Beim Anschauen mancher Gebäude fühlt man sich unweigerlich an eine bekannte Erfahrung erinnert. Solange der Nebel des Vagen vorherrscht und schont, mag es die Phantasie entzünden, Wohlwollen erwecken, aber wehe, die harten Strahlen der klaren Sonne treffen darauf. Sogleich schreckt man zurück.
So ist es leider auch mit dem gegenwärtigen Zustand unseres Carolinenpalais an der Promenade. Manche wollen ihm sogar seine Architektur bekritteln. Derjenige schaue einfach auf die gegenüber liegende Seite. Danach sollte alle Kritik verstummen.
Wenn man sich zum ersten Bild etwas Nebel hinzudenkt, ahnt man vielleicht, was ich meine. Und so man dann beim Wechsel vom 3. zum 4. Bild (sie sind sämtlich, wie man leicht sieht, zu verschiedenen Zeiten aufgenommen) den seit Anfang März fehlenden rechten Arm der Hera bemerkt, ist die Stimmung bereits in einer beschleunigten Abwärtsbewegung, bis man sich nach den “rückwärtigen“ Aufnahmen nur noch mit Grausen abwenden möchte, vor soviel atemberaubender Schäbigkeit
Außenstellen Schweriner Landesbehörden sitzen darin. Doch das ist nur die Gegenwart. Interessanter ist, wie oft, das Vergangene.
Wie schreibt man über häßlich Gemachtes? Beschönigend? Wehklagend? Indem man ungedeckte Hoffnungswechsel verteilt? Gar nicht? Ich gestehe, ich hatte mich länger für letzteres entschieden und diesen Beitrag vor mir hergeschoben.
Der Anstoß kam bei der abgeschlossenen Wiederherstellung des Schloßgartens, als man erfreulicherweise darauf verweisen konnte: Ja, auch die Sanierung der Orangerie steht unmittelbar bevor und die Pläne wirken hoffnungserweckend. Aber die andere Seite!
Mitunter jedoch und unerwartet „kommt von irgendwo ein Lichtlein her“... Herr Rehberg berichtete kürzlich in Berlin von einer neuen Bundesstiftung zur Förderung des Ehrenamtes, die schon im kommenden Jahr in Neustrelitz ihren Sitz nehmen könnte! Und Frau Schweswig aus Schwerin ließ verlauten, als Sitz der Stiftung komme das dortige Carolinenpalais mit dem dazugehörigem historischen Kutscherhaus in Frage.
Mittlerweile mußte ich mich aufklären lassen, welche praktischen Schwierigkeiten dem im Wege stünden. Aber bevor wir denn doch noch historisch werden, enden wir hier einfach mit dem Ausdruck naivster Hoffnung. Und was wäre dafür geeigneter als ein (von mir leicht abgeschliffener) Poesiealbumvers?
Und wenn Du glaubst, es geht nicht mehr,
kommt irgendwo ein Lichtlein her,
daß Du es endlich wieder zwingst,
von Sonnenschein und Freude singst;
und trägst des Tages harte Last,
da Glaubensmut Du wieder hast!
Es gehört nicht hierher, ist aus einer anderen Zeit und von einem anderen Ort. Doch wir benötigen kurz etwas Erholung für die Augen.
François Boucher, Der Raub Europas, 1747
So. Jetzt ist es besser. Das englisch-romantische Carolinen-Palais von 1850 heißt nach der Herzogin Caroline, geschiedene Kronprinzessin von Dänemark. Dieser Zustand dürfte so unerquicklich gewesen sein, wie er sich anhört. Und es wird ihr auch kein wahrer Trost gewesen sein, daß das weiter affärenreiche Treiben des späteren Friedrich VII. von Dänemark, wie sollen wir es sagen, eher fruchtlos blieb.
Ihr Vater, der Großherzog Georg grüßt gewissermaßen huldvoll und zeitlos aus der Nähe. Und sie selbst hat sich von ihrem scheinbar ausweglosen Schicksal nicht niederdrücken lassen. Wir haben hier kürzlich daran erinnert, daß das Carolinenstift, lange Zeit Krankenhaus und damals ein hervorragendes dazu, auf sie zurückgeht. Es gäbe noch einiges von ihr zu erzählen.
Doch dies muß endlich einmal fertig werden und ich wollte doch eigentlich sowieso nur noch auf Helene von Krause verweisen, die so zu Herzen gehend über sie zu schreiben wußte. Nicht immer ist sie detail-, aber immer gefühlsfest. Mitunter überkommt mich daher dabei fast der Eindruck, sie habe von mir abgeschrieben. Nun ja.
„Fast hundert Jahre später entstand an Stelle der Pfarrwohnung das kleine Palais, das in der Folge, als es der jetzige Großherzog bezog, noch erweitert wurde. Er wohnte hier, bis das neue Schloß fertig war. Ursprünglich aber wurde es für die Herzogin Caroline erbaut. Manchem alten Strelitzer wird das Herz noch warm bei dem Namen. Eine selten gewordene Büste, deren Original sich im Schlosse befindet, stellt diese Tochter Großherzog Georgs, geboren am 10. Januar 1821, im ganzen Reiz eben entfalteter Schönheit dar, das Köpfchen mit dem lieblichen Oval und den regelmäßigen Zügen ein wenig unter einem leichten Kranze geneigt, der auf dem lose herabfallenden, etwas gelockten Haar liegt.
Große Hoffnungen knüpfte man an diese reizende Prinzessin; eine Kaiser- oder Königskrone, meinte man, müßte dies Haupt schmücken, aber es sollte eine Dornenkrone tragen; der Kronprinz von Dänemark... stellte sich als Bewerber ein. Manche Bedenken drängten sich auf. Seine Erziehung war vernachlässigt, er war geistigen Getränken zugetan und von seiner ersten Gemahlin geschieden. Aber Königskronen haben einen eigenen Glanz, und er liebte die reizende Prinzessin wirklich, war auch im Grunde ein gutmütiger Herr. Eine Hochzeit in großem Stile wurde gefeiert.
Man hielt es für ein böses Omen, dass ein Arbeiter beim Bau des Festsaales verunglückte. Auch bei dem im romantischen Geschmack der Zeit veranstalteten großartigen Turnier adliger Herren brach einer der Ritter ein Bein und starb an den Folgen. Bei der Trauung wollten viele Leute das „Ja!“ der bleichen Braut nicht gehört haben. So zog sie über das Meer, um schon nach wenigen Jahren, an Leib und Seele gebrochen, heimzukehren. Die Dänen wollten die holde Prinzessin gern behalten, aber die langen Verhandlungen endeten dennoch mit der Scheidung. Kinder, die sie hätten an die neue Heimat fesseln können, hatte sie nicht. Geknickt war ihr Leben, aber sie suchte und fand Halt in ihrem Gott und Heiland, der sie wieder aufrichtete.
Sie wurde der gute Engel für Arme und Kranke. Unfern des Seeufers gründete und erbaute sie das Diakonissenkrankenhaus, das Karolinenstift, das noch heute, zu sehr stattlicher Größe angewachsen, dem ganzen Lande eine Wohltat, den Armen und Kranken aller Stände eine Zufluchtsstätte ist. Wer die bis an ihr Ende anmutige Prinzessin gekannt hat, wird sich erinnern, wie ihre reine und aufrichtige Herzensgüte ihr die Liebe aller gewann, die sich ihr nähern durften. An ihrem Sarge hat ein kleiner Kranz, den ein armes Kind herzutrug, sie wohl mehr geehrt, als die kostbaren Blumenspenden gekrönter Häupter.“
nachgetragen am 30. September