Sonntag, 6. Januar 2019

Über Epiphanias

Ravenna, Baptisterium der Orthodoxen, Taufe Jesu durch Johannes

In Epiphanias durchdringen sich die göttliche und die menschliche Sphäre. Das Göttliche nimmt Anteil am Menschlichen, das Menschliche gewinnt Anteil am Göttlichen. Zu deutsch ist Epiphanias das Fest der Erscheinung. Es ist das Erscheinen des Herrn. In der Erscheinung Jesu berühren sich das Göttliche und Menschliche. Es ereignet sich die Gestalt-Werdung eines Geheimnisses.

Zu den ältesten Festen der Christenheit gehörend, hat es sich in den Zeiten und Weltgegenden vielgestaltig ausgeformt, ohne doch sein Wesen zu verändern. Um gleich eingangs Benedikt XVI. zu zitieren (aus seiner Ansprache zum 6. Januar 2009):

„Die lateinische Tradition identifiziert es mit dem Besuch der Sterndeuter beim Jesuskind in Betlehem, und sie interpretiert es demzufolge vor allem als Offenbarung des Messias Israels vor den Heidenvölkern. Die orientalische Tradition hingegen gibt dem Augenblick der Taufe Jesu am Fluß Jordan den Vorrang, als er sich als der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters offenbarte, der vom Heiligen Geist gesalbt ist. Das Evangelium des Johannes jedoch lädt dazu ein, auch die Hochzeit von Kana als ‚Epiphanie‘ zu betrachten, bei der Jesus durch die Verwandlung des Wassers in Wein ‚seine Herrlichkeit [offenbarte] und seine Jünger an ihn [glaubten]‘ (Joh 2,11).“

Könige des Ostens, Santa Maria de Mosoll (urspr.)

Im Ursprung war es wohl das Fest der Geburt Jesu. Als die Westkirche begann, dieses am 25. Dezember zu begehen, gerieten die weisen Magier aus dem Osten, später als legendenhafte „Heilige Drei Könige“, in den Blick, und damit verbinden wir dieses Datum mittlerweile noch heute. Der Evangelist Matthäus beschreibt die Ereignisse um die Weisen aus dem Morgenland wie folgt (Kap. 2, 1 -12):

Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen:

Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
Da das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm das ganze Jerusalem.
Und ließ versammeln alle Hohenpriester und Schriftgelehrten unter dem Volk und erforschte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden.

Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem im jüdischen Lande; denn also steht geschrieben durch den Propheten:
"Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Juda's; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei."
Da berief Herodes die Weisen heimlich und erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und wies sie gen Bethlehem und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein; wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, daß ich auch komme und es anbete.

Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis daß er kam und stand oben über, da das Kindlein war.
Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Und Gott befahl ihnen im Traum, daß sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken; und sie zogen durch einen anderen Weg wieder in ihr Land.

El Greco: Die Anbetung der Könige

Es lohnt sich, ein wenig der Frage nachzugehen, welcher Art diese „Magier“ (so werden sie wörtlich im Text genannt) gewesen sein mögen, die den „König der Juden“ suchten und kamen, um ihn anzubeten.

Es gibt die moderne Neigung, hier „nur“ Legenden zu sehen, insbesondere bei dem Typus des neuzeitlichen Menschen, der gern glauben mag, die ganze Bibel sei eine einzige Verschwörung erdachter Geschichten, um ihn zu täuschen. Das ist zwar ein wenig arg narzißtisch gedacht, die antiken Autoren dürften einen solchen Typus mindestens ebenso stark für unglaubhaft gehalten haben, hätte man ihnen diesen prophezeit. Aber wie unplausibel ist die Geschichte?

Die Babylonier kannten die Juden (spätestens seit der sog. „Babylonischen Gefangenschaft“), die gebildeten unter ihnen auch deren prophetische Überlieferungen. Wenn ich mich recht erinnere, glich Babylon selbst zu dieser Zeit eher einem zerfallenden Lehmziegelhaufen. Kaiser Trajan soll jedenfalls wenig mehr als 100 Jahre später dort nur noch Ruinen vorgefunden haben. Die astronomisch-astrologische Überlieferung war aber noch lebendig.

Was tut man, wenn man vermutlich vergangener Größe nachtrauert, nach Zeichen der Hoffnung sucht und zumal das künftige Geschehen aus den göttlichen Sternen zu lesen gewohnt ist. Man kann dann durchaus sogar das Heil bei den fernen Juden suchen. (Übrigens war gerade zur Zeit der Geburt Jesu die Luft geradezu erfüllt von Erwartungen, ich erinnere nur an die 4. Ekloge des römischen Dichters Vergil)

Es ist also eher plausibel, daß Matthäus diese Überlieferung vorgefunden hat und sie nun deuten will, genauer, muß. Was uns nämlich heute aus Gewohnheit so idyllisch erscheint – die Magier mit ihren Gaben, die enthusiastischen Hirten (mit denen Lukas zu kämpfen hat) – sind nicht die idealsten Zeugen für unsere Geschichte.

Hirten etwa waren für die Zeitgenossen unterste Unterschicht mit eher schlechtem Ruf. Und es wird einen frommen Juden auch hart angekommen sein, babylonische „Zauberer“ als Zeugen der Weihnachtsgeschichte nennen zu müssen, aber er hat es, seinem Willen zum Gehorsam folgend, getan. Es hätte nur noch gefehlt, daß mietbare Frauen zu allem getanzt hätten, gut, die kamen später.

