Bürgern Rechte zu nehmen und sie ihnen – unter von der Exekutive diktierten Bedingungen – irgendwann (vielleicht) wieder zurückzugeben.“
Danach war wohl das Tischtuch zum Bürgermeister (oder was immer) zerschnitten und Herr Haase sah sich genötigt, als Vorsitzender des Residenzschloßvereins zurückzutreten, wenn dieser in den Debatten um den Schloßneubau noch vorkommen dürfen sollte.
Ein Zweites: Wenn ich mir eines geschworen hatte: Wo mir die Seuche, eher noch der öffentliche Umgang damit, schon die Neigung zum Schreiben hier verhagelt hat, dann wollte ich doch wenigstens auf keinen Fall auch noch selbst in der Sache wühlen. Aber jetzt gab es zum 2. Mal eine mutige Äußerung, die mich etwas beschämt zurückläßt.
Der Warener Pastor Marcus Wenzel hat einen Brief an Frank-Walter Steinmeier geschrieben, ja eben den. Das erinnert auf den ersten Blick zwar etwas in rührender Weise an altertümliche Fürstenvermahnung, aber im Grunde ist es eine Antwort, denn:
„Sehr geehrter Herr Bundespräsident, in ihrer kürzlichen Rede haben sie voller Bestürzung gefragt, was noch geschehen müsste, damit Menschen wie ich sich impfen lassen. Was mich angeht, ist die Antwort eigentlich ziemlich simpel: Wenn mir die Politik das Gefühl geben würde, dass alles mit rechten Dingen zugeht, wenn sie meine Fragen und Bedenken ernst nehmen würde und wenn sie wieder Vertrauen aufbauen würde, dann würde ich mich impfen lassen, am liebsten mit einem Todimpfstoff.“
Jetzt wissen wir schon mal, er ist also nicht geimpft. An den Herrn Steinmeier wende er sich, weil er in großer Sorge um die demokratische Kultur und den Frieden in unserem Land sei (der Brief ist vollständig in diesem ausführlichen Artikel dokumentiert).
Doch zunächst erläutert der geistliche Hirte (lat. „Pastor“), warum er sich mit der Coronaimpfung sehr schwer tue - offene Langzeitfolgen, eilige Zulassung, wachsende Impfdurchbrüche (sprich Impfversagen, und ich füge hinzu, es handelt sich um einen experimentellen Impfstoff, der in dieser Art meines Wissens bisher nicht eingesetzt wurde).
Und dann kommt ein Punkt, der auch mich (als Geimpften) stark beschäftigt: „Mag die Grundimpfung für viele zunächst ohne schwerwiegende Folgewirkungen sein, stellt sich doch die Frage, was passiert, wenn man vielleicht noch immunisierte Menschen boostert, einmal, zweimal, dreimal? Wird es zu schweren Autoimmunerkrankungen kommen, weil unser Immunsystem völlig desorientiert ist, weil es eigentlich immun nun noch wieder eine Immunität entwickeln soll?“
Leider sei die Reaktion auf derart berechtigte Fragen, „als Impfverweigerer und Querdenker“ diskreditiert zu werden. Man werde nun faktisch zur Impfung gezwungen und er denke, „dass damit grundlegende Menschenrechte verletzt werden, wie z.B. das Recht auf Selbstbestimmung“. Ärzte mit kritischer Haltung zur Coronapolitik der Bundesregierung würden mit Disziplinarmaßnahmen bedroht (oder sie verlieren gleich ihre Stellung als Lehrärzte der Universität Leipzig z.B.). Die Entscheidung für oder gegen die Impfung würde zur Glaubensfrage hochgetrieben, die Familien und Freundeskreise zerreiße. Eine kritische, öffentliche vorgetragene Meinung nähme man inzwischen als mutig wahr.
Einen noch gefährlicheren Punkt spricht er meines Erachtens zurecht an – das Aufheizen von Spannungen in der Gesellschaft und das Kreieren von Sündenböcken. „Wie anders ist es zu verstehen, wenn der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus sagt, dass die Geimpften die Ungeimpften schon disziplinieren werden? Oder wenn ein Herr Frank Ulrich Montgomery von der ‚Tyrannei der Ungeimpften‘ spricht? Welch ein undemokratisches Verständnis lässt das erkennen!? Ganz davon abgesehen, dass solche Hetzer die Gesellschaft spalten.“ „Den Menschen in unserem Land aber wird suggeriert, dass die Ungeimpften Schuld an der ganzen Misere sind! So weit sind wir also wieder, dass wir eine Minderheit zum Sündenbock für eine schwierige Zeit machen müssen?“ „So lange ich nicht infiziert bin, kann ich auch andere nicht anstecken! Warum also wird mir Egoismus unterstellt?“
Er resümiert: „Nun zieht die Politik die Zügel an und zwingt letztlich alle Ungeimpften, sich impfen zu lassen… Ich denke, damit werden grundlegende Rechtsnormen unserer Gesellschaft gebrochen. Das wird nicht ohne Folgen bleiben. Vor allem aber wird damit der Frieden in unserer Gesellschaft gefährdet.“ Wenn man den Menschen nur genug Angst einjage, könne man mit ihnen alles machen.
