Dienstag, 1. Januar 2019

Unterhaltsames zum Neuen Jahr

Das mag seltsam klingen, aber, offen gestanden, vergesse ich in der Regel, daß das hier außer mir jemand liest. Und selbst, wenn einer es direkt einräumt, erschrecke ich eher, es fügt sich einfach nicht zum Bild zusammen (mit wenigen Ausnahmen bei bestimmten Themen). Aber eben dachte ich daran, deshalb erst einmal:

Ein Gesegnetes Neues Jahr! 

Möge es in allen Wechselfällen stets einen glücklichen Ausgang nehmen.

Pierre Bouillon: L'Enfant et la Fortune
1800 / 1831, hier gefunden

Wie faßt Herr Klonovsky wieder das Übel der gegenwärtigen abendländischen Welt so trefflich zusammen – Wahngesteuerte, Weibmänner und perverse Anwälte. Wie auch immer. Aber keine Sorge. So gallig - eloquent wie er kann ich gar nicht über das Elend des Zeitalters urteilen, also lasse ich es lieber ganz.

Ferner widerstrebt es mir zum Glück, meine Gemütsverfassung öffentlich auszubreiten. Nicht, daß ich an der gegenwärtig etwas auszusetzen hätte. Aber wenn man von einem ausgehen kann, dann von der Wechselhaftigkeit des menschlichen Gemüts. Und die illustrieren wir doch lieber mit fremden Beispielen.

Eigentlich will ich nur 4 Sachen loswerden (damit der Stapel offener Bücher kleiner wird), von denen ich jedes Mal dachte: ‚Das paßt zu Neujahr, das ist unterhaltsam‘. Und wenn ich eines noch versichern darf, die erste Situation ist derart zeitlos. Ich habe sie, glücklicherweise nicht so drastisch, ähnlich vor langer Zeit einmal erlebt.

Es gibt gute Gründe, Heines Sarkasmus nicht immer zu mögen, aber unterhaltsam ist er in der Regel. Die Dame unten himmelt allerdings nicht den Sonnenuntergang an. Es ist Miranda aus Shakespeares „Sturm“, die sich für einen Schiffsbruch interessiert.

Einen solchen im übertragenen Sinne erlebt nachfolgende Gesellschaft. Und zum 4. Stück, dem Barockgedicht von Johann Gottlieb Meister (er starb 1699 in Leipzig), wäre nur anzumerken: Auch die Postmoderne ist offenkundig ein ziemlich alter mottiger Hut, was für eine Überraschung!

Lovis Corinth: Alfred Kerr, 1907

Alfred Kerr

Die Schiffsgesellschaft 

I

Eine deutsche Schiffsgesellschaft mit Geheimräten und Regierungsräten und Bürgern aus Hamburg und Dresden kam einst (ich hatte das vormittägliche Glück dabeizusein) in ein afrikanisch-andalusisches Wirtshaus. Für kurze Zeit hatte das Schiff angelegt. Man wollte Tänze sehn.
Harmlose Frage des Wirts: „Sollen die Mädchen tanzen wie gewöhnlich?“
Harmloser Bescheid: “Ja, wie gewöhnlich.“ Etwas Furchtbares ereignete sich. Alle zehn tanzten und hatten bloß schwarze Strümpfe an.

II

Die Rätinnen saßen gelähmt. (Schlange. Basilisk.) Rührten kein Glied vor Starrheit. Die Ritter schauten mutig drein und in den Schoß der Schönen. Nachher, o Gipfel, stieg eine Spanierin vom Tritt und ging mit dem Teller sammeln. Die Spannung löste sich. Zwei Damen stürzten davon. Doch ein uralter Herr mit weißem Affenbart und rotem Gesicht, ähnlich wie Sokrates oder Darwin, im Bayrisch-Fränkischen zu Haus, gab der Sammlerin lächelnd auf den Popo einen Klapps, daß es schallte.

III

Des nächsten Tages ging ein Regierungsrat unter der Schiffsgesellschaft herum und bat in angemessener Haltung, das „peinliche Thema“ im Gespräch „selbstverständlich“ nicht zu berühren…
Das Ganze bleibt einer von jenen Zwischenfällen, an die man sich noch im Sarg erinnert. Die frische Märzenmeersonne des Südens lag über allem. Der Tag lachte.

Hier paßt ein Einwand von:

Georg Christoph Lichtenberg

Luther sagt bekanntlich:

Wer nicht liebt Wein und Weiber und Gesang,
Der bleibt ein Narr sein Leben lang.

Doch muß man hierbei nicht vergessen hinzuzusetzen:

Doch ist, daß er ein Freund von Weibern, Sang und Krug ist,
Noch kein Beweis, daß er deswegen klug ist.

W. Voigt, 1873

Allerdings ist auch dieses Lutherzitat eines der wohl erfundenen. Es findet sich bei ihm schlicht nicht, vermutlich hat es dem Reformator Johann Heinrich Voß untergeschoben, was diesem jedenfalls die Hamburger Hauptpastoren recht übel nahmen. Geistliche können sehr humorfrei sein.

Heinrich Heine

Das Fräulein stand am Meere

Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang,
Es rührte sie so sehre
Der Sonnenuntergang.

Mein Fräulein! sein Sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.

John William Waterhouse Miranda - The Tempest, 1916

Johann Gottlieb Meister

Ego cogito ergo sum

Ich dencke / drum bin ich / ließ uns des Cartes lesen /
Mops merckte dieses an / und dachte vielerley:
Daß er gelehrt / beliebt / groß / reich und schöne sey:
Denn hätt’ ers nicht gedacht / so wär ers nicht gewesen.

Edward Burne-Jones: The Wheel of Fortune
zwischen 1875 und 1883, hier gefunden

nachgetragen am 2. Januar

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ihnen ebenfalls ein gutes, gesundes und Gesegnetes Neues Jahr!

MartininBroda hat gesagt…

Gern erwidere ich diese Wünsche, und auch, wenn sie hier anonym geäußert sind, werden die meinigen doch den Weg zurück finden. Dessen bin ich mir sicher. Also nochmals besten Dank.