Und wie unwahrscheinlich ist es, daß der Apostel eine besonders verläßliche Gewährsfrau für das alles hatte, nämlich die allerseligste Gottesmutter selbst? „(Sie) fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter...“


Doch zu den Magiern noch einmal: Der Hl. Vater hat im 3. Band seines Werkes „Jesus von Nazareth“ über die Geburtsgeschichten einige Bemerkungen gemacht, die sehr erhellend in unserem Zusammenhang sind und die ich daher noch einmal (vorher hier) anbringen möchte:

„Die Ambivalenz des Begriffs Magier, auf die wir hier stoßen, zeigt die Ambivalenz des Religiösen als solchen auf. Es kann Weg zu wahrer Erkenntnis, Weg zu Jesus Christus hin werden. Wo es sich aber angesichts seiner Gegenwart nicht für ihn öffnet, sich gegen den einen Gott und den einen Erlöser stellt, wird es dämonisch und zerstörerisch.“

Die Magier „stehen für die innere Dynamik der Selbstüberschreitung der Religionen, die eine Suche nach Wahrheit, Suche nach dem wahren Gott und so zugleich Philosophie im ursprünglichen Sinn des Wortes ist. So heilt die Weisheit auch die Botschaft der 'Wissenschaft'“. Im Verstehen-Wollen des Ganzen erfährt die Vernunft ihre höchsten Möglichkeiten.

Wir folgen weiter den Worten Benedikt XVI. (diesmal aus seiner Ansprache zum 6. Januar 2012), in denen er das Geschehen einmal beschreibt und es sogleich mitdeutet, wie könnte es auch anders sein:

„Die Sachkundigen sagen uns, daß sie in der großen astronomischen Tradition standen, die sich im Zwei-Strom-Land über die Jahrhunderte hin gebildet hatte und dort noch immer blühte. Aber diese Auskunft allein genügt nicht. Es gab wohl viele Sternkundige im alten Babylon, aber nur diese wenigen sind aufgebrochen und dem Stern nachgegangen, den sie als Stern der Verheißung, als Wegweiser zum wahren König und Retter erkannten. Es waren, so dürfen wir sagen, Männer der Wissenschaft, aber solche, die nicht nur vielerlei wissen wollten: Sie wollten mehr. Sie wollten verstehen, worum es im Menschsein geht.“

Er mutmaßt dann, daß sie die Prophezeiung Bileams gekannt haben könnten (Num 24,17): „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn aber nicht von nahe. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen.“

„Sie gingen der Verheißung nach. Sie waren Menschen des unruhigen Herzens, die sich nicht mit dem Vordergründigen und Gewöhnlichen begnügten. Sie waren Menschen auf der Suche nach der Verheißung, auf der Suche nach Gott. Und sie waren wache Menschen, die die Zeichen Gottes, seine leise und eindringliche Sprache wahrzunehmen vermochten. Aber sie waren auch mutige und zugleich demütige Menschen: Wir können uns vorstellen, daß sie manchen Spott ertragen mußten, weil sie sich auf den Weg zum König der Juden machten und dafür viel Mühsal auf sich nahmen.“

„Ihnen ging es um die Wahrheit selbst, nicht um die Meinung der Menschen. Dafür nahmen sie die Verzichte und Mühen eines langen und ungewissen Weges auf sich. Ihr demütiger Mut war es, der ihnen schenkte, sich beugen zu können vor dem Kind armer Leute und in ihm den verheißenen König zu erkennen, den zu suchen und den zu kennen das Ziel ihres äußeren und inneren Weges gewesen war.“

„Die Weisen sind dem Stern gefolgt. Durch die Sprache der Schöpfung haben sie den Gott der Geschichte gefunden. Freilich – die Sprache der Schöpfung allein genügt nicht. Erst das Wort Gottes, das in der Heiligen Schrift uns begegnet, vermochte ihnen endgültig den Weg zu zeigen. Schöpfung und Schrift, Vernunft und Glaube gehören zusammen, um uns bis zum lebendigen Gott hinzuführen. Es ist viel diskutiert worden, was das für ein Stern gewesen ist, der die Weisen führte.“ Doch welcher Art dieser Stern gewesen sein mag: „Diesen Streit mögen die Gelehrten weiterführen.“

Die Weisen aus dem Morgenland seien „allmählich selbst zu Sternbildern Gottes geworden, die uns den Weg zeigen. In all diesen Menschen hat gleichsam die Berührung mit Gottes Wort eine Explosion des Lichtes ausgelöst, durch die der Glanz Gottes in diese unsere Welt hineinleuchtet und uns den Weg zeigt. Die Heiligen sind Sterne Gottes, von denen wir uns führen lassen zu dem hin, nach dem unser Wesen fragt.“

Das Licht vom Gold der Gaben, in das schon das Evangelium dieses Ereignis taucht, ist also keine spätere mythische Verklärung, sondern all das suchende, angefochtene und zwiespältige Menschentum wird hier hineingehoben in den Glanz der Transzendenz, so daß zu Recht ein goldenes Licht auf allem liegt.

Kein Wunder, daß die dem König Huldigten, in den Augen der Späteren selbst zu Königen wurden. So wie jeder Anbetende des Kindes in der Krippe Teil haben darf am Königtum Christi.


nachgetragen in der Nacht nach dem 1. Sonntag nach Epiphanias

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