Teil I (den man auch auslassen kann) oder
Über Turmgegnertricks
Wenn ein jüngerer Mensch, dessen Gestalt ich nicht nur physiognomisch eher etwas zerfließend in Erinnerung habe, mit triumphierender Miene (die seine kaum zurückhaltbare Überzeugung verriet, gleich sollte ein bombensicheres Argument den Gegner final zerstören) vorträgt: Überhaupt würden hier fast nur alte weiße Männer debattieren, bejubelt von einer Handvoll älterer weißer Damen (die den Großteil seiner durchaus überschaubaren „Peergroup“ ausmachten und wohl aus der Soziokultur überraschend hereingeschneit kamen, einer ihrer Anführer war diesmal vertreten), dann hat man zwar einen dieser neuen Menschen der Jetzt-Zeit erlebt und weiß nun, es gibt sie wirklich und nicht nur in unsäglichen Online-Medien, aber lohnt das eine Erwähnung? Nein.
Dann allerdings wurde mir ein Leserbrief, offenkundig von besagtem Akteur, vor die Füße gespült. Und so hat er das Verdienst, daß ich mich doch noch zur Kontroverse äußern werde, nämlich der um die Neubaubemühungen auf dem Neustrelitzer Schloßberg, genauer das Ringen um den Schloßturm.
Herr André Gross hat auf seinem Strelitzius Blog in bewährter Weise die 7. Schloßbergkonferenz referiert, so daß ich hier keine Lesehilfen dazu präsentieren werde. Im 7. Jahr wurde also öffentlich um das Thema gerungen, was an den Ort des verlorengegangenen Schlosses treten solle. Ich habe hier 2018 einmal meine unmaßgebliche Meinung geäußert. Es ist wahrlich nicht so, daß die Debatte erst gestern begonnen hätte.
Bei der übergroßen Mehrheit der Teilnehmer war deutlich die Ungeduld spürbar, daß angesichts der (noch) bereitstehenden Mittel von Land und Bund endlich begonnen werden müsse und man sich nicht hinter Ausflüchten verbarrikadieren dürfe.
Beindruckt hat mich die Wortmeldung eines alten Neustrelitzers, der von seinen Urgroßeltern berichtete, die noch in der Kaiserzeit aufgewachsen wären und davon erzählten, was für eine vielbesuchte, schöne und belebte Stadt Neustrelitz vor dem letzten Krieg gewesen wäre, voll von Touristen, Cafes und Restaurants. Und diese Lebenshoffnung, daß dies nicht zu Ende sein könne, hat mich berührt und getroffen.
Etwas Böses (was eigentlich) soll also auch in Neustrelitz „durchgepeitscht“ werden (nach vieljähriger öffentlicher Diskussion), angetrieben durch Akteure, die keinerlei lokale Verankerung haben. Wir zitieren noch einmal einen folgenden Bericht des Hern Gross: „Die Stadtvertretung Neustrelitz hat am Abend den von Bürgermeister Andreas Grund eingelegten Widerspruch zu ihrem Schlossturm-Beschluss vom 7. Dezember vergangenen Jahres... zurückgewiesen. 16 Stadtvertreter stellten sich diesmal hinter den Beschluss und damit gegen das Veto des Stadtoberhauptes, fünf schlossen sich dem Beschluss nicht an, drei enthielten sich der Stimme. Damit fiel das Abstimmungsergebnis noch deutlicher aus als bei dem ursprünglichen, von der CDU-Fraktion initiierten Beschluss pro Bauwerk auf dem Schlossberg.“
Keine lokale Verankerung also. Was nicht ist, wie sie sind, existiert nicht. Das Ringen um das Schloß kommt aus der Mitte der Stadt, freundschaftlich unterstützt von Persönlichkeiten wie Wilhelm von Boddien und jetzt auch der „Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte“.
Und jetzt taucht wie ein vagabundierender Eisberg das Demokratieargument auf: Nichts genaues weiß man nicht. Sollte man versehentlich und überraschenderweise etwa doch in der Minderheit sein, beschwört man als letzte Verteidigungslinie die Minoriätsrechte, aha. Demokratisch kann es bisher gar nicht zugegangen sein und öffentlich ist überhaupt nur, was in ihren Konventikeln geschieht.
Mir fehlt die Naivität, um dem „frommen Augenaufschlag“, den ich vor mir förmlich sehe, um dem Appell, es müsse möglich sein „im eher behaglichen Rahmen einer 22.000-Einwohner_innen-Stadt... ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu finden, die alle mitnehmen können“, glauben zu können. Und die Lösung legen wir am besten gleich auf den St. Nimmerleinstag.
Ich erinnere noch einmal an die beiden Berichte des Herrn Gross, einmal den über die Konferenz selbst und dann den über die Stadtvertretung Neustrelitz, die den von Bürgermeister A. Grund eingelegten Widerspruch zu ihrem Schloßturm-Beschluß zurückgewiesen hatte.
Auch zu dem ersten seiner Berichte gab es, wie man dort nachlesen kann, einen Leserbrief von dem erwähnten Absender. Und daraus muß ich doch kurz zitieren. „Hier scheint mir Deine inhaltliche Schlagseite etwas zu stark zu sein.“ duzt er den Herrn Gross fröhlich an. Natürlich hat der um Ausgewogenheit bemühte Bericht eine Schlagseite: Wenn man alles nur noch von links unten zu sehen gewöhnt ist. Aber wie antwortet der so schön:
„Sehr geehrter Herr Rochow,
eigentlich bin ich immer bemüht, keine ‚Schlagseite‘, wie Sie so nett schreiben, in meiner Berichterstattung aufkommen zu lassen. Viele meiner Leser wissen das auch zu schätzen. Sollte es tatsächlich eine ‚Schlagseite“‘in dem Beitrag geben, könnte es sein, dass diese ausnahmsweise beabsichtigt ist. Das Recht dazu dürfte mir als Blogger in jedem Fall zustehen.“
Und um ein wirklich letztes Mal den Leserbriefautor zu zitieren mit seiner wohl nicht unabsichtlichen Vagheit: „Und ob ein Turmneubau in historisierender Art wirklich in der Lage ist, die ästhetischen, identitätsstiftenden und touristischen Ansprüche, die an ihn gestellt werden, zu erfüllen, kann niemand mit Gewissheit sagen.“
Da genügt mir völlig meine eigene Gewißheit, und darüber will ich, diesmal kürzer, im nachfolgenden Teil schreiben.
3 Kommentare:
Etwas zu sehr aufgeblasen diese vielleicht im Kern berechtigte Kritik.
Die Darstellung oder die eigene Person? Nichts liegt mir ferner als letzteres, es ist eine ziemliche Überwindung, so etwas zu schreiben, da muß man schon angpiekt werden. 'Vielleicht berechtigt'? Ich liebe solche Vagheiten.
Was wäre diesem Land geholfen, wenn es wieder um Verlorenes schlicht trauern und nach Schönem unbefangen streben könnte.
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