Diskreditierung aller Zweifel, Sündenbockerschaffung, Angstmaximierung. In der Tat fragt man sich hier: Was soll das alles? Und weiter fragt man sich natürlich. Wie reagiert darauf die offizielle Amtskirche? Wenn man bei der Suche nach einem Vergleich etwas in der Zeit zurückgeht, kommt einem fast der Vorwurf der Wehrkraftzersetzung in den Sinn.
Ein Sprecher des hiesigen Kirchenkreises erklärt, kirchlicherseits teile man die Ansicht von Marcus Wenzel nicht. Aber man gehe davon aus, daß er seinen Brief als Privatperson geschrieben habe, was in einer Demokratie selbstverständlich möglich sei. Dennoch widerspräche er „jeder guten Gepflogenheit“, da in der öffentlichen Wahrnehmung gerade bei pointierten Meinungsäußerungen nicht unbedingt zwischen der Privatperson und der Amtsperson unterschieden werde. Allerdings habe die Pröpstin Britta Carstensen den Pastor an das Mäßigungsgebot für Pastoren erinnert und gemahnt, bei öffentlichen Äußerungen besser über Inhalt und Form nachzudenken. Mit anderen Worten, sie hat ihn streng gerügt.
Wenn es eine christliche Grundbotschaft gibt nach "Der Herr ist auferstanden", dann "Fürchtet euch nicht!". Weil die Kirche Anteil geben will an einer größeren Hoffnung, die alles Irdische übersteigt. Dafür hat diese „Hauptsache-Gesund Kirche“ offenkundig den Blick völlig verloren. Gleich schlimm ist, daß, selbst, wenn die Pröpstin seine Meinung nicht teilt, was ihr unbenommen ist, sie offenbar nicht sehen will, daß in dieser Gesellschaft Sündenböcke gekennzeichnet werden, aggressiv Stimmung gegen Menschengruppen gemacht wird u.dgl. Etwas, gegen das sie als Kirchenführerin doch qua Amt antreten müßte.
Die Politik hat sich jegliches Mißtrauen in diesem Corona-Drama gründlich erarbeitet (darauf näher einzugehen, würde hier den Rahmen weit sprengen). Die Kirchen aber sind zu ihr ununterscheidbar geworden. Neben dem aggressiven Opportunismus der berüchtigten deutschen Blockwart-Mentalität, den ich so gespenstisch nicht mehr für möglich gehalten hätte, gehört das zu den bittersten Erfahrungen der letzten 2 Jahre. Hut ab daher vor Leuten wie Marcus Wenzel, Pastor zu St. Marien in Waren (Müritz).
Freitag, 5. November 2021
Zwischendurch - Barock
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
Die Welt
WAs ist die Lust der Welt? nichts als ein Fastnachtsspiel /
So lange Zeit gehofft / in kurtzer Zeit verschwindet /
Da unsre Masquen uns nicht hafften / wie man wil /
Und da der Anschlag nicht den Ausschlag recht empfindet.
Es gehet uns wie dem / der Feuerwercke macht /
Ein Augenblick verzehrt offt eines Jahres Sorgen;
Man schaut wie unser Fleiß von Kindern wird verlacht /
Der Abend tadelt offt den Mittag und den Morgen.
Wir Fluchen offt auf dis was gestern war gethan /
Und was man heute küst / mus morgen eckel heissen /
Die Reimen die ich itzt geduldig lesen kan /
Die werd ich wohl vielleicht zur Morgenzeit zerreissen.
Wir kennen uns / und dis / was unser ist / offt nicht /
Wir tretten unsern Kuß offt selbst mit steiffen Füssen /
Man merckt / wie unser Wuntsch ihm selber wiederspricht /
Und wie wir Lust und Zeit als Sclaven dienen müssen.
Was ist denn diese Lust und ihre Macht und Pracht?
Ein grosser Wunderball mit leichtem Wind erfüllet.
Wohl diesem der sich nur dem Himmel dienstbar macht /
Weil aus dem Erdenkloß nichts als Verwirrung quillet.“
Paul Fleming
An sich
Sei dennoch unverzagt, gib dennoch unverloren,
weich keinem Glücke nicht, steh' höher als der Neid,
vergnüge dich an dir und acht' es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.
Was dich betrübt und labt, halt Alles für erkoren,
nimm dein Verhängnis an, lass' Alles unbereut.
Tu, was getan muss sein, und eh' man dirs gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.
Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an,
dies Alles ist in dir. Lass deinen eiteln Wahn,
und eh' du förder gehst, so geh' in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
dem ist die weite Welt und Alles untertan.
Sonntag, 31. Oktober 2021
Zum Reformationstag – ein Nachtrag
oder
Über das Verdämmern des Evangelischen
Kehren wir kurz zu einem beiläufigen Ereignis zurück, geschehen in der kleinen Stadt Nordhausen in Thüringen. Es ist tatsächlich ein Randereignis (es gibt derer so viele, die in unserem Gemüt schlummern, wir werden sehen). Aber so nähern wir uns vielleicht schrittweise, vom Rand her, dem Eigentlichen. Der Strom des Gegenwärtigen hält uns mit seinen schrillen Aufregungen zu sehr vom Erinnern und Innehalten ab.
Ein 2015 nach Deutschland geflüchteter junger Afghane betritt die Frauenbergkirche in Nordhausen und nein, er sticht dort niemanden ab, ich müßte auch entschieden diese Assoziationskette verurteilen. Sondern er räumt deren Innenraum ein wenig aus. Dabei zerbricht u.a. ein mittelalterliches Kruzifix (das den letzten Weltkrieg überstanden hatte, die Stadt hatte in diesem beträchtlich zu leiden), also den Leib des Herrn, und erklärt dem interessiert hinzugeeilten Pfarrer, daß Jesus nicht Gottes Sohn sei, nun ja. Tempelreinigung oder Großreinemachen wären also folglich die passenderen Assoziationen. Das legt zumindest eine zögerliche öffentliche Stellungnahme der örtlichen „Kirche“ nahe.
Unter dem Titel „Unterwerfung auf Thüringisch“ kommentierte Marc Felix Serrao von der NZZ dazu: „Eine evangelische Kirche, die der Entweihung ihrer Gotteshäuser nichts entgegensetzt und Feinde ihres Glaubens nicht als solche erkennt, kann die Kreuze auch selbst abhängen.“ Im Grunde ist damit alles gesagt und man kann den ganzen Artikel dort nachlesen
Aber wir wollen noch ein wenig an der erwähnten Stellungnahme entlangwandern.
Zunächst wird die Assoziation mit einem Frühjahrsputz präsentiert:
„Eine Kirche wird ausgeräumt. Fein säuberlich werden die Stühle und Gesangbücher nach draußen ins Freie getragen und dort in Reihe sortiert. Es sieht nach einem verspäteten Frühjahrsputz oder nach anstehenden Reparaturarbeiten aus. Weder noch ist der Fall.“
Das zentrale Symbol des Glaubens wird also entwürdigt. Aber von Vandalismus oder gar Kirchenschändung mag man (anders als die Polizei) nicht reden, die Motive des gläubigen Muslim bleiben ihnen unklar (ach):
„Später wird im Polizeibericht stehen, dass der Ausräumer randaliert hat. Das war jedoch nach derzeitigem Stand der Dinge nicht sein Anliegen... Er wollte nach eigenen Angaben das Gotteshaus von dem befreien, was nach seiner Vorstellung dort nicht hineingehört. Er ist gläubiger Muslime und kommt aus Afghanistan... Was ihn ausgerechnet jetzt dazu bewogen hat, die Kirche am Nordhäuser Frauenberg leer zu räumen, bleibt im Dunkel.“
Jetzt muß dann aber doch ein vorsichtiges Wort der Distanzierung folgen:
„Für uns alle ist klar: das macht man einfach nicht – Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung – und es ist nicht das erste Fehlverhalten einem Gotteshaus und einer einladenden Gemeinde gegenüber.“
Sicherheitshalber, vermutlich, wird diese, nennen wir es Verurteilung, gefühlsmäßig abgefedert:
„Unter den zerbrochenen Gegenständen ist das mittelalterliche Kruzifix. Es hat den Bombenangriff auf die Kirche überlebt und stand seit jeher auch als Zeichen der Verletzlichkeit. Nun ist es verletzt, empfindlich sogar und die Gemeinde in ihrer Gastfreundschaft ist es auch... Wie viel Anfechtung und Infragestellung halten wir aus? Welche Antworten haben wir darauf? Wovon lassen wir uns in unseren Antworten leiten?“
Ein wenig Gefühlsexhibitionismus, gefolgt von jetzt aber viel wirklicher Distanzierung: Man flüchtet sich förmlich zu den kuscheligen Geßlerhüten der Gegenwart:
„Es ist erschreckend, mit wie viel Hass und rassistischen Äußerungen Menschen sich zu Wort melden.“ Und wenig später: „Dazu gehört aus unserer Sicht auf jeden Fall eine pauschale Verurteilung einer Volksgruppe, wie es in diesem Zusammenhang durch unseren Landrat in der Darstellung der nnz-online anklingt.“
Man ist also sogar entsetzt über den Fast-Rassismus des Landrats, natürlich nur „fast“, man will ja auch nicht justiziabel werden.
Die ganze Sache hat ihr Gutes, durchaus! Der brave Mann hat beim Zerbrechen des Kruzifix uns gewissermaßen einen Denkanstoß gegeben. Sein Gott sei gepriesen dafür.
„Mit Blick auf den Reformationstag ist auch zu fragen, ob nicht in unseren Vorstellungen und religiösen Vollzügen Gegenstände oder Gewohnheiten herausgeräumt werden müssen, weil sie uns den Blick auf Jesus Christus verstellen.“
Dann treibt man noch ein wenig Voodo-Theologie (übrigens empfiehlt die Rechtschreibprüfung hier als Ersetzung „Konzilstheologie“ (sic!) tatsächlich):
„Eine Kernaussage der Reformation ist: der Mensch ist vor Gott nicht gerechtfertigt durch sein Tun, sondern allein aus Gnade. Nicht die Tat macht den Menschen aus, sondern die Annahme, dass Gottes Gnade in gleicher Weise allen Menschen gilt.“
Voodoo, denn, man benutzt Dinge und macht mit ihnen einen ganz eigenen Zauber. Die Rechtfertigungslehre meint nicht, daß man fröhlich tun dürfe, was immer man wolle, sondern es gibt einen Weg der Rückkehr, nämlich den der Buße usw. Aber das wissen diese Hallodris alles. Es lohnt nicht weiterzureden. Am schönsten ist der Schluß
„Aufmerksam und geduldig, aber auch Grenzen aufzeigend, arbeiten wir an Wegen des Miteinanders in einer pluralen Welt.“
Allein dieser Satz ist semantische Umweltverschmutzung. Eher könnte man einen Tintenfisch festnageln.
Seine Sprache verrät den Menschen: Solange es um Fragen des Glaubens geht, ist sie bei dieser amtskirchenofiziellen Reflexion der unerfreulichen Begebenheit weich, mehrdeutig, rundgeschliffen (damit man auch ja nicht „erwischt“ wird), Eunuchensprache eben. Aber wenn es um das neue „Eigentliche“ geht, da wird sie dann sehr energisch.
Unser einziger Herr und Erlöser Jesus Christus und die allerseligste Gottesmutter mögen uns bewahren und leiten.
wird fortgesetzt,
nachgetragen am 18. November
Samstag, 30. Oktober 2021
Auf Reisen
Dazu wollen wir denn doch etwas sagen.
Als die Alliierten 3 Wochen vor Kriegsende noch eben Potsdam auslöschen wollten, traf es auch die „Alte Post“, einen der schönsten Barockbauten aus der Zeit Friedrich II. (1783 von Georg Christian Unger). Da die Außenmauern stehen blieben, hätte man wieder aufbauen können, aber man wollte nicht.
Das „Haus des Reisens“ zeigte an: Es gibt keine Geschichte, und es tat dies in bemerkenswerter Häßlichkeit, bis auf eine Skulptur, die ein wenig versöhnte und erhalten blieb (die Metallplastik „Flugschiff“ von Peter Rohn verwies auf die Funktion des Hauses, und sie hat überlebt, irgendwo).
Denn auch dieses Gebäude wurde abgerissen, glücklicherweise. Mysteriöserweise gibt es in Potsdam immer noch über die üblichen Parteigrenzen hinweg das Bemühen, die größten Deformierungen des Nachkriegsaufbaus zu heilen. Es kam also zu einem Neubau, nicht so:
Oder so:
Sondern so:
Irgendjemand bei der Berliner Volksbank hatte wohl den Ehrgeiz, möglichst noch einiges an Rekonstruktion zu verhindern und mehr Moderne hineinzudrücken (natürlich nur verschwiemelt und nicht ehrlich erklärt, wie man hier nachlesen kann, oder hier). Egal. Man vergleiche einmal jenes mit diesem:
Da ist jetzt wenigstens Proportion, eine gefällige Fassade und eine Ahnung von Erinnerung. Nicht das pure Grausen der Leere wie zuvor.
Und da der Potsdamer Architekt Christian Wendland noch einiges des zur Vernichtung Vorgesehenen retten konnte, erheben sich wieder Skulpturen über dem Attikageschoß. Ursprünglich die damals bekannten vier Kontinente Europa, Asien Afrika und Amerika, sowie Merkur und Fama darstellend.
Letztlich ist dies eine tröstliche Geschichte. Wenn es doch nur zahlreiche mehr davon gäbe.
nachgetragen am 4